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23 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. III ZR 159/06
  5. Verkündet am:
  6. 1. Februar 2007
  7. Freitag
  8. Justizamtsinspektor
  9. als Urkundsbeamter
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. ja
  16. BGHR:
  17. ja
  18. BGB § 193, § 271 Abs. 1, § 286 (F: 1. Januar 2002)
  19. § 193 BGB gilt sowohl für Fristen, nach deren Ablauf die Fälligkeit einer Forderung eintritt, als auch für solche, nach deren Ende der Verzug beginnt.
  20. BGH, Urteil vom 1. Februar 2007 - III ZR 159/06 - OLG Köln
  21. LG Bonn
  22. - 2 -
  23. Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  24. vom 1. Februar 2007 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter
  25. Dr. Wurm, Streck, Dr. Kapsa und Dr. Herrmann
  26. für Recht erkannt:
  27. Auf die Revision der Beklagten wird das Teilurteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 26. Mai 2006 aufgehoben.
  28. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
  29. über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  30. Von Rechts wegen
  31. Tatbestand
  32. 1
  33. Die Parteien sind Telekommunikationsunternehmen. Sie streiten über
  34. Zinsansprüche der Klägerin wegen angeblich verspäteter Zahlungen der Beklagten.
  35. 2
  36. Die Parteien schlossen 1998 einen seither mehrfach geänderten Vertrag
  37. über die Zusammenschaltung ihrer Netze. Die Beklagte erbringt außerdem für
  38. die Klägerin aufgrund eines 2001 geschlossenen Fakturierungs- und Inkassovertrages (im Folgenden: F+I-Vertrag) Leistungen im Zusammenhang mit der
  39. Rechnungserstellung und dem Einzug von Forderungen gegenüber Dritten.
  40. - 3 -
  41. Diesem Vertrag liegen die jeweils von der Beklagten gestellten "Allgemeinen
  42. Geschäftsbedingungen und Preise Fakturierung und Inkasso" (im Folgenden:
  43. AGB) und die "Leistungsbeschreibung Fakturierung und Inkasso" (im Folgenden: Leistungsbeschreibung) zugrunde.
  44. 3
  45. Hinsichtlich der wechselseitigen Ansprüche aus dem F+I-Vertrag enthält
  46. Abschnitt 8 der Leistungsbeschreibung (Abrechnung zwischen den Vertragsparteien) folgende Regelungen:
  47. "Der Vertragspartner (= Klägerin) kann jeweils in der Mitte und am
  48. Ende eines Kalendermonats in einer Rechnung die von ihm gelieferten und von der D.
  49. T.
  50. als fakturierbar erkannten
  51. Nettoentgelte zu den Leistungsdaten zuzüglich Umsatzsteuer mit
  52. der D.
  53. T.
  54. abrechnen. … Der Rechnungsbetrag
  55. muss spätestens am 30. Tag nach dem Zugang der Rechnung auf
  56. dem in der Rechnung angegebenen Konto gutgeschrieben oder
  57. verrechnet sein.
  58. Die D.
  59. T.
  60. stellt dem Vertragspartner zum Monatsende eine Rechnung über ihre Leistungen. … Der Rechnungsbetrag
  61. muss spätestens am 30. Tag nach dem Zugang der Rechnung auf
  62. dem in der Rechnung angegebenen Konto gutgeschrieben oder
  63. verrechnet sein.
  64. Fällige Forderungen aus dem Fakturierungsvertrag werden miteinander verrechnet.
  65. …"
  66. 4
  67. Bezüglich des Entgelts, das die Beklagte für ihre Leistungen von der
  68. Klägerin verlangen kann, sehen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen in
  69. Nummer 4 (Zahlungsbedingungen) weiter Folgendes vor:
  70. - 4 -
  71. "Die D.
  72. T.
  73. stellt dem Vertragspartner ihre Leistungen
  74. in Rechnung. Der Rechnungsbetrag ist mit Zugang der Rechnung
  75. fällig. Der Rechnungsbetrag muss spätestens am 30. Tag nach
  76. Zugang der Rechnung auf dem in der Rechnung angegebenen
  77. Konto gutgeschrieben sein."
  78. 5
  79. Die aufgrund des Zusammenschaltungs- und des F+I-Vertrags jeweils
  80. erbrachten Leistungen stellten sich die Parteien wechselseitig in Rechnung.
  81. Nach Verrechnung verbleibende Beträge wurden im Bankverkehr überwiesen.
  82. 6
  83. In den Jahren 2002 und 2003 kam es teilweise zu verzögerten Zahlungen der Beklagten. Hierfür berechnete die Klägerin Verzugszinsen. Die Beklagte beglich die Zinsforderungen nur teilweise. Sie ist insbesondere der Auffassung, sofern die jeweilige 30-Tages-Frist auf einen Sonnabend, Sonntag oder
  84. Feiertag gefallen sei, habe sich die Zahlungsfrist entgegen der Ansicht der Klägerin gemäß § 193 BGB verlängert.
  85. 7
  86. In erster Instanz hat die Klage weitgehend Erfolg gehabt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Sache dem Gerichtshof der
  87. Europäischen Gemeinschaften vorgelegt, soweit die Klägerin Verzugszinsen
  88. auf Forderungen aus dem Zusammenschaltungsvertrag geltend macht (ZIP
  89. 2006, 1986). Hinsichtlich des vom Landgericht zuerkannten Anspruchs der
  90. Klägerin auf Zahlung von Zinsen aus dem F+I-Vertrag in Höhe von insgesamt
  91. 495.815,20 € hat es die Berufung der Beklagten durch Teilurteil zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der
  92. Beklagten.
  93. - 5 -
  94. Entscheidungsgründe
  95. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils
  96. 8
  97. und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.
  98. I.
  99. Das Berufungsgericht hat die Zinsforderung der Klägerin aus dem F+I-
  100. 9
  101. Vertrag unter dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 1,
  102. Abs. 3, § 288 BGB für begründet erachtet. Die Hauptforderungen der Klägerin
  103. seien nach den vertraglichen Abreden der Parteien bereits mit Zugang der entsprechenden Rechnungen fällig geworden. Die in Abschnitt 8 der Leistungsbeschreibung geregelte 30-Tages-Frist bestimme, ab wann der Verzug der Beklagten mit der Erfüllung der Hauptforderung eintrete. Für eine derartige Frist
  104. gelte § 193 BGB nicht. Abweichende Abreden hätten die Parteien nicht getroffen.
  105. II.
  106. Dies hält in einem entscheidenden Punkt der rechtlichen Nachprüfung
  107. 10
  108. nicht stand. Die Klägerin kann von der Beklagten insoweit keine Zinsen auf Forderungen aus dem F+I-Vertrag verlangen, als diese ohne Berücksichtigung von
  109. § 193 BGB berechnet wurden.
  110. 11
  111. 1.
  112. Der geltend gemachte Anspruch auf Verzugszinsen folgt nicht aus § 286
  113. Abs. 2 Nr. 1 BGB beziehungsweise für die im Jahr 2002 entstandenen Haupt-
  114. - 6 -
  115. forderungen aus § 284 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. (Art. 229 § 5 EGBGB), jeweils
  116. i.V.m. § 288 BGB. Die Leistungszeit lässt sich nicht, wie es diese Vorschrift voraussetzt, unmittelbar aus dem Kalender bestimmen. Vielmehr hängt sie von
  117. einem Ereignis - dem Zugang der Rechnung - ab.
  118. 12
  119. 2.
  120. Für die ab dem 1. Januar 2003 entstandenen Hauptforderungen ergibt
  121. sich auch aus § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB i.V.m. § 288 BGB ein Anspruch der Klägerin auf Leistung von Verzugszinsen jedenfalls nicht über den eingangs genannten Umfang hinaus. Nach dieser Bestimmung tritt Verzug auch ohne Mahnung ein, wenn der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem
  122. Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt. Ereignis im Sinne dieser Bestimmung kann auch der Zugang einer Rechnung sein (MünchKommBGB/
  123. Ernst, 4. Aufl., § 286 Rn. 58; Staudinger/Löwisch (2004), § 286 Rn. 76).
  124. 13
  125. Voraussetzung für den Verzugseintritt ist, wie in den anderen Fällen des
  126. § 286 Abs. 1 bis 3 BGB auch, dass der Anspruch des Gläubigers fällig ist
  127. (siehe § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Hauptforderungen der Klägerin waren
  128. jedoch noch nicht an einem Sonnabend, Sonntag oder Feiertag fällig, wenn die
  129. 30-Tages-Frist nach Abschnitt 8 der Leistungsbeschreibung rechnerisch an einem dieser Tage ablief. Vielmehr trat die Fälligkeit gemäß § 193 BGB erst am
  130. folgenden Werktag ein, so dass sich die Klägerin frühestens ab dem anschließenden Tag in Verzug befinden konnte.
  131. 14
  132. a) Der Senat teilt nicht die Auffassung der Vorinstanzen, nach der Abschnitt 8 der Leistungsbeschreibung dahin auszulegen ist, dass die jeweilige
  133. Hauptforderung der Klägerin bereits mit Zugang der Rechnung fällig sein sollte.
  134. - 7 -
  135. 15
  136. aa) Der Senat kann den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag
  137. selbständig und ohne Bindung an die Auslegung des Berufungsgerichts auslegen. Zwar ist die Interpretation von Verträgen grundsätzlich nur eingeschränkt
  138. revisionsgerichtlich nachprüfbar (vgl. Senatsurteil vom 6. Juli 2006 - III ZR
  139. 257/05 - NJW 2006, 3642 Rn. 10 m.w.N.). Es entspricht aber ständiger Rechtsprechung, dass das Revisionsgericht in der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen frei ist, wenn deren Anwendungsbereich über den Bezirk eines
  140. Oberlandesgerichts hinausgeht (Senat aaO m.w.N.). Die von der Beklagten gestellten AGB sowie die Leistungsbeschreibung sind zur bundesweiten Verwendung in einer Vielzahl von Fällen bestimmt, so dass die maßgebliche Regelung
  141. eine über den Bezirk eines Oberlandesgerichts hinausgehende Bedeutung für
  142. zahlreiche Vertragsbeziehungen hat und damit ein Bedürfnis nach einheitlicher
  143. Handhabung besteht (vgl. hierzu Senat aaO m.w.N.). Da überdies weitere tatsächliche Feststellungen zu Umständen, die für die Auslegung der Leistungsbeschreibung und der AGB von Bedeutung sein können, nicht mehr zu erwarten sind, kann der Senat die Auslegung selbst vornehmen (vgl. z.B.: BGHZ 121,
  144. 284, 289; Senatsurteil vom 5. Oktober 2006 - III ZR 166/05 - NJW 2006, 3777
  145. Rn. 12; BGH, Versäumnisurteil vom 12. Dezember 1997 - V ZR 250/96 - NJW
  146. 1998, 1219 jew. m.w.N).
  147. 16
  148. bb) Der Begriff der Fälligkeit bezeichnet den Zeitpunkt, von dem an der
  149. Gläubiger die Leistung verlangen kann (z.B.: Bamberg/Roth/Grüneberg, BGB,
  150. § 271 Rn. 2; MünchKommBGB/Krüger, aaO § 271 Rn. 2; Palandt/Heinrichs,
  151. 66. Aufl., § 271 Rn. 1). Dieser Zeitpunkt richtet sich in erster Linie nach den
  152. Vereinbarungen der Parteien (Bamberger/Roth/Grüneberg aaO Rn. 5; Palandt/
  153. Heinrichs aaO Rn. 2). Haben diese eine Zeit bestimmt, so ist gemäß § 271
  154. Abs. 2 BGB im Zweifel anzunehmen, dass der Gläubiger die Leistung nicht vor
  155. dieser Zeit verlangen, der Schuldner aber sie vorher bewirken kann. Das be-
  156. - 8 -
  157. deutet, dass die Forderung zwar erfüllbar, jedoch noch nicht fällig ist (vgl. z.B.
  158. Bamberg/Roth/Grüneberg aaO Rn. 23; Palandt/Heinrichs aaO Rn. 11).
  159. 17
  160. cc) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Klauseln,
  161. die, wie die hier maßgebende, ein Zahlungsziel einräumen, grundsätzlich als
  162. eine Leistungszeitbestimmung im Sinne von § 271 Abs. 2 BGB anzusehen und
  163. nicht lediglich als ein Verzicht auf die Durchsetzung eines schon früher fälligen
  164. Anspruchs oder als die Bestimmung des Verzugsbeginns (z.B. BGHZ 125, 343,
  165. 344, 348; BGH, Urteil vom 16. März 1994 - VIII ZR 246/92 - NJW-RR 1994,
  166. 880, 881; vgl. auch Senatsurteil vom 16. Januar 1992 - III ZR 197/90 - NJW
  167. 1992, 2086; ferner Larenz, Allgemeiner Teil des deutschen bürgerlichen
  168. Rechts, 7. Aufl., S. 258). Auch das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt,
  169. Abschnitt 8 der Leistungsbeschreibung lasse sich nicht ohne Hinzuziehung weiterer Gesichtspunkte entnehmen, dass die Forderungen der Klägerin bereits mit
  170. Zugang der Rechnung fällig werden sollten.
  171. 18
  172. dd) Konkrete Abreden der Parteien, aus denen sich ergibt, dass die
  173. 30-Tages-Frist von Abschnitt 8 der Leistungsbeschreibung keine Leistungszeitbestimmung im Sinne von § 271 Abs. 2 BGB darstellt, haben die Vorinstanzen
  174. nicht festgestellt. Entgegen der Auffassung des Land- und des Berufungsgerichts folgt auch aus dem Zusammenhang dieser vertraglichen Regelung mit
  175. anderen Vertragsbestimmungen oder aus den sonstigen Umständen nichts
  176. hiervon Abweichendes. Vielmehr bestätigen - ohne dass es auf sie im Ergebnis
  177. ankommt - gewichtige Gesichtspunkte die Auslegung der vertraglichen
  178. 30-Tages-Frist als Fälligkeitsfrist.
  179. 19
  180. (1) Insbesondere lässt sich nicht aus Nummer 4 Satz 2 der AGB der Beklagten darauf schließen, dass Ansprüche der Klägerin bereits mit Zugang ihrer
  181. Rechnungen fällig sein sollten. Diese Bestimmung, die sich nur auf die Entgelt-
  182. - 9 -
  183. forderungen der Beklagten gegen die Klägerin bezieht, wird durch die speziellen
  184. Regelungen in Abschnitt 8 der Leistungsbeschreibung über die Überweisung
  185. oder Verrechnung der wechselseitigen Ansprüche verdrängt.
  186. 20
  187. (2) Auch der Vertragsabwicklungspraxis der Parteien ist nicht das Einverständnis der Parteien darüber zu entnehmen, dass die Ansprüche der Klägerin bereits zum Zeitpunkt des Zugangs ihrer Rechnungen bei der Beklagten fällig werden sollten. Das Berufungsgericht hat hierzu als einzige konkrete Tatsache festgestellt, dass sich auf einem Teil der Rechnungen der Klägerin der Aufdruck "Der Rechnungsbetrag wird mit Zugang der Rechnung fällig" befindet.
  188. 21
  189. Dem Berufungsgericht ist im Ausgangspunkt darin beizupflichten, dass
  190. auch die einvernehmliche Praxis der Parteien nach Vertragsschluss grundsätzlich zur Auslegung ihrer Erklärungen und Handlungen herangezogen werden
  191. kann. Zwar vermag das nachträgliche Verhalten eines Betroffenen den Inhalt
  192. und die rechtliche Qualität des Vertrags nicht mehr zu beeinflussen. Es kann
  193. aber für die Auslegung bedeutsam sein, weil es Anhaltspunkte für den tatsächlichen Willen der Beteiligten beim Vertragsschluss enthalten kann (z.B.: BGH,
  194. Urteile vom 26. November 1997 - XII ZR 308/95 - NJW-RR 1998, 801, 803 und
  195. vom 16. Oktober 1997 - IX ZR 164/96 - NJW-RR 1998, 259 jew. m.w.N.). Es ist
  196. aber nichts dafür festgestellt oder sonst ersichtlich, dass der Rechnungsaufdruck der Klägerin nicht lediglich auf deren einseitigem Rechtsverständnis beruhte, sondern sich mit der Auffassung der Beklagten deckte. Insbesondere
  197. folgt dies nicht daraus, dass sich die Beklagte auf den Standpunkt stellte, ihre
  198. Forderungen gegen die Klägerin seien mit Zugang der entsprechenden Rechnungen fällig. Dies kann darauf beruhen, dass sie - unzutreffend - von der Anwendbarkeit der Nummer 4 Satz 2 ihrer AGB ausging.
  199. - 10 -
  200. 22
  201. Auch eine nachträgliche Änderung der getroffenen Fälligkeitsregelung für
  202. die Forderungen der Klägerin infolge des Rechnungsaufdrucks kommt nicht in
  203. Betracht. Eine nach Vertragsschluss abgegebene Erklärung einer Partei kann
  204. die Rechtsverhältnisse nur dann ändern, wenn die andere Seite das damit verbundene Angebot auf Modifizierung des Vertrages annimmt. Umstände, aus
  205. denen sich ergibt, dass sich die Beklagte mit der Änderung der sich aus der
  206. Leistungsbeschreibung ergebenden Fälligkeitsbestimmung zugunsten der Klägerin einverstanden erklärt hat, sind weder festgestellt noch sonst ersichtlich.
  207. 23
  208. Die Vertragsabwicklungspraxis gibt vielmehr einen umgekehrten Anhaltspunkt für die Übereinstimmung der Parteien, dass die Fälligkeit der Forderungen der Klägerin nicht bereits mit Zugang der Rechnungen eintreten sollte.
  209. Nach § 353 Satz 1 HGB sind Kaufleute untereinander berechtigt, für ihre Ansprüche aus beiderseitigen Handelsgeschäften vom Tage der Fälligkeit an Zinsen zu verlangen. Eine solche Forderung hat die Klägerin jedoch erst im Laufe
  210. des vorliegenden Rechtsstreits hilfsweise geltend gemacht, nicht aber während
  211. der laufenden Geschäftsbeziehungen. Die Parteien waren sich - wie das Landgericht festgestellt hat - ursprünglich darüber einig, dass eine Verzinsungspflicht
  212. erst nach Ablauf der 30 Tage ab Rechnungszugang eintreten sollte; strittig war
  213. nur das Fristende. Werden zwischen zwei Kaufleuten für einen bestimmten
  214. Zeitraum einvernehmlich keine Zinsen nach § 353 Satz 1 HGB geltend gemacht, ist dies ein - wenn auch nicht zwingender - Anhaltspunkt dafür, dass die
  215. betreffende Forderung nach ihrem übereinstimmenden Verständnis noch nicht
  216. fällig war.
  217. 24
  218. b) Tritt danach die Fälligkeit der Hauptforderung der Klägerin erst nach
  219. 30 Tagen ab Zugang der jeweiligen Rechnung ein, richtet sich die Berechnung
  220. dieser Frist grundsätzlich nach §§ 186 bis 193 BGB. Insbesondere die letztge-
  221. - 11 -
  222. nannte Bestimmung ist, wovon auch die Vorinstanzen ausgehen, - vorbehaltlich
  223. anderweitiger Vereinbarungen - auf Fristen anzuwenden, die für die Fälligkeit
  224. einer Forderung gelten (z.B.: MünchKomm-BGB/Grothe, 5. Aufl., § 193 Rn. 13;
  225. Staudinger/Repgen, BGB (2004), § 193 Rn. 26; vgl. auch BAGE 98, 1, 9;
  226. BPatG, Urteil vom 28. März 2003 - 10 W (pat) 705/01 - juris Rn. 12; Bamberger/Roth/Henrich, BGB, § 193 Rn. 9). Fällt der letzte Tag der Fälligkeitsfrist
  227. rechnerisch auf einen Sonnabend, Sonntag oder Feiertag, verschiebt sich dementsprechend der Zeitpunkt der Fälligkeit nach § 193 BGB auf den nächsten
  228. und der (frühestmögliche) Eintritt des Verzuges auf den darauf folgenden Werktag (BAG aaO).
  229. 25
  230. aa) Nicht zu folgen ist der teilweise vertretenen Ansicht, § 193 BGB verschiebe zwar die Leistungspflicht, nicht aber die Fälligkeit (Palandt/Heinrichs
  231. aaO § 193 Rn. 5 möglicherweise in Widerspruch hierzu: Heinrichs aaO § 271
  232. Rn. 4; Soergel/Niedenführ, BGB, 13. Aufl., § 193 Rn. 6, letzterer meint allerdings, für die Verzugszinsen gelte § 193 BGB; so wohl auch in einem obiter
  233. dictum: BGH, Versäumnisurteil vom 10. Mai 2001 - XII ZR 60/99 - NJW 2001,
  234. 2324, 2325). Die Differenzierung zwischen der Zeit der Leistungspflicht und
  235. dem Fälligkeitstermin ist schon begrifflich kaum möglich (Staudinger/Repgen
  236. aaO Rn. 27). Vor allem aber widerspricht der Zweck der Regelung dieser Auffassung. Der gesetzgeberische Grund für § 193 BGB ist der Schutz der Sonnund Feiertage (vgl. Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV) sowie die Rücksichtnahme auf die Wochenend- und Feiertagsruhe der Bevölkerung und auf das allgemeine Ruhen der bürgerlichen Geschäfte an den betreffenden Tagen (Begründung des Entwurfs eines Gesetzes über den Fristablauf am Sonnabend BTDrucks. IV/3394, S. 3). Ohne diese Bestimmung würden Fristen unangemessen
  237. verkürzt, weil zur Vermeidung von Nachteilen Leistungen bereits rechtzeitig vor
  238. den Wochenenden und den Feiertagen und damit vorzeitig vorgenommen wer-
  239. - 12 -
  240. den müssten (Begründung des Entwurfs eines Gesetzes über den Fristablauf
  241. am Sonnabend aaO). Dieser Gesetzeszweck würde weitgehend leerlaufen,
  242. wenn § 193 BGB zwar die Leistungspflicht verschieben würde, nicht aber den
  243. Eintritt der Fälligkeit. Insbesondere stellt die hierauf beruhende Verzinsungspflicht für den Schuldner einer Geldforderung eine bedeutsame Konsequenz
  244. seiner Nichtleistung dar.
  245. 26
  246. bb) Die Parteien haben die Anwendbarkeit von § 193 BGB auch nicht
  247. abbedungen. Ausdrückliche Abreden hierzu sind nicht vorgetragen. Das Schreiben der Beklagten vom 23. März 2004 gibt - unbeschadet des für ergänzende
  248. Abreden ohnehin bestehenden Schriftformerfordernisses (Nummern 5, 11.2 der
  249. AGB) - entgegen der Ansicht der Klägerin keinen durchgreifenden Anhaltspunkt
  250. dafür, dass die Parteien schlüssig vereinbarten, die dreißigtägige Frist für die
  251. Leistungen der Beklagten solle auch an einem Wochenende oder Feiertag enden können. Zwar ließ die Beklagte bei ihrer dem Schreiben beigefügten Berechnung der Ansprüche der Klägerin § 193 BGB selbst außer acht. Dies kann
  252. jedoch auch darauf beruhen, dass ihre mit der Abrechnung betrauten Mitarbeiter sich der Problematik nicht bewusst waren.
  253. 27
  254. c) Im Übrigen wäre § 193 BGB auf die zwischen den Parteien vereinbarte 30-Tages-Frist auch dann anzuwenden, wenn bereits der Zugang der Rechnung der Klägerin die Fälligkeit der Forderung bewirkt hätte und die Fristvereinbarung mithin als Regelung des Verzugseintritts aufzufassen wäre. Der Senat
  255. folgt insoweit entgegen dem Berufungsgericht der in der Literatur überwiegend
  256. vertretenen Meinung (Erman/Hager, BGB, 11. Aufl., § 286 Rn. 53; Jauernig/
  257. Stadler, BGB, 11. Aufl., § 286 Rn. 34; Palandt/Heinrichs, aaO, § 286 Rn. 30;
  258. Prütting/Schmidt-Kessel, BGB, § 286 Rn. 20; Staudinger/Löwisch, aaO, § 286
  259. Rn. 104 jeweils zu § 286 Abs. 3 BGB; wohl auch MünchKommBGB/Grothe,
  260. - 13 -
  261. aaO § 193 Rn. 13; a.A: Bamberger/Roth/Grüneberg, BGB, § 286 Rn. 47; Huber
  262. JZ 2000, 743, 744 Fn. 8; MünchKommBGB/Ernst, 4. Aufl., § 286 Rn. 88), nach
  263. der § 193 BGB auch für die Berechnung der für den Verzugseintritt maßgeblichen Fristen anzuwenden ist. Diese Vorschrift gilt gemäß § 186 BGB unter anderem für sämtliche in Gesetzen und Rechtsgeschäften bestimmten Fristen.
  264. Eine Ausnahme für die verzugsbestimmenden Fristen ist nicht vorgesehen. Die
  265. Erwägung des Berufungsgerichts, den nach dem Gesetz umfassenden Anwendungsbereich des § 193 BGB zu reduzieren, überzeugt nicht. Die Vorinstanz
  266. meint, der Zweck dieser Vorschrift, die Wochenend- und Feiertagsruhe zu
  267. schützen, rechtfertige es nicht, dem Schuldner einer bereits fälligen Leistung
  268. einen weiteren Aufschub bis zum Eintritt der Verzugsfolgen zu gewähren, da
  269. dieser ausreichend Zeit und Gelegenheit zur Leistung gehabt habe. Dies ist mit
  270. dem Sinn der §§ 186 ff BGB nicht zu vereinbaren. Ein solcher teleologischer
  271. Ansatz bei der Auslegung der Vorschriften über die Fristen brächte ein beträchtliches Maß an Unsicherheit mit sich, während gerade Fristbestimmungen klar
  272. überschaubar und leicht handhabbar sein müssen (Senatsurteil BGHZ 162,
  273. 175, 180). Die mit den §§ 186 ff BGB bezweckte Rechtssicherheit würde durch
  274. schwer berechenbare und nicht selten erst in einem Rechtsstreit zu klärende,
  275. vielfach auf den Einzelfall bezogene Wertungen ersetzt (Senat aaO, m.w.N.).
  276. Überdies würden, wäre § 193 BGB nicht sowohl auf verzugsbestimmende Fristen als auch auf Fälligkeitsbestimmungen anwendbar, erhebliche, dem Zweck
  277. der §§ 186 ff BGB widersprechende Unsicherheiten bei der Anwendung der
  278. weit verbreiteten vertraglichen 30-Tages-Fristen entstehen. Es wäre zur Bestimmung, ob § 193 BGB anzuwenden ist, notwendig, zu ermitteln, ob die Regelung im jeweiligen Einzelfall nur deklaratorisch § 286 Abs. 3 BGB wiedergibt
  279. oder ob sie eine Zahlungsfrist im Sinne einer Fälligkeitsregelung enthält.
  280. - 14 -
  281. Nicht zu überzeugen vermag auch das Argument, der in § 193 BGB ge-
  282. 28
  283. regelte Fall, dass innerhalb einer Frist eine Leistung zu bewirken sei, liege bei
  284. einer nur den Verzug bestimmenden Frist nicht vor, da die Leistung bei Fälligkeit gemäß § 271 Abs. 1 BGB sofort zu bewirken sei (Bamberger/Roth/Grüneberg aaO; Huber aaO). Die Pflicht, die Leistung nach Eintritt der Fälligkeit sofort
  285. zu bewirken, schließt nicht aus, dass hierfür (weitere) Fristen gelten. Ist die fällige Forderung noch nicht erfüllt, ist die geschuldete Leistung weiterhin zu bewirken, und zwar zur Vermeidung der Verzugsfolgen innerhalb der für den Verzugseintritt geltenden Frist.
  286. 29
  287. 3.
  288. Ein Anspruch der Klägerin auf Verzugszinsen in dem verlangten Umfang
  289. ergibt sich auch nicht aus § 286 Abs. 3 Satz 1 - beziehungsweise für die im
  290. Jahr 2002 entstandenen Hauptforderungen aus dem im wesentlichen inhaltsgleichen § 284 Abs. 3 Satz 1 BGB a.F. (Art. 229 § 5 EGBGB) - i.V.m. § 288
  291. BGB. Tritt die Fälligkeit der Forderung - wie hier (siehe oben Nr. 2 a) - nicht bereits mit Zugang der Rechnung ein, sondern danach, beginnt die 30-Tages-Frist
  292. des § 286 Abs. 3 Satz 1 BGB erst mit der Fälligkeit zu laufen (Begründung des
  293. Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts BT-Drucks.
  294. 14/6040 S. 147; Bamberger/Roth/Grüneberg, aaO, Rn. 45; Erman/Hager aaO
  295. § 286 Rn. 53; MünchKommBGB/Ernst aaO, Rn. 86). Verzug nach dieser Bestimmung konnte deshalb erst 30 Tage nach Ablauf der unter Berücksichtigung
  296. von §§ 186 bis 193 BGB zu berechnenden in Abschnitt 8 der Leistungsbeschreibung bestimmten Frist eintreten.
  297. - 15 -
  298. 30
  299. 4.
  300. Schließlich kann die Klägerin die von ihr hilfsweise verlangten Fälligkeits-
  301. zinsen gemäß § 353 Satz 1 HGB jedenfalls nicht in der geltend gemachten Höhe beanspruchen. Aus den vorstehenden Gründen wurden die Forderungen der
  302. Klägerin unter Berücksichtigung von § 193 BGB erst am nachfolgenden Werktag fällig, wenn die in Abschnitt 8 der Leistungsbeschreibung bestimmte Zahlungsfrist rechnerisch auf einen Sonnabend, Sonntag oder Feiertag fiel. Vorher
  303. können dementsprechend keine Fälligkeitszinsen anfallen.
  304. 31
  305. 5.
  306. Der Senat kann noch nicht selbst abschließend entscheiden (§ 563
  307. Abs. 3 ZPO), da die Klägerin, wie sie in ihrer Berufungserwiderung unter Buchstabe A klargestellt hat, geltend macht, auch unter Anwendung von § 193 BGB
  308. stünden ihr Fälligkeits- und Verzugszinsen zu, weil bis zu neun Tage zwischen
  309. dem rechnerischen Ablauf der 30-Tagefrist ab Rechnungszugang und dem
  310. - 16 -
  311. Eingang der Zahlungen der Beklagten verstrichen seien. Insoweit sind noch tatsächliche Feststellungen nachzuholen.
  312. Schlick
  313. Wurm
  314. Kapsa
  315. Streck
  316. Herrmann
  317. Vorinstanzen:
  318. LG Bonn, Entscheidung vom 01.04.2005 - 11 O 112/04 OLG Köln, Entscheidung vom 26.05.2006 - 18 U 78/05 -