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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. III ZR 293/03
  5. Verkündet am:
  6. 29. Juli 2004
  7. Kiefer
  8. Justizangestellter
  9. als Urkundsbeamter
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. AGBG § 9 Bd; Ci
  19. Die in einem formularmäßigen Subunternehmervertrag über Bewachungsdienstleistungen enthaltene Klausel, ein wichtiger Kündigungsgrund liege
  20. insbesondere vor, wenn "der Hauptvertrag endet bzw. sich Änderungen im
  21. Umfang der Sicherheitsdienstleistung ergeben", hält der Inhaltskontrolle
  22. nicht stand.
  23. BGH, Urteil vom 29. Juli 2004 - III ZR 293/03 - LG Potsdam
  24. AG Potsdam
  25. - 2 -
  26. Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  27. vom 24. Juni 2004 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter
  28. Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr und Galke
  29. für Recht erkannt:
  30. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 3. Zivilkammer
  31. des Landgerichts Potsdam vom 11. September 2003 aufgehoben.
  32. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
  33. über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  34. Von Rechts wegen
  35. Tatbestand
  36. Die Firma Aufzugswerke M. Sch.
  37. zugswerke Sch.
  38. ") in C.
  39. & Sohn GmbH (im folgenden: "Auf-
  40. beauftragte die Beklagte durch schriftlichen
  41. "Rahmenvertrag zur Notrufbearbeitung" vom 6./19. August 1998 mit der Bearbeitung von Aufzugsnotrufen. Über einen Teil der zu erbringenden Bewachungsdienstleistungen schloß die Beklagte mit der Klägerin einen auf den
  42. 1. November 1998/23. März 1999 datierten Subunternehmervertrag mit einer
  43. Festlaufzeit von einem Jahr, beginnend mit dem 1. November 1998. Der Vertrag sollte sich nach Ablauf der Festlaufzeit jeweils um zwölf Monate verlän-
  44. - 3 -
  45. gern, soweit er nicht von einer Partei mit einer Frist von vier Wochen vor Ablauf
  46. schriftlich gekündigt wurde. In § 7 Abs. 2 des formularmäßigen Vertrages, den
  47. die Beklagte außer bei der Klägerin noch bei 24 weiteren für sie tätigen Subunternehmern verwendete, war folgende Regelung enthalten:
  48. "Das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund bleibt unberührt.
  49. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn
  50. a) der Hauptvertrag endet bzw. sich Änderungen im Umfang der
  51. Sicherheitsdienstleistung ergeben, …"
  52. Mit Schreiben vom 2. Januar 2000 kündigte die Firma Aufzugswerke
  53. Sch.
  54. gegenüber der Beklagten den Rahmenvertrag zur Notrufbearbeitung
  55. zum 31. März 2000. Am 1. April 2000 schlossen die Beklagte und die Firma
  56. Aufzugswerke Sch.
  57. einen neuen Rahmenvertrag, der abgesehen von einer
  58. geänderten Vergütungsstruktur mit dem früheren inhaltlich übereinstimmte. Die
  59. Beklagte hatte sich, wie sie vorträgt, mit 23 ihrer 25 Subunternehmer dahin geeinigt, daß die Vergütungsregelungen der jeweiligen Subunternehmerverträge
  60. an diese Änderung des Hauptvertrages angepaßt wurden. Mit der Klägerin
  61. konnte eine Einigung nicht erzielt werden. Die Beklagte kündigte, gestützt auf
  62. § 7 Abs. 2 Buchst. a, den Subunternehmervertrag mit der Klägerin mit Schreiben vom 31. März 2000 fristlos. Die Klägerin widersprach dieser Kündigung mit
  63. Schreiben vom selben Tage.
  64. Im vorliegenden Rechtsstreit beansprucht die Klägerin von der Beklagten die vertraglichen Vorhaltepauschalen für die Monate April bis Juli 2000.
  65. Ihre auf Zahlung von 9.182,56 DM (= 4.694,97 €) nebst Zinsen gerichtete Klage blieb in beiden Vorinstanzen erfolglos. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter.
  66. - 4 -
  67. Entscheidungsgründe
  68. Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
  69. I.
  70. Beide Vorinstanzen haben angenommen, daß für die Beklagte ein wichtiger Kündigungsgrund nach § 7 Abs. 2 Buchst. a des Subunternehmervertrages - Beendigung des Hauptvertrages zwischen der Beklagten und Firma Aufzugswerke Schmitt - vorgelegen hat. Sie meinen, diese Bestimmung halte einer
  71. Inhaltskontrolle nach § 9 des hier noch anwendbaren AGB-Gesetzes stand.
  72. Darin kann ihnen nicht gefolgt werden.
  73. 1.
  74. Allerdings gehen die Vorinstanzen - in Übereinstimmung mit der Rechts-
  75. auffassung beider Parteien - zutreffend davon aus, daß es sich bei den von der
  76. Beklagten gegenüber ihren Subunternehmern verwendeten Formularverträgen
  77. um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt. Die fragliche Klausel unterliegt
  78. daher der Inhaltskontrolle nach § 9 des hier noch anwendbaren AGBG. § 10
  79. Nr. 3 AGBG ist dagegen nicht einschlägig, da es hier um ein Dauerschuldverhältnis geht (Halbsatz 2) und zudem der Formularvertrag gegenüber der Klägerin als einer Person verwendet wurde, die bei Abschluß des Vertrages in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit gehandelt
  80. - 5 -
  81. hat (Unternehmer; § 24 Satz 1 Nr. 1 AGBG in der hier einschlägigen Fassung
  82. des Handelsrechtsreformgesetzes vom 22. Juni 1998 BGBl. I S. 1474).
  83. 2.
  84. Die Prüfung der Frage, ob die Klausel die Klägerin als den Vertragspart-
  85. ner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt (§ 9 Abs. 1 AGBG), orientiert sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs daran, ob der Verwender durch einseitige
  86. Vertragsgestaltung mißbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich
  87. zuzugestehen (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 3. November 1999 - VIII ZR 269/98 =
  88. NJW 2000, 1110, 1112 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Danach ist hier
  89. folgendes festzustellen:
  90. a) Der Subunternehmervertrag zwischen den Parteien war ein Dienstleistungsvertrag mit Dauerschuldcharakter. Als solcher war er einer Kündigung
  91. aus wichtigem Grund auch dann zugänglich, wenn dies nicht in den Vertragsbedingungen ausdrücklich geregelt gewesen wäre (§ 626 BGB). Die hier in
  92. Rede stehende Klausel stellte also nur eine vertragliche Konkretisierung eines
  93. wichtigen Kündigungsgrundes dar. Über den bereits bisher durch § 626 BGB
  94. gesetzlich geregelten Bereich des Dienstvertragsrechts eröffnet nunmehr der
  95. seit dem 1. Januar 2002 geltende neue § 314 BGB bei allen Dauerschuldverhältnissen die Möglichkeit einer Kündigung aus wichtigem Grunde.
  96. b) Der Subunternehmervertrag war von vornherein darauf angelegt, daß
  97. die der Klägerin obliegenden Leistungspflichten in den Rahmenvertrag eingebettet waren, den die Beklagte mit ihrer Hauptauftraggeberin, der Firma Auf-
  98. - 6 -
  99. zugswerke Sch.
  100. , abgeschlossen hatte. Es entstand also ein gestuftes
  101. Dienstleistungsverhältnis zwischen der Firma Aufzugswerke Sch.
  102. und der
  103. Beklagten einerseits sowie zwischen der Beklagten und der Klägerin als Subunternehmerin andererseits. Diese Vertragsgestaltung bewirkte notwendig, daß
  104. Leistungsstörungen auf der Ebene der Hauptauftraggeberin und der Beklagten
  105. nicht ohne Auswirkungen auf die Ebene zwischen der Beklagten und der Klägerin bleiben konnten. Unter diesem Blickwinkel konnte eine vertragliche Regelung, die die Beklagte berechtigte, bei einem Wegfall des Hauptvertrages
  106. den Subunternehmervertrag mit der Klägerin außerordentlich zu kündigen,
  107. nicht von vornherein als treuwidrig und einseitig die Interessen der Beklagten
  108. begünstigend angesehen werden. Denn die Klägerin hätte auch dann, wenn
  109. eine solche ausdrückliche Regelung nicht getroffen worden wäre, es hinnehmen müssen, daß ein Wegfall des Hauptvertrages der Beklagten eine Handhabe bot, sich von dem Subunternehmervertrag zu lösen; sei es unter Anwendung der Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage, sei es über ein
  110. Kündigungsrecht nach § 626 BGB.
  111. c) Der Beklagten als der Verwenderin dieser Klausel ist jedoch anzulasten, daß nach deren weit gefaßtem Wortlaut jede Beendigung des Hauptvertrages darunter fällt. Dies bedeutet, daß die Klausel der Beklagten eine Handhabe bietet, sich auch dann von den Subunternehmerverträgen zu lösen, wenn
  112. sie selbst die Beendigung des Hauptvertrages, sei es durch Kündigung ihrerseits, sei es durch eine einvernehmliche Aufhebung, herbeigeführt hat, etwa
  113. um aus ihrer Sicht bessere Vertragsbedingungen mit dem Hauptauftraggeber
  114. auszuhandeln, ohne daß die Grenze zur Unzumutbarkeit einer Fortsetzung des
  115. Hauptvertrages überschritten worden wäre.
  116. - 7 -
  117. d) Dies stellt eine einseitige, die Klägerin als Vertragspartnerin des Verwenders unangemessen benachteiligende Verlagerung des Risikos einer Beendigung des Hauptvertrages auf den jeweiligen Subunternehmer dar. Der Senat sieht auch keine rechtliche Möglichkeit, die Klausel mit eingeschränktem
  118. Geltungsbereich aufrechtzuerhalten, etwa in dem Sinn, daß sie nur solche Beendigungen des Hauptvertrages erfaßt, die es der Beklagten unzumutbar machen, die Verträge mit ihren Subunternehmern fortzuführen. Dies würde gegen
  119. das Verbot der "geltungserhaltenden Reduktion" verstoßen, welches besagt,
  120. daß es nach Wortlaut und Zweck der Vorschriften des AGB-Gesetzes nicht
  121. möglich ist, Klauseln, die nur zum Teil gegen das AGB-Gesetz verstoßen, mit
  122. eingeschränktem Inhalt aufrechtzuerhalten (BGHZ 86, 284, 297 m.w.N.). Dieses Verbot der Rückführung unwirksamer Klauseln auf einen zulässigen Inhalt
  123. - dazu gehört insbesondere die Beschränkung ihrer Anwendbarkeit auf einen
  124. Bereich, in dem sie der Inhaltskontrolle standhalten würden - gilt auch im kaufmännischen Verkehr (BGH, Urteil vom 28. Januar 1993 - I ZR 293/90 = NJW
  125. 1993, 1786, 1787 m.zahlr.w.N.).
  126. 3.
  127. Hieraus folgt zugleich weiter, daß die Kündigung auch nicht auf die
  128. zweite Alternative der in § 7 Abs. 2 Buchst. a getroffenen Regelung, nämlich
  129. auf Änderungen im Umfang der Sicherheitsdienstleistung, gestützt werden
  130. kann. Auch diese Formularklausel enthält nämlich keine irgendwie geartete
  131. Einschränkung dahingehend, daß damit nur solche Änderungen gemeint sind,
  132. die es der Beklagten unzumutbar machen, an den Verträgen mit ihren Subunternehmern festzuhalten. Mit diesem weit gefaßten Wortlaut zielt die Regelung,
  133. ebenso wie die zuvor erörterte Bestimmung über die Beendigung des Hauptvertrages, auf eine einseitige Durchsetzung der Interessen der Beklagten auf
  134. Kosten ihrer Subunternehmer ab. Die Regelung braucht daher aus denselben
  135. - 8 -
  136. Gründen wie jene andere von den Subunternehmern nicht hingenommen zu
  137. werden und unterliegt aus den bereits aufgezeigten Gründen gleichfalls dem
  138. Verbot einer geltungserhaltenden Reduktion.
  139. - 9 -
  140. II.
  141. Eine abschließende eigene Entscheidung ist dem Senat nicht möglich.
  142. Denn das Berufungsgericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - nicht geprüft, ob die fristlose Kündigung der Beklagten nicht nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen, insbesondere § 626 BGB, gerechtfertigt gewesen
  143. ist.
  144. 1.
  145. Sch.
  146. Allerdings hatte die Kündigungserklärung der Firma Aufzugswerke
  147. vom 2. Januar 2000 für sich allein genommen noch nicht zur Beendi-
  148. gung des Hauptvertrages zum 31. März 2000 geführt. Denn ein wichtiger
  149. Grund für jene Firma, den Hauptvertrag vor Ablauf der planmäßigen Vertragsdauer von fünf Jahren vorzeitig zu kündigen, ist nicht hinreichend dargetan. Die
  150. Vertragsbeendigung wurde aber dadurch bewirkt, daß die Beklagte diese Kündigung akzeptiert und den neuen Vertrag mit der Firma Aufzugswerke Sch.
  151. vom 1. April 2000 abgeschlossen hat. Das Berufungsgericht hat den vorinstanzlichen Sachvortrag beider Parteien in diesem Sinne ausgelegt. Insbesondere ist die weitgehend auf tatrichterlichem Gebiet liegende Würdigung, daß es
  152. sich bei dem neuen Vertrag vom 1. April 2000 gegenüber dem früheren um ein
  153. "aliud" und nicht etwa um eine Fortsetzung des Ursprungsvertrages zu geänderten Bedingungen gehandelt hatte, revisionsrechtlich nicht angreifbar. Die
  154. Revision setzt bei ihrer abweichenden Betrachtungsweise ihre eigene Wertung
  155. an die Stelle derjenigen des Tatrichters, was ihr indessen verwehrt ist.
  156. 2.
  157. Der Umstand, daß diese Aufhebung des Hauptvertrages auf dem Kon-
  158. sens der dortigen Vertragsparteien beruhte, schließt es indessen nicht aus,
  159. diese Beendigung im Verhältnis zwischen der Beklagten und der Klägerin als
  160. - 10 -
  161. ihrer Subunternehmerin als einen zur außerordentlichen Kündigung berechtigenden wichtigen Grund im Sinne des § 626 BGB zu bewerten. Die Beklagte
  162. hatte dazu bereits im ersten Rechtszug (im nachgelassenen Schriftsatz vom
  163. 17. Mai 2002) vorgetragen, in den Verhandlungen zwischen ihr und der Firma
  164. Aufzugswerke Sch.
  165. hätten deren Vertreter zum Ausdruck gebracht, daß sie
  166. nicht länger in der Lage seien, die vereinbarten Preise für die entsprechenden
  167. Dienstleistungen zu halten; dies insbesondere mit dem deutlichen Hinweis auf
  168. die inzwischen erheblich gestiegene Anzahl der zu betreuenden Aufzüge. Für
  169. sie, die Beklagte, hätte ein Widerspruch gegen die ausgesprochene Kündigung
  170. mit der Folge eines womöglich jahrelangen Prozessierens lediglich bedeutet,
  171. daß sie für sich und ihre Subunternehmer einen ihrer größten Auftraggeber
  172. verloren hätte, daß die Firma Aufzugswerke Sch.
  173. jedoch unter Umständen
  174. nach einer gerichtlichen Feststellung des Fortbestehens dieses Vertrages die
  175. vereinbarten Preise nicht hätte zahlen können und sie, die Beklagte, dann ihrerseits den Vertrag hätte kündigen müssen. Die Revisionserwiderung weist in
  176. diesem Zusammenhang nicht ohne Grund darauf hin, es erschiene als eine
  177. unangemessene Benachteiligung, wenn die Beklagte auch in dieser Situation
  178. an ihre Verträge mit den Subunternehmern gebunden wäre.
  179. 3.
  180. Mit diesem Sachvortrag wird ein wichtiger Grund zur außerordentlichen
  181. Kündigung hinreichend schlüssig dargetan. Die Kündigungsfrist des § 626
  182. Abs. 2 Satz 1 BGB - zwei Wochen - war hier gewahrt. Diese Frist gilt auch für
  183. selbständige Dienstverhältnisse (Senatsurteil vom 19. November 1998 - III ZR
  184. 261/97 = NJW 1999, 355). Sie begann hier jedoch erst mit dem Ende des
  185. Hauptvertrages, also mit Ablauf des 31. März 2000, und ist daher durch die an
  186. diesem Tag der Klägerin zugegangene Kündigungserklärung eingehalten worden.
  187. - 11 -
  188. 4.
  189. Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht daher Gelegenheit,
  190. diesem Vorbringen der Beklagten und der entsprechenden Erwiderung der Klägerin nachzugehen.
  191. Schlick
  192. Wurm
  193. Dörr
  194. Kapsa
  195. Galke