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8.2 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. III ZB 30/10
  4. vom
  5. 27. Januar 2011
  6. in dem Rechtsstreit
  7. - 2 -
  8. Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Januar 2011 durch den
  9. Vizepräsidenten Schlick und die Richter Dr. Herrmann, Wöstmann, Seiters und
  10. Tombrink
  11. beschlossen:
  12. Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des
  13. 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom
  14. 6. Mai 2010 - 22 U 225/09 - wird als unzulässig verworfen.
  15. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu
  16. tragen.
  17. Gegenstandswert: 16.315,08 €.
  18. Gründe:
  19. I.
  20. 1
  21. Die Parteien streiten um wechselseitige Ansprüche im Zusammenhang
  22. mit der Vermittlung des Abschlusses einer Lebensversicherung. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und die Klägerin auf die Widerklage der Beklagten zu 1 zur Zahlung von 4.673,62 € nebst Zinsen verurteilt. Das Urteil ist den
  23. Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 16. Oktober 2009 zugestellt worden.
  24. Mit Telefax vom 16. November 2009 haben sie Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegt. Der Schriftsatz war an das "Oberlandesgericht
  25. Frankfurt am Main, Hoffstraße 10, 76133 Frankfurt am Main" gerichtet und ent-
  26. - 3 -
  27. hielt im Adressfeld die Telefaxnummer 0721 926-5003. Straßenanschrift, Postleitzahl und Telefaxnummer waren die des Oberlandesgerichts Karlsruhe. Dort
  28. ging das Telefax am Abend des 16. November 2009 ein und wurde am Folgetag ebenfalls per Fernkopie an das Oberlandesgericht Frankfurt am Main weitergeleitet. Zugleich unterrichtete das Oberlandesgericht Karlsruhe die Prozessbevollmächtigten der Klägerin von der fehlerhaften Übersendung. Mit am
  29. 30. November 2009 beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main eingegangenem Schriftsatz haben diese die Berufung erneut eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der versäumten Berufungsfrist beantragt.
  30. 2
  31. Zur Begründung haben sie vorgebracht, bei der fehlerhaften Adressierung und der Eintragung der unrichtigen Telefaxnummer handele es sich um ein
  32. einmaliges Versagen einer sorgfältig ausgesuchten und instruierten sowie ansonsten stets fehlerfrei arbeitenden Kanzleiangestellten. Diese habe vor Ausfertigung der Berufungsschrift die Adresse und Telefaxnummer des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main im aktuellen "Ortsverzeichnis 2008, Gerichte und
  33. Finanzbehörden" ermitteln wollen. Infolge einer geringfügigen Unaufmerksamkeit habe sie jedoch die Kontaktdaten des Oberlandesgerichts Karlsruhe übernommen.
  34. 3
  35. Bei der Versendung fristgebundener Schriftsätze per Telefax kontrollierten die Rechtsanwälte der Kanzlei, dass der jeweilige Schriftsatz auch tatsächlich übermittelt worden sei. Für die Absendung selbst seien ausschließlich die
  36. zuständigen Bürokräfte verantwortlich. Diese seien angewiesen, die Telefaxnummer mit dem vorerwähnten Ortsverzeichnis abzugleichen. Erst nach entsprechender Eintragung der vollständigen Anschrift sowie der Faxnummer des
  37. Empfangsgerichts drucke die Bürokraft den Schriftsatz aus und lege ihn dem
  38. zuständigen Rechtsanwalt zur Unterzeichnung vor. Anschließend werde der
  39. - 4 -
  40. Schriftsatz gefaxt und von einem Rechtsanwalt anhand des "O.K.-Vermerks"
  41. auf dem automatisch ausgedruckten Faxbericht überprüft. Dabei werde sichergestellt, dass die komplette Empfänger-Faxkennung, das heiße insbesondere
  42. die Faxnummer, die Seitenzahl und der Zeitpunkt auf dem Faxbericht ersichtlich
  43. seien. Dieser überprüfte Sendebericht sei Grundlage dafür, die jeweilige Frist
  44. sodann im Fristenkalender zu streichen.
  45. Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewie-
  46. 4
  47. sen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.
  48. II.
  49. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238
  50. 5
  51. Abs. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil weder die
  52. Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts
  53. oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
  54. Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Das Berufungsgericht hat auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zutreffend entschieden.
  55. 6
  56. 1.
  57. Das Berufungsgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewie-
  58. sen, weil die Versäumung der Rechtsmittelfrist auf einem der Klägerin zuzurechnenden Organisationsverschulden ihrer Prozessbevollmächtigten beruhe.
  59. Die durch die allgemeine Büroanweisung angeordnete Kontrolle des Faxprotokolls von per Telekopie zu übermittelnden fristwahrenden Schriftsätzen habe
  60. keinen Hinweis auf eine falsch eingesetzte Empfängernummer geben können.
  61. Sie habe nur eine unvollständige Übermittlung der Anzahl der Seiten oder einen
  62. Fehler bei der Nummerneingabe am Faxgerät erkennen lassen. Sei die Fax-
  63. - 5 -
  64. nummer, wie hier, einem Ortsverzeichnis entnommen, so könne es dabei leicht
  65. zu Verwechslungen kommen. Der Abgleich habe deshalb anhand des zuvor
  66. verwendeten oder eines anderen ebenso zuverlässigen Verzeichnisses zu erfolgen, um nicht nur Fehler bei der Eingabe, sondern auch schon bei der Ermittlung der Faxnummer oder ihrer Übertragung in den Schriftsatz aufdecken zu
  67. können.
  68. 7
  69. 2.
  70. Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen und entspricht insbesondere auch
  71. im zuletzt genannten Punkt der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.
  72. 8
  73. Danach muss der Rechtsanwalt bei Versendung von Schriftsätzen per
  74. Telekopie durch organisatorische Vorkehrungen sicherstellen, dass die Telefaxnummer des angeschriebenen Gerichts verwendet wird. Hierzu gehört, dass
  75. bei der erforderlichen Ausgangskontrolle in der Regel ein Sendebericht ausgedruckt und dieser auf die Richtigkeit der verwendeten Empfängernummer überprüft wird, um nicht nur Fehler bei der Eingabe, sondern auch bereits bei der
  76. Ermittlung der Faxnummer oder ihrer Übertragung in den Schriftsatz aufdecken
  77. zu können (vgl. z.B. Senatsbeschlüsse vom 24. Juni 2010 - III ZB 63/09, juris
  78. Rn. 11 und vom 4. April 2007 - III ZB 109/06, NJW-RR 2007, 1429 Rn. 8
  79. m.w.N.; BGH, Beschlüsse vom 26. September 2006 - VIII ZB 101/05, NJW
  80. 2007, 996 Rn. 8; vom 10. Mai 2006 - XII ZB 267/04, NJW 2006, 2412 Rn. 12;
  81. vom 11. März 2004 - IX ZR 20/03, BGHR ZPO § 233 Telekopie 3 und vom
  82. 24. April 2002 - AnwZ 7/01, juris Rn. 5, 7; siehe auch BVerwG, NJW 2008, 932
  83. Rn. 3). Dabei genügt der Vergleich der auf dem Sendebericht ausgedruckten
  84. Faxnummer mit der in den Schriftsatz eingesetzten nicht. Dieser Abgleich ist
  85. nur geeignet, einen Fehler bei der Eingabe der Nummer in das Faxgerät aufzudecken, nicht aber sicherzustellen, dass die im Schriftsatz angegebene Fax-
  86. - 6 -
  87. nummer zutreffend ermittelt wurde. Die Überprüfung der Richtigkeit der im Sendebericht ausgewiesenen Empfängernummer ist deshalb vielmehr anhand eines aktuellen Verzeichnisses oder einer anderen geeigneten Quelle vorzunehmen, aus dem beziehungsweise der die Faxnummer des Gerichts hervorgeht,
  88. für das die Sendung bestimmt ist (Senatsbeschluss vom 24. Juni 2010 aaO;
  89. BGH, Beschlüsse vom 26. September 2006 aaO und 10. Mai 2006 aaO Rn. 13;
  90. BVerwG aaO; vgl. auch Senatsbeschluss vom 4. April 2007 aaO Rn. 10 und
  91. BGH, Beschluss vom 24. April 2002 aaO Rn. 7).
  92. 9
  93. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, dass in der Kanzlei ihrer Prozessbevollmächtigten eine entsprechende allgemeine Anweisung bestanden hätte.
  94. 10
  95. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde folgt auch aus dem
  96. Beschluss des I. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 4. Februar 2010 (I ZB
  97. 3/09, MMR 2010, 375 Rn. 16 f) nichts zu ihren Gunsten. Nach dieser Entscheidung ist das Fehlen einer allgemeinen Anweisung, die Richtigkeit der aus dem
  98. Sendebericht ersichtlichen Telefaxnummer des Empfängers anhand eines Verzeichnisses zu kontrollieren, ausnahmsweise unschädlich, wenn der Rechtsanwalt im Einzelfall eine konkrete Anweisung gibt, die in der Rechtsmittelschrift
  99. angegebene Faxnummer des Berufungsgerichts noch einmal zu überprüfen
  100. und eine allgemeine Weisung besteht, zur Ermittlung der Telefaxnummer des
  101. zuständigen Gerichts das Ortsverzeichnis "Gerichte und Finanzbehörden" zu
  102. verwenden. Eine Einzelweisung, die Telefaxnummer des Oberlandesgerichts
  103. Frankfurt am Main nochmals zu überprüfen, haben die Prozessbevollmächtig-
  104. - 7 -
  105. ten der Klägerin der Kanzleiangestellten im vorliegenden Fall jedoch nicht erteilt.
  106. Schlick
  107. Herrmann
  108. Seiters
  109. Wöstmann
  110. Tombrink
  111. Vorinstanzen:
  112. LG Darmstadt, Entscheidung vom 24.09.2009 - 3 O 452/08 OLG Frankfurt in Darmstadt, Entscheidung vom 06.05.2010 - 22 U 225/09 -