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328 lines
21 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. IV ZR 217/06
  5. Verkündet am:
  6. 14. Mai 2008
  7. Heinekamp
  8. Justizhauptsekretär
  9. als Urkundsbeamter
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. -2-
  13. Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat im schriftlichen
  14. Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO mit Schriftsatzfrist bis zum 4. April
  15. 2008 durch den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Seiffert, Wendt,
  16. die Richterin Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch
  17. für Recht erkannt:
  18. Auf die Rechtsmittel der Parteien werden das Urteil der
  19. 6. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe vom 21. Juli
  20. 2006 aufgehoben und das Urteil des Amtsgerichts
  21. Karlsruhe vom 14. März 2006 geändert.
  22. Es wird festgestellt, dass die von der Beklagten gemäß
  23. ihrer Satzung vom 22. November 2002 erteilte Startgutschrift den Wert der vom Kläger bis zum 31. Dezember
  24. 2001 erlangten Anwartschaft auf eine bei Eintritt des
  25. Versicherungsfalles zu leistende Betriebsrente nicht
  26. verbindlich festlegt.
  27. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  28. Die weitergehenden Rechtsmittel der Parteien werden
  29. zurückgewiesen.
  30. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander
  31. aufgehoben.
  32. Von Rechts wegen
  33. Streitwert: 733,49 €
  34. -3-
  35. Tatbestand:
  36. 1
  37. Die beklagte Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder
  38. (VBL) hat die Aufgabe, Angestellten und Arbeitern der an ihr beteiligten
  39. Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Wege privatrechtlicher Versicherung eine zusätzliche Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung zu gewähren. Mit Neufassung ihrer Satzung vom 22. November 2002 (BAnz. Nr. 1 vom 3. Januar 2003) hat die Beklagte ihr Zusatzversorgungssystem rückwirkend zum 31. Dezember 2001 (Umstellungsstichtag) umgestellt. Den Systemwechsel hatten die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes im Tarifvertrag Altersversorgung vom
  40. 1. März 2002 (ATV) vereinbart. Damit wurde das frühere - auf dem Versorgungstarifvertrag vom 4. November 1966 (Versorgungs-TV) beruhende - endgehaltsbezogene Gesamtversorgungssystem aufgegeben und
  41. durch ein auf einem Punktemodell beruhendes Betriebsrentensystem ersetzt.
  42. 2
  43. Die neue Satzung der Beklagten (VBLS) enthält Übergangsregelungen zum Erhalt von bis zur Systemumstellung erworbenen Rentenanwartschaften. Diese werden wertmäßig festgestellt und als so genannte
  44. Startgutschriften auf die neuen Versorgungskonten der Versicherten
  45. übertragen. Dabei werden Versicherte, deren Versorgungsfall noch nicht
  46. eingetreten ist, in rentennahe und rentenferne Versicherte unterschieden. Rentennah ist nur, wer am 1. Januar 2002 das 55. Lebensjahr vollendet hatte und im Tarifgebiet West beschäftigt war bzw. dem Umlagesatz des Abrechnungsverbandes West unterfiel oder Pflichtversicherungszeiten in der Zusatzversorgung vor dem 1. Januar 1997 vorweisen
  47. kann. Die Anwartschaften der ca. 200.000 rentennahen Versicherten
  48. werden weitgehend nach dem alten Satzungsrecht ermittelt und übertra-
  49. -4-
  50. gen. Die Anwartschaften der übrigen ca. 1,7 Millionen rentenfernen Versicherten berechnen sich demgegenüber nach den §§ 32 Abs. 1 und 4,
  51. 33 Abs. 1 Satz 1 ATV, 78 Abs. 1 und 2, 79 Abs. 1 Satz 1 VBLS i.V. mit
  52. § 18 Abs. 2 des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG). Unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu einem rentennahen oder einem rentenfernen Jahrgang erhalten Beschäftigte, die am 1. Januar 2002 mindestens 20 Jahre
  53. pflichtversichert waren, als Startgutschrift für jedes volle Kalenderjahr
  54. der Pflichtversicherung bis zum 31. Dezember 2001 mindestens 1,84
  55. Versorgungspunkte (VP), bei Teilzeitbeschäftigung gemindert durch Multiplikation mit dem am 31. Dezember 2001 maßgebenden Gesamtbeschäftigungsquotienten (§§ 9 Abs. 3 ATV, 37 Abs. 3 VBLS).
  56. 3
  57. Die am 23. April 1951 geborene und somit einem rentenfernen
  58. Jahrgang zugehörige Klägerin und die Beklagte streiten über die Zulässigkeit der Systemumstellung, die Wirksamkeit der Übergangsregelung
  59. für rentenferne Versicherte und die Höhe der der Klägerin erteilten Startgutschrift von 25,57 Versorgungspunkten (das entspricht einem Wert von
  60. monatlich 102,28 €). Die Klägerin hält die Beklagte für verpflichtet, ihr
  61. bei Eintritt des Versicherungsfalles eine Betriebsrente mindestens in Höhe des geringeren Betrages zu gewähren, wie er sich unter Zugrundelegung der bis zum 31. Dezember 2001 gültigen (alten) Satzung der Beklagten zu diesem Zeitpunkt oder zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles ergebe. Darüber hinaus erstrebt sie eine Verpflichtung
  62. der Beklagten, bei der Ermittlung der Startgutschrift bestimmte, in verschiedenen Klageanträgen näher konkretisierte Berechnungselemente
  63. zugrunde zu legen. Die Beklagte stützt ihren Antrag auf Klagabweisung
  64. unter anderem darauf, dass die beanstandete Übergangsregelung für
  65. rentenferne Versicherte auf eine im Tarifvertrag vom 1. März 2002 von
  66. den Tarifvertragsparteien getroffene Grundentscheidung zurückgehe, die
  67. -5-
  68. mit Rücksicht auf die in Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie der
  69. ohnehin eingeschränkten rechtlichen Überprüfung standhalte. Im Übrigen
  70. wahre die erteilte Startgutschrift den verfassungsrechtlich geschützten
  71. Besitzstand der Klägerin.
  72. 4
  73. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der
  74. Klägerin hat das Landgericht unter Klagabweisung im Übrigen die Beklagte verpflichtet,
  75. der Klägerin bei Eintritt des Versicherungsfalles mindestens
  76. eine Betriebsrente zu gewähren, die dem geringeren Betrag
  77. aus der Berechnung der Zusatzrente nach ihrer früheren
  78. Satzung zum Umstellungsstichtag (31. Dezember 2001)
  79. oder zum Eintritt des Versicherungsfalles entspricht, und
  80. die Startgutschrift bei einem entsprechenden Antrag der
  81. Klägerin nicht unter Verwendung des so genannten Näherungsverfahrens, sondern einer (individuellen) Rentenauskunft des gesetzlichen Rentenversicherungsträgers zu berechnen und dabei auch den Altersfaktor nach § 36 Abs. 3
  82. VBLS anzuwenden.
  83. 5
  84. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision. Sie erstrebt
  85. die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils. Die Klägerin verfolgt
  86. mit ihrer Revision ihre bisherigen Anträge weiter, hilfsweise begehrt sie
  87. die Feststellung, dass die ihr erteilte Startgutschrift den Wert der bis
  88. zum 31. Dezember 2001 erlangten Anwartschaft auf eine bei Eintritt des
  89. Versicherungsfalles zu leistende Betriebsrente nicht verbindlich festlege.
  90. Entscheidungsgründe:
  91. 6
  92. Die Revisionen beider Parteien haben teilweise Erfolg.
  93. -6-
  94. 7
  95. I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Gegen den von den Tarifvertragsparteien vereinbarten und von der Beklagten mit ihrer neuen
  96. Satzung umgesetzten Systemwechsel als solchen bestünden keine
  97. rechtlichen Bedenken. In der Gestaltung der Bestimmungen über die Errechnung der Startgutschrift seien die Tarifvertragsparteien und ihnen
  98. folgend die Beklagte allerdings nur insoweit frei gewesen, als sie nicht in
  99. erdiente Anwartschaften eingegriffen hätten. Als erdiente Anwartschaft
  100. könne nicht nur angesehen werden, was sich als Versicherungsrente
  101. zum 31. Dezember 2001 ergeben hätte. In § 4 Abs. 1 Versorgungs-TV
  102. vom 4. November 1966 sei vielmehr ausdrücklich bestimmt, dass der
  103. Pflichtversicherte "eine Anwartschaft auf eine dynamische Versorgungsrente" solle erwerben können. Wer die Wartezeit erfüllt habe, habe nach
  104. der früheren Satzung der Beklagten bei bis zum Zeitpunkt der Verrentung fortbestehendem Arbeitsverhältnis grundsätzlich einen Anspruch auf
  105. Versorgungsrente erworben. Daraus sei bereits für die Zeit vor Erreichen
  106. des Rentenalters eine gesicherte Rechtsposition im Sinne einer Anwartschaft abzuleiten, in die nicht ohne Weiteres eingegriffen werden könne.
  107. 8
  108. Ein Eingriff in die erdiente Anwartschaft liege dann vor, wenn ein
  109. Versicherter bei Eintritt des Versicherungsfalles im Zeitpunkt des Systemwechsels nach der alten Satzung eine wesentlich höhere Leistung
  110. erhalten hätte als in der Startgutschrift ausgewiesen. Das lasse sich
  111. nicht abstrakt, sondern nur im Einzelfall ermitteln. Nach den von der Beklagten vorgelegten Berechnungen sei jedenfalls zur Zeit des Systemwechsels eine überaus große Verminderung der errechneten Rentenanwartschaft festzustellen, die sich meist noch über einen langen Zeitraum
  112. erstrecke. Die jeweilige Verminderung stelle einen erheblichen Eingriff in
  113. die erdiente Anwartschaft dar. Auch die Klägerin sei von einem derartigen Eingriff betroffen.
  114. -7-
  115. 9
  116. Nach Ansicht des Berufungsgerichts kann nicht unterstellt werden,
  117. dass die Tarifvertragsparteien derartige Eingriffe beabsichtigt hätten
  118. oder sie sich auch nur bewusst gewesen seien, dass in einer nicht unerheblichen Zahl von Fällen der Betrag der Startgutschrift geringer ausfallen werde als die Versicherungsrente nach altem Satzungsrecht. Dem
  119. Tarifvertrag Altersversorgung vom 1. März 2002 (ATV) lasse sich nur
  120. entnehmen, dass das bisherige Gesamtversorgungssystem durch ein
  121. Punktemodell ersetzt und die im früheren Gesamtversorgungssystem erworbenen Anwartschaften in dieses Punktemodell überführt werden sollten. Anderes gehe auch aus dem Altersvorsorgeplan vom 13. November
  122. 2001 nicht hervor. Der Vortrag der Beklagten zu ihrer finanziellen Situation und der ihrer Beteiligten besage ebenfalls noch nichts darüber, ob
  123. die Tarifvertragsparteien einen derartigen Eingriff gewollt hätten. Die Beklagte habe selbst geltend gemacht, dass die Systemumstellung zu keinem Eingriff in erdiente oder unverfallbare Anwartschaften geführt habe.
  124. Sie sei mithin offensichtlich ungewollt von den Zielvorgaben des Tarifvertrages Altersversorgung vom 1. März 2002 abgewichen.
  125. 10
  126. Der somit unbeabsichtigte Eingriff in bestehende Anwartschaften
  127. der Versicherten stehe einer unbewussten Regelungslücke gleich. Letztere müsse von den Gerichten durch eine ergänzende Auslegung geschlossen werden, wenn sich unter Berücksichtigung von Treu und
  128. Glauben ausreichende Anhaltspunkte für den mutmaßlichen Willen der
  129. Vertragsparteien ergäben oder eine bestimmte Regelung nach objektiver
  130. Betrachtung dringend geboten sei. Hier liege es nahe, dass die Tarifvertragsparteien die Lücke mit der von ihm, dem Berufungsgericht, getroffenen Regelung geschlossen hätten, wenn sie sich des Eingriffs in geschützte Anwartschaften bewusst gewesen wären.
  131. -8-
  132. 11
  133. Weiter fordert das Berufungsgericht, dass die den Startgutschriften
  134. zugrunde gelegte voraussichtliche gesetzliche Rente auch für Versicherte der rentenfernen Jahrgänge nicht ausnahmslos nach dem so genannten Näherungsverfahren, sondern auf Antrag des jeweiligen Versicherten
  135. anhand einer konkreten Rentenauskunft des gesetzlichen Rentenversicherers zu berechnen sei. Die Übergangsregelung für die rentenfernen
  136. Jahrgänge benachteilige letztere unangemessen gegenüber den rentennahen Jahrgängen. Ein sachlicher Grund für diese Ungleichbehandlung
  137. (Art. 3 Abs. 1 GG) sei nicht ersichtlich.
  138. 12
  139. Mit Art. 3 Abs. 1 GG sei es auch nicht vereinbar, dass der Altersfaktor gemäß § 36 Abs. 3 VBLS auf die Gruppe der vor dem Umstellungsstichtag bereits Versicherten nicht angewendet und diese so
  140. gleichheitswidrig schlechter gestellt werde als die Gruppe der erst seit
  141. dem 1. Januar 2002 bei der Beklagten versicherten Personen. Im Ergebnis gebiete es der Gleichheitssatz, die Startpunkte mit dem Altersfaktor
  142. zu multiplizierten.
  143. 13
  144. Entgegen der Ansichtder Klägerin müsse die Errechnung der zum
  145. 31. Dezember 2001 erdienten Anwartschaft jedoch nicht unter voller Berücksichtigung von Vordienstzeiten erfolgen. Mit der Umstellung des Zusatzversorgungssystems seien die Tarifvertragsparteien - und ihnen folgend die Beklagte - der vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG VersR
  146. 2000, 835) geäußerten Auffassung gefolgt, Vordienstzeiten müssten bei
  147. der Ermittlung der von der Beklagten zu gewährenden Betriebsrente
  148. nicht berücksichtigt werden.
  149. -9-
  150. 14
  151. II. Dies hält, wie sich aus dem - nach Erlass des Berufungsurteils
  152. ergangenen - Senatsurteil vom 14. November 2007 (IV ZR 74/06 -veröffentlicht auf der Internetseite des Bundesgerichtshofs und in juris, zur
  153. Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen) ergibt, rechtlicher Nachprüfung
  154. nicht in allen Punkten stand.
  155. 15
  156. 1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Satzung der Beklagten auch ohne Zustimmung der Versicherten geändert
  157. und vom bisherigen Gesamtversorgungssystem auf das neue Punktemodell (Betriebsrentensystem) umgestellt werden konnte. Denn zum einen
  158. schließt die Beklagte seit 1967 (vgl. zum Inkrafttreten ihrer Satzung vom
  159. 2. Dezember 1966 mit Wirkung zum 1. Januar 1967: Beilage zum BAnz.
  160. Nr. 239 vom 22. Dezember 1966) Gruppenversicherungsverträge ab, bei
  161. denen nicht die einzelnen Arbeitnehmer - diese werden lediglich als Versicherte und Bezugsberechtigte in die Gruppenversicherung einbezogen -, sondern die an der Beklagten beteiligten Arbeitgeber Versicherungsnehmer sind (BGHZ 103, 370, 379 f., 382; 142, 103, 106 und ständig). Zum andern enthielt die Satzung der Beklagten seither in § 14 einen Änderungsvorbehalt, der auch für bestehende Versicherungen galt
  162. und eine Zustimmung der Versicherten bei Satzungsänderungen nicht
  163. voraussetzt. Gegen die Wirksamkeit dieses Änderungsvorbehalts, der
  164. sich nicht lediglich auf die Änderung einzelner Satzungsregelungen beschränkt, sondern auch zu einer umfassenden Systemumstellung ermächtigt (Senatsurteil vom 14. November 2007 aaO unter B I 3 =
  165. Tz. 27), bestehen keine Bedenken. Satzungsänderungen sind daher ohne die Zustimmung des Arbeitnehmers als Versichertem möglich (Senatsurteil vom 14. November 2007 aaO unter B I 1 = Tz. 25 m.w.N.). Für
  166. den Systemwechsel hat auch ein ausreichender Anlass bestanden (Senatsurteil vom 14. November 2007 aaO unter B I 2 = Tz. 26).
  167. - 10 -
  168. 16
  169. 2. Der Schutz der im Zeitpunkt des Systemwechsels bereits bestehenden Rentenansprüche und -anwartschaften ist durch Übergangsbzw. Besitzstandsregelungen sicherzustellen. Insofern hängt die Frage,
  170. inwieweit Versicherte in ihren bis zur Umstellung erworbenen Rechten
  171. verletzt sind, allein davon ab, inwieweit die Übergangsvorschriften diese
  172. Rechte wahren (Senatsurteil vom 14. November 2007 aaO unter B I 3 =
  173. Tz 27). Für die Ermittlung der Startgutschriften rentenferner Pflichtversicherter ist in den §§ 32 Abs. 1 und 4, 33 Abs. 1 Satz 1 ATV, 78 Abs. 1
  174. und 2, 79 Abs. 1 Satz 1 VBLS i.V. mit § 18 Abs. 2 BetrAVG eine Übergangsregelung getroffen worden. Sie zielt darauf ab, den rentenfernen
  175. Pflichtversicherten bei der Berechnung ihrer Startgutschrift die nach dem
  176. Betriebsrentengesetz bis zum Umstellungsstichtag unverfallbar gewordenen Rentenanwartschaften in das neue Betriebsrentensystem zu übertragen (Senatsurteil vom 14. November 2007 aaO unter B II 4 = Tz. 39).
  177. 17
  178. a) Diese Übergangsregelung ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts im Grundsatz nicht zu beanstanden (Senatsurteil vom
  179. 14. November 2007 aaO vor A = Tz. 11 und unter B III 1 = Tz. 64). Das
  180. gilt auch, soweit sie durch Festschreibung der maßgeblichen Berechnungsfaktoren zum Umstellungsstichtag (§§ 32 Abs. 4, 33 Abs. 1 Satz 1
  181. ATV, 78 Abs. 2, 79 Abs. 1 Satz 1 VBLS i.V. mit §§ 18 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2
  182. Buchst. c, 2 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG) - insbesondere des Arbeitsentgelts
  183. und der Steuerklasse - zu Eingriffen in die erdiente Dynamik und damit in
  184. einen nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes geschützten Bereich führt (Senatsurteil vom 14. November 2007 aaO unter B III 1 d, bb
  185. = Tz. 77-79).
  186. - 11 -
  187. 18
  188. Dass die Startgutschriften an einer mit der Anwendung des Altersfaktors (§ 36 Abs. 2 und 3 VBLS) verbundenen Verzinsung nicht teilnehmen, verstößt ebenfalls nicht gegen höherrangiges Recht. Denn die Dynamisierung ist mit der Neuregelung nicht entfallen. Nach den §§ 33
  189. Abs. 7, 19 ATV, 79 Abs. 7, 68 VBLS werden die zunächst festgeschriebenen Startgutschriften vielmehr insoweit dynamisiert, als sie Bonuspunkte auslösen können, die eine tatsächliche oder fiktive Beteiligung an
  190. den - von der Beklagten bzw. den jeweils zehn nach der Bilanzsumme
  191. größten Pensionskassen (vgl. § 68 Abs. 2 Satz 3 VBLS) - erwirtschafteten Überschüssen darstellen. Diese von den Tarifvertragsparteien gewählte und von der Beklagten in ihrer Satzung übernommene Dynamisierung ist angesichts des Anlasses und der Ziele der Systemumstellung
  192. zumindest vertretbar und schon deshalb verfassungsrechtlich nicht zu
  193. beanstanden. Die Tarifvertragsparteien haben insoweit ihren durch die
  194. Tarifautonomie eröffneten weiten Handlungsspielraum nicht überschritten
  195. (Senatsurteil vom 14. November 2007 aaO unter B III 1 d, bb bis dd =
  196. Tz. 77-81).
  197. 19
  198. Eine Verletzung höherrangigen Rechts kann schließlich weder darin gesehen werden, dass die Übergangsregelung den rentenfernen
  199. Pflichtversicherten nach der alten Satzung zugesagte Mindestleistungen
  200. - insbesondere auch diejenige nach § 44a VBLS a.F. - entzieht, noch in
  201. dem Umstand, dass die nach § 42 Abs. 2 Satz 1 VBLS a.F. bei Ermittlung der gesamtversorgungsfähigen Zeit zu berücksichtigende hälftige
  202. Anrechnung so genannter Vordienstzeiten nach der Übergangsregelung
  203. keinen Eingang in die Startgutschriften rentenferner Versicherter findet.
  204. Beides hat der Senat im Urteil vom 14. November 2007 näher dargelegt
  205. (aaO unter B III 2 und 3 = Tz. 82-101).
  206. - 12 -
  207. 20
  208. b) Ob es zulässig ist, bei der Errechnung der Startgutschrift die für
  209. die Ermittlung der Voll-Leistung von der Höchstversorgung in Abzug zu
  210. bringende voraussichtliche gesetzliche Rente gemäß den §§ 33 Abs. 1
  211. Satz 1 ATV, 79 Abs. 1 Satz 1 VBLS i.V. mit § 18 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2
  212. Buchst. f BetrAVG ausschließlich nach dem bei der Berechnung von
  213. Pensionsrückstellungen allgemein zulässigen Verfahren (dem so genannten Näherungsverfahren) zu ermitteln, oder ob dies gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verstößt, hat der Senat im
  214. Urteil vom 14. November 2007 offen gelassen (aaO unter B III 4 =
  215. Tz. 102-121).
  216. 21
  217. Die Frage bedarf auch hier keiner Entscheidung. Denn die Übergangsregelung für rentenferne Pflichtversicherte verstößt jedenfalls anderweitig gegen Art. 3 Abs. 1 GG und ist schon deshalb unwirksam (Senatsurteil vom 14. November 2007 aaO unter B III 4 g = Tz. 120).
  218. 22
  219. c) Durchgreifenden Bedenken gegen die Vereinbarkeit mit Art. 3
  220. Abs. 1 GG begegnet nämlich der nach den §§ 33 Abs. 1 Satz 1 ATV, 79
  221. Abs. 1 Satz 1 VBLS i.V. mit § 18 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 BetrAVG der Startgutschriftenberechnung zugrunde zu legende Versorgungssatz von
  222. 2,25% für jedes volle Jahr der Pflichtversicherung (Senatsurteil vom
  223. 14. November 2007 aaO unter B III 5 = Tz. 122-140). Dieser Versorgungssatz führt - wie der Senat im Urteil vom 14. November 2007 im Einzelnen ausgeführt hat (aaO unter B III 5 b = Tz. 128-139) - zu einer
  224. sachwidrigen und damit gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßenden Ungleichbehandlung innerhalb der Gruppe der rentenfernen Versicherten, die
  225. selbst vom weiten Handlungsspielraum der Tarifvertragsparteien nicht
  226. mehr gedeckt ist. Die Ungleichbehandlung besteht darin, dass Arbeitnehmer mit längeren Ausbildungszeiten die zum Erwerb der Vollrente
  227. - 13 -
  228. (100%) erforderlichen 44,44 Pflichtversicherungsjahre in ihrem Arbeitsleben nicht erreichen können und deshalb von vornherein überproportionale Abschläge hinnehmen müssen. Neben Akademikern sind hiervon
  229. auch all diejenigen betroffen, die aufgrund besonderer Anforderungen
  230. eines Arbeitsplatzes im öffentlichen Dienst, etwa einer abgeschlossenen
  231. Berufsausbildung oder eines Meisterbriefes in einem handwerklichen Beruf, erst später in den öffentlichen Dienst eintreten (Senatsurteil vom
  232. 14. November 2007 aaO unter B III 5 b bb (2) = Tz. 133-138).
  233. 23
  234. 3. Die dargelegte Verfassungswidrigkeit und die sich daraus ergebende Unwirksamkeit dieser Detailregelung des Tarifvertrages vom
  235. 1. März 2002 und der neuen Satzung der Beklagten ändern an der Wirksamkeit der Systemumstellung als solcher nichts. Unwirksam ist lediglich
  236. die in den §§ 32 Abs. 1 und 4, 33 Abs. 1 Satz 1 ATV, 78 Abs. 1 und 2, 79
  237. Abs. 1 Satz 1 VBLS i.V. mit § 18 Abs. 2 BetrAVG für die rentenfernen
  238. Versicherten getroffene Übergangsregelung, was zur Folge hat, dass die
  239. der Klägerin erteilte Startgutschrift einer ausreichenden rechtlichen
  240. Grundlage entbehrt. Sie legt damit den Wert der von der Klägerin bis
  241. zum Umstellungsstichtag erdienten Anwartschaft auf eine bei Eintritt des
  242. Versicherungsfalles zu leistende Rente nicht verbindlich fest (vgl. Senatsurteil vom 14. November 2007 aaO unter C = Tz. 141).
  243. 24
  244. Auf diese Feststellung war der Urteilsausspruch zu beschränken.
  245. Dem weitergehenden Begehren der Klägerin, die durch den Wegfall der
  246. unwirksamen Übergangsregelung verursachte Lücke in der Satzung der
  247. Beklagten durch eine gerichtliche Regelung zu ersetzen oder zumindest
  248. bestimmte verbindliche Vorgaben für die Neuerrechnung der Startgutschrift festzuschreiben, kann mit Rücksicht auf die in Art. 9 Abs. 3 GG
  249. geschützte Tarifautonomie nicht entsprochen werden. Eine solche ge-
  250. - 14 -
  251. richtliche Entscheidung ist auch nach dem Rechtsstaatsprinzip nicht geboten. Es ist vielmehr zunächst den Tarifvertragsparteien vorbehalten,
  252. eine verfassungskonforme Neuregelung zu treffen. In diesem Zusammenhang haben diese zugleich Gelegenheit, die Auswirkungen der ausschließlichen Anwendung des Näherungsverfahrens erneut zu bedenken.
  253. Terno
  254. Seiffert
  255. Dr. Kessal-Wulf
  256. Wendt
  257. Felsch
  258. Vorinstanzen:
  259. AG Karlsruhe, Entscheidung vom 14.03.2006 - 2 C 471/03 LG Karlsruhe, Entscheidung vom 21.07.2006 - 6 S 12/06 -