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12 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. III ZB 36/04
  4. vom
  5. 24. Februar 2005
  6. in dem Rechtsstreit
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. ja
  11. BGHR:
  12. ja
  13. BGB §§ 13, 14; ZPO § 1031 Abs. 5 Satz 1
  14. Unternehmer- (§ 14 BGB) und nicht Verbraucherhandeln (§ 1031 Abs. 5
  15. Satz 1 ZPO i.V.m. § 13 BGB) liegt schon dann vor, wenn das betreffende
  16. Geschäft im Zuge der Aufnahme einer gewerblichen oder selbständigen
  17. beruflichen Tätigkeit (sogenannte Existenzgründung) geschlossen wird.
  18. BGH, Beschluß vom 24. Februar 2005 - III ZB 36/04 - OLG Düsseldorf
  19. - 2 -
  20. Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Februar 2005 durch den
  21. Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Streck, Dr. Kapsa, Galke und
  22. Dr. Herrmann
  23. beschlossen:
  24. Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß
  25. des 26. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom
  26. 4. Mai 2004 wird zurückgewiesen.
  27. Die Antragstellerin hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
  28. Wert des Beschwerdegegenstandes: 7.000 €
  29. Gründe:
  30. I.
  31. Die Antragstellerin war angestellte Ärztin an einem Krankenhaus. Sie
  32. wollte sich als Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe selbständig
  33. machen. Zu diesem Zweck erwarb sie am 23. April 2002 einen Praxisanteil von
  34. Dr. K. , der zusammen mit dem Antragsgegner eine Gemeinschaftspraxis betrieb. Ferner schloß sie am 29. Mai 2002 einen Gemeinschaftspraxisvertrag mit
  35. dem Antragsgegner. Die Antragstellerin war damals - bis zum 30. Juni 2002 -
  36. - 3 -
  37. noch angestellte Assistenzärztin; sie wurde zum 1. Juli 2002 als Vertragsärztin
  38. zugelassen.
  39. Im Juni 2003 kündigte der Antragsgegner den mit der Antragstellerin
  40. bestehenden Gemeinschaftspraxisvertrag und verlangte die Zahlung einer Abfindung. Die Antragstellerin war dazu nicht bereit. Der Antragsgegner leitete
  41. wegen dieser Streitigkeit ein Schiedsverfahren ein. Er stützt sich auf § 29 des
  42. Gemeinschaftspraxisvertrages, wonach alle Streitigkeiten aus dem Vertrag unter Ausschluß des ordentlichen Rechtsweges von einem Schiedsgericht entschieden werden. Die Antragstellerin hält das Schiedsverfahren für unzulässig.
  43. Die Schiedsklausel im Gemeinschaftspraxisvertrag sei unwirksam. Sie, die Antragstellerin, sei bei Abschluß des Gemeinschaftspraxisvertrages Verbraucherin gewesen. Der Schiedsvertrag habe deshalb nicht - wie hier - in einer Klausel in einem Vertrag, sondern in einer besonderen, von den Parteien eigenhändig unterzeichneten Urkunde, die nur sich auf das schiedsrichterliche Verfahren bezogene Vereinbarungen habe enthalten dürfen, getroffen werden
  44. können.
  45. Die Antragstellerin hat beantragt festzustellen, daß das von dem
  46. Antragsgegner nach § 29 des Gemeinschaftspraxisvertrages eingeleitete
  47. Schiedsverfahren unzulässig ist. Das Oberlandesgericht hat diesen Antrag zurückgewiesen und - auf Antrag des Antragsgegners - festgestellt, daß die zwischen den Parteien mit Gemeinschaftspraxisvertrag vom 29. Mai 2002 unter
  48. § 29 vereinbarte Schiedsklausel wirksam ist. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihren Antrag weiter.
  49. - 4 -
  50. II.
  51. 1.
  52. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 1065 Abs. 1 Satz 1, § 1062
  53. Abs. 1 Nr. 2 Fall 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist auch im übrigen zulässig. Denn die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 574 Abs. 2
  54. Nr. 1 ZPO).
  55. 2.
  56. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Oberlandesgericht (veröf-
  57. fentlicht in NJW 2004, 3192) hat ohne Rechtsfehler die Zulässigkeit des
  58. schiedsrichterlichen Verfahrens festgestellt (§ 1032 Abs. 2 ZPO). Die Parteien
  59. haben in § 29 des - beiderseits unterzeichneten, schriftlichen - Gemeinschaftspraxisvertrages vom 29. Mai 2002 eine formwirksame Schiedsvereinbarung in
  60. Gestalt einer Schiedsklausel getroffen (§ 1029 Abs. 1, 2 Fall 2, § 1031 Abs. 1
  61. Fall 1 ZPO). Die bei Beteiligung eines Verbrauchers geltenden strengeren
  62. Formvorschriften (vgl. § 1031 Abs. 5 ZPO) - die hier unstreitig nicht erfüllt sind
  63. - greifen nicht Platz. Denn die Antragstellerin war bei Abschluß des Gemeinschaftspraxisvertrages nicht Verbraucher im Sinne des § 1031 Abs. 5 Satz 1
  64. ZPO; für den Antragsgegner ist dies ohnehin außer Streit.
  65. a) Verbraucher im Sinne des § 1031 Abs. 5 Satz 1 ZPO (geltender Fassung) i.V.m. § 13 BGB ist eine natürliche Person, die bei dem Geschäft, das
  66. Gegenstand der Streitigkeit ist, zu einem Zweck handelt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden
  67. kann. So lautete auch die ursprünglich in § 1031 Abs. 5 Satz 3 ZPO - in der
  68. Neufassung durch das am 1. Januar 1998 in Kraft getretene Gesetz zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts (Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz)
  69. vom 22. Dezember 1997 (BGBl. I S. 3224) - bestimmte Legaldefinition. Der
  70. - 5 -
  71. Wortlaut ging auf einen Vorschlag des Bundesrates zurück, der sich seinerseits an dem Verbraucherbegriff des Art. 2 lit. b der Richtlinie 93/13/EWG des
  72. Rates vom 5. April 1993 über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABlEG Nr. L 95 vom 21. April 1993 S. 29: "Verbraucher: Eine natürliche
  73. Person, die bei Verträgen, die unter diese Richtlinie fallen, zu einem Zweck
  74. handelt, der nicht ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet
  75. werden kann") orientierte (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des
  76. Schiedsverfahrensrechts BT-Drucks. 13/5274 S. 73 <Stellungnahme des Bundesrates> und S. 76 <Gegenäußerung der Bundesregierung>).
  77. § 1031 Abs. 5 Satz 3 ZPO in der Fassung des SchiedsverfahrensNeuregelungsgesetzes wurde zwar durch Art. 9 Nr. 7 des Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro vom 27. Juni 2000 (BGBl. I S. 897) mit Wirkung
  78. vom 30. Juni 2000 aufgehoben. Die Vorschrift wurde zugunsten der durch dieses Gesetz (Art. 2 Abs. 1 Nr. 1) neu in das BGB eingefügten Verbraucherdefinition (§ 13 BGB), die grundsätzlich Gültigkeit für das gesamte Zivil- und Zivilverfahrensrecht haben sollte (vgl. Schmidt-Räntsch in Bamberger/Roth, BGB 2003
  79. § 13 Rn. 12), aufgegeben (vgl. Begründung der Bundesregierung zu dem Entwurf eines Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro BT-Drucks.
  80. 14/2658 S. 29, 47 f <zu § 361a BGB-E>; Beschlußempfehlung und Bericht des
  81. Rechtsausschusses zu dem vorgenannten Gesetzentwurf BT-Drucks. 14/3195
  82. S. 27 f, 37). Inhaltliche Änderungen sollten sich dadurch aber nach dem
  83. ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers nicht ergeben (vgl. BT-Drucks.
  84. 14/3195 S. 37).
  85. - 6 -
  86. b) Unternehmer- (§ 14 BGB) und nicht Verbraucherhandeln (§ 1031
  87. Abs. 5 Satz 1 ZPO i.V.m. § 13 BGB) liegt schon dann vor, wenn das Geschäft,
  88. das Gegenstand der Streitigkeit ist, im Zuge der Aufnahme einer gewerblichen
  89. oder selbständigen beruflichen Tätigkeit (sogenannte Existenzgründung) geschlossen wird (h.M.: OLG Rostock OLGR 2003, 505, 506 ff <zu § 13 BGB,
  90. §§ 24, 24a AGBG>; OLG Oldenburg NJW-RR 2002, 641 f <zu § 24 AGBG und
  91. zu der oben genannten Richtlinie 93/13/EWG>; s. auch BGH, Urteil vom 4. Mai
  92. 1994 - XII ZR 24/93 - NJW 1994, 2759 f <zu § 6 Nr. 1 Alt. 1 HWiG>; Staudinger/Weick, BGB Neubearb. 2004 § 13 Rn. 55 ff <60>; Soergel/Pfeiffer, BGB
  93. 13. Aufl. 2002 § 13 Rn. 35; Erman/Saenger, BGB 11. Aufl. 2004 § 13 Rn. 16
  94. und § 14 Rn. 14; Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz 9. Aufl. 2001
  95. § 24a Rn. 25; in diesem Sinne auch MünchKommZPO/Münch 2. Aufl. 2001
  96. § 1031 Rn. 23; a.A. OLG Koblenz NJW 1987, 74 <zu § 24 AGBG>; OLG Nürnberg OLGR 2003, 335 f <zu § 13 BGB, § 24a AGBG>; s. auch OLG München
  97. NJW-RR 2004, 913, 914 <zu § 312c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB>; MünchKommBGB/Micklitz 4. Aufl. 2001 § 13 Rn. 38 ff und § 14 Rn. 22; Palandt/
  98. Heinrichs, BGB 64. Aufl. 2005 § 13 Rn. 3; Wolf in Wolf/Horn/Lindacher, AGBGesetz 4. Aufl. 1999 Art. 2 RiLi Rn. 7).
  99. aa) Nach dem Wortlaut der Verbraucherdefinition des § 13 BGB (i.V.m.
  100. § 1031 Abs. 5 Satz 1 ZPO) ist die - objektiv zu bestimmende - Zweckrichtung
  101. des Verhaltens entscheidend. Das Gesetz stellt nicht auf das Vorhandensein
  102. oder Nichtvorhandensein geschäftlicher Erfahrung, etwa aufgrund einer bereits
  103. ausgeübten gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit, ab (vgl.
  104. BGH, Urteil vom 4. Mai 1994 aaO S. 2760; OLG Rostock aaO S. 506 f; abweichend OLG Koblenz aaO). Es kommt vielmehr darauf an, ob das Verhalten der
  105. Sache nach dem privaten - dann Verbraucherhandeln - oder dem gewerblich-
  106. - 7 -
  107. beruflichen Bereich - dann Unternehmertum - zuzuordnen ist (vgl. SchmidtRäntsch in Bamberger/Roth aaO § 13 Rn. 9 und § 14 Rn. 10). Rechtsgeschäfte
  108. im Zuge einer Existenzgründung, z.B. die Miete von Geschäftsräumen, der Abschluß eines Franchisevertrags oder der Kauf eines Anteils an einer freiberuflichen Gemeinschaftspraxis, wie er hier vorlag, sind nach den objektiven Umständen klar auf unternehmerisches Handeln ausgerichtet.
  109. bb) Es besteht ferner kein Anlaß, demjenigen Verbraucherschutz zu gewähren, der sich für eine bestimmte gewerbliche oder selbständige berufliche
  110. Tätigkeit entschieden hat und diese vorbereitende oder unmittelbar eröffnende
  111. Geschäfte abschließt. Denn er begibt sich damit in den unternehmerischen
  112. Geschäftsverkehr. Ein Existenzgründer agiert nicht mehr "von seiner Rolle als
  113. Verbraucher her" (so aber MünchKommBGB/Micklitz aaO § 13 Rn. 41). Er gibt
  114. dem Rechtsverkehr zu erkennen, daß er sich nunmehr dem Recht für Unternehmer unterwerfen und dieses seinerseits auch in Anspruch nehmen will (vgl.
  115. Staudinger/Weick aaO Rn. 60; OLG Oldenburg aaO S. 642).
  116. cc) § 507 BGB bestimmt, daß die Vorschriften über Verbraucherdarlehen
  117. usw. auch für entsprechende Geschäfte zum Zweck der Aufnahme einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit gelten, allerdings nur bis
  118. zur Höhe von 50.000 €. Damit werden die Existenzgründer in dieser Beziehung
  119. und innerhalb dieser Begrenzung Verbrauchern gleichgestellt. Daraus ergibt
  120. sich im Umkehrschluß, daß der Gesetzgeber den Existenzgründer grundsätzlich nicht als Verbraucher ansieht (vgl. Soergel/Pfeiffer aaO § 13 Rn. 35 unter
  121. Hinweis auf die Materialien zur Schuldrechtsreform 2001 BT-Drucks. 14/6857
  122. S. 32 f <Stellungnahme des Bundesrats> und 64 f <Gegenäußerung der Bundesregierung>; Erman/Saenger aaO § 13 Rn. 16 und § 14 Rn. 14; OLG Ro-
  123. - 8 -
  124. stock aaO S. 507 f; s. auch BGHZ 128, 156, 163 <zu § 1 Abs. 1 VerbrKrG
  125. einerseits, § 6 Nr. 1 Alt. 1 HWiG andererseits>; AnwKomm-BGB-Reiff, 2001
  126. § 507 Rn. 1 f; a.A. Palandt/Heinrichs aaO; vgl. zudem Staudinger/Weick aaO
  127. Rn. 59).
  128. dd) Die Auffassung, daß Existenzgründer nicht Verbraucher im Sinne
  129. des § 1031 Abs. 5 Satz 1 ZPO sind, steht schließlich in Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zu vergleichbaren europarechtlichen Vorschriften. Dieser hat entschieden, daß die Art. 13
  130. Abs. 1 und 14 Abs. 1 des Übereinkommens vom 27. September 1968 (BGBl.
  131. 1972 II S. 773) über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) in der Fassung des Übereinkommens vom 9. Oktober 1978 (BGBl. 1983 II S. 802) dahin
  132. auszulegen sind, daß ein Kläger, der einen Vertrag zum Zweck der Ausübung
  133. einer nicht gegenwärtigen, sondern zukünftigen beruflichen oder gewerblichen
  134. Tätigkeit geschlossen hat, nicht als Verbraucher angesehen werden kann (Urteil vom 3. Juli 1997 - C 269/95 Benincasa/Dentalkrit Srl. - JZ 1998, 896, 897
  135. m. Anm. Mankowski). Das europarechtliche Verständnis des Verbraucherbegriffs kann für die Auslegung des § 1031 Abs. 5 Satz 1 ZPO herangezogen
  136. werden, weil diese Bestimmung - wie schon dargelegt - eine gemeinschaftsrechtliche Vorschrift zum Vorbild hatte (vgl. Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit 6. Aufl. 2000 Kap. 5 Rn. 16; s. auch OLG Rostock aaO S. 506 f und
  137. OLG Oldenburg aaO S. 641).
  138. c) Die Antragstellerin war Existenzgründerin im vorbeschriebenen Sinn.
  139. Mit Vertrag vom 23. April 2002 hatte sie den "Praxisanteil" von Dr. K. , des
  140. früheren Sozius des Antragsgegners, erworben und sich damit entschieden,
  141. - 9 -
  142. selbständig tätig zu sein. Der dann mit dem Antragsgegner geschlossene Gemeinschaftspraxisvertrag vom 29. Mai 2002 eröffnete der Antragstellerin die
  143. bald darauf begonnene freiberufliche - und damit unternehmerische (§ 14
  144. BGB) - Tätigkeit als Ärztin. Sie kann daher bereits bei Abschluß dieses Vertrags nicht mehr als Verbraucherin angesehen werden; die Schiedsklausel in
  145. § 29 des Gemeinschaftspraxisvertrags unterlag nicht den verbraucherschützenden Formerfordernissen des § 1031 Abs. 5 ZPO.
  146. Schlick
  147. Streck
  148. Galke
  149. Kapsa
  150. Herrmann