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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. IV ZR 84/08
  5. Verkündet am:
  6. 4. November 2009
  7. Heinekamp
  8. Justizhauptsekretär
  9. als Urkundsbeamter
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. -2-
  13. Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, die Richterinnen Dr. Kessal-Wulf und Harsdorf-Gebhardt im schriftlichen Verfahren
  14. gemäß § 128 Abs. 2 ZPO, in dem Schriftsätze bis zum 19. Oktober 2009
  15. eingereicht werden konnten,
  16. für Recht erkannt:
  17. Die Revision gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des
  18. Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 4. März 2008 wird auf
  19. Kosten des Klägers zurückgewiesen.
  20. Streitwert: 8.549 € (Hilfsantrag Nr. 8 auf Zahlung, nicht
  21. nur Feststellung)
  22. Von Rechts wegen
  23. Tatbestand:
  24. 1
  25. Die beklagte Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder
  26. (VBL) hat die Aufgabe, Angestellten und Arbeitern der an ihr beteiligten
  27. Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Wege privatrechtlicher Versicherung eine zusätzliche Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung zu gewähren. Mit Neufassung ihrer Satzung vom 22. November 2002 (BAnz. Nr. 1 vom 3. Januar 2003, im Folgenden: VBLS) hat
  28. die Beklagte ihr Zusatzversorgungssystem rückwirkend zum 31. Dezember 2001 (Umstellungsstichtag) umgestellt. Den Systemwechsel hatten
  29. die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes im Tarifvertrag Al-
  30. -3-
  31. tersversorgung vom 1. März 2002 vereinbart. Damit wurde das frühere
  32. - auf dem Versorgungstarifvertrag vom 4. November 1966 beruhende endgehaltsbezogene Gesamtversorgungssystem aufgegeben und durch
  33. ein auf einem Punktemodell beruhendes Betriebsrentensystem ersetzt.
  34. Die neue Satzung der Beklagten enthält Übergangsregelungen
  35. 2
  36. zum Erhalt von bis zur Systemumstellung erworbenen Rentenanwartschaften. Diese werden wertmäßig festgestellt und als so genannte
  37. Startgutschriften auf die neuen Versorgungskonten der Versicherten
  38. übertragen. Dabei werden Versicherte, deren Versorgungsfall noch nicht
  39. eingetreten ist, in rentennahe und rentenferne Versicherte unterschieden. Rentennah ist nur, wer am 1. Januar 2002 das 55. Lebensjahr vollendet hatte und im Tarifgebiet West beschäftigt war bzw. dem Umlagesatz des Abrechnungsverbandes West unterfiel oder Pflichtversicherungszeiten in der Zusatzversorgung vor dem 1. Januar 1997 vorweisen
  40. kann. Die Anwartschaften der ca. 200.000 rentennahen Versicherten
  41. werden weitgehend nach dem alten Satzungsrecht ermittelt und übertragen.
  42. 3
  43. Der Kläger beanstandet die ihm von der Beklagten auf der Grundlage ihrer neuen Satzung mitgeteilte Startgutschrift und verlangt eine
  44. höhere Betriebsrente. Er ist am 17. Januar 1941 geboren und erst seit
  45. 1. Januar 1992 bei der Beklagten pflichtversichert. Die Beklagte hat ihm
  46. eine Startgutschrift für rentennahe Versicherte zum 31. Dezember 2001
  47. in Höhe von 190,20 € erteilt und zahlt seit 1. Februar 2006 eine auf dieser Grundlage errechnete Betriebsrente in Höhe von anfangs 257,04 €.
  48. Außerdem erhält der Kläger eine gesetzliche Rente von 1.621,82 €. Aus
  49. einer Fiktivberechnung der Beklagten ergibt sich, dass dem Kläger auf
  50. -4-
  51. der Grundlage der alten Satzung zum 1. Februar 2006 auch nur eine Zusatzrente in Höhe von circa 260 € zugestanden hätte.
  52. 4
  53. Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte müsse ihm eine höhere monatliche Rente zahlen. Die Ermittlung der Startgutschrift nach den
  54. Regeln für rentennahe Versicherte verletze seinen, unter Geltung der alten Satzung erdienten Besitzstand, ohne dass hierfür hinreichende
  55. Rechtfertigungsgründe dargetan und nachgewiesen seien. Darüber hinaus hält er sich für diskriminiert wegen seines Alters, weil die Beklagte
  56. gemäß § 41 Abs. 2 Satz 5, Abs. 2b Satz 5 VBLS a.F. einen Nettoversorgungssatz für jedes Jahr von nur 1,957% statt wie sonst 2,294% im Hinblick darauf angesetzt hat, dass der Kläger bei Eintritt des Versicherungsfalles das 50. Lebensjahr vollendet hatte und die nach § 42 Abs. 1
  57. VBLS a.F. gesamtversorgungsfähige Zeit, d.h. die Zeit der Umlagemonate, kürzer war als die Zeit von der Vollendung des 50. Lebensjahres bis
  58. zum Eintritt des Versicherungsfalles. Ferner beanstandet der Kläger,
  59. dass bei der Berechnung der Startgutschrift auf der Grundlage des alten
  60. Satzungsrechts zur Ermittlung des fiktiven Nettoarbeitsentgelts Krankenund Pflegeversicherungsbeiträge abgezogen worden sind. Des Weiteren
  61. hält er die jährliche Anpassung der Betriebsrente um 1% gemäß § 39
  62. VBLS nicht für ausreichend und fordert, die Dynamisierung auf der
  63. Grundlage des § 56 VBLS a.F. weiterzuführen, also entsprechend der
  64. allgemeinen Entwicklung der Versorgungsbezüge der Versorgungsempfänger des Bundes.
  65. 5
  66. Die Klage blieb in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter.
  67. -5-
  68. Entscheidungsgründe:
  69. 6
  70. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
  71. 7
  72. I. Das Berufungsgericht hält sowohl den Systemwechsel vom bisherigen Gesamtversorgungssystem zum neuen Betriebsrentensystem als
  73. auch die hier zur Anwendung gelangte Übergangsregelung für rentennahe Versicherte (§ 79 Abs. 2 VBLS) für rechtmäßig. Zwar werde in die erdiente Aussicht der Versicherten auf künftige Rentenzuwächse eingegriffen. Diese Eingriffe beruhten aber auch hinsichtlich der ihnen zugrunde
  74. liegenden Annahme tatsächlicher Umstände auf den der neuen Satzung
  75. vorausgegangenen tarifvertraglichen Vereinbarungen; sie seien von der
  76. Einschätzungsprärogative und dem Beurteilungs- und Ermessensspielraum der Tarifvertragsparteien gedeckt (Art. 9 Abs. 3 GG) und verstießen nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen die
  77. Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit (Art. 20
  78. Abs. 3 GG) und auch nicht gegen das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1
  79. GG. Die Höhe der dem Kläger gezahlten Zusatzrente führe hier nicht zu
  80. einer besonderen Härte im Einzelfall, die einer Korrektur gemäß § 242
  81. BGB bedürfte. Der geringere Nettoversorgungssatz für Versicherte, die
  82. - wie der Kläger - bei Beginn der Pflichtversicherung das 50. Lebensjahr
  83. bereits vollendet hatten, sei nicht unangemessen gegenüber Versicherten, die bereits in früherem Lebensalter in die Pflichtversicherung eingetreten sind, und verstoße weder gegen Art. 3 Abs. 1 GG noch gegen europäisches Recht. Der Abzug von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen bei der Ermittlung des Nettoarbeitseinkommens stehe in Einklang
  84. mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Senatsurteil vom
  85. 10. Dezember 2003 - IV ZR 217/02 - VersR 2004, 319 unter II). Jeden-
  86. -6-
  87. falls derzeit verstoße auch die Beschränkung der Rentendynamisierung
  88. auf 1% pro Jahr (§ 39 VBLS) nicht gegen höherrangiges Recht.
  89. 8
  90. II. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
  91. 9
  92. 1. Die Übergangsregelungen für rentennahe Versicherte sind wirksam. Der Senat hat bereits mit Urteil vom 14. November 2007 (BGHZ
  93. 174, 127 Tz. 25 ff.) entschieden, dass die Satzung der Beklagten auch
  94. ohne Zustimmung der Versicherten und im Wege einer umfassenden
  95. Systemumstellung geändert werden konnte. Dies hat der Senat mit Urteil
  96. vom 24. September 2008 (BGHZ 178, 101 Tz. 23 ff.) bestätigt und die
  97. Berechnung der bis zum Zeitpunkt der Systemumstellung von den rentennahen Versicherten erworbenen Rentenanwartschaften sowie deren
  98. Übertragung in das neu geschaffene Betriebsrentensystem gebilligt.
  99. Dass bei der Ermittlung der Startgutschriften eine fiktive Versorgungsrente zu Grunde zu legen ist, die sich zum Zeitpunkt der Vollendung des
  100. 63. Lebensjahres ergeben würde, begegnet keinen durchgreifenden Bedenken (aaO Tz. 39 ff.). Hinzunehmen ist ferner, dass gemäß § 78
  101. Abs. 2 Satz 1 VBLS für die Berechnung der Anwartschaften der 31. Dezember 2001 als Stichtag maßgebend ist und es deshalb für die Ermittlung des gesamtversorgungsfähigen Entgelts auf die letzten Jahre vor
  102. diesem Stichtag und nicht - wie nach § 43 VBLS a.F. - auf die entsprechenden Jahre vor Eintritt des Versicherungsfalls ankommt (aaO
  103. Tz. 46 ff.). Darüber hinaus ist nicht zu beanstanden, dass für die Startgutschriften der rentennahen Versicherten die Vordienstzeiten weiterhin
  104. nur zur Hälfte auf die gesamtversorgungsfähige Zeit angerechnet werden
  105. (aaO Tz. 54 ff.). Im Übrigen wird auf genannte Entscheidung verwiesen.
  106. -7-
  107. 10
  108. 2. Die Revision greift die in den Vorinstanzen geltend gemachten
  109. Bedenken des Klägers gegen den bei Ermittlung der Startgutschrift gemäß § 41 Abs. 2 Satz 5, Abs. 2b Satz 5 VBLS a.F. von der Beklagten
  110. zugrunde gelegten geringeren Nettoversorgungssatz für Versicherte, die
  111. - wie der Kläger - bei Beginn der Pflichtversicherung das 50. Lebensjahr
  112. bereits vollendet hatten, nicht wieder auf. Der Senat hat diese Bedenken
  113. im Übrigen mit Urteil vom heutigen Tage (IV ZR 57/07 unter II 2), auf das
  114. verwiesen wird, als unbegründet zurückgewiesen. Die Leistungspflicht
  115. der Beklagten konnte im Hinblick darauf eingeschränkt werden, dass bei
  116. Versicherten, die - wie der Kläger - nicht die volle Zeit von der Vollendung des 50. Lebensjahres bis zum Eintritt des Versorgungsfalles einer
  117. beitragspflichtigen Tätigkeit im öffentlichen Dienst nachgegangen sind,
  118. der Beklagten nur für eine verhältnismäßig kurze Zeit Beiträge für ein
  119. durch das Alter der Versicherten erhöhtes Risiko zufließen; die nach dem
  120. sonst üblichen Nettoversorgungssatz berechnete Rente würde zu einer
  121. unverhältnismäßigen Belastung der Beklagten führen. Diese versicherungsmathematisch erheblichen Gesichtspunkte rechtfertigen die angegriffene Regelung auch vor den Anforderungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes
  122. sowie
  123. des
  124. europäischen
  125. Rechts
  126. (Richtlinie
  127. 2000/78/EG, ABlEG Nr. L303, S. 16 ff.; Art. 141 EG/119 EGV; allgemeine
  128. Grundsätze
  129. des
  130. Gemeinschaftsrechts,
  131. vgl.
  132. EuGH,
  133. Urteil
  134. vom
  135. 22. November 2005, Rs C-144/04 [Mangold] Slg. 2005, I-9981-10042
  136. Rdn. 75 f.).
  137. 11
  138. 3. Auch den Abzug von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen bei der Ermittlung des fiktiven Nettoarbeitsentgelts gemäß § 41
  139. Abs. 2c VBLS a.F. beanstandet die Revision nicht mehr. Wie der Senat
  140. im Urteil vom 10. Dezember 2003 (IV ZR 217/02 - VersR 2004, 319 unter
  141. II) ausgeführt hat, wird mit Hilfe solcher Rechengrößen im Ergebnis der
  142. -8-
  143. von den Tarifvertragsparteien als richtig angesehene Abstand der Gesamtversorgung zum letzten Nettoentgelt des Versicherten und zum
  144. durchschnittlichen Arbeitseinkommen der aktiven Beschäftigten gewahrt.
  145. Mit Blick darauf werden die Versorgungsrentner nicht unverhältnismäßig
  146. belastet.
  147. 12
  148. 4. Hinsichtlich der gemäß § 39 VBLS auf 1% pro Jahr beschränkten Rentenanpassung hat der Senat im Urteil vom 17. September 2008
  149. (IV ZR 191/05 - VersR 2008, 1524) der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zugestimmt, wonach die Änderung des Anpassungsmaßstabs gegenüber der früheren Anknüpfung an die Erhöhung oder Verminderung der Versorgungsbezüge der Versorgungsempfänger des Bundes jedenfalls derzeit den Zweck der Existenzsicherung des Versicherten
  150. -9-
  151. im Alter nicht beeinträchtigt. Es ist Sache der Tarifvertragsparteien, im
  152. Rahmen ihres Beurteilungs- und Gestaltungsspielraums auf eine eventuelle Änderung der Verhältnisse angemessen zu reagieren.
  153. Terno
  154. Dr. Schlichting
  155. Dr. Kessal-Wulf
  156. Seiffert
  157. Harsdorf-Gebhardt
  158. Vorinstanzen:
  159. LG Karlsruhe, Entscheidung vom 23.02.2007 - 6 O 136/06 OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 04.03.2008 - 12 U 71/07 -