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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. IV ZR 297/00
  4. URTEIL
  5. Verkündet am:
  6. 7. November 2001
  7. Fritz
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk: ja
  13. BGHZ:
  14. nein
  15. _____________________
  16. DDR-ZGB §§ 264, 265; SVDDRAbwG § 2
  17. Ein durch eine Berufskrankheit geschädigter Arbeitnehmer hat aufgrund einer freiwilligen Haftpflichtversicherung eines volkseigenen Betriebes keinen Direktanspruch
  18. gegen die Staatliche Versicherung der DDR in Abwicklung.
  19. BGH, Urteil vom 7. November 2001 - IV ZR 297/00 - OLG Dresden
  20. LG Leipzig
  21. -2-
  22. Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno, den Richter Seiffert, die Richterin Ambrosius, den
  23. Richter Wendt und die Richterin Dr. Kessal-Wulf auf die mündliche Verhandlung vom 7. November 2001
  24. für Recht erkannt:
  25. Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des
  26. Oberlandesgerichts Dresden vom 14. November 2000
  27. wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
  28. Von Rechts wegen
  29. Tatbestand:
  30. Der Kläger nimmt die beklagte Anstalt - die Staatliche Versicherung der Deutschen Demokratischen Republik in Abwicklung - auf Ersatz
  31. von Verdienstausfall wegen einer Berufskrankheit in Anspruch.
  32. Er war seit 1960 als Bergmann bei der S. W. beschäftigt. Diese
  33. hatte eine freiwillige Betriebshaftpflichtversicherung bei der Staatlichen
  34. Versicherung der Deutschen Demokratischen Republik abgeschlossen.
  35. Als Folge seiner Tätigkeit unter Tage leidet der Kläger an einer
  36. Atemwegserkrankung (Asthma bronchiale), die im September 1989 rückwirkend ab dem 1. März 1985 als Berufskrankheit anerkannt wurde. Die
  37. -3-
  38. im
  39. Auftrag
  40. der
  41. Beklagten
  42. tätige
  43. Deutsche
  44. Versiche-
  45. rungs-Aktiengesellschaft (DVAG) erstattete dem Kläger mit Wirkung ab
  46. dem 1. März 1985 bis Anfang 1996 die Differenz zwischen seinem tatsächlichen Einkommen (einschließlich einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung) und dem hypothetischen Verdienst, den
  47. er ohne die Berufskrankheit hätte erzielen können.
  48. Mit Schreiben vom 23. Februar 1996 teilte die DVAG dem Kläger
  49. mit, daß sie weitere Zahlungen einstellen müsse, weil nach dem Urteil
  50. des Bundesarbeitsgerichts vom 14. Dezember 1995 (8 AZR 878/94 - DtZ
  51. 1996, 188) ab dem 1. Januar 1991 auch für vorher eingetretene Berufskrankheiten kein Schadensersatz auf der Grundlage des Arbeitsgesetzbuchs der DDR mehr geleistet werden könne.
  52. Der Kläger verlangt von der Beklagten Ersatz seines Verdienstausfallschadens von Januar 1997 bis September 1998 in Höhe von insgesamt 14.770,71 DM. Außerdem begehrt er die Feststellung, daß die
  53. Beklagte über den 1. Oktober 1998 hinaus verpflichtet sei, ihm monatlich
  54. den Differenzbetrag zwischen dem hypothetischen und dem tatsächlich
  55. erhaltenen Einkommen zu zahlen.
  56. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
  57. -4-
  58. Entscheidungsgründe:
  59. Die Revision hat keinen Erfolg.
  60. I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger zum
  61. einen ein versicherungsvertraglicher Anspruch auf Ersatz weiteren Verdienstausfallschadens, der sich unmittelbar gegen die Beklagte richtet,
  62. nicht zu; eine Haftung der Beklagten aus § 2 des Gesetzes über die Errichtung
  63. der
  64. "Staatlichen
  65. Versicherung
  66. der
  67. DDR
  68. in
  69. Abwicklung"
  70. (SVDDRAbwG-BGBl. 1990 II S. 991) komme daher nicht in Betracht. Die
  71. von der S. W. bei der Staatlichen Versicherung der DDR genommene
  72. freiwillige Haftpflichtversicherung habe Schadensersatzansprüche des
  73. Werktätigen gegen den Betrieb wegen Verdienstausfalls aufgrund einer
  74. Berufskrankheit nach den §§ 267 ff. des Arbeitsgesetzbuchs der DDR
  75. (DDR-AGB) abgedeckt. Bei einer solchen Haftpflichtversicherung bestehe ein unmittelbarer Anspruch des Geschädigten gegen die Staatliche
  76. Versicherung gemäß § 3 Abs. 3 S. 2 der Bedingungen für die freiwillige
  77. Haftpflichtversicherung der volkseigenen Wirtschaft vom 19. November
  78. 1968 (DDR-GBl. II S. 951) nicht.
  79. Zum anderen habe die Beklagte weder ausdrücklich noch konkludent aufgrund der bis 1996 erbrachten Versicherungsleistungen eine eigenständige Verpflichtung übernommen, anerkannt oder sonst begründet.
  80. II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung stand.
  81. -5-
  82. 1. Das Berufungsgericht hat zutreffend die Rechtsvorgängerin
  83. der Beklagten als Haftpflichtversicherer der S. W. angesehen und deshalb einen eigenen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte verneint.
  84. Zu Unrecht macht die Revision geltend, die Beklagte hafte dem Kläger
  85. unmittelbar aufgrund einer Personenversicherung.
  86. a) Die S. W. hatte bei der Staatlichen Versicherung der DDR eine
  87. freiwillige Haftpflichtversicherung zur Versicherung von Schadensersatzansprüchen gegen den Betrieb nach § 7 Abs. 2 des Gesetzes über
  88. die Versicherung der volkseigenen Wirtschaft vom 15. November 1968
  89. (DDR-GBl. I S. 355) abgeschlossen. Der Versicherungsschutz umfaßte
  90. gemäß § 1 Abs. 1 der Bedingungen für die freiwillige Haftpflichtversicherung der volkseigenen Wirtschaft die Befriedigung berechtigter und die
  91. Abwehr unberechtigter Schadensersatzansprüche, die auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen gegen den Betrieb u.a. wegen Verletzung von Personen erhoben wurden.
  92. Nach den §§ 267 Abs. 1, 268 Abs. 1 a DDR-AGB haftete die S.
  93. W. als Betrieb dem bei ihr beschäftigten Kläger im Wege des Schadensersatzes für den Verdienstausfallschaden, der ihm durch seine als Berufskrankheit im Sinne von § 221 S. 1 DDR-AGB anerkannte Atemwegserkrankung entstanden ist. Ein eventuelles Verschulden des Betriebes
  94. bzw. eine ihm zuzurechnende Pflichtwidrigkeit eines seiner Mitarbeiter
  95. oder eine Pflichtverletzung seitens des Betriebes auf dem Gebiet des
  96. Arbeits- und Gesundheitsschutzes gehörten nicht zu den Tatbestandsmerkmalen der Schadensersatzverpflichtung des Betriebes bei Arbeitsunfall und Berufskrankheit (Arbeitsrecht, Lehrbuch 3. Aufl. 1986 S. 369
  97. -6-
  98. unter 2.1.; Arbeitsrecht, Grundriß 2. Aufl. 1980 S. 245 unter 14.1.). Entscheidend war nur der ursächliche Zusammenhang mit dem Arbeitsprozeß, der bei einer Berufskrankheit nicht gesondert festgestellt werden
  99. mußte. Allein die Entscheidung, daß eine Berufskrankheit vorliege, ließ
  100. die Schadensersatzpflicht des Betriebes entstehen, sofern der betroffene
  101. Werktätige einen materiellen Schaden hatte (Kirmse, Schadensersatzleistungen des Betriebes 3. Aufl. 1983 S. 21).
  102. Auf dieser Rechtsgrundlage hat die Beklagte eine Schadensersatzverpflichtung der S. W. gegenüber dem Kläger erfüllt.
  103. b) Ein eigener Anspruch ist dem Kläger aus der betrieblichen
  104. Haftpflichtversicherung der S. W. nicht erwachsen. Zwar bestimmte § 3
  105. Abs. 3 S. 1 der Bedingungen für die freiwillige Haftpflichtversicherung
  106. der volkseigenen Wirtschaft, daß die Staatliche Versicherung die Versicherungsleistungen an den Geschädigten zu zahlen habe. Ein unmittelbarer Anspruch des Geschädigten gegen die Staatliche Versicherung
  107. bestand jedoch gemäß § 3 Abs. 3 S. 2 dieser Bedingungen nicht.
  108. Das galt auch für die übrigen Haftpflichtversicherungen in der
  109. DDR. Gleichlautende Regelungen enthielten § 5 Abs. 3 S. 1 und 2 der
  110. Anordnung über die Bedingungen für die Pflichtversicherung der staatlichen Organe und staatlichen Einrichtungen bei der Staatlichen Versicherung der Deutschen Demokratischen Republik vom 18. November 1969
  111. (DDR-GBl. II S. 682) für die Haftpflicht- und die Kraftfahr-HaftpflichtVersicherung der staatlichen Organe und staatlichen Einrichtungen sowie § 2 Abs. 6 S. 1 und 2 der Anordnung über die Bedingungen für die
  112. -7-
  113. Pflichtversicherung der volkseigenen Wirtschaft bei der Staatlichen Versicherung der Deutschen Demokratischen Republik vom 19. November
  114. 1968 (DDR-GBl. II S. 945) für die Kraftfahr-Haftpflicht-Versicherung der
  115. volkseigenen Betriebe. Ebenso konnte aus einer persönlichen Haftpflichtversicherung des Bürgers allein der Versicherungsnehmer, der in
  116. einer zivilrechtlichen Beziehung zur Versicherungseinrichtung stand,
  117. Ansprüche auf die Versicherungsleistung erheben. Die in § 264 Abs. 2
  118. S. 1 DDR-ZGB festgelegte Pflicht der Versicherungseinrichtung, Schadensersatzverpflichtungen des Versicherungsnehmers oder Versicherten
  119. durch Zahlung an den Geschädigten zu erfüllen, bewirkte nicht, daß
  120. letzterem ein direkter Anspruch ihr gegenüber zustand (Kommentar zum
  121. Zivilgesetzbuch der DDR 1985 § 264 Anm. 2.1.; Göhring/Posch, Zivilrecht Teil 2 1981 S. 130 unter 7.2.1.4.).
  122. Das Fehlen eines direkten Anspruchs des Geschädigten gegen
  123. den Haftpflichtversicherer war somit prägendes Merkmal der Haftpflichtversicherung nach dem Versicherungsrecht der DDR. Etwas anderes galt
  124. demgegenüber im Rahmen einer Personenversicherung, bei der auch
  125. das Recht der DDR mangels Verantwortlichkeit eines Dritten dem Geschädigten selbst einen Anspruch einräumte. Demgemäß hat der Bundesgerichtshof mit seinen Urteilen vom 25. September 1996 (IV ZR
  126. 288/95 - VersR 1997, 49 = DtZ 1997, 62) und vom 23. Juni 1999 (IV ZR
  127. 121/98 - r+s 1999, 399 = NVersZ 1999, 589) einen unmittelbaren Anspruch auf Ersatz des Verdienstausfallschadens gegen die Versicherung
  128. bejaht, weil es sich bei den dort zugrunde liegenden Versicherungsverhältnissen - wie im vorliegenden Fall nicht - um Personenversicherungen
  129. handelte.
  130. -8-
  131. 2. Soweit das Berufungsgericht eine Schuldübernahme und ein
  132. Schuldanerkenntnis seitens der Beklagten verneint, erhebt die Revision
  133. keine Rügen; Rechtsfehler sind auch nicht ersichtlich.
  134. Im übrigen könnte die Beklagte - wie das Berufungsgericht richtig
  135. ausgeführt hat - dem Kläger gemäß den §§ 812 Abs. 2, 821 BGB den
  136. Wegfall einer etwa übernommenen oder anerkannten Schadensersatzverpflichtung entgegenhalten. Denn für ab dem 1. Januar 1991 entgangene Einkünfte konnten Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers
  137. gegen den Arbeitgeber nicht mehr entstehen, nachdem die §§ 267, 268
  138. DDR-AGB durch den Einigungsvertrag (Anl. II Kap. VIII Sachgeb. A
  139. Abschn. III Nr. 1 lit. g) zum 31. Dezember 1990 außer Kraft gesetzt worden waren. Anders als bei einem Anspruch aus einem Personenversicherungsverhältnis gehört bei einem Anspruch nach den §§ 267 Abs. 1,
  140. 268
  141. -9-
  142. Abs. 1 AGB-DDR der Eintritt des Schadens auch bei vorheriger Anerkennung einer Berufskrankheit zum Entstehungstatbestand des Schuldverhältnisses (BAG aaO unter II 3 a; Senatsurteil vom 25. September
  143. 1996 aaO unter II 3 c).
  144. Terno
  145. Seiffert
  146. Wendt
  147. Ambrosius
  148. Dr. Kessal-Wulf