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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. III ZR 235/00
  5. Verkündet am:
  6. 5. Juli 2001
  7. Fitterer
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. ja
  16. BGHR:
  17. ja
  18. ------------------------------------
  19. VermG § 11 Abs. 1, § 11 a Abs. 3, § 15 Abs. 1; BGB § 670
  20. Zum Kostenerstattungsanspruch des staatlichen Verwalters eines Hausgrundstücks gegen den (damaligen) Eigentümer, der die nach dem Ende
  21. der staatlichen Verwaltung zurückgewonnene Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Grundstück wieder verliert, weil dem Restitutionsantrag eines NS-geschädigten Voreigentümers stattgegeben wird.
  22. BGH, Urteil vom 5. Juli 2001 - III ZR 235/00 - KG Berlin
  23. LG Berlin
  24. - 2 -
  25. Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  26. vom 5. Juli 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter
  27. Dr. Wurm, Streck, Schlick und Dörr
  28. für Recht erkannt:
  29. Auf die Revision der Beklagten wird das Grund- und Teilurteil des
  30. 22. Zivilsenats des Kammergerichts vom 20. Juli 2000 aufgehoben, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
  31. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten
  32. Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  33. Von Rechts wegen
  34. Tatbestand
  35. Durch Verwaltungsauftrag des Magistrats von Groß-Berlin vom 2. Februar 1953 wurde das im Eigentum von E. M. stehende, mit einem Mietshaus
  36. bebaute Grundstück M.-Straße in Berlin-P. gemäß § 2 der Verordnung zur Sicherung von Vermögenswerten vom 4. September 1952 (VOBl. I S. 445) unter
  37. staatliche Verwaltung gestellt. Nach Beendigung der staatlichen Verwaltung mit
  38. Ablauf des 31. Dezember 1992 gab die klagende Wohnungsbaugesellschaft
  39. - 3 -
  40. das Grundstück mit Wirkung vom 1. Januar 1993 an die Beklagte heraus, die
  41. mittlerweile im Wege der Erbfolge Grundstückseigentümerin geworden war.
  42. E. M. hatte das Grundstück 1938 von E. S. erworben, die es ihrerseits
  43. 1934 von einem jüdischen Voreigentümer gekauft hatte. Mit Schreiben vom
  44. 8. April 1992 hatte die Streithelferin der Beklagten die Rückübertragung der
  45. Eigentumsrechte an dem Grundstück beantragt. Mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 7. Oktober 1997 übertrug das zuständige Amt zur Regelung
  46. offener Vermögensfragen das Grundstückseigentum an die Streithelferin der
  47. Beklagten. Zur Begründung führte das Amt aus, daß gemäß § 1 Abs. 6 des
  48. Vermögensgesetzes die Veräußerung des Grundstücks durch den jüdischen
  49. Voreigentümer im Jahre 1934 als verfolgungsbedingter Vermögensverlust zu
  50. vermuten sei.
  51. Die Klägerin vereinnahmte bis zum Ende der staatlichen Verwaltung die
  52. Mieten und bestritt die Betriebs-, Verwaltungs- und sonstigen Kosten. Die von
  53. ihr für den Zeitraum vom 1. Juli 1990 bis zum 31. Dezember 1992 erstellten
  54. Abrechnungen ergaben unter Einschluß eines aus den vorangegangenen
  55. Wirtschaftsjahren bis zum 30. Juni 1990 entstandenen Negativsaldos von
  56. 34,88 DM einen Fehlbetrag von 464.941,77 DM. Die Klägerin verlangt von der
  57. Beklagten Zahlung dieses Betrags nebst Zinsen.
  58. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Kammergericht das angefochtene Urteil im wesentlichen dahin abgeändert, daß der Klageanspruch dem Grunde nach gerechtfertigt sei. Nur hinsichtlich des Fehlbetrags aus der Zeit vor dem 1. Juli 1990 hat es die Berufung
  59. - 4 -
  60. zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter.
  61. Entscheidungsgründe
  62. Die - als einheitliches Rechtsmittel zu behandelnde (BGH, Beschluß
  63. vom 1. Juli 1993 - V ZR 235/92 - NJW 1993, 2944; Urteil vom 26. März 1982 V ZR 87/81 - NJW 1982, 2069) - Revision der Beklagten und ihrer Streithelferin
  64. hat Erfolg.
  65. 1.
  66. Nach der Rechtsprechung des Senats hat das Institut der staatlichen
  67. Verwaltung, das in der früheren DDR neben den Enteignungen und sonstigen
  68. zu Eigentumsverlusten führenden Maßnahmen planmäßig als Mittel der "wirtschaftlichen Enteignung" eingesetzt wurde, ab dem 1. Juli 1990 einen in den
  69. Bestimmungen des Vermögensgesetzes sinnfällig zum Ausdruck gekommenen
  70. Funktionswandel dahin erfahren, daß dem staatlichen Verwalter im Verhältnis
  71. zum Eigentümer eine echte Treuhänderstellung zugewiesen worden ist. Diese
  72. Treuhänderstellung rechtfertigt es, ungeachtet der öffentlich-rechtlichen Natur
  73. des Rechtsinstituts der staatlichen Verwaltung dem staatlichen Verwalter einen
  74. allgemeinen Kostenerstattungsanspruch nach § 670 BGB (entsprechend) für
  75. nach dem 1. Juli 1990 gemachte Aufwendungen zuzubilligen (Senatsurteile
  76. BGHZ 137, 183, 188 ff; BGHZ 140, 355, 356, 363 f). Dieser Anspruch umfaßt
  77. auch pauschalierte Verwaltungskosten nach Maßgabe der Höchstbeträge des
  78. § 26 der Zweiten Berechnungsverordnung in der jeweils geltenden Fassung
  79. (BGHZ 140, 355, 358 ff).
  80. - 5 -
  81. Demgegenüber verwehrt das Vermögensgesetz in den Fällen, in denen
  82. die Schädigungsmaßnahme zum vollständigen Verlust des Eigentums geführt
  83. hat und die Korrektur des Teilungs- bzw. Diskriminierungsunrechts durch eine
  84. Rückübertragung des Vermögenswerts vorzunehmen ist, dem Verfügungsberechtigten einen "allgemeinen" Erstattungsanspruch für Aufwendungen, die er
  85. vor der Rückübertragung auf den der Restitution unterliegenden Vermögensgegenstand gemacht hat. § 3 Abs. 3 Satz 4 VermG gewährt dem Verfügungsberechtigten lediglich einen Kostenerstattungsanspruch für Instandsetzungsmaßnahmen, die den Vermieter zu einer Erhöhung der Miete berechtigen, soweit diese Kosten nicht bereits durch eine Mieterhöhung ausgeglichen worden
  86. sind. Wenn auch diese an Satz 3 des Absatzes 3 anschließende Bestimmung
  87. nach der Rechtsprechung des Senats auf die in § 3 Abs. 3 Satz 2 und 5 VermG
  88. geregelten Tatbestände anwendbar ist, so ändert dies doch nichts daran, daß
  89. der Verfügungsberechtigte die Betriebs- und gewöhnlichen Erhaltungskosten
  90. selbst zu tragen hat (vgl. Senatsurteile BGHZ 136, 57, 62 ff; 137, 183, 186 ff
  91. und vom 17. Mai 2001 - III ZR 283/00 - zur Veröffentlichung bestimmt). Diese
  92. Kosten kann der Verfügungsberechtigte nur dann im Aufrechnungswege geltend machen, wenn und soweit der Berechtigte nach § 7 Abs. 7 Satz 2 VermG
  93. Herausgabe der dem Verfügungsberechtigten ab dem 1. Juli 1994 aus einem
  94. Miet-, Pacht- oder sonstigen Nutzungsverhältnis zustehenden Entgelte verlangt.
  95. 2.
  96. Vorliegend bestand zwischen den Parteien bis zum Ablauf des 31. De-
  97. zember 1992 (vgl. § 11 a Abs. 1 Satz 1 VermG) ein "Verwalterverhältnis". Daneben wurde spätestens ab Stellung des Restitutionsantrags durch die Streithelferin der Beklagten mit Schreiben vom 8. April 1992 ein "Restitutionsver-
  98. - 6 -
  99. hältnis" begründet, an dem zum einen die Streithelferin der Beklagten als Berechtigte und zum anderen - jedenfalls ab dem 1. Januar 1993 - die Beklagte
  100. und - jedenfalls bis zum Ablauf des 31. Dezember 1992 - die Klägerin als Verfügungsberechtigte beteiligt waren. Demzufolge war die Klägerin bis zum Ende
  101. der staatlichen Verwaltung in einen doppelten Pflichtenkreis eingebunden:
  102. Gegenüber der Beklagten, für die sie die Sicherung und ordnungsgemäße
  103. Verwaltung des Vermögenswerts wahrzunehmen hatte (§ 15 Abs. 1 Satz 2
  104. VermG), war sie der Unterlassungsverpflichtung nach § 15 Abs. 2 VermG unterworfen, gegenüber deren Streithelferin der Unterlassungsverpflichtung aus
  105. § 3 Abs. 3 Satz 1 VermG (Senatsurteil BGHZ 137, 183, 191).
  106. Daraus ist nach Auffassung des Berufungsgerichts zu schließen, daß
  107. dem früheren staatlichen Verwalter auch die "doppelten" Rechte zustehen: Für
  108. die von ihm während der staatlichen Verwaltung getätigten Aufwendungen
  109. könne er, wenn und soweit die besonderen gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, nach § 3 Abs. 3 Satz 4 VermG vom Restitutionsberechtigten Kostenerstattung verlangen, während er gegenüber dem früheren Eigentümer den ungeschmälerten "allgemeinen" Kostenerstattungsanspruch nach § 670 BGB entsprechend habe. Der Umstand, daß der frühere Eigentümer die gerade erst mit
  110. Ablauf der staatlichen Verwaltung zurückgewonnenen vollen Verwaltungs- und
  111. Verfügungsbefugnisse über den betreffenden Vermögenswert mit Bestandskraft des Rückgabebescheids wieder - und zwar endgültig - verloren hat, ist
  112. nach Meinung des Berufungsgerichts nur im Rahmen des zwischen diesen
  113. beiden Berechtigten vorzunehmenden Gesamtschuldnerausgleichs nach § 426
  114. BGB zu berücksichtigen. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.
  115. - 7 -
  116. 3.
  117. Zwar endete die staatliche Verwaltung spätestens mit Ablauf des
  118. 31. Dezember 1992 (§ 11 a Abs. 1 Satz 1 VermG), so daß vom jeweiligen Eigentümer im Regelfalle Verwaltungsdefizite über lediglich einen Zeitraum von
  119. 2½ Jahren auszugleichen sind. Gleichwohl konnten angesichts der niedrigen,
  120. nicht sofort auf das in den westlichen Bundesländern bestehende Niveau anhebbaren DDR-Mieten einerseits und des vielfach weit überdurchschnittlichen
  121. Umfangs an Erhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen, die angesichts des
  122. schlechten baulichen Zustands der der staatlichen Wohnraumbewirtschaftung
  123. unterliegenden Gebäude gerade in den ersten Jahren nach Herstellung der
  124. Wirtschafts- und Währungsunion und der deutschen Einheit ergriffen werden
  125. mußten, andererseits Fehlbeträge in beträchtlicher Höhe entstehen. Wie dem
  126. Senat aus vielen bei ihm anhängig gemachten Verfahren bekannt ist, sind
  127. Verwaltungsdefizite - wie hier - in Höhe von mehreren 100.000 DM keine Seltenheit. Die Verwertung dieser gerichtsbekannten Fakten (§ 291 ZPO) ist dem
  128. Senat, nach entsprechendem Hinweis in der mündlichen Verhandlung, auch
  129. als Revisionsgericht nicht verwehrt (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 2000
  130. - II ZR 218/00 - NJW 2001, 1270, 1272 m.N.).
  131. Die Belastung des Eigentümers mit diesen Kosten ist nicht unbillig, da er
  132. im allgemeinen bei Rückgabe des Grundstücks eine deutlich bessere Ertragslage vorgefunden hat und zudem nicht ernsthaft zu befürchten ist, daß die zu
  133. erstattenden Kosten eine Höhe erreichen, die die Bewirtschaftung des Grundstücks auf Dauer unrentabel machen oder gar den Wert des Grundstücks
  134. übersteigen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß es der Gesetzgeber - anders als
  135. in den Restitutionsfällen - auch in der Hand gehabt hätte, die staatliche Verwaltung mit Inkrafttreten des Vermögensgesetzes übergangslos aufzuheben
  136. und den Vermögenswert sofort dem Eigentümer oder einem zu bestellenden
  137. - 8 -
  138. gesetzlichen Vertreter desselben (vgl. § 11 b VermG) mit der Folge zurückzugeben, daß diese im Interesse der ordnungsgemäßen Verwaltung des Vermögenswerts erforderlichen (vgl. § 15 Abs. 1 VermG) Aufwendungen der Eigentümer oder sein Vertreter hätten tätigen müssen.
  139. Diese Bewertung der Interessenlage trifft aber nur für den den gesetzlichen Bestimmungen des Vermögensgesetzes zugrundeliegenden Normalfall
  140. zu, daß die mit dem Ende der staatlichen Verwaltung einhergehende Wiederherstellung der Verfügungs- und Verwaltungsbefugnisse des Eigentümers auf
  141. Dauer angelegt ist, also das Grundstückseigentum nur entweder aufgrund eigener Dispositionen des Vermögensinhabers (Verkauf, Schenkung etc.) oder
  142. deshalb verloren geht, weil sich allgemeine Risiken (wirtschaftliche Schwierigkeiten, Insolvenz etc.) verwirklichen, denen jede am Wirtschaftsleben teilnehmende Person ausgesetzt ist.
  143. Verliert aber - wie hier - der von der Anordnung der staatlichen Verwaltung betroffene Berechtigte sein Eigentum deshalb wieder, weil sich ein anderer, ebenfalls von Teilungs- und Diskriminierungsunrecht Betroffener nach den
  144. Bestimmungen dieses Gesetzes als der noch besser Berechtigte erweist, so
  145. stellt sich die wirtschaftliche Lage des Eigentümers in einem völlig anderen
  146. Licht dar: Infolge des durchgreifenden Restitutionsantrags konnte er das
  147. Grundstück nur zeitweise nutzen. Aufgrund dessen bestand keine realistische
  148. Chance, ein in der Zeit der staatlichen Verwaltung aufgelaufenes Verwaltungsdefizit, das auch nur annähernd den vorliegend geltend gemachten Betrag
  149. ausmacht, aus den ihm zufließenden Einnahmen des Grundstücks zu bestreiten. Dies gilt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht nur dann,
  150. wenn der Restitutionsbescheid kurze Zeit nach Ablauf des 31. Dezember 1992
  151. - 9 -
  152. bestandskräftig wird, sondern auch dann, wenn - wie hier - der Eigentumsverlust erst nach mehreren (fast fünf) Jahren eintritt. Denn bei der rechtlichen Beurteilung darf, worauf die Revision zu Recht hinweist, nicht unberücksichtigt
  153. bleiben, daß der Restitutionsberechtigte nach § 7 Abs. 7 Satz 2 VermG die
  154. Möglichkeit hat, die vom Eigentümer ab dem 1. Juli 1994 aus einem Miet-,
  155. Pacht- oder sonstigen Nutzungsverhältnis vereinnahmten Entgelte herauszuverlangen. Den Eigentümer hinsichtlich der ihm vom staatlichen Verwalter in
  156. Rechnung gestellten Beträge auf die Auseinandersetzung im Innenverhältnis
  157. mit dem Restitutionsgläubiger zu verweisen, wie das Berufungsgericht dies tut,
  158. stellt schon deshalb keine ausreichende Kompensationsmöglichkeit dar, weil in
  159. den Restitutionsfällen der Berechtigte einem "allgemeinen" Erstattungsanspruch des Verfügungsberechtigten nicht ausgesetzt ist (Senatsurteil BGHZ
  160. 137, 183, 187 f). Diese vom Vermögensgesetz gewollte Besserstellung des
  161. Restitutionsgläubigers ist auch dann zu beachten, wenn neben dem "Restitutionsverhältnis" noch ein "Verwalterverhältnis" besteht (Senatsurteil aaO
  162. S. 192), und setzt daher auch einem etwaigen Gesamtschuldnerausgleich
  163. Grenzen. Darüber hinaus ist es, wie die Revision zutreffend geltend macht,
  164. dem Eigentümer nicht zuzumuten, unter Umständen langwierige Auseinandersetzungen mit dem Restitutionsgläubiger führen zu müssen und insoweit auch
  165. das Insolvenzrisiko zu tragen.
  166. Diese Ausführungen machen deutlich, daß bei einer Konstellation wie
  167. der vorliegenden aufgrund der vom Berufungsgericht für richtig gehaltenen Lösung in der Person des durch die Anordnung der staatlichen Verwaltung geschädigten Eigentümers nicht nur das Ziel des Vermögensgesetzes, das geschehene Teilungs- und Diskriminierungsunrecht nachhaltig wiedergutzumachen, verfehlt würde; vielmehr würde dieser Eigentümer in einer nicht zu ver-
  168. - 10 -
  169. nachlässigenden Zahl von Fällen aufgrund von im Vermögensgesetz selbst
  170. angelegter, dem Eigentümer nicht zurechenbarer und von ihm nicht beherrschbarer
  171. Umstände
  172. (Vorhandensein
  173. eines
  174. weiteren
  175. [Restitutions-
  176. ]Berechtigten) im Ergebnis schlechter gestellt als er stehen würde, wenn es bei
  177. der "wirtschaftlichen Enteignung" geblieben und der Gesetzgeber von einer
  178. Korrektur des Teilungsunrechts Abstand genommen hätte. Dieses Ergebnis
  179. stünde in klarem Widerspruch zum Sinn und Zweck des Gesetzes.
  180. a) Dieses sinnwidrige Ergebnis hätte aufgrund der ursprünglichen Konzeption des Vermögensgesetzes nicht eintreten können:
  181. Unbeschadet des Umstands, daß sich die nach § 11 a Abs. 3 Satz 1
  182. VermG normierten Verwalterpflichten nicht nur auf den Zeitraum zwischen der
  183. Beendigung der staatlichen Verwaltung und der Rückgabe des Vermögenswerts erstrecken, sind die auftragsrechtlichen Bestimmungen der § 666 ff BGB
  184. nur dann anwendbar, wenn es zur "Abwicklung" des Verwalterverhältnisses
  185. kommt (vgl. BGHZ 140, 355, 362; 144, 271, 274 ff).
  186. Nach der ursprünglichen Fassung des Vermögensgesetzes war die Aufhebung der staatlichen Verwaltung nur auf Antrag des Berechtigten durch Verwaltungsakt der zuständigen Behörde möglich. Diesem stand nach § 11 Abs. 1
  187. Satz 1 VermG ein öffentlich-rechtlicher Aufhebungsanspruch zu. Im Aufhebungsverfahren hatte die Behörde den staatlichen Verwalter und Dritte, deren
  188. rechtliche Interessen durch den Ausgang des Verfahrens berührt werden können, zu informieren und zu dem weiteren Verfahren hinzuzuziehen (§ 31 Abs. 2
  189. VermG), die im Falle einer nachteiligen Entscheidung Widerspruch einlegen
  190. - 11 -
  191. und gegebenenfalls Antrag auf gerichtliche Nachprüfung stellen konnten
  192. (§§ 36, 37 VermG; BGHZ 140, 355, 361).
  193. Daraus folgt, daß die Behörde, wenn diese Bestimmung maßgeblich geblieben wäre, im Aufhebungsverfahren zu prüfen gehabt hätte, ob der von der
  194. Streithelferin der Beklagten gestellte Restitutionsantrag begründet war. Bejahendenfalls hätte entsprechend dem in § 3 Abs. 2 VermG verankerten Prioritätsgrundsatz nur der Restitutionsantrag Erfolg haben können. Dem steht nicht
  195. entgegen, daß diese Regelung aufgrund ihrer - freilich unsystematischen, weil
  196. es der Sache nach um eine Ergänzung des § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG geht
  197. (vgl. Redeker/Hirtschulz/Tank, in: Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG, § 3 [Stand August 1997] Rn. 173) - Stellung im Gesetz nur das
  198. Konkurrenzverhältnis mehrerer Restitutionsgläubiger betrifft (Redeker/Hirtschulz/Tank aaO Rn. 174). Da nämlich die aus dem Eigentum sowie aus den in
  199. bezug auf den betreffenden Vermögenswert bestehenden Rechtsverhältnissen
  200. sich ergebenden Rechte und Pflichten nur entweder durch denjenigen, der die
  201. Rückübertragung beantragt hat, oder durch denjenigen, der die Aufhebung der
  202. staatlichen Verwaltung begehrt, wahrgenommen werden können, nicht aber
  203. durch beide gleichzeitig, wäre die "Prioritätsfrage" auch in dieser "Konkurrenzsituation" zu beantworten gewesen.
  204. Wenn es aber wegen des Vorrangs des nach § 1 Abs. 6 VermG Restitutionsberechtigten zu einer "Abwicklung" der staatlichen Verwaltung gar nicht
  205. gekommen wäre, so hätte sich auch die Frage einer Kostenerstattungspflicht
  206. desjenigen, der durch die Anordnung der staatlichen Verwaltung beeinträchtigt
  207. worden war, von vornherein nicht gestellt.
  208. - 12 -
  209. b) Dadurch, daß im Interesse der Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung mit der Einfügung der §§ 11 a bis 11 c VermG durch das Zweite
  210. Vermögensrechtsänderungsgesetz vom 14. Juli 1992 (BGBl. I S. 1257) die
  211. noch bestehenden Verwalterverhältnisse mit Ablauf des 31. Dezember 1992
  212. von Gesetzes wegen beendet wurden, konnte eine abschließende Klärung der
  213. Eigentumsfrage an dem betreffenden Vermögenswert im Aufhebungsverfahren
  214. nicht mehr erreicht werden. Vielmehr war diese Frage in dem anhängig bleibenden Restitutionsverfahren zu beantworten, wobei der Eigentümer und - wie
  215. sich später herausstellt, nur - "Zwischen-Berechtigte" anstelle des Verwalters in
  216. die (alleinige) Position des Verfügungsberechtigten einrückte. Dabei hat der
  217. Gesetzgeber die sich für den Eigentümer daraus ergebenden Gefahren und
  218. Risiken, daß sich die durch die Beendigung der staatlichen Verwaltung mit
  219. Ablauf des 31. Dezember 1992 wiedererlangte "vollwertige" Eigentümerstellung
  220. je nach Ausgang des Restitutionsverfahrens als nur vorläufig und daher wirtschaftlich weitgehend wertlos erweisen könnte, nicht bedacht. Dem ist dadurch
  221. Rechnung zu tragen, daß der Eigentümer, der das Grundstück später aufgrund
  222. eines positiv verbeschiedenen Restitutionsantrags wieder verliert, dem staatlichen Verwalter jedenfalls nicht mehr Kosten nach § 670 BGB entsprechend zu
  223. erstatten hat als der Wert der Gebrauchsvorteile ausmacht, die dem Eigentümer im Zeitraum der Grundstücksnutzungsmöglichkeit vom Ende der staatlichen Verwaltung bzw. der Herausgabe des Grundstücks bis zur Bestandskraft
  224. des Rückgabebescheids zugeflossen sind und ihm auch im Verhältnis zum Restitutionsberechtigten verbleiben (vgl. § 7 Abs. 7 Satz 2 VermG). Abzuziehen
  225. sind die vom Eigentümer in diesem Zeitraum auf das Grundstück gemachten
  226. eigenen Aufwendungen. Dabei haben allerdings nach der dem § 3 Abs. 3
  227. VermG zugrundeliegenden Interessenbewertung und Risikoverteilung solche
  228. Aufwendungen außer Betracht zu bleiben, die der Eigentümer unter Verletzung
  229. - 13 -
  230. der auch ihm gegenüber dem Restitutionsberechtigten obliegenden Unterlassungspflicht getätigt hat (vgl. BGHZ 126, 1, 4 ff) oder derentwegen ihm ein eigener Aufwendungsersatzanspruch gegen den Restitutionsberechtigten nach
  231. § 3 Abs. 3 Satz 4 VermG zusteht.
  232. c) Diese Lösung benachteiligt den staatlichen Verwalter nicht unbillig.
  233. Die für ihn hiermit verbundenen Nachteile und Schwierigkeiten sind angesichts
  234. der überwiegenden schützenswerten Eigentümerinteressen hinzunehmen.
  235. aa) Da Rückübertragungsansprüche für Grundstücke nach dem 31. Dezember 1992 nicht mehr angemeldet werden können (§ 30 a Abs. 1 Satz 1
  236. VermG), hatte der Verwalter regelmäßig vor dem Ende der staatlichen Verwaltung von der Stellung eines Restitutionsantrags Kenntnis erlangt und konnte
  237. sein Verhalten danach ausrichten. Insbesondere konnte er sich mit dem Eigentümer dahin verständigen (pactum de non petendo), daß vor Abschluß des Restitutionsverfahrens Kostenerstattungsansprüche nicht geltend gemacht werden. Allerdings ist zuzugeben, daß angesichts der zu diesem Zeitpunkt noch
  238. völlig ungeklärten Rechtslage ein dahingehendes Einvernehmen nicht ohne
  239. weiteres zu erzielen war und sich der staatliche Verwalter daher möglicherweise doch gezwungen sah, noch vor Abschluß des Restitutionsverfahrens rechtzeitig (vor Ablauf des 31. Dezember 1995) gegen den Eigentümer Klage zu
  240. erheben, um die Verjährung seiner Kostenerstattungsansprüche zu verhindern
  241. (vgl. BGHZ 140, 355, 362).
  242. bb) Wenn und soweit gegen den Restitutionsgläubiger Aufwendungsersatzansprüche nach § 3 Abs. 3 Satz 4 VermG bestehen sollten, können diese
  243. selbstverständlich immer noch geltend gemacht werden, da der staatliche Ver-
  244. - 14 -
  245. walter zu dem Zeitpunkt, zu dem er die Aufwendungen gemacht hat, auch im
  246. Verhältnis zum Restitutionsgläubiger der Verfügungsberechtigte war. Daß er
  247. diese Stellung noch vor Abschluß des Restitutionsverfahrens mit Ablauf des
  248. 31. Dezember 1992 wieder verloren hatte, führt nicht zu einem Anspruchsverlust. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, daß die kurze Verjährung des
  249. § 196 Abs. 1 Nr. 1 oder 7 BGB, der der Kostenerstattungsanspruch des staatlichen Verwalters nach § 670 BGB entsprechend unterliegt (BGHZ 140, 355,
  250. 357 ff), für den Aufwendungsersatzanspruch des Verfügungsberechtigten nach
  251. § 3 Abs. 3 Satz 4 VermG nicht gilt. Insoweit bleibt es mangels Eingreifens einer
  252. speziellen Regelung bei der regelmäßigen Verjährungsfrist von 30 Jahren
  253. (§ 195 BGB).
  254. 4.
  255. Mit dieser Entscheidung setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zu
  256. seiner bisherigen Rechtsprechung.
  257. a) Daß bei der Beantwortung der Frage, ob und in welcher Höhe dem
  258. staatlichen Verwalter Kostenerstattungsansprüche zustehen, auch - aber nicht
  259. nur - auf ein Ereignis - hier: Verbescheidung des Restitutionsantrags - abgestellt werden kann, das nach dem Ende der staatlichen Verwaltung eingetreten
  260. ist, hat der Senat bereits mit Beschluß vom 27. Juli 2000 ausgesprochen (III ZR
  261. 359/99 - WM 2000, 2052 bezüglich der Frage, ob der frühere Eigentümer oder
  262. der Käufer, dem das Grundstück zum Zeitpunkt der Beschlagnahme bereits
  263. übergeben worden war, der aber erst nach Aufhebung der staatlichen Verwaltung das Grundstückseigentum erlangt hatte, erstattungspflichtig ist).
  264. b) Mit Beschluß vom 30. Juli 1998 (III ZR 102/97) hat der Senat die Revision gegen ein Berufungsurteil nicht angenommen, in dem der staatliche
  265. - 15 -
  266. Verwalter zur Rechnungslegung und Herausgabe erzielter Überschüsse verurteilt worden war, obwohl der Kläger das Grundstückseigentum später ebenfalls an einen besser berechtigen Restitutionsgläubiger verloren hatte. Der Fall,
  267. daß der Verwalter einen Überschuß erzielt hat, ist indes mit der hier vorliegenden "Defizit-Konstellation" nicht vergleichbar. Bei Herausgabe eines Überschusses trotz anschließender Restitution kann der vom Vermögensgesetz bezweckte Wiedergutmachungseffekt wenigstens teilweise erreicht werden, während dann, wenn ein solcher Eigentümer auch ein den Wert der ihm zugekommenen Gebrauchsvorteile übersteigendes Defizit ausgleichen müßte, dieser
  268. Zweck - wie ausgeführt - verfehlt würde.
  269. 5.
  270. Das Berufungsurteil ist aufzuheben. Eine abschließende sachliche Ent-
  271. scheidung des Senats kommt nicht in Betracht, weil das Berufungsgericht, von
  272. seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig, keine Feststellungen dazu getroffen
  273. hat, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe die Beklagte in der Zeit vom
  274. 1. Januar 1993 bis zur Bestandskraft des am 7. Oktober 1997 ergangenen
  275. Rückgabebescheids einen Überschuß erzielt hat und ob ihr dieser Überschuß
  276. verblieben oder dadurch wieder (teilweise) entzogen worden ist, daß ihre
  277. Streithelferin rechtzeitig und formgemäß (schriftlich) den Herausgabeanspruch
  278. nach § 7 Abs. 7 Satz 2 VermG geltend gemacht hat (vgl. § 7 Abs. 8 Satz 2
  279. - 16 -
  280. VermG in der Fassung des Vermögensrechtsbereinigungsgesetzes vom
  281. 20. Oktober 1998, BGBl. I S. 3180). Die Parteien haben insoweit Gelegenheit
  282. zu weiterem Sachvortrag.
  283. Rinne
  284. Wurm
  285. Schlick
  286. Streck
  287. Dörr