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13 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. III ZR 65/09
  5. Verkündet am:
  6. 5. Mai 2010
  7. Freitag
  8. Justizamtsinspektor
  9. als Urkundsbeamter
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. - 2 -
  13. Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  14. vom 5. Mai 2010 durch den Vizepräsidenten Schlick sowie die Richter Dörr,
  15. Wöstmann, Seiters und Tombrink
  16. für Recht erkannt:
  17. Auf die Revision der Beklagten wird unter Zurückweisung der Anschlussrevision des Klägers das Urteil des 24. Zivilsenats des
  18. Oberlandesgerichts Köln vom 3. Februar 2009 teilweise abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.
  19. Von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz haben der Kläger 2/3 und die Beklagte 1/3 zu tragen. Die Kosten des
  20. Revisionsrechtszugs hat der Kläger zu tragen.
  21. Von Rechts wegen
  22. Tatbestand
  23. 1
  24. Der Kläger, der mehrere Jahre lang für die Beklagte als Vermögensberater und -verwalter tätig gewesen ist, nimmt die Beklagte im Wege einer Teilklage auf Rückzahlung von Darlehen über 1 Mio. € in Anspruch. Die Beklagte
  25. hat unter anderem hilfsweise die Aufrechnung mit einer Gegenforderung in
  26. Höhe von 522.073,50 € nebst Zinsen mit der Begründung geltend gemacht, sie
  27. habe dem Kläger dieses Geld zu Anlagezwecken zur Verfügung gestellt, wobei
  28. der Kläger den Betrag jedoch abredewidrig für eigene Zwecke verwendet habe.
  29. - 3 -
  30. 2
  31. Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung der weitergehenden
  32. Klage zur Zahlung von 402.975 € nebst Zinsen verurteilt. Beide Parteien haben
  33. Berufung eingelegt. Das Oberlandesgericht hat unter teilweiser Änderung und
  34. Neufassung der erstinstanzlichen Entscheidung die Beklagte verurteilt, an den
  35. Kläger 25.513,64 € nebst Zinsen zu zahlen. Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten, die die vom Berufungsgericht im
  36. Rahmen der Hilfsaufrechnung nicht berücksichtigten Zinsen auf den Anlagebetrag von 522.073,50 € betrifft. Mit seiner Anschlussrevision wendet sich der
  37. Kläger seinerseits dagegen, dass das Berufungsgericht die Hilfsaufrechnung
  38. über 522.073,50 € für begründet gehalten hat.
  39. Entscheidungsgründe
  40. 3
  41. Die zulässige Revision hat Erfolg. Die Anschlussrevision ist ebenfalls
  42. zulässig, da sie mit dem von der Revision erfassten Streitgegenstand in einem
  43. unmittelbaren rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang steht (vgl. BGHZ
  44. 148, 156, 159 ff; 174, 244, 252 ff); sie ist jedoch unbegründet.
  45. I.
  46. 4
  47. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass dem Kläger gegenüber der Beklagten ein Darlehensrückzahlungsanspruch über 909.500 € nebst
  48. Zinsen zustehe. Dieser Anspruch sei jedoch in Höhe von 522.073,50 € durch
  49. die hilfsweise Aufrechnung der Beklagten mit einem Schadensersatzanspruch
  50. wegen abredewidriger Verwendung des entsprechenden Geldanlagebetrags
  51. - 4 -
  52. nach § 280 Abs. 3, § 675 BGB erloschen. Nach Überzeugung des Senats sei
  53. zwischen den Parteien ein "Privat-Partner-Vertrag" zu den aus der Vertragsurkunde ersichtlichen Bedingungen am 6. Mai 2002 zustande gekommen. Soweit
  54. der Kläger dies bestreite und weiter behaupte, der Vertrag sei auch nicht
  55. durchgeführt worden bzw. er habe den Geldbetrag nicht erhalten, werde dies
  56. durch die von der Beklagten vorgelegte Kontoübersicht als ein beweiskräftiges,
  57. dem klägerischen Vorbringen entgegenstehendes Indiz widerlegt. Der Kläger
  58. bestreite zwar, diese Kontoübersicht selbst angefertigt zu haben, er habe jedoch deren inhaltliche Richtigkeit zugestanden. Die Kontoübersicht betreffe das
  59. vom Kläger als Kontoinhaber geführte Treuhandkonto, auf das entsprechend
  60. einem Auftrag der Beklagten vom 22. April 2002 insgesamt 1,319 Mio. € aus
  61. der Auflösung eines Wertpapierdepots der Beklagten überwiesen worden seien.
  62. Unter dem 6. Mai 2002 sei in der Kontoübersicht als Soll-Buchung vermerkt
  63. "Einrichtung Privat Partner laut Auftrag E.
  64. 522.073,50 €". Da der Kläger
  65. die inhaltliche Richtigkeit des Buchungstextes zugestanden habe und dieser nur
  66. von ihm selbst als Kontoinhaber stammen könne, habe er ihn gegen sich gelten
  67. zu lassen. Vor dem Hintergrund des Buchungstextes, der unmissverständlich
  68. als bereits erteilter Auftrag zu verstehen sei, stehe dem Zustandekommen des
  69. Vertrags auch nicht entgegen, dass die Beklagte ein nicht unterzeichnetes Vertragsexemplar vorgelegt habe. Einen weitergehenden Ersatzanspruch wegen
  70. entgangener Vertrags- und Verzugszinsen der unterbliebenen Geldanlage habe
  71. die Beklagte allerdings nicht schlüssig dargelegt. Unter Berücksichtigung der
  72. nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auf den Darlehensrückzahlungsanspruch des Klägers anzurechnenden Zahlungen der Beklagten an den Zeugen
  73. R.
  74. ergebe sich damit noch ein restlicher Anspruch des Klägers über
  75. 25.513,64 €.
  76. - 5 -
  77. II.
  78. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zum Anspruch der Beklagten
  79. 5
  80. auf Rückzahlung von 522.073,50 € halten den Angriffen der Anschlussrevision
  81. stand. Ohne Erfolg wendet sich der Kläger insoweit gegen die tatrichterliche
  82. Feststellung, dass zwischen den Parteien ein Auftrag über die Anlage dieses
  83. Geldbetrages zustande gekommen ist und die Beklagte dem Kläger die streitgegenständliche Summe zur Verfügung gestellt, dieser sie jedoch nicht absprachegemäß angelegt, sondern abredewidrig für eigene Zwecke verwandt hat.
  84. 6
  85. 1.
  86. Nach § 286 Abs. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des ge-
  87. samten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr ist. Diese Würdigung ist grundsätzlich Sache
  88. des Tatrichters, an dessen Feststellungen das Revisionsgericht gemäß § 559
  89. Abs. 2 ZPO gebunden ist. Dieses kann lediglich überprüfen, ob das Berufungsgericht die Voraussetzungen und die Grenzen des § 286 Abs. 1 ZPO gewahrt
  90. hat. Damit unterliegt der Nachprüfung nur, ob sich der Tatrichter mit dem Prozessstoff und den etwaigen Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denk- und Erfahrungssätze verstößt (vgl. nur Senat,
  91. Urteile vom 19. Juni 2008 - III ZR 46/06 - NJW-RR 2008, 1484, 1485, Rn. 22,
  92. und 5. November 2009 - III ZR 6/09 - WM 2010, 478 f, Rn. 8, jeweils m.w.N.).
  93. - 6 -
  94. 7
  95. 2.
  96. Gemessen an diesem Maßstab erweist sich die Wertung des Berufungs-
  97. gerichts als fehlerfrei. Zwar trägt der von der Beklagten vorgelegte "Privat Partner Auftrag zur Einrichtung einer Anlage und eines Anlageplans" vom 6. Mai
  98. 2002, der eine restliche Anlagesumme von 522.073,50 € ausweist, keine Unterschrift der Parteien. Jedoch durfte das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang die von der Beklagten vorgelegte Anlage B 1 "Kontoübersicht Konto 0
  99. 515-186 01/076 01 S.
  100. K.
  101. , A.
  102. Hauptvertretung Kontobezeichnung:
  103. Baumanagement E.
  104. " als Beleg dafür werten, dass zwischen den Partei-
  105. en ein Vertrag zustande gekommen ist. Die Beklagte hat unstreitig gemäß dem
  106. Überweisungsauftrag vom 22. April 2002 - siehe auch den Kontoauszug vom
  107. 22. April 2002 - 1.319.000 € an den Kläger überwiesen. Dieser Betrag ist in der
  108. Kontoübersicht als erste Buchung im April 2002 unter "Haben" als Eingang verzeichnet. Von dieser Summe hat der Kläger nach dem Inhalt der Kontoübersicht
  109. mehrfach Gelder abverfügt, so unter anderem unter dem 6. Mai 2002 den im
  110. Privat Partner Auftrag erwähnten Betrag von 522.073,50 € und zwar ausdrücklich zur "Einrichtung Privat Partner laut Auftrag E.
  111. ". Der Kläger hat zu
  112. der Anlage B 1 mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2006 zwar angegeben, diese
  113. sei ihm nicht bekannt bzw. er könne sich nicht daran erinnern, eine solche Übersicht erstellt zu haben, gleichzeitig aber ausdrücklich zugestanden: "Die
  114. Zahlen stimmen mit den beim Kläger aktenkundigen Vorgängen überein". Wenn
  115. das Berufungsgericht vor diesem Hintergrund dem pauschalen Vorbringen des
  116. Klägers an anderer Stelle - über den Privat-Partner-Auftrag sei nur als Entwurf
  117. verhandelt, dieser aber nicht zustande gekommen und auch nicht umgesetzt
  118. worden, ihm sei ein zusätzlicher Betrag von 522.073,50 € nie zugegangen nicht hat folgen können, ist diese tatrichterliche Würdigung revisionsrechtlich
  119. nicht zu beanstanden.
  120. - 7 -
  121. Soweit der Kläger mit der Anschlussrevisionsbegründung darauf ver-
  122. 8
  123. weist, dass die Beklagte nach seiner Darstellung aus der Auflösung des Wertpapierdepots stammende Gelder in Höhe von ca. 1,3 Mio. € in ein Bauprojekt
  124. investiert habe, ist hierzu anzumerken, dass sich zwar dem Überweisungsauftrag der Beklagten vom 22. April 2002 sowie dem Kontoauszug vom 22. April
  125. 2002 ein entsprechend beabsichtigter Verwendungszweck entnehmen lässt.
  126. Von der auf das Treuhandkonto des Klägers insoweit überwiesenen Summe
  127. von 1.319.000 € ist aber ausweislich der Buchung vom 6. Mai 2002 der im Vertragstext als "restliche Anlagesumme" bezeichnete Betrag von 522.073,50 €
  128. - anders als bei den weiter in der Auflistung enthaltenen Buchungen - nicht für
  129. bauliche Zwecke, sondern für die "Einrichtung Privat Partner laut Auftrag
  130. E.
  131. 9
  132. " verwandt worden.
  133. Ergänzend ist in diesem Zusammenhang auch auf folgende - die Darstel-
  134. lung der Beklagten stützende - Umstände hinzuweisen: Die Beklagte hat in ihrer
  135. Klagerwiderung vom 24. November 2006 vorgetragen, sie habe mit Schreiben
  136. vom 30. Juli und 30. Oktober 2003 sowie 27. Januar und 20. April 2004 den
  137. Kläger gebeten, die Abrechnung der Zinsen für den Vertrag vom 6. Mai 2002 zu
  138. übersenden. Der Kläger habe ihr über den Zeugen K.
  139. jeweils ausrichten las-
  140. sen, dass die Zinsabrechnungen kurzfristig gefertigt werden würden, sie müsse
  141. sich keine Sorgen machen. Ferner habe der Kläger ihr über den Zeugen K.
  142. im Jahre 2004 mitteilen lassen, dass Ende November 2004 die Anlagesumme
  143. selbstverständlich
  144. ausbezahlt
  145. werde.
  146. Mit
  147. weiterem
  148. Schriftsatz
  149. vom
  150. 12. Dezember 2006 hat die Beklagte unter Wiederholung ihres Vortrags die an
  151. den Kläger gerichteten Aufforderungsschreiben nebst zweier "letztmaliger"
  152. Mahnschreiben vom 26. August und 24. September 2004 vorgelegt. Dem ist der
  153. Kläger in seinen Schriftsätzen vom 5. Dezember 2006 sowie 12. Januar 2007
  154. nicht entgegengetreten, sondern hat lediglich in letzterem Schriftsatz beiläufig
  155. - 8 -
  156. angemerkt, die vorgelegten Schreiben seien nicht erheblich bzw. belegten nicht,
  157. dass der Vertrag tatsächlich zustande gekommen sei.
  158. III.
  159. 10
  160. Auf den Betrag von 522.073,50 € stehen der Beklagten Zinsen jedenfalls
  161. in Höhe von 4 % seit dem 6. Mai 2002 nach § 675 Abs. 1, §§ 668, 246 BGB zu.
  162. 11
  163. Das Berufungsgericht hat übersehen, dass sich auf der Grundlage seiner
  164. tatrichterlichen Feststellungen ein Zinsanspruch der Beklagten ohne weiteres
  165. aus § 668 BGB ergibt. Nach § 668 BGB ist der Beauftragte, wenn er Geld für
  166. sich verwendet, das er an sich dem Auftraggeber herauszugeben oder für ihn
  167. zu verwenden hat, verpflichtet, es von der Zeit der Verwendung an zu verzinsen. § 668 BGB nimmt insoweit dem Auftraggeber den Beweis eines Schadens
  168. bzw. der Größe desselben ab. Der Norm liegt die Annahme zugrunde, dass der
  169. Auftragnehmer zumeist einen zumindest dem gesetzlichen Zinssatz gleich
  170. kommenden Nutzungsvorteil gezogen hat. Hierbei setzt § 668 BGB nicht voraus, dass dem Auftraggeber tatsächlich ein Schaden entstanden ist (vgl. nur
  171. Staudinger/Martinek, BGB, Neubearb. 2006, § 668 Rn. 2). Aufgrund der Verweisung in § 675 Abs. 1 BGB gilt diese Regelung auch bei entgeltlicher Geschäftsbesorgung.
  172. 12
  173. Der Einwand des Klägers, das Berufungsgericht sei zu Unrecht von einer
  174. abredewidrigen Verwendung ausgegangen, geht fehl. Die diesbezügliche tatrichterliche Feststellung ist rechtsfehlerfrei getroffen. Soweit der Kläger meint,
  175. - 9 -
  176. die Beklagte habe hierzu nicht substantiiert vorgetragen, da sie im Schriftsatz
  177. vom 12. Dezember 2006 davon gesprochen habe, sie sei sich sicher, dass der
  178. Kläger im Mai 2002 die 522.073,50 € vom Treuhandkonto abgerufen habe, "um
  179. diesen Betrag vereinbarungsgemäß für die Beklagte anzulegen", lässt sich aus
  180. dieser Formulierung nicht der Schluss ziehen, die Beklagte habe selbst behaupten wollen, der Kläger habe das Geld vertragsgemäß verwandt. Die Beklagte
  181. hat vielmehr in diesem Zusammenhang - unter anderem in den Schriftsätzen
  182. vom 24. November 2006, 12. Dezember 2006 und 14. April 2008 - mehrfach
  183. vorgetragen, der Kläger habe das Geld nicht korrekt verwendet, sondern für
  184. eigene Zwecke veruntreut bzw. lege nicht substantiiert dar, wie er mit den Geldern verfahren sei. Im Übrigen hat der Kläger selbst nie behauptet, den in der
  185. Kontoaufstellung aufgeführten und nach deren von ihm zugestandenen Inhalt
  186. von ihm vom Treuhandkonto entnommenen Geldbetrag entsprechend den Bedingungen des "Privat Partner Auftrags" angelegt zu haben. Wenn das Berufungsgericht vor diesem Hintergrund zu der Feststellung gelangt ist, das Geld
  187. sei vom Kläger nicht für Zwecke der Beklagten, sondern für eigene Zwecke
  188. verwandt worden, ist dies nicht zu beanstanden.
  189. 13
  190. Stehen der Beklagten aber auf den Betrag von 522.073,50 € 4 % Zinsen
  191. ab dem 6. Mai 2002 zu, führt die hilfsweise Aufrechnung im Rahmen der vom
  192. Berufungsgericht vorgenommenen Abrechnung der wechselseitigen Forderun-
  193. - 10 -
  194. gen dazu, dass der Darlehensrückzahlungsanspruch des Klägers in vollem Umfang erloschen ist.
  195. Schlick
  196. Dörr
  197. Seiters
  198. Wöstmann
  199. Tombrink
  200. Vorinstanzen:
  201. LG Aachen, Entscheidung vom 23.05.2007 - 11 O 462/06 OLG Köln, Entscheidung vom 03.02.2009 - 24 U 102/07 -