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10 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. IV ZR 106/17
  5. Verkündet am:
  6. 17. Oktober 2018
  7. Heinekamp
  8. Amtsinspektor
  9. als Urkundsbeamter
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk: ja
  13. BGHZ:
  14. nein
  15. BGHR:
  16. ja
  17. VVG § 8 Abs. 5 Satz 1 und 3 F.: 21. Juli 1994
  18. Bei einem Vertragsschluss im Antragsmodell wurde der Versicherungsnehmer mit
  19. der Belehrung, dass er "innerhalb einer Frist von 14 Tagen nach Abschluss des Vertrages" zurücktreten könne, über das für den Beginn der Rücktrittsfrist maßgebliche
  20. Ereignis hinreichend informiert.
  21. BGH, Urteil vom 17. Oktober 2018 - IV ZR 106/17 - LG Köln
  22. AG Köln
  23. ECLI:DE:BGH:2018:171018UIVZR106.17.0
  24. -2-
  25. Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
  26. Richterin Mayen, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, den Richter Lehmann,
  27. die Richterinnen Dr. Brockmöller und Dr. Bußmann im schriftlichen Verfahren, bei dem Schriftsätze bis zum 20. September 2018 eingereicht
  28. werden konnten,
  29. für Recht erkannt:
  30. Die Revision des Klägers gegen das Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 15. März 2017 wird
  31. auf seine Kosten zurückgewiesen.
  32. Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf
  33. 4.056,25 € festgesetzt.
  34. Von Rechts wegen
  35. Tatbestand:
  36. 1
  37. Der Kläger begehrt von dem beklagten Versicherer Rückzahlung
  38. geleisteter Versicherungsbeiträge einer fondsgebundenen Lebensvers icherung.
  39. 2
  40. Diese wurde nach den nicht angegriffenen Feststellunge n des Berufungsgerichts aufgrund eines Antrags des Klägers mit Versicherung sbeginn zum 1. März 2002 im Wege des so genannten Antragsmodells
  41. des § 8 VVG in der seinerzeit gültigen Fassung vom 21. Juli 1994 (im
  42. Folgenden: § 8 VVG a.F.) abgeschlossen.
  43. -3-
  44. 3
  45. Der Versicherungsantrag enthielt unmittelbar über der Unterschri ftenzeile folgende fettgedruckte Belehrung mit der seitlichen fettgedruc kten Überschrift "Rücktrittsrecht":
  46. "Sofern mir alle gesetzlichen Verbraucherinformationen und
  47. alle für diesen Antrag geltenden Versicherungsbedingungen bei Antragstellung ausgehändigt wurden, steht mir folgendes Rücktrittsrecht vom Vertrag zu: Ich kann innerhalb
  48. einer Frist von 14 Tagen nach Abschluss des Vertrages
  49. vom Vertrag zurücktreten. Zur Wahrung der Frist genügt die
  50. rechtzeitige Absendung der Rücktrittserklärung an den Ve rsicherer. Die Frist beginnt erst zu laufen, wenn der Vers icherer den Versicherungsnehmer über sein Rücktrittsrecht
  51. belehrt und der Versicherungsnehmer die Belehrung durch
  52. Unterschrift bestätigt hat. …"
  53. 4
  54. Mit Schreiben vom 21. August 2015 erklärte der Kläger den "W iderspruch/Rücktritt/Widerruf" und hilfsweise die Kündigung. Die Beklagte
  55. akzeptierte die Kündigung und zahlte den Rückkaufswert aus.
  56. 5
  57. Mit der Klage verlangt der Kläger - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten
  58. Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufswerts,
  59. insgesamt 4.056,25 €.
  60. 6
  61. Nach Auffassung des Klägers ist er wirksam vom Versicherungsvertrag zurückgetreten. Er habe auch nach Ablauf der Frist des - gegen
  62. Gemeinschaftsrecht verstoßenden - § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG a.F. den
  63. Rücktritt erklären können, weil er nicht ordnungsgemäß über sein Rüc ktrittsrecht belehrt worden sei. Der Beginn der Rücktrittsfrist sei durch die
  64. Formulierung "nach Abschluss des Vertrages" nicht hinreichend klar b e-
  65. -4-
  66. zeichnet worden. Außerdem fehle es an einer gesonderten Bestätigung
  67. der Belehrung durch Unterschrift.
  68. 7
  69. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landgericht die
  70. hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren im dargelegten Umfang
  71. weiter.
  72. Entscheidungsgründe:
  73. 8
  74. Die Revision hat keinen Erfolg.
  75. 9
  76. I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist der Kläger von dem
  77. im Wege des Antragsmodells abgeschlossenen Versicherungsvertrag
  78. nicht fristgerecht zurückgetreten. Er sei ordnungsgemäß über sein Rüc ktrittsrecht belehrt worden. Die Belehrung im Antragsformular werde den
  79. formalen Anforderungen gerecht. Der Fristbeginn sei durch die Formulierung "nach Abschluss des Vertrages" hinreichend bestimmt. Die Bele hrung gebe den Gesetzestext wieder, der durch den Versicherer nicht we iter erläutert werden müsse. Zudem habe der Kläger die Belehrung g emäß § 8 Abs. 5 Satz 3 VVG a.F. durch Unterschrift bestätigt. Dem Gesetzeswortlaut sei nicht zu entnehmen, dass die Rücktrittsbelehrung
  80. durch eine gesonderte Unterschrift zu bestätigen sei. Vielmehr genüge
  81. die Unterschrift unter dem Antrag, in dem die Belehrung enthalten sei.
  82. 10
  83. -5-
  84. II. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht
  85. hat dem Kläger einen - mit der Revision allein weiterverfolgten - Anspruch auf Prämienrückzahlung aus § 346 Abs. 1 BGB zu Recht versagt,
  86. weil der Kläger das Rücktrittsrecht gemäß § 8 Abs. 5 Satz 1 VVG a.F.
  87. nicht wirksam ausgeübt hat.
  88. 11
  89. 1. Nach dieser Vorschrift konnte der Versicherungsnehmer bei der
  90. Lebensversicherung innerhalb einer Frist von 14 Tagen nach Abschluss
  91. des Vertrages vom Vertrag zurücktreten. Die Frist begann gemäß § 8
  92. Abs. 5 Satz 3 VVG a.F. erst zu laufen, wenn der Versicherer den Versicherungsnehmer über sein Rücktrittsrecht belehrt und der Versich erungsnehmer die Belehrung durch Unterschrift bestätigt hatte.
  93. 12
  94. 2. Als der Kläger im August 2015 den Rücktritt erklärte, war die
  95. vierzehntägige Rücktrittsfrist längst abgelaufen. Sie begann mit Übe rsendung des Versicherungsscheins vom 5. Februar 2002. Durch die damit seitens der Beklagten erklärte Annahme des Versicherungsantrags
  96. des Klägers wurde der Vertrag abgeschlossen.
  97. 13
  98. a) Entgegen der Rüge der Revision hat die Beklagte den Kläger
  99. ordnungsgemäß über sein Rücktrittsrecht belehrt.
  100. 14
  101. aa) Die Feststellung des Berufungsgerichts, dass die im Antragsformular enthaltene Rücktrittsbelehrung den formalen Anforderungen
  102. entspricht, wird von der Revision nicht angegriffen.
  103. 15
  104. bb) Die Belehrung ist auch in inhaltlicher Hinsicht ordnungsgemäß.
  105. Insbesondere ist der Kläger mit der von der Revision beanstandeten
  106. Formulierung, dass der Versicherungsnehmer "innerhalb einer Frist von
  107. -6-
  108. 14 Tagen nach Abschluss des Vertrages" zurücktreten könne, über das
  109. für den Beginn der Rücktrittsfrist maßgebliche Ereignis hinreichend i nformiert worden. Der Versicherer musste den Versicherungsnehmer da rüber belehren, dass er innerhalb einer Frist von 14 Tagen nach Abschluss des Vertrages vom Vertrag zurücktreten konnte. Auch wenn § 8
  110. Abs. 5 Satz 3 VVG a.F. nur allgemein eine Belehrung über das Rücktrittsrecht des Versicherungsnehmers verlangte, musste dieser über den
  111. Beginn und das Ende der Frist aufgeklärt werden (vgl. Römer in Römer/
  112. Langheid, VVG 2. Aufl. § 8 Rn. 61). Eine von der Revision vermisste Erläuterung, dass der Vertrag in dem Zeitpunkt abgeschlossen war, in dem
  113. der Versicherungsschein dem Versicherungsnehmer zuging, war alle rdings nicht erforderlich (a.A. OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 10. Dezember 2015 - 3 U 51/15, juris Rn. 8). Der Versicherer war nicht gehalten, dem Versicherungsnehmer die Anforderungen an das Rücktrittsrecht
  114. über den Gesetzeswortlaut hinaus zu erklären (vgl. OLG Düsseldorf, U rteil vom 24. März 2016 - I-4 U 99/13, juris Rn. 35). So musste er, wie der
  115. Senat bereits entschieden hat, den Versicherungsnehmer nicht über eine
  116. etwaige Form der Rücktrittserklärung belehren, weil von ihm nicht ve rlangt werden konnte, die insoweit unklare gesetzliche Bestimmung des
  117. § 8 Abs. 5 VVG a.F. auszulegen (Senatsurteil vom 29. Juni 2016 - IV ZR
  118. 24/14, r+s 2016, 556 Rn. 15 m.w.N.). In Belehrungen über das Widerspruchsrecht nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. war der aus dieser Vorschrift entlehnte Begriff der "Textform" nicht erläuterungsbedürftig (Senatsurteil vom 10. Juni 2015 - IV ZR 105/13, VersR 2015, 876 Rn. 11).
  119. Ebenso wenig konnte vom Versicherer eine Erläuterung der dem Gese tzeswortlaut des § 8 Abs. 5 Satz 1 VVG a.F. entsprechenden Formulierung "nach Abschluss des Vertrages" gefordert werden.
  120. 16
  121. -7-
  122. Dies gilt umso mehr, als die Annahmeerklärung des Versicherers
  123. nicht zwangsläufig erst in der Übersendung des Versicherungsscheins
  124. liegen oder mit dieser verbunden sein musste. Ferner hätte eine umfa ssende Erläuterung auch den Fall einer verspäteten Annahmeerklärung
  125. (§ 150 Abs. 1 BGB) sowie die Möglichkeit einer Annahme unter Erweit erungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen (§ 150 Abs. 2
  126. BGB) umfassen und dabei die Billigungsklausel des § 5 VVG a.F. einbeziehen müssen. Eine Belehrung, die all diese Eventualitäten des Ve rtragsschlusses abdeckte, hätte keine weitere Verdeutlichung der Voraussetzungen des Rücktrittsrechts bewirkt. Im Übrigen konnte der
  127. durchschnittliche Versicherungsnehmer ohne weiteres erkennen, dass
  128. jedenfalls in der zeitnahen Übersendung des seinem Antrag entsprechenden Versicherungsscheins die Annahme seines Angebots lag und
  129. damit der Vertrag zustande gekommen und die Rücktrittsfrist in Gang
  130. gesetzt worden war.
  131. 17
  132. b) Ohne Erfolg rügt die Revision weiterhin, die Rücktrittsfrist habe
  133. nicht zu laufen begonnen, weil der Kläger den Erhalt der Belehrung nicht
  134. durch Unterschrift bestätigt habe. Für eine solche Bestätigung hat das
  135. Berufungsgericht die Unterschrift des Klägers auf dem Antragsformular,
  136. in dem die Belehrung unmittelbar oberhalb der Unterschriftszeile entha lten war, als ausreichend angesehen. Diese tatrichterliche Würdigung ist
  137. aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
  138. 18
  139. Unerheblich ist es entgegen der Auffassung der Revision, dass
  140. sich die Unterschrift auch noch auf den Erhalt bestimmter - hier in dem
  141. Feld über der Rücktrittsbelehrung bezeichneter - Unterlagen beziehen
  142. konnte (a.A. OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 10. Dezember 2015
  143. - 3 U 51/15, juris Rn. 9 unter Bezugnahme auf das Urteil des BGH vom
  144. -8-
  145. 30. September 1992 - VIII ZR 196/91, BGHZ 119, 283, 295 ff. [juris
  146. Rn. 47 ff.] zu § 1b Abs. 2 Satz 3 AbzG a.F.). Entscheidend ist, dass sich
  147. die Unterschrift jedenfalls auch auf die Belehrung über das Rücktrit tsrecht bezog. Eine gesonderte Bestätigung der Rücktrittsbelehrung war
  148. nach dem Gesetzeswortlaut des § 8 Abs. 5 Satz 3 VVG a.F. nicht erforderlich.
  149. Mayen
  150. Harsdorf-Gebhardt
  151. Dr. Brockmöller
  152. Lehmann
  153. Dr. Bußmann
  154. Vorinstanzen:
  155. AG Köln, Entscheidung vom 02.06.2016 - 140 C 43/16 LG Köln, Entscheidung vom 15.03.2017 - 26 S 16/16 -