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19 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. IX ZR 118/07
  5. Verkündet am:
  6. 10. Juli 2008
  7. Preuß
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. InsO § 60 Abs. 1; BGB § 280; ZPO § 850c; SGB I § 52 Abs. 1
  19. a) Hat die Sozialversicherung nach § 52 Abs. 1 SGB I eine insolvenzrechtlich
  20. unzulässige Verrechnung vorgenommen, die sich auf das massefreie Vermögen des Schuldners bezieht, ist der Insolvenzverwalter oder der Treuhänder im Restschuldbefreiungsverfahren nicht verpflichtet, hiergegen vorzugehen.
  21. b) Zieht der Insolvenzverwalter oder Treuhänder im Restschuldbefreiungsverfahren unpfändbare Versorgungsbezüge des Schuldners ein, die dieser teilweise für sich beansprucht, weil das an ihn ausgezahlte Einkommen aus anderen Einkommensquellen unterhalb der Pfändungsgrenze liegt, muss der
  22. Verwalter oder Treuhänder dafür Sorge tragen, dass dem Schuldner jedenfalls ein Beitrag in Höhe der Pfändungsgrenze verbleibt.
  23. -2BGH, Urteil vom 10. Juli 2008 - IX ZR 118/07 - LG Würzburg
  24. AG Würzburg
  25. -3-
  26. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  27. vom 10. Juli 2008 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter, die Richter Raebel, Prof. Dr. Kayser, Prof. Dr. Gehrlein und Dr. Pape
  28. für Recht erkannt:
  29. Die Revision gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Würzburg vom 27. Juni 2007 wird auf Kosten des Beklagten
  30. zurückgewiesen.
  31. Von Rechts wegen
  32. Tatbestand:
  33. 1
  34. Die Klägerin bezieht eine Witwenrente der Deutschen Rentenversicherung Bund (vormals BfA; fortan: Rentenversicherung), Leistungen der Landwirtschaftlichen Sozialversicherung (fortan: LSV) sowie Arbeitslohn aus einer geringfügigen Beschäftigung. Für sich genommen liegen die Bezüge jeweils unterhalb der Pfändungsgrenze für Arbeitseinkommen gemäß § 850c ZPO. Die
  35. Witwenrente wird der Klägerin nicht in voller Höhe ausgezahlt. Ein Teilbetrag
  36. wird von der Rentenversicherung mit Ermächtigung der AOK Ost-WestfalenLippe (fortan: AOK) mit Verbindlichkeiten der Klägerin gegenüber der AOK verrechnet (vgl. § 52 SGB I).
  37. 2
  38. Am 15. April 2002 trat die Schuldnerin im Zusammenhang mit dem von
  39. ihr beantragten Insolvenzverfahren ihre pfändbaren Bezüge für die Zeit von
  40. -4-
  41. sechs Jahren nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens an einen vom Gericht zu
  42. bestimmenden Treuhänder ab. Das Insolvenzverfahren wurde am 22. April
  43. 2002 eröffnet; der Beklagte wurde zum Insolvenzverwalter bestellt. Am
  44. 7. Oktober 2003 kündigte das Insolvenzgericht die Erteilung der Restschuldbefreiung an und bestimmte den Beklagten zum Treuhänder. Durch Beschluss
  45. vom 29. Januar 2004 hob es das Insolvenzverfahren auf und ordnete an, dass
  46. der Schuldnerin Restschuldbefreiung gewährt werde, wenn sie für die Zeit von
  47. fünf Jahren ab dem 22. April 2002 ihre Obliegenheiten erfülle und Versagungsgründe nicht wirksam geltend gemacht würden.
  48. 3
  49. Der Beklagte vereinnahmte die Zahlungen der LSV; die übrigen Einkünfte flossen an die Klägerin. Die Summe der um den Verrechnungsbetrag gekürzten Witwenrente und des Arbeitslohns lag durchgängig unterhalb der Pfändungsgrenze. In der Zeit von Oktober 2003 bis März 2005 belief sich die Differenz auf insgesamt 1.549,22 €.
  50. 4
  51. Die Klägerin verlangt von dem Beklagten persönlich die Zahlung des Differenzbetrages sowie die Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet sei, ihr die
  52. monatliche Differenz zwischen dem pfandfreien Betrag und der Summe ihrer
  53. tatsächlichen Einkünfte ab dem 1. April 2005 auszuzahlen. Das Amtsgericht hat
  54. die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung.
  55. -5-
  56. Entscheidungsgründe:
  57. 5
  58. Die Revision hat im Ergebnis keinen Erfolg.
  59. I.
  60. 6
  61. Das Berufungsgericht meint, der Beklagte habe seine Pflichten als Treuhänder schuldhaft verletzt und hafte der Klägerin aus § 280 BGB auf Schadensersatz. Er habe bei der Berechnung der Pfändungsfreigrenze die Klägerin
  62. nicht so stellen dürfen, als habe sie die Witwenrente in voller Höhe erhalten. Die
  63. Verrechnung gemäß § 52 SGB I sei von ihm nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin angreifbar gewesen, weil sie von
  64. § 114 Abs. 2 Satz 1 InsO nicht gedeckt gewesen sei. Die insolvenzrechtlich unzulässige Vorwegbefriedigung eines Insolvenzgläubigers durch Verrechnung
  65. könne jedoch nicht zu Lasten des Insolvenzschuldners gehen, weil mit ihr "faktisch" die Pfändungsfreigrenze unterlaufen werde. Der Insolvenzverwalter oder
  66. Treuhänder habe vielmehr darauf zu achten, dass sämtliche Vermögenspositionen, die dem Schuldner zuständen, den Schuldner oder den Verwalter oder
  67. Treuhänder tatsächlich auch erreichten. Bei Zahlungsverzug oder Minderleistung müsse der Treuhänder auf eine ordnungsgemäße Erfüllung hinwirken.
  68. Diese Pflicht habe der Beklagte verletzt, weil er nach der Verfahrenseröffnung
  69. keine Schritte unternommen habe, um die Verrechnungspraxis der AOK zu beenden. Das schuldhafte Unterlassen beziehe sich auch auf pfändbare Ansprüche der Klägerin und mithin auf den Gegenstand der Abtretungserklärung gemäß § 287 Abs. 2 InsO. Aus der Summe der festgestellten, tatsächlich gegebenen Einkünfte ergebe sich nach Abzug der Pfändungsfreigrenze der Betrag, der
  70. -6-
  71. den Gläubigern jeweils zur Verfügung zu stellen sei. Bei ordnungsgemäßer Tätigkeit des Beklagten wäre die Verrechnung unterblieben.
  72. II.
  73. 7
  74. Diese Ausführungen tragen die Verurteilung des persönlich auf Schadensersatz in Anspruch genommenen Beklagten nicht.
  75. 8
  76. 1. Der dem Beklagten zur Last gelegte Pflichtenverstoß, einerseits gegen
  77. die Vorwegbefriedigung der AOK im Wege der Verrechnung durch die von der
  78. Krankenkasse hierzu ermächtigte Rentenversicherung nicht vorgegangen zu
  79. sein, andererseits aber die Bezüge der Klägerin nicht aus Mitteln der LSV aufgefüllt zu haben, betrifft zunächst den Zeitraum des eröffneten Insolvenzverfahrens ab Oktober 2003. Zu diesem Zeitpunkt war der Beklagte noch zum Verwalter über das Vermögen der Klägerin bestellt. Nach dem insoweit unmittelbar
  80. einschlägigen § 60 Abs. 1 Satz 1 InsO war er allen Beteiligten des Insolvenzverfahrens zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er schuldhaft die Pflichten
  81. verletzte, die ihm nach der Insolvenzordnung oblagen.
  82. 9
  83. a) Die Vorschrift des § 60 InsO sanktioniert die Verletzung solcher Pflichten, die dem Insolvenzverwalter in dieser Eigenschaft nach den Vorschriften der
  84. Insolvenzordnung obliegen.
  85. 10
  86. aa) Dazu gehören nicht solche Pflichten, die ihn wie jeden Vertreter fremder Interessen gegenüber Dritten treffen. Nicht insolvenzspezifisch sind außerdem im Allgemeinen Pflichten, die dem Insolvenzverwalter als Verhandlungsoder Vertragspartner eines Dritten auferlegt sind. Eine Haftung nach § 60 InsO
  87. -7-
  88. kann nur dann begründet sein, wenn diesem Dritten gegenüber besondere, insolvenzspezifische Pflichten bestehen, deren Erfüllung durch die Verletzung der
  89. anderen Pflichten gefährdet wird (BGH, Urt. v. 25. Januar 2007 - IX ZR 216/05,
  90. ZIP 2007, 539 f Rn. 7; v. 24. Januar 2008 - IX ZR 201/06, ZIP 2008, 608 f
  91. Rn. 12).
  92. bb) Der Schuldner ist Beteiligter im Sinne des § 60 Abs. 1 InsO (BGHZ
  93. 11
  94. 74, 316, 319; BGH, Urt. v. 22. Januar 1995 - VI ZR 131/83, ZIP 1985, 423, 425,
  95. zur KO; Jaeger/Gerhardt, InsO § 60 Rn. 81; MünchKomm-InsO/Brandes,
  96. 2. Aufl. §§ 60, 61 Rn. 65; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 60 Rn. 12). Der Verwalter haftet ihm auf Schadensersatz, wenn er ihm durch die Verletzung insolvenzspezifischer Pflichten einen Einzelschaden zufügt. Dies wird unter anderem für
  97. den Fall angenommen, dass er über das Vermögen des Schuldners verfügt,
  98. welches nicht der Zwangsvollstreckung unterliegt (MünchKomm-InsO/Brandes,
  99. aaO §§ 60, 61 Rn. 65); insoweit verstößt er gegen seine Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Verfahrensabwicklung (vgl. Uhlenbruck, aaO § 60 Rn. 12). Die
  100. handels- und steuerrechtlichen Pflichten zur Buchführung und Rechnungslegung (§ 155 Abs. 1 Satz 2 InsO) obliegen dem Insolvenzverwalter auch gegenüber dem Schuldner (BGHZ 74, 316, 318 f). Deshalb ist der Verwalter diesem
  101. gegenüber verpflichtet, einen ihm zugegangenen Steuerbescheid, der die Masse betrifft, auf seine Richtigkeit zu überprüfen und Einspruch einzulegen, falls er
  102. auf falschen Voraussetzungen beruht (vgl. MünchKomm-InsO/Brandes, aaO
  103. §§ 60, 61 Rn. 65). Dagegen gehört es nicht zu den insolvenzspezifischen
  104. Pflichten des Insolvenzverwalters, dem Schuldner außerhalb der Verwertung
  105. der Insolvenzmasse Vorteile, zum Beispiel Steuervorteile (vgl. Uhlenbruck, aaO
  106. § 60 Rn. 12), zu verschaffen oder dessen Interessen bei der Durchsetzung
  107. nicht insolvenzbefangener Ansprüche gegenüber Drittschuldnern wahrzunehmen.
  108. -8-
  109. b) In Anwendung dieser Grundsätze trifft den Beklagten keine Verantwor-
  110. 12
  111. tung dafür, dass die Rentenversicherung ihre auf § 52 SGB I gestützte Verrechnungspraxis über den Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung hinaus fortgesetzt
  112. hat.
  113. 13
  114. aa) Die Verrechnung bezieht sich auf Bezüge, die gemäß § 850 Abs. 2
  115. ZPO als Arbeitseinkommen zu behandeln sind (vgl. Hk-ZPO/Kemper, 2. Aufl.
  116. § 850 Rn. 6; Musielak/Becker, ZPO 6. Aufl. § 850 Rn. 10; Zöller/Stöber, ZPO
  117. 26. Aufl. § 850 Rn. 8). Dieses gehört nach § 36 Abs. 1 Satz 1 InsO nur insoweit
  118. zur Insolvenzmasse, als es der Einzelzwangsvollstreckung unterliegt.
  119. 14
  120. (1) Aufgrund der Verweisung in § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO sind hierfür unter
  121. anderem §§ 850c, 850e Nr. 2a ZPO maßgeblich. Danach war die Witwenrente
  122. in dem von der Klage erfassten Zeitraum durchgängig unpfändbar. Nach den
  123. nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts belief sich der monatliche
  124. Rentenanspruch zu keinem Zeitpunkt auf mehr als 844,37 €; unpfändbar nach
  125. § 850c Abs. 1 Satz 1 ZPO waren demgegenüber bis zum 30. Juni 2005 monatlich 930 €, danach 985,15 € (vgl. Pfändungsfreigrenzenverordnung vom
  126. 25. Februar 2005, BGBl. I S. 493). Verfügt der Schuldner über Bezüge mehrerer Drittschuldner, so kommt er - ohne gegenläufige gerichtliche Anordnungen für jedes Einkommen in den Genuss der Pfändungsfreibeträge (BGH, Urt. v.
  127. 13. Mai 1997 - IX ZR 246/96, WM 1997, 1243, 1244; Stein/Jonas/Brehm, ZPO
  128. 22. Aufl. § 850e Rn. 20 f; Musielak/Becker, aaO § 850e Rn. 9). Es obliegt dem
  129. Insolvenzverwalter, nach § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 850e Nr. 2, Nr. 2a ZPO
  130. beim Insolvenzgericht (§ 36 Abs. 4 InsO) eine Zusammenrechnung der Einkünfte oder Sozialleistungen (vgl. § 54 Abs. 4 SGB I) zu beantragen und so den Insolvenzbeschlag zu erweitern (vgl. BT-Drucks. 14/6468 S. 17; Holzer in Küb-
  131. -9-
  132. ler/Prütting, InsO § 36 Rn. 28d; Jaeger/Henckel, aaO § 36 Rn. 15). Der Beschluss des Insolvenzgerichts hat die Höhe des Gesamteinkommens anzugeben und unter Berücksichtigung des § 850e Nr. 2 Satz 2, Nr. 2a Satz 2
  133. ZPO anzuordnen, aus welchem Einkommen der unpfändbare Grundbetrag zu
  134. entnehmen ist (vgl. Steder ZIP 1999, 1874, 1877). Ein solcher Beschluss ist
  135. vorliegend nicht ergangen. Demgemäß ist der Insolvenzbeschlag nicht erweitert
  136. worden.
  137. 15
  138. (2) Soweit die Witwenrente zur Auszahlung gelangt ist, hat der Beklagte
  139. nicht über Vermögen der Schuldnerin verfügt, welches der Zwangsvollstreckung
  140. nicht unterlag. Die Rentenzahlungen sind an die Klägerin persönlich geleistet
  141. worden. Nach den Feststellungen des Landgerichts hat diese allerdings im Oktober 2003 auf Anforderung des Beklagten einen Betrag von 146,24 € in die
  142. Masse gezahlt, der sich nach einer Vergleichsberechnung des Verwalters für
  143. den Zeitraum bis einschließlich September 2003 zugunsten der Masse ergab.
  144. Die Rückforderung dieser Leistung war Gegenstand der in erster Instanz angekündigten Klage, die sich im Falle der Gewährung von Prozesskostenhilfe auf
  145. einen Zeitraum ab Mai 2002 beziehen sollte. Nach Versagung der Prozesskostenhilfe für den Abrechnungszeitraum bis einschließlich September 2003 ist
  146. Klage nur für die Folgezeit ab Oktober 2003 erhoben worden. Der von dem Beklagten möglicherweise zu Unrecht zur Masse gezogene Betrag ist deshalb
  147. nicht Streitgegenstand.
  148. 16
  149. bb) Der Beklagte war auch nicht verpflichtet, hinsichtlich der im Wege der
  150. Verrechnung getilgten "Spitze" des Anspruchs auf Witwenrente gegenüber der
  151. Rentenversicherung auf eine ordnungsgemäße Erfüllung hinzuwirken. Der
  152. durch Verrechnung getilgte Teil des Rentenanspruchs betraf ebenfalls das
  153. massefreie Vermögen der Schuldnerin, für dessen Realisierung der Insolvenz-
  154. - 10 -
  155. verwalter grundsätzlich keine Verantwortung trägt. Nach den Feststellungen ist
  156. offen, ob die Rentenversicherung nach §§ 52, 51 Abs. 1, § 54 Abs. 4 SGB I oder aber nach §§ 52, 51 Abs. 2 SGB I gegen die Witwenrente verrechnet hat.
  157. Darauf kommt es für das Insolvenzverfahren auch nicht entscheidend an; in
  158. beiden Fällen ist der Beklagte der Klägerin nicht zum Schadensersatz verpflichtet.
  159. 17
  160. (1) Sofern und soweit die Rentenversicherung nach § 51 Abs. 2 SGB I
  161. eine Verrechnung mit zu Unrecht erbrachten Sozialleistungen vorgenommen
  162. hat, sind die der AOK zu erstattenden Sozialleistungen aus dem freien Vermögen der Klägerin erbracht worden. Der Insolvenzverwalter war in dieses Rechtsverhältnis nicht eingebunden (vgl. § 96 Abs. 1 Nr. 4 InsO) und hat sich deshalb
  163. von vornherein nicht schadensersatzpflichtig gemacht, wenn er insoweit nicht
  164. tätig geworden ist.
  165. 18
  166. (2) Sofern und soweit die Rentenversicherung nach § 51 Abs. 1, § 54
  167. Abs. 4 SGB I verrechnet hat, war diese Verrechnung - in den von § 114 Abs. 2
  168. InsO gezogenen zeitlichen Grenzen - als solche wirksam (vgl. BGH, Beschl. v.
  169. 29. Mai 2008 - IX ZB 51/07, Rn. 10 ff, zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ;
  170. BSGE 92, 1, 4 Rn. 9 f). Eine Schadensersatzpflicht des Beklagten besteht
  171. schon deshalb nicht. Darüber hinaus könnte die Verrechnung allenfalls dann in
  172. entsprechender Anwendung des § 96 Abs. 1 InsO unwirksam sein, wenn sie
  173. nicht durch Verwaltungsakt (§ 31 SGB X) erklärt worden sein sollte (vgl. BSGE
  174. 92, 1, 3 Rn. 6). Ein Verwaltungsakt hätte hingegen durch eine vor den Sozialgerichten zu erhebende Anfechtungsklage beseitigt werden müssen. In welcher
  175. verfahrensrechtlichen Form die Rentenversicherung gegen die Witwenrente
  176. verrechnet worden ist, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt; die Parteien
  177. haben hierzu nicht vorgetragen. Überdies wäre der Beklagte der Klägerin selbst
  178. - 11 -
  179. dann nicht zum Schadensersatz verpflichtet, wenn die Verrechnung unwirksam
  180. oder bei Verfahrenseröffnung noch anfechtbar gewesen wäre. Der Insolvenzverwalter ist nicht verpflichtet, im Interesse des Insolvenzschuldners dessen
  181. unpfändbares, vom Insolvenzbeschlag nicht erfasstes Vermögen durch die fristwahrende Anfechtung von Bescheiden zu sichern.
  182. 19
  183. 2. Die Vorschrift des § 114 Abs. 2 Satz 1 InsO verweist auf den in Absatz 1 der Vorschrift bezeichneten Zeitraum. Danach beschränkt sich das durch
  184. § 114 Abs. 2 Satz 1 InsO gewährte Aufrechnungsprivileg auf Bezüge des
  185. Schuldners für die Zeit vor Ablauf von zwei Jahren nach dem Ende des zur Zeit
  186. der Eröffnung des Verfahrens laufenden Kalendermonats. Auch hieraus ergibt
  187. sich gegen den Beklagten kein haftungsbegründender Tatbestand.
  188. 20
  189. a) Bei Ablauf der Zwei-Jahres-Frist Ende April 2004 war das Insolvenzverfahren aufgehoben. Die Schuldnerin befand sich in der sogenannten Wohlverhaltensphase. Ob der im Restschuldbefreiungsverfahren nach §§ 286 ff bestellte Treuhänder den Beteiligten in entsprechender Anwendung des § 60
  190. InsO zum Schadensersatz verpflichtet sein kann oder ob, wie das Landgericht
  191. angenommen hat, ausschließlich die Vorschrift des § 280 BGB heranzuziehen
  192. ist, nach welcher der Treuhänder nur nach allgemeinen Grundsätzen haftet
  193. (zum Meinungsstand vgl. Uhlenbruck, aaO § 60 Rn. 72), hat der Senat bislang
  194. nicht entschieden. Einer entsprechenden Anwendung des § 60 InsO könnte
  195. entgegenstehen, dass Absatz 3 Satz 2 des § 292 InsO, der die Rechtsstellung
  196. des Treuhänders im Restschuldbefreiungsverfahren regelt, anders als § 313
  197. Abs. 1 Satz 3 InsO für das vereinfachte Insolvenzverfahren nur auf die Vorschriften der §§ 58, 59 InsO, nicht jedoch auf die Regelungen über die Haftung
  198. des Insolvenzverwalters verweist.
  199. - 12 -
  200. 21
  201. b) Die Haftungsgrundlage bedarf im Streitfall keiner Klärung. Von der
  202. genannten Witwenrente einschließlich der für die Rückführung der Verbindlichkeiten gegenüber der AOK eingesetzten Spitze gelangte - mit Recht - nichts zur
  203. Masse; der Pflichtenkreis des Treuhänders (vgl. § 292 InsO) war deshalb
  204. ebenso wenig berührt wie der des Insolvenzverwalters im vorausgegangenen
  205. Insolvenzverfahren. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn der Beklagte die
  206. Klägerin nach Ablauf des Zwei-Jahres-Zeitraums nach § 114 Abs. 2 Satz 1
  207. InsO daran gehindert hätte, gegenüber der Rentenversicherung die Unzulässigkeit der Verrechnung durchzusetzen. Dies wird von der Klägerin nicht geltend gemacht.
  208. III.
  209. 22
  210. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich jedoch aus anderen
  211. Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
  212. 23
  213. 1. Die Klägerin hat die sozialrechtliche Verrechnung in der Berufungsinstanz nicht in Frage gestellt und gegen den Beklagten auch nicht den Anspruch
  214. erhoben, ihr den durch die Verrechnung verloren gegangenen Teil ihrer Witwenrente der Rentenversicherung wieder zu beschaffen oder zu ersetzen. Ihr
  215. Begehren ging vielmehr dahin, die sozialrechtliche Verrechnung durch die AOK
  216. in der Weise zu beachten, dass ihr derjenige Teil der Witwenrente, der nicht an
  217. sie zur Auszahlung gelangte, aus den von dem Beklagten zur Masse gezogenen Leistungen der Rente des LSV aufgefüllt werde. Hierbei hat sie rechnerisch
  218. - zu ihren Ungunsten - eine Zusammenrechnung nach § 850e Nr. 2a ZPO
  219. zugrunde gelegt. Obwohl in Wirklichkeit alle drei Einkünfte unpfändbar waren,
  220. beansprucht sie aus ihnen nicht mehr als den nach § 850c ZPO pfändungsfrei-
  221. - 13 -
  222. en Betrag, weil sie den Mehrbetrag - den sie vermeintlich für pfändbar hält - an
  223. den Beklagten abgetreten habe.
  224. 24
  225. 2. Der Beklagte hätte als Insolvenzverwalter und später als Treuhänder
  226. die von ihm eingezogene - unpfändbare - Rente des LSV nicht an die Insolvenzgläubiger ausschütten dürfen, sondern sie an die Klägerin in der von ihr
  227. beanspruchten Höhe abführen müssen. Hierfür trifft ihn auch ein Verschulden
  228. (§ 60 InsO, § 280 BGB), weil er selbst von der zutreffenden Pfändungsgrenze
  229. gemäß § 850c ZPO ausgegangen ist und es gleichwohl zugelassen hat, dass
  230. die deutlich niedrigeren und damit unpfändbaren Rentenleistungen des LSV an
  231. die Gläubiger ausgeschüttet wurden.
  232. 25
  233. Aus diesen Gründen ist auch der Feststellungsantrag gerechtfertigt. Er
  234. ist entgegen der Auffassung der Revision nicht zu weit gefasst. Entsprechend
  235. dem Zahlungsantrag erfasst er ab dem 1. April 2005 die von der Klägerin mit
  236. - 14 -
  237. Recht beanspruchte Differenz zwischen dem rechnerisch pfändungsfreien Betrag und der Summe der tatsächlich ausgezahlten unpfändbaren Einkünfte aus
  238. der Witwenrente und dem laufenden Arbeitseinkommen.
  239. Ganter
  240. Raebel
  241. Gehrlein
  242. Kayser
  243. Pape
  244. Vorinstanzen:
  245. AG Würzburg, Entscheidung vom 09.02.2006 - 30 C 2523/05 LG Würzburg, Entscheidung vom 27.06.2007 - 42 S 740/06 -