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13 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. IV ZR 127/08
  5. Verkündet am:
  6. 27. Januar 2010
  7. Fritz
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. -2-
  13. Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
  14. Richter Terno, die Richter Seiffert, Wendt, die Richterin Dr. Kessal-Wulf
  15. und den Richter Felsch auf die mündliche Verhandlung vom 27. Januar
  16. 2010
  17. für Recht erkannt:
  18. Die Revision gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des
  19. Oberlandesgerichts Bamberg vom 3. April 2008 wird auf
  20. Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
  21. Von Rechts wegen
  22. Tatbestand:
  23. 1
  24. Die Klägerin verlangt als Gebäudeversicherer von der Beklagten
  25. als Haftpflichtversicherer einer Mieterin Ersatz von ihrem Versicherungsnehmer erstatteten Aufwendungen, die durch einen in dem gemieteten
  26. Einfamilienhaus am 14. August 2006 entstandenen Brand verursacht
  27. wurden. Mietsachschäden sind in die Haftpflichtversicherung eingeschlossen. Den Schaden am Hausrat der Mieterin hat deren Hausratversicherer reguliert.
  28. 2
  29. Die Klägerin stützt ihren auf Ausgleich des hälftigen Zeitwertschadens gerichteten Anspruch in Höhe von noch 5.256,87 € auf die nach der
  30. Rechtsprechung des Senats (BGHZ 169, 86 Tz. 22 ff.; Urteil vom
  31. 18. Juni 2008 - IV ZR 108/06 - VersR 2008, 1108) entsprechend an-
  32. -3-
  33. wendbaren Grundsätze der Doppelversicherung (§ 59 Abs. 2 Satz 1 VVG
  34. a.F.).
  35. 3
  36. Die Beklagte meint, eine Doppelversicherung liege nicht vor. Nach
  37. Ziffer V.2. ihrer Risikobeschreibungen, Besonderen Bedingungen und
  38. Zusatzbedingungen für die Allgemeine Haftpflichtversicherung (RBH) seien die unter den Regressverzicht nach dem Abkommen der Feuerversicherer bei übergreifenden Schadenereignissen (RVA) fallenden Rückgriffsansprüche von der Deckung ausgeschlossen.
  39. 4
  40. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 5.256,87 € nebst Zinsen stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte weiterhin
  41. die vollständige Abweisung der Klage.
  42. Entscheidungsgründe:
  43. 5
  44. Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg. Die Vorinstanzen
  45. haben (wie schon früher: OLG Bamberg VersR 2007, 1651 f.; LG Coburg
  46. r+s 2007, 421 ff.) zutreffend entschieden, dass der Ausschluss für unter
  47. das RVA fallende Rückgriffsansprüche in Ziffer V.2. RBH dem Ausgleichsanspruch entsprechend den Grundsätzen der Doppelversicherung
  48. nicht entgegensteht. Der Senat folgt der vom Oberlandesgericht Koblenz
  49. (VersR 2009, 676 und 1656) vertretenen Ansicht nicht, durch eine solche
  50. Klausel sei dieser Ausgleichsanspruch ausgeschlossen, weil und insoweit der Klägerin der Regress gegen die Mieterin schon durch den gegenüber dem vom Bundesgerichtshof entwickelten Regressverzicht vorrangigen Regressverzicht nach dem RVA verwehrt sei. Diese Argumen-
  51. -4-
  52. tation berücksichtigt Sinn, Zweck und Auswirkung des RVA wie des Ausschlusses nicht hinreichend.
  53. 6
  54. 1. a) aa) Zweck des vom Senat entwickelten Regressverzichts ist
  55. der Schutz der Interessen des Vermieters und des Mieters (BGHZ 169,
  56. 86 Tz. 9 ff.). Der Regressverzicht soll dagegen ebenso wenig wie der
  57. Regressverzicht nach dem RVA (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 1984
  58. - VI ZR 115/82 - VersR 1984, 325 unter II 2) dem Haftpflichtversicherer
  59. des Schädigers zugute kommen. Der vom Senat im Wege der Rechtsfortbildung geschaffene Ausgleichsanspruch (BGHZ 169, 86 Tz. 22 ff.) ist
  60. das Äquivalent dafür, dass dem Gebäudeversicherer trotz bestehenden
  61. Haftpflichtversicherungsschutzes im Interesse beider Mietvertragsparteien der Regressverzicht zugemutet wird (BGHZ aaO Tz. 9-21; Senatsurteil vom 18. Juni 2008 - IV ZR 108/06 - VersR 2008, 1108 Tz. 11). Im Ergebnis führt dieser zu einer Halbierung der Leistungspflicht des Haftpflichtversicherers.
  62. 7
  63. bb) Auch durch den Regressverzicht nach dem RVA wird der Mieter so behandelt, als sei sein Sachersatzinteresse in der Feuerversicherung mitversichert. Dies führt ebenso wie bei dem vom Senat entwickelten Regressverzicht bei einer Mietsachschäden deckenden Haftpflichtversicherung zu einer der Doppelversicherung strukturell vergleichbaren
  64. Interessenlage (OLG Bamberg und LG Coburg aaO; LG Köln VersR
  65. 2008, 1258 f.; Langheid in Römer/Langheid, VVG 2. Aufl. § 67 Rdn. 37;
  66. Sieg BB 1982, 900 f.; Martin, Sachversicherungsrecht 3. Aufl. J I
  67. Rdn. 11 f., 14 f.; Kohleick, Die Doppelversicherung im deutschen Versicherungsvertragsrecht S. 36 ff.). Daraus folgt, dass nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. BGHZ 169 aaO Tz. 22 ff.) dem Feuerversicherer
  68. auch wegen des Regressverzichts im Rahmen des RVA grundsätzlich ein
  69. -5-
  70. Ausgleichsanspruch in analoger Anwendung von § 59 Abs. 2 VVG a.F.
  71. gegen den Haftpflichtversicherer des Mieters zuzubilligen ist. Das ist das
  72. Äquivalent dafür, dass die Feuerversicherer aus sozialer Verantwortung
  73. zum Schutz der Schädiger (freiwillig) auf den Regress verzichten.
  74. 8
  75. b) Der Regressverzicht ist gemäß Ziffer 6 RVA in der Fassung von
  76. 2005 (Text bei Günther, Der Regress des Sachversicherers 3. Aufl.
  77. S. 30 ff.) je Schadenereignis nach unten und oben begrenzt. Er gilt nach
  78. Ziffer 6a RVA bei einem Regressschuldner für eine Regressforderung bis
  79. zu 600.000 €, jedoch nur insoweit, als die Regressforderung 150.000 €
  80. übersteigt. Bis zu diesem Betrag wird also grundsätzlich auf den Regress
  81. nicht verzichtet. Ziffer 6b RVA erweitert den Verzicht auf diesen Bereich
  82. aber unter anderem für Schäden an der Mietsache, sofern eine Haftpflichtversicherung nach den AHB keine Deckung bietet, weil der Versicherungsschutz nach § 4 I 6 a AHB, jetzt Ziffer 7.6 AHB 2008 ausgeschlossen ist. Daraus ist umgekehrt zu entnehmen, dass Regress genommen wird, wenn Haftpflichtdeckung besteht. Nach dem Zweck des
  83. RVA sollte bis zu der Untergrenze von Anfang an nicht auf einen Regress verzichtet werden, weil sich der Regressschuldner in diesem Bereich im Allgemeinen über eine Haftpflichtversicherung absichern konnte
  84. (BGH, Urteil vom 24. Januar 1984 aaO; OLG Düsseldorf VersR 1998,
  85. 966, 967; Siegel, VersR 2009, 46, 48; Essert, VersR 1981, 1111, 1112;
  86. Günther aaO S. 34; Dietz, Wohngebäudeversicherung 2. Aufl. L 5.4; Sieg
  87. aaO). Wortlaut, Systematik und Zweck des RVA, den Schädiger, nicht
  88. aber dessen Haftpflichtversicherer zu entlasten, führen deshalb zu der
  89. Auslegung, dass der Regressverzicht im Verhältnis zu einer Mietsachschäden deckenden Haftpflichtversicherung jedenfalls bis zum Betrag
  90. von 150.000 € subsidiär sein soll.
  91. -6-
  92. 9
  93. 2. Der damit nach Ziffer 6b RVA vorbehaltene Regress gegen den
  94. haftpflichtversicherten Schädiger soll durch Ziffer V.2. RBH abgewehrt
  95. und damit vom Versicherungsschutz ausgeschlossen werden. Diese Ausschlussklausel ist nach § 307 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, weil sie den Zweck des Haftpflichtversicherungsvertrages in einem
  96. wesentlichen Punkt gefährdet und den Mieter auch im Übrigen unangemessen benachteiligt.
  97. 10
  98. a)
  99. Durch
  100. Ziffer
  101. V.2.
  102. RBH
  103. wird
  104. dem
  105. Versicherungsnehmer
  106. - abweichend von § 4 I 6 a AHB - Versicherungsschutz für die gesetzliche Haftpflicht aus der Beschädigung von Wohnräumen und sonstigen zu
  107. privaten Zwecken gemieteten Räumen in Gebäuden gewährt. Auf diesen
  108. Versicherungsschutz ist der Mieter von Wohnraum angewiesen. Leicht
  109. fahrlässig verursachte Schäden durch Brand können ein existenzgefährdendes Ausmaß erreichen. Der Einschluss von gemietete Wohnräume
  110. betreffenden Haftpflichtschäden ist deshalb längst die Regel, die Wirksamkeit eines formularmäßigen Ausschlusses wäre fraglich (§ 307 Abs. 2
  111. Nr. 2 BGB). Dieser versprochene Versicherungsschutz wird durch Ziffer
  112. V.2. RBH eingeschränkt (vgl. Siegel, r+s 2007, 498 f.). Allerdings wird
  113. nicht ein bestimmtes Risiko vom Versicherungsschutz ausgeschlossen.
  114. Vielmehr will der Haftpflichtversicherer nicht leisten, wenn der Feuerversicherer den Mieter als Quasi-Versicherungsnehmer im Wege des Regressverzichts schützt. Damit hat die Klausel die Bedeutung einer einfachen, die umfassend erteilte Leistungszusage einschränkenden Subsidiaritätsabrede.
  115. 11
  116. b) Die Klausel ist insbesondere in ihrer praktischen Auswirkung
  117. geeignet, den versprochenen Versicherungsschutz auszuhöhlen.
  118. -7-
  119. 12
  120. aa) Durch den Leistungsausschluss in Ziffer V.2. RBH wird der
  121. Versicherungsnehmer auf das RVA verwiesen. Dessen Text kennt er
  122. nicht. Er wird ihm laut Anmerkung zur Klausel "auf Wunsch zur Verfügung gestellt". Damit wird der Versicherungsnehmer auf ein ihm völlig
  123. unbekanntes Vertragswerk verwiesen. Welche Versicherer danach auf
  124. einen Regress verzichten, ergibt sich daraus nicht. Der sachliche Gehalt
  125. des RVA ist für den Versicherungsnehmer nur schwer zu erfassen. Die
  126. Grenzen seiner Verständnismöglichkeiten sind spätestens dann überschritten, wenn er bemerkt, dass Ziffer 6b RVA ihn wieder auf die Haftpflichtversicherung zurückverweist, eine Bestimmung, deren Bedeutung
  127. - wie der vorliegende Fall zeigt - schon für sich genommen und insbesondere im Verhältnis zu Ziffer V.2. RBH auch von spezialisierten Versicherungsjuristen nicht erkannt wird. Es kommt hinzu, dass durch die Verweisung auf das RVA auch dessen Änderungen, die ohne Beteiligung der
  128. Parteien des Haftpflichtversicherungsvertrages vorgenommen werden,
  129. den Umfang des Versicherungsschutzes beeinflussen können (vgl.
  130. Grommelt, r+s 2007, 230, 231 f.). So sind beispielsweise seit dem
  131. 1. Januar 2010 Mietsachschäden von der Erweiterung des Regressverzichts in Ziffer 6b RVA nicht mehr umfasst (Siegel, VersR 2009, 678,
  132. 680). Eine solche Gestaltung des Versicherungsschutzes ist nicht nur
  133. intransparent, sondern auch inhaltlich unangemessen.
  134. 13
  135. bb) Die Verweisung des Versicherungsnehmers auf das RVA begründet ferner die praktisch erhebliche Gefahr, dass er letztlich durch
  136. keinen der beiden Versicherer den ihm zustehenden Schutz erhält. Wie
  137. in drei anderen Verfahren vom dort in Anspruch genommenen Haftpflichtversicherer vorgetragen wurde, haben Gebäudefeuerversicherer in
  138. der Vergangenheit haftpflichtversicherte Verursacher eines Brandschadens häufig in Anspruch genommen, obwohl das RVA anwendbar gewe-
  139. -8-
  140. sen sei. In solchen Fällen besteht nach Auffassung der Haftpflichtversicherer Anspruch auf Deckungsschutz auch nicht in Form der Anspruchsabwehr. Darüber, ob das RVA einem Regressanspruch gegen den Mieter
  141. entgegensteht, werden Feuerversicherer und Haftpflichtversicherer aber
  142. oft unterschiedlicher Meinung sein. So kann etwa darüber gestritten werden, ob der Brand auf grober Fahrlässigkeit beruht, ob er von den eigenen Sachen des Mieters ausgegangen ist oder - wie hier - ob die Subsidiaritätsklausel in der Haftpflichtversicherung wirksam ist und sich gegenüber der bereits erörterten einfachen Subsidiaritätsregelung in Ziffer
  143. 6b RVA durchsetzt. Dann steht der Mieter zwischen beiden Versicherern,
  144. muss sich auf eigene Kosten und eigenes Risiko gegen den Regressanspruch verteidigen und läuft Gefahr, bei einer Verurteilung trotz Haftpflichtversicherung keinen Freistellungsanspruch zu haben. In eine solche Lage darf ein Haftpflichtversicherer seinen Versicherungsnehmer
  145. nicht bringen (vgl. BGHZ 171, 56 Tz. 11 ff.; Senatsurteil vom 14. Februar
  146. 2007 - IV ZR 54/04 - VersR 2007, 1119 Tz. 11 ff.). Diese Gefahr, die
  147. nach den Erfahrungen des Senats nicht selten durch unberechtigte Deckungsablehnungen von Haftpflichtversicherern hervorgerufen wird, war
  148. auch ein wesentlicher Grund dafür, trotz bestehender Haftpflichtdeckung
  149. einen Regressverzicht des Gebäudeversicherers anzunehmen (BGHZ
  150. 169, 86 Tz. 17). Es ist auch nicht hinzunehmen, dass Haftpflichtversicherer und Gebäudeversicherer durch gegenseitige rechtliche Abwehrmaßnahmen den nach allgemeiner Meinung gebotenen Schutz des leicht
  151. fahrlässig handelnden Wohnungsmieters unterlaufen (vgl. BGHZ 169, 86
  152. Tz. 8; Staudinger/Kassing, VersR 2007, 10; Looschelders, JR 2007, 424,
  153. 426; Günther, VersR 2006, 1539, 1541).
  154. 14
  155. cc) Die Befürchtung, dass der Versicherungsnehmer bei kollidierenden Subsidiaritätsabreden letztlich ganz ohne Versicherungsschutz
  156. -9-
  157. bleibt, ist auch der Grund dafür, dass nach herrschender Meinung keine
  158. der beiden Subsidiaritätsklauseln eingreift mit der Folge eines Ausgleichs nach § 59 Abs. 2 VVG a.F. (Kollhosser in Prölss/Martin, VVG
  159. 27. Aufl. § 59 Rdn. 28; Staudinger/Kassing aaO S. 13 Fn. 46; Winter,
  160. VersR 1991, 527, 530 f.; Segger, VersR 2006, 38, 41; BK/Schauer, § 59
  161. VVG Rdn. 52; Versicherungsrechts-Handbuch/Armbrüster, 2. Aufl. § 6
  162. Rdn. 88).
  163. 15
  164. 3. Die Klägerin hat entgegen der Auffassung der Beklagten auch
  165. nicht auf die Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs verzichtet. Die
  166. Ansicht der Beklagten, ein solcher Verzicht ergebe sich aus dem Rundschreiben des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft
  167. an die Vorstände der Haftpflichtversicherer vom 28. November 1997 zur
  168. Neufassung des RVA, ist nicht richtig. Es ist schon fraglich, welche Bedeutung ein Rundschreiben des Gesamtverbandes überhaupt für die
  169. Auslegung des RVA haben soll. Überdies kann dieses Rundschreiben
  170. den Ausgleichsanspruch analog § 59 Abs. 2 VVG a.F. gar nicht erfassen,
  171. weil seinerzeit niemand an einen solchen Ausgleichsanspruch gedacht
  172. hat. Der Senat hatte es früher abgelehnt, in eine sogenannte reine Sachversicherung
  173. ein
  174. Haftpflichtinteresse
  175. einzubeziehen
  176. (Urteil
  177. vom
  178. - 10 -
  179. 23. Januar 1991 - IV ZR 284/89 - VersR 1991, 462 unter I). Abgesehen
  180. davon geht es hier nicht um das RVA in der Fassung von 1998.
  181. Terno
  182. Seiffert
  183. Dr. Kessal-Wulf
  184. Wendt
  185. Felsch
  186. Vorinstanzen:
  187. LG Coburg, Entscheidung vom 07.12.2007 - 13 O 374/07 OLG Bamberg, Entscheidung vom 03.04.2008 - 1 U 15/08 -