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8.9 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. IX ZB 254/09
  4. vom
  5. 7. April 2011
  6. in dem Insolvenzeröffnungsverfahren
  7. -2-
  8. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Richter Vill, Raebel,
  9. Prof. Dr. Gehrlein, Grupp und die Richterin Möhring
  10. am 7. April 2011
  11. beschlossen:
  12. Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners wird der Beschluss der
  13. 14. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 2. Oktober 2009
  14. aufgehoben.
  15. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten
  16. des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
  17. Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 300 € festgesetzt.
  18. Gründe:
  19. I.
  20. 1
  21. Der Schuldner beantragte am 9. April 2009 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen, die Restschuldbefreiung und die Stundung der
  22. Verfahrenskosten. Nach dem beigefügten Gläubiger- und Forderungsverzeichnis war seine einzige Gläubigerin eine Bank, bei der er Verbindlichkeiten in Höhe von 30.986,08 € aus einem Darlehen, 645,06 € aus der Nutzung eines Girokontos und 3.195,40 € aus der Nutzung einer Kreditkarte hatte. Mit Verfügung
  23. - 3 -
  24. vom 21. April 2009 gab ihm das Insolvenzgericht auf, folgende Fragen zu beantworten: "Was ist der Grund der Verschuldung? Welches Geschehen liegt der
  25. Forderung Nr. 1 zugrunde? Wofür wurden die unter Ziffer 6 enthaltenen Kredite
  26. verwendet?" Zugleich wurde der Schuldner darauf hingewiesen, dass bei Verletzung von Mitwirkungspflichten die Stundung versagt werden könne. Das den
  27. Schuldner vertretende Sozialreferat der Stadt München teilte nachfolgend mit,
  28. man sei der Meinung, dass der Schuldner die gestellten Fragen nicht beantworten müsse, er habe bereits hinreichend Auskunft über seine wirtschaftlichen
  29. Verhältnisse gemacht, so dass die Eröffnungsvoraussetzungen beurteilt werden
  30. könnten.
  31. 2
  32. Daraufhin hat das Amtsgericht den Antrag auf Stundung der Verfahrenskosten mit der Begründung zurückgewiesen, der Schuldner habe Mitwirkungspflichten nach § 20 Abs. 1 InsO verletzt; dies rechtfertige die Versagung der
  33. Restschuldbefreiung nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO und damit auch die Zurückweisung des Stundungsantrags nach § 4a InsO. Die sofortige Beschwerde des
  34. Schuldners ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der
  35. Schuldner sein Stundungsbegehren weiter.
  36. II.
  37. 3
  38. Die statthafte (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, §§ 7, 6, 4d Abs. 1 InsO)
  39. und auch im Übrigen zulässige (§§ 575, 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO) Rechtsbeschwerde ist begründet.
  40. 4
  41. 1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, der Schuldner sei aufgrund
  42. der Zulässigkeit seines Eröffnungsantrags umfassend zur Auskunftserteilung
  43. - 4 -
  44. verpflichtet. Die Frage nach der Verwendung des Kredits habe auch darauf abgezielt, ob für den Kredit Vermögenswerte geschaffen worden seien, die zur
  45. Masse gezogen werden könnten. Jedenfalls wenn es sich um die einzige
  46. Schuldposition handle, stelle sich die Frage, ob der Darlehensschuld Vermögenswerte gegenüber stünden. Eine solche, vorrangig der Klärung der Begründetheit des Insolvenzantrags dienende Frage müsse vom Schuldner beantwortet werden. Die bewusste Weigerung rechtfertige eine Abweisung des Insolvenzantrags und die Versagung der Restschuldbefreiung.
  47. 5
  48. 2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
  49. 6
  50. a) Die Vorinstanzen haben ihre Entscheidungen zu Unrecht auf § 290
  51. Abs. 1 Nr. 5 InsO gestützt. Zwar ist ein Antrag auf Stundung der Verfahrenskosten abzulehnen, wenn bereits zweifelsfrei feststeht, dass ein Grund für die Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO vorliegt (BGH,
  52. Beschluss vom 16. Dezember 2004 - IX ZB 72/03, ZVI 2005, 124). Auf diese
  53. Vorschrift kommt es jedoch nicht an, soweit es allein darum geht, ob der
  54. Schuldner zu seinem Antrag nach § 4a InsO hinreichende Angaben über seine
  55. wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat (BGH, Beschluss vom 27. Januar
  56. 2005 - IX ZB 270/03, ZVI 2005, 120, 121; vom 3. Februar 2005 - IX ZB 37/04,
  57. ZVI 2005, 119). So liegt der Fall hier. Das Insolvenzgericht hat den Schuldner
  58. nach Zurückweisung seiner sofortigen Beschwerde aufgefordert, einen Vorschuss zur Deckung der Verfahrenskosten gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2 InsO zu
  59. leisten, und angekündigt, den Eröffnungsantrag nach § 26 Abs. 1 InsO mangels
  60. Masse abzuweisen, wenn der Vorschuss nicht fristgerecht gezahlt wird. Eine
  61. Abweisung des Eröffnungsantrags nach § 26 InsO darf nur erfolgen, wenn der
  62. Antrag zulässig und - von der fehlenden Massekostendeckung abgesehen begründet ist (BGH, Beschluss vom 13. April 2006 - IX ZB 118/04, ZIP 2006,
  63. - 5 -
  64. 1056 Rn. 5; HK-InsO/Kirchhof, 5. Aufl., § 26 Rn. 18; Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl.,
  65. § 26 Rn. 33; Jaeger/Schilken, InsO, § 26 Rn. 36; HmbKomm-InsO/Schröder,
  66. 3. Aufl., § 26 Rn. 56). Die Ankündigung der Abweisung des Eröffnungsantrags
  67. mangels Masse belegt daher, dass das Insolvenzgericht die Eröffnungsvoraussetzungen mit Ausnahme der Kostendeckung als erfüllt angesehen hat. Es hat
  68. die Beantwortung der an den Schuldner gestellten Fragen nicht für erforderlich
  69. gehalten, um diese Eröffnungsvoraussetzungen beurteilen zu können. Dann
  70. können die Fragen nur die Klärung der Deckung der Verfahrenskosten und damit der Stundungsvoraussetzungen bezweckt haben (vgl. BGH, Beschluss vom
  71. 3. Februar 2005, aaO S. 120).
  72. 7
  73. b) Der Antrag auf Stundung der Verfahrenskosten ist nach dem bisherigen Sachstand weder unzulässig noch unbegründet.
  74. 8
  75. aa) Mit Recht hat das Beschwerdegericht angenommen, der Schuldner
  76. sei infolge der Zulässigkeit seines Antrags umfassend zur Auskunft verpflichtet.
  77. Im Zusammenhang mit einem Antrag auf Stundung der Verfahrenskosten
  78. schuldet er Auskunft jedoch nur insoweit, als diese benötigt wird, um zu beurteilen, ob das Vermögen des Schuldners zur Deckung der Verfahrenskosten ausreicht. Die Prüfung erfolgt in diesem Verfahrensstadium summarisch, die Stundung der Kosten darf nicht durch übersteigerte Informationsauflagen erschwert
  79. werden. Das Insolvenzgericht hat bei der Frage, ob vor der Entscheidung über
  80. das Stundungsgesuch weitere Umstände aufzuklären sind, zwar einen nur begrenzt überprüfbaren Beurteilungsspielraum. Dessen Grenzen sind hier jedoch
  81. überschritten.
  82. 9
  83. bb) Der Schuldner hat unter Bezugnahme auf seine mit dem Eröffnungsantrag eingereichten Unterlagen erklärt, er könne die Verfahrenskosten aus
  84. - 6 -
  85. seinem Vermögen nicht aufbringen. Mangels gegenteiliger konkreter Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass der Schuldner redlich ist und seine Angaben wahrheitsgemäß und vollständig gemacht hat. Bestehen aufgrund eines in
  86. sich
  87. stimmigen
  88. Stundungsantrags
  89. objektiv
  90. keine
  91. Zweifel,
  92. dass
  93. der
  94. Antragsteller voraussichtlich nicht in der Lage ist, die anfallenden Kosten zu
  95. decken, ist in der Regel Stundung zu gewähren. Weist der Antrag hingegen
  96. Lücken oder Widersprüche auf, ist das Insolvenzgericht berechtigt und im Falle
  97. eines zulässigen Antrags auch verpflichtet, beim Schuldner nachzufragen. Die
  98. Angabe des Schuldners, Darlehensverbindlichkeiten bei einer Bank zu haben,
  99. ließ den Stundungsantrag weder als widersprüchlich noch als unvollständig
  100. oder sonst ergänzungsbedürftig erscheinen. Gibt ein Schuldner Darlehensschulden an, drängt sich allein deshalb noch nicht der Eindruck auf, seine weitere Angabe, kein die Verfahrenskosten deckendes Vermögen zu haben, könnte unzutreffend sein. Dies gilt auch dann, wenn der Schuldner - wie hier - ausschließlich Bankverbindlichkeiten hat. Es war deshalb nicht gerechtfertigt, ihm
  101. die Erklärung abzuverlangen, wofür das Darlehen verwendet worden ist, und
  102. die Stundung der Verfahrenskosten von dieser Erklärung abhängig zu machen.
  103. Entsprechendes gilt für die Fragen nach dem Grund der Verschuldung und
  104. nach dem Geschehen, welches der Darlehensforderung zugrunde lag. All dies
  105. hat der Senat bereits mit den Beschlüssen vom 27. Januar 2005 (IX ZB 270/03,
  106. aaO S. 122 unter II.2.c) und vom 3. Februar 2005 (IX ZB 37/04, aaO S. 120)
  107. entschieden.
  108. 10
  109. cc) Die damals dargelegten Grundsätze gelten nach wie vor (vgl. BGH,
  110. Beschluss vom 12. Juni 2008 - IX ZB 205/07, ZVI 2008, 515 Rn. 5 f). Entgegen
  111. der Ansicht des Beschwerdegerichts führt die Rechtsprechung des Senats,
  112. nach der im Falle eines zulässigen Eröffnungsantrags bereits ab Antragstellung
  113. eine umfassende Auskunftspflicht besteht (Beschluss vom 9. Oktober 2008
  114. - 7 -
  115. - IX ZB 212/07, ZVI 2009, 38 Rn. 9), nicht zu einer anderen Beurteilung. Die
  116. Beschlüsse vom 27. Januar 2005 und vom 3. Februar 2005 beruhen nicht auf
  117. einer hiervon abweichenden Ansicht über den Beginn und den Umfang der
  118. Auskunftspflicht nach § 20 Abs. 1 InsO, sondern auf der Erwägung, dass das
  119. Auskunftsverlangen die Deckung der Verfahrenskosten und nicht die sonstigen
  120. Eröffnungsvoraussetzungen betraf.
  121. 3. Die Sache ist an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, damit
  122. 11
  123. unter Beachtung der vorstehenden Ausführungen erneut über den Stundungsantrag entschieden wird (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).
  124. Vill
  125. Raebel
  126. Grupp
  127. Gehrlein
  128. Möhring
  129. Vorinstanzen:
  130. AG München, Entscheidung vom 18.05.2009 - 1506 IN 1264/09 LG München I, Entscheidung vom 02.10.2009 - 14 T 12739/09 -