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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. III ZR 11/09
  5. Verkündet am:
  6. 11. Februar 2010
  7. Kiefer
  8. Justizangestellter
  9. als Urkundsbeamter
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. - 2 -
  13. Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  14. vom 11. Februar 2010 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter Dörr,
  15. Dr. Herrmann, Hucke und Tombrink
  16. für Recht erkannt:
  17. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 18. Zivilsenats
  18. des Oberlandesgerichts München vom 16. Dezember 2008 aufgehoben.
  19. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
  20. über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  21. Von Rechts wegen
  22. Tatbestand
  23. 1
  24. Der minderjährige Kläger macht gegen den beklagten Wirtschaftsprüfer
  25. Ansprüche im Zusammenhang mit einer Beteiligung an der F.
  26. Z.
  27. GbR
  28. geltend, die er, vertreten durch seine Eltern, am 18. September 2003 zeichnete.
  29. 2
  30. Die Anlage wurde anhand eines von der Fondsgesellschaft herausgegebenen Emissionsprospekts vertrieben. Unter anderem nach Nummer 10 der
  31. darin enthaltenen Erläuterungen der rechtlichen Grundlagen des Fonds hatte
  32. zur Absicherung der Kapitalanleger ein Wirtschaftsprüfer die Kontrolle über die
  33. - 3 -
  34. zweckgerechte Verwendung der Gesellschaftereinlage übernommen. Dem lag
  35. ein im Prospekt abgedruckter Mittelverwendungskontrollvertrag zwischen der
  36. F.
  37. Z.
  38. GbR und dem Wirtschaftsprüfer zugrunde. Dieser Vertrag ent-
  39. hielt insbesondere folgende Regelungen:
  40. "§ 1 Sonderkonto
  41. (1) Die Fonds-Gesellschaft richtet ein Sonderkonto bei einem
  42. Kreditinstitut ein, über das sie nur gemeinsam mit dem Beauftragten verfügen kann ("Sonderkonto"). Auf das Sonderkonto
  43. sind die Gesellschaftereinlagen einzuzahlen und die von der
  44. Fonds-Gesellschaft ausgereichten Darlehen zu tilgen.
  45. (3) Zahlungen aus dem Sonderkonto dürfen nur entweder zur Begleichung von Kosten der Fonds-Gesellschaft oder zur Ausreichung von Darlehen geleistet werden.
  46. Zahlungen zur Ausreichung eines Darlehens dürfen nur geleistet werden, wenn…
  47. § 4 Haftung
  48. (1) Dieser Vertrag wird als Vertrag zu Gunsten Dritter, und zwar
  49. zu Gunsten aller Gesellschafter abgeschlossen. Die Gesellschafter können aus diesem Vertrag eigene Rechte herleiten.
  50. (2) Schadensersatzansprüche gegen den Beauftragten können
  51. nur geltend gemacht werden, wenn die Fonds-Gesellschaft
  52. oder die Gesellschafter nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermögen.
  53. …"
  54. - 4 -
  55. Die Mittelverwendungskontrolle sollte nach dem Prospekt von einem un-
  56. 3
  57. abhängigen Wirtschaftsprüfer durchgeführt werden, der "aus standesrechtlichen
  58. Gründen" nicht genannt wurde.
  59. Der Beklagte wurde im März 2003 als Mittelverwendungskontrolleur ge-
  60. 4
  61. wonnen. Er erstellte zudem ein Prospektprüfungsgutachten. Für das Sonderkonto, auf das die Anleger ihre Gesellschaftereinlagen einzahlten, war er gesamtvertretungsberechtigt. Drei der geschäftsführenden Gesellschafter waren
  62. demgegenüber einzeln zeichnungsbefugt. Erst nach dem 1. Dezember 2004
  63. wurden deren Zeichnungsrechte dahingehend geändert, dass sie nur gemeinsam mit dem Beklagten über das Konto verfügen konnten.
  64. Nachdem Mitte Dezember 2004 wirtschaftliche Schwierigkeiten der
  65. 5
  66. Fondsgesellschaft offen gelegt wurden, befindet sich diese seit Ende des Jahres 2005 in Liquidation. Der Kläger hat von dem Beklagten unter anderem die
  67. Rückzahlung der von ihm geleisteten Einlage abzüglich der aus der Liquidation
  68. erhaltenen Beträge Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche auf Auszahlung weiteren Liquidationserlöses verlangt. Wegen des Zahlungsanspruchs hat
  69. er mittlerweile die Erledigung der Hauptsache erklärt, deren Feststellung er begehrt. Weiterhin fordert er die Feststellung des Annahmeverzugs des Beklagten
  70. wegen der angebotenen Abtretung und dessen Verpflichtung, ihn von sämtlichen Verpflichtungen aus der Beteiligung freizustellen.
  71. Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit seiner vom
  72. 6
  73. Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Ansprüche
  74. weiter.
  75. - 5 -
  76. Entscheidungsgründe
  77. 7
  78. Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur
  79. Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.
  80. I.
  81. 8
  82. Nach Auffassung des Berufungsgerichts scheiden Ansprüche des Klägers aus Prospekthaftung aus. Der Beklagte sei nicht prospektverantwortlich
  83. gewesen und habe auch kein persönliches Vertrauen in Anspruch genommen.
  84. 9
  85. Der Kläger habe gegen den Beklagten auch keinen Schadensersatzanspruch gemäß § 311 Abs. 2, 3 BGB wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten. Der Beklagte sei lediglich verpflichtet gewesen, künftige Anleger
  86. über ihm bekannte oder sich ihm aufdrängende Auffälligkeiten zu informieren.
  87. Eine Aufklärungspflicht habe insbesondere nicht bezüglich der Zeichnungsbefugnisse für das Sonderkonto bestanden. Zwar sei dieses mangels einer Vereinbarung mit der Bank, dass Verfügungen nur unter Mitwirkung des Beklagten
  88. zulässig sein sollten, nicht vertragsgerecht eingerichtet worden. Jedoch habe
  89. der Kläger nicht den Nachweis erbracht, dass dem Beklagten dies zum Zeitpunkt seines Beitritts zum Fonds bekannt gewesen sei oder es sich ihm hätte
  90. aufdrängen müssen. Der Beklagte sei auch nicht verpflichtet gewesen, künftige
  91. Anleger darauf hinzuweisen, dass er nicht überprüft habe, ob ein dem Mittelverwendungskontrollvertrag entsprechendes Sonderkonto eingerichtet worden
  92. sei. Dem Vertrag sei eine diesbezügliche Kontrollpflicht nicht zu entnehmen.
  93. Ansprüche aus einer Pflichtverletzung im Zusammenhang mit der Abwicklung
  94. des Mittelverwendungskontrollvertrags schieden aus, da sie nicht auf den von
  95. - 6 -
  96. dem Kläger begehrten Ersatz des Zeichnungsschadens gerichtet seien.
  97. Schließlich kämen auch Ansprüche auf deliktsrechtlicher Grundlage nicht in Betracht.
  98. II.
  99. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Senat hat mit sei-
  100. 10
  101. nem Urteil vom 19. November 2009 (III ZR 109/08 - ZIP 2009, 2449), das denselben Beklagten, denselben Fonds, denselben Mittelverwendungskontrollvertrag und einen auch ansonsten im Wesentlichen gleich gelagerten Sachverhalt
  102. betraf, die Pflichten des Beklagten in entscheidenden Punkten abweichend beurteilt. Danach gilt zusammengefasst Folgendes:
  103. 11
  104. 1.
  105. a) Den Beklagten traf nach dem Vertrag über die Mittelverwendungskon-
  106. trolle (MVKV) gegenüber den Anlegern unter anderem die Verpflichtung zu
  107. überprüfen, ob die Konditionen des Sonderkontos mit den in § 1 Abs. 1 Satz 1
  108. MVKV genannten Kriterien übereinstimmten. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hatte sich der Beklagte zu vergewissern, dass sämtliche Verfügungsberechtigten nur gemeinsam mit ihm zeichnungsbefugt waren (Senat aaO
  109. S. 2450 Rn. 17 ff). Dies folgt aus dem Zweck des Mittelverwendungskontrollvertrags.
  110. 12
  111. Die vom Beklagten übernommene Funktion bestand darin, die Anleger
  112. davor zu schützen, dass die geschäftsführenden Gesellschafter Zahlungen von
  113. dem Sonderkonto vornehmen, ohne dass die in § 1 Abs. 3 MVKV genannten
  114. Voraussetzungen vorliegen. Um diese Aufgabe erfüllen zu können, musste er
  115. sicherstellen, dass er die ihm obliegende Kontrolle über den Mittelabfluss auch
  116. - 7 -
  117. tatsächlich ausüben konnte. Da ein Konto, über das nur unter Mitwirkung des
  118. Beklagten verfügt werden konnte, eine zentrale Bedingung des Mittelverwendungskontrollvertrags darstellte und Voraussetzung für die effektive Verwirklichung seines Schutzzwecks war, durfte er nicht ohne eigene Vergewisserung
  119. darauf vertrauen, dass die für das Sonderkonto bestehenden Zeichnungsbefugnisse den Anforderungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 MVKV entsprachen. Der
  120. Beklagte musste, wenn nicht schon Manipulationen der Fondsgesellschaft, so
  121. doch aber jedenfalls gewärtigen, dass es bei der Einrichtung des Sonderkontos
  122. infolge von Unachtsamkeiten oder Irrtümern auf Seiten der Bank oder der
  123. Fondsgesellschaft zu Fehlern bei der Einräumung der Zeichnungsrechte kommen konnte.
  124. 13
  125. Hiernach oblag dem Beklagten die Überprüfung, ob die geschäftsführenden Gesellschafter nur mit ihm gemeinschaftlich für das Sonderkonto verfügungsberechtigt waren. Diese Prüfungspflicht bestand zu dem Zeitpunkt, ab
  126. dem die Anlage "einsatzbereit" war (Senat aaO S. 2451 Rn. 26). Die Mittelverwendungskontrolle musste naturgemäß sichergestellt sein, bevor die Anleger
  127. Beteiligungen zeichneten und Zahlungen auf ihre Einlagen leisteten.
  128. 14
  129. b) Allerdings beschränkten sich die Pflichten des Beklagten nicht auf diese Überprüfung und darauf, der Fondsgesellschaft gegenüber auf die Beseitigung der Mängel hinzuwirken. Gegenüber Anlegern, die dem Fonds nach Aufnahme seiner Tätigkeit beitraten, war der Beklagte darüber hinaus verpflichtet,
  130. in geeigneter Weise darauf hinzuweisen, dass die im Prospekt werbend herausgestellte Mittelverwendungskontrolle bislang nicht stattgefunden hatte (vgl.
  131. Senat aaO S. 2451 f Rn. 29 f). Er konnte nicht ausschließen, dass es bereits
  132. vor dem Beitritt § 1 Abs. 3 MVKV widersprechende Auszahlungen von dem
  133. Sonderkonto gegeben hatte, durch die das Gesellschaftsvermögen - auch zum
  134. - 8 -
  135. Nachteil der künftig beitretenden Gesellschafter - fortwirkend vermindert worden
  136. war. In dieser Situation hätte der Beklagte seinen vorvertraglichen Verpflichtungen gegenüber den Beitrittsinteressenten nicht allein dadurch genügt, für eine
  137. ordnungsgemäße Mittelverwendungskontrolle in der Zukunft Sorge zu tragen.
  138. Da eine zweckwidrige Minderung des Gesellschaftsvermögens bereits eingetreten sein konnte, hätte er nach Aufnahme der Tätigkeit des Fonds vielmehr unverzüglich zusätzlich darauf hinweisen müssen, dass die im Prospekt werbend
  139. herausgestellte Mittelverwendungskontrolle bislang nicht stattgefunden hatte. Er
  140. hätte deshalb auf eine Änderung des Prospekts drängen müssen und Anleger,
  141. die vor einer derartigen Prospektänderung ihr Interesse an einer Beteiligung
  142. bekundeten, in geeigneter anderer Weise unterrichten müssen.
  143. 15
  144. Der Senat verkennt nicht, dass es für den Beklagten - anders als in den
  145. Fällen, in denen ein Treuhandkommanditist zum Mittelverwendungskontrolleur
  146. bestimmt ist und daher zwangsläufig in unmittelbaren Kontakt zu den beitrittswilligen Anlegern tritt - durchaus mit Mühen verbunden gewesen wäre, die Anlageinteressenten rechtzeitig vor Tätigung der Anlage zu informieren. Nach dem
  147. derzeitigen Sach- und Streitstand ist jedoch davon auszugehen, dass dem Beklagten zumutbare und hinreichend erfolgversprechende Mittel zur Verfügung
  148. standen. So hätte er insbesondere den Vertrieb und notfalls die Fachpresse
  149. über die unterbliebene Mittelverwendungskontrolle informieren können. Es wird
  150. Sache des Beklagten sein, darzutun und gegebenenfalls zu beweisen, dass ihm
  151. die Erfüllung dieser Informationspflichten nicht möglich war.
  152. 16
  153. c) Ein sich aus der Verletzung dieser Pflicht ergebender Anspruch der
  154. Anleger gegen den Beklagten ist auf Ersatz des so genannten Zeichnungsschadens gerichtet (Senat aaO S. 2452 Rn. 33 ff).
  155. - 9 -
  156. d) Seine Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz scheitert nicht
  157. 17
  158. an der Subsidiaritätsklausel des § 4 Abs. 2 MVKV. Diese Regelung ist wegen
  159. Verstoßes gegen § 309 Nr. 7 Buchst. b BGB unwirksam (Senatsurteil vom
  160. 19. November 2009 - III ZR 108/08 - ZIP 2009, 2446, 2447 f Rn. 11 ff).
  161. 18
  162. 2.
  163. Da noch ergänzende Feststellungen erforderlich sind, ist der Rechtsstreit
  164. nicht zur Endentscheidung reif, so dass das angefochtene Urteil aufzuheben
  165. und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist (§ 563 Abs. 1, 3 ZPO).
  166. Schlick
  167. Dörr
  168. Hucke
  169. Herrmann
  170. Tombrink
  171. Vorinstanzen:
  172. LG München I, Entscheidung vom 14.08.2007 - 23 O 15907/06 OLG München, Entscheidung vom 16.12.2008 - 18 U 4694/07 -