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339 lines
18 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. Urteil
  4. II ZR 80/10
  5. Verkündet am:
  6. 22. Januar 2013
  7. Vondrasek
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. GG Art. 14 Abs. 1 Ca; BGB § 138 Abs. 1 Bb; AktG § 237
  19. Ein schuldrechtlicher Vertrag zwischen einer Aktiengesellschaft und einem Aktionär,
  20. wonach der Aktionär seine Aktien auf die Gesellschaft unentgeltlich zu übertragen
  21. hat, wenn der Vertrag beendet wird, ist jedenfalls dann nichtig, wenn der Aktionär die
  22. Aktien zuvor entgeltlich erworben hat.
  23. BGH, Urteil vom 22. Januar 2013 - II ZR 80/10 - LG Düsseldorf
  24. AG Düsseldorf
  25. -2-
  26. Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  27. vom 20. November 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann,
  28. den Richter Dr. Strohn, die Richterinnen Caliebe und Dr. Reichart sowie den
  29. Richter Sunder
  30. für Recht erkannt:
  31. Auf die Revision der Beklagten und unter Zurückweisung der Revision der Klägerin wird das Urteil der 6. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf vom 6. April 2010 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 11. Juni 2010 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist.
  32. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts
  33. Düsseldorf vom 9. Juli 2009 teilweise abgeändert und wie folgt
  34. neu gefasst:
  35. Die Klage wird abgewiesen.
  36. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
  37. Von Rechts wegen
  38. -3-
  39. Tatbestand:
  40. 1
  41. Die klagende Aktiengesellschaft betreibt ein Verbundsystem für Versicherungsmakler. Nach § 2 der Satzung besteht ihr Unternehmensgegenstand
  42. darin, Versicherungsmaklern die Hilfen und Unterstützungsmittel zur Verfügung
  43. zu stellen, die sich aus dem Berufsbild des Maklers ergeben. Sämtliche Aktionäre sind Versicherungsmakler. Sie sind außerdem über einen "Partnerschaftsvertrag" mit der Klägerin verbunden. In diesem Rahmen bietet die Klägerin den
  44. Partnern ihre Beratungs- und Unterstützungsleistungen an.
  45. 2
  46. Die Beklagte, die als selbständige Versicherungsmaklerin tätig ist,
  47. schloss am 29. Mai 2001 einen Partnerschaftsvertrag mit der Klägerin. Darin ist
  48. vorgesehen, dass jeder Partner 25 vinkulierte Namensaktien der Klägerin im
  49. Nominalwert von jeweils 52 € zu erwerben und eine einmalige Bearbeitungsgebühr in Höhe von 300 € sowie weitere Beiträge zu zahlen hat. Der Vertrag kann
  50. von beiden Vertragsparteien mit einer dreimonatigen Frist zum Ablauf des Kalenderjahres gekündigt werden. In § 12 Abs. 4 des Vertrages heißt es:
  51. Mit Beendigung des Vertragsverhältnisses gibt der
  52. C.
  53. -Partner alle C.
  54. -Aktien unentgeltlich zur
  55. Übertragung auf einen neuen C.
  56. -Partner zurück.
  57. 3
  58. Die Beklagte erwarb 25 Aktien der Klägerin für insgesamt 1.300 €. Mit
  59. Schreiben vom 12. September 2007 kündigte die Klägerin den Partnerschaftsvertrag zum 31. Dezember 2007.
  60. 4
  61. Die Klägerin verlangt mit ihrer Klage die unentgeltliche Rückübertragung
  62. der Aktien. Die Beklagte wehrt sich dagegen und erstrebt hilfsweise eine Verurteilung zur Herausgabe nur Zug um Zug gegen Zahlung einer angemessenen
  63. Abfindung. Das Amtsgericht hat der Klage mit der Einschränkung stattgegeben,
  64. dass die Übertragung der Aktien Zug um Zug gegen Zahlung von 1.300 € zu
  65. -4-
  66. geschehen habe. Die beiderseitigen Berufungen hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit den vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen verfolgen
  67. die Parteien ihre jeweiligen Rechtsschutzbegehren weiter.
  68. Entscheidungsgründe:
  69. 5
  70. Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Die Revision der Beklagten
  71. führt dagegen zur teilweisen Aufhebung des landgerichtlichen Urteils und zur
  72. Abweisung der Klage (§ 563 Abs. 3 ZPO).
  73. 6
  74. I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
  75. 7
  76. Der Anspruch auf Rückübertragung der Aktien ergebe sich entweder aus
  77. § 12 Abs. 4 des Partnerschaftsvertrages oder aus § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1
  78. BGB. Die ordentliche Kündigung nach § 11 Abs. 2 des Partnerschaftsvertrages
  79. sei nach der Rechtsprechung zu den sogenannten Hinauskündigungsklauseln
  80. wirksam. Dagegen stelle zwar die Pflicht, die Aktien unentgeltlich zu übertragen, eine unangemessene Benachteiligung nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB dar
  81. und sei deshalb unwirksam. Wirksam bleibe aber die Pflicht, die Aktien gegen
  82. Zahlung des Nennwerts zu übertragen.
  83. 8
  84. II. Diese Ausführungen sind nicht frei von Rechtsfehlern. Die Regelung in
  85. § 12 Abs. 4 des Partnerschaftsvertrages, wonach bei einer Beendigung des
  86. Vertrages die Beklagte verpflichtet sein soll, ihre Aktien auf die Klägerin unentgeltlich zurückzuübertragen, ist gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig, weil sie gegen die guten Sitten verstößt. Rechtsfolge dieses Verstoßes ist entgegen der
  87. Auffassung des Berufungsgerichts die Nichtigkeit der gesamten Klausel in § 12
  88. Abs. 4 des Partnerschaftsvertrages.
  89. -5-
  90. 9
  91. 1. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass sich aus der Satzung
  92. der Klägerin eine Pflicht der Aktionäre ergibt, ihre Aktien bei einer Beendigung
  93. des Partnerschaftsvertrages auf die Klägerin zurückzuübertragen. Ebenso wenig hat es eine in der Satzung begründete Pflicht der Aktionäre festgestellt, in
  94. diesem Fall die Aktien auf einen beitrittswilligen Dritten zu übertragen. Ob derartige Satzungsklauseln zulässig wären oder gegen den Grundsatz der beschränkten Satzungsautonomie nach § 23 Abs. 5 AktG verstoßen würden (gegen die Zulässigkeit RGZ 49, 77, 79 ff.; BayObLG, WM 1989, 139, 140 ff.;
  95. Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei
  96. Handelsgesellschaften, 1965, S. 87; Westermann/Rosener in Festschrift Quack,
  97. 1991, S. 545, 551 f.; s. auch RGZ 120, 177, 179 ff.; dafür Becker, ZGR 1986,
  98. 383, 392 ff.; Grunewald, Der Ausschluss aus Gesellschaft und Verein, 1987,
  99. S. 198 f.), bedarf somit keiner Entscheidung.
  100. 10
  101. 2. Die Pflicht zur Rückgabe der Aktien an die Klägerin kann sich vielmehr
  102. allein aus § 12 Abs. 4 des Partnerschaftsvertrages ergeben. Diese Klausel ist
  103. indes nichtig.
  104. 11
  105. a) In Rechtsprechung und Schrifttum ist allerdings anerkannt, dass die
  106. Aktionäre aufgrund der allgemeinen Vertragsfreiheit schuldrechtliche Nebenabreden treffen und darin Regelungen vorsehen können, die in der Satzung der
  107. Aktiengesellschaft nicht zulässig wären (BGH, Urteil vom 25. September 1986
  108. - II ZR 272/85, ZIP 1987, 103, 104; Urteil vom 13. Juni 1994 - II ZR 38/93,
  109. BGHZ 126, 226, 234 f.; Urteil vom 24. November 2008 - II ZR 116/08, ZIP 2009,
  110. 216 Rn. 12 - Schutzgemeinschaftsvertrag II; OLG Karlsruhe, WM 1990, 725 ff.;
  111. Röhricht in Großkomm.AktG, 4. Aufl., § 23 Rn. 238 ff.; Hüffer, AktG, 10. Aufl.,
  112. § 23 Rn. 45 ff.; Seibt in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 23 Rn. 64 ff.;
  113. MünchKommAktG/Pentz, 3. Aufl., § 23 Rn. 187 ff.; Limmer in Spindler/Stilz,
  114. AktG, 2. Aufl., § 23 Rn. 41 ff.; Arnd Arnold in KK-AktG, 3. Aufl., § 23 Rn. 172 ff.;
  115. Mayer, MittBayNot 2006, 281, 285; Noack, Gesellschaftervereinbarungen bei
  116. -6-
  117. Kapitalgesellschaften, 1994, S. 113 ff.; ebenso für die GmbH BGH, Urteil vom
  118. 29. Mai 1967 - II ZR 105/66, BGHZ 48, 163, 166; 20. Januar 1983
  119. - II ZR 243/81, ZIP 1983, 297, 298; Urteil vom 7. Februar 1983 - II ZR 25/82,
  120. ZIP 1983, 432 f.; Urteil vom 27. Oktober 1986 - II ZR 240/85, ZIP 1987, 293,
  121. 295; Urteil vom 15. Oktober 2007 - II ZR 216/06, ZIP 2007, 2416 Rn. 13 ff.; Beschluss vom 15. März 2010 - II ZR 4/09, ZIP 2010, 1541 Rn. 7). So können etwa die Gesellschafter einer Familiengesellschaft vereinbaren, dass ein Aktionär, der aus der Aktiengesellschaft ausscheiden will, seine Aktien den übrigen
  122. Gesellschaftern zum Kauf anbieten muss (BGH, Urteil vom 25. September 1986
  123. - II ZR 272/85, ZIP 1987, 103, 104; Urteil vom 13. Juni 1994 - II ZR 38/93,
  124. BGHZ 126, 226, 234 f.). Damit wird das - zulässige - Ziel verfolgt, den Kreis der
  125. Aktionäre auf Familienmitglieder zu beschränken. Das Gleiche gilt für Regelungen, durch die der Aktionärskreis auf Personen beschränkt werden soll, die ein
  126. anderes gemeinsames Merkmal aufweisen (Friedewald, Die personalistische
  127. Aktiengesellschaft, 1991, 776 f.). In der Regel wird durch eine derartige Absprache eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts begründet (vgl. BGH, Beschluss
  128. vom 21. September 2009 - II ZR 250/07, ZIP 2009, 2155 Rn. 4).
  129. 12
  130. b) Hier ist eine entsprechende schuldrechtliche Nebenabrede aber nicht
  131. zwischen den Aktionären getroffen worden. Vielmehr hat die klagende Aktiengesellschaft selbst mit jeweils einem - künftigen - Aktionär vereinbart, dass er
  132. bei einer Beendigung des mit ihm geschlossenen Partnerschaftsvertrages
  133. - auch infolge einer fristgemäßen Kündigung seitens der Klägerin - seine Aktien
  134. auf die Klägerin unentgeltlich zurückzuübertragen habe. Eine derartige Abrede
  135. verstößt gegen die guten Sitten nach § 138 Abs. 1 BGB.
  136. 13
  137. aa) Durch eine schuldrechtliche Vereinbarung zwischen der Aktiengesellschaft und ihrem jeweiligen Aktionär können grundsätzlich keine Rechte und
  138. Pflichten begründet werden, die alle gegenwärtigen und künftigen Aktionäre
  139. treffen sollen und damit mitgliedschaftlicher Natur sind (Wiedemann in Groß-
  140. -7-
  141. KommAktG, 4. Aufl., § 179 Rn. 34 f.; Röhricht in GroßKommAktG, 4. Aufl., § 23
  142. Rn. 13; Zöllner in KK-AktG, 2. Aufl., § 179 Rn. 8, 11; ebenso für die GmbH
  143. Ulmer in Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 53 Rn. 8; aA Becker, ZGR 1986,
  144. 383 Fn. 86; zum Meinungsstand MünchKommAktG/Oechsler, 3. Aufl., § 237
  145. Rn. 56 f.). Solche Abreden sind vielmehr notwendige materielle Satzungsbestandteile (BGH, Urteil vom 11. Oktober 1993 - II ZR 155/92, BGHZ 123, 347,
  146. 350; ebenso für die GmbH BGH, Urteil vom 25. Oktober 1962 - II ZR 188/61,
  147. BGHZ 38, 155, 161), die nur dann wirksam sein können, wenn sie in die Satzung aufgenommen werden. So kann etwa ein Recht zur Zwangseinziehung im
  148. Sinne des § 237 AktG nicht durch eine schuldrechtliche Abrede zwischen der
  149. Aktiengesellschaft und ihren Aktionären begründet werden (vgl. Mayer, MittBayNot 2006, 281, 283; Hüffer, AktG, 10. Aufl., § 23 Rn. 47 aE).
  150. 14
  151. bb) Hier haben die Klägerin und die jeweiligen Aktionäre schuldrechtliche
  152. Verträge geschlossen, nämlich die Partnerschaftsverträge, mit denen sie im
  153. Ergebnis eine Bindung aller Aktionäre erreichen wollten. Dazu wird im Schrifttum in Übereinstimmung mit einem obiter dictum des Bayerischen Obersten
  154. Landesgerichts (WM 1989, 139, 143) die Meinung vertreten, schuldrechtliche
  155. Nebenabreden der Aktionäre mit der Gesellschaft seien unter anderem dann
  156. zulässig, wenn sie das Ziel verfolgten, in Ergänzung einer satzungsmäßigen
  157. Vinkulierung der Aktien nach § 68 Abs. 2 AktG einen bestimmten Aktionärskreis
  158. zu erhalten (Barthelmeß/Braun, AG 2000, 172 ff.; Schanz, NZG 2000, 337, 341;
  159. Merkt in Großkomm.AktG, 4. Aufl., § 68 Rn. 522; MünchKommAktG/Bayer, 3.
  160. Aufl., § 68 Rn. 41; Hefermehl/Bungeroth in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff,
  161. Aktiengesetz, § 68 Rn. 70; ebenso für schuldrechtliche Vereinbarungen von
  162. zusätzlichen Zahlungen an die Gesellschaft: Drygala in KK-AktG, 3. Aufl., § 54
  163. Rn. 31; Lutter in KK-AktG, 2. Aufl., § 54 Rn. 21; Hüffer, Aktiengesetz, 10. Aufl.,
  164. § 54 Rn. 7 f.). Es geht dabei etwa um den Fall, dass nach der Ausgabe von Belegschaftsaktien eine Rückübertragung der Aktien für den Fall sichergestellt
  165. -8-
  166. werden soll, dass der Mitarbeiter aus dem Unternehmen ausscheidet
  167. (BayObLG, WM 1989, 139 ff.). Die Gegenmeinung hält derartige Andienungspflichten für unzulässig. Sie stellt darauf ab, dass die Gesellschaft im Rahmen
  168. der Nebenabrede durch den Vorstand vertreten wird und damit der Vorstand im
  169. Widerspruch zu der innergesellschaftlichen Kompetenzordnung über die Zusammensetzung der Hauptversammlung bestimmen könne. Einer solchen Möglichkeit außerhalb des Zustimmungserfordernisses bei der Vinkulierung von Aktien nach § 68 Abs. 2 AktG seien aber enge Grenzen gesetzt, wie etwa das
  170. Verbot des § 136 Abs. 2 AktG zeige, nach dem der Aktionär sich nicht verpflichten dürfe, sein Stimmrecht nach den Weisungen des Vorstands auszuüben.
  171. Damit fehle dem Vorstand die Geschäftsführungsbefugnis zum Abschluss derartiger Vereinbarungen (Immenga, AG 1992, 79; Otto, AG 1991, 369 ff.; ähnlich
  172. schon Rudolf Fischer in Ehrenberg, Handbuch des gesamten Handelsrechts, III.
  173. Band, 1916, S. 376 f.).
  174. 15
  175. cc) Welcher Meinung grundsätzlich zu folgen ist, braucht aus Anlass des
  176. vorliegenden Falles nicht entschieden zu werden. Denn jedenfalls ist ein
  177. schuldrechtlicher Vertrag zwischen einer Aktiengesellschaft und einem Aktionär
  178. unwirksam, wenn danach der Aktionär verpflichtet sein soll, bei Beendigung der
  179. Vertragsbeziehung die von ihm entgeltlich erworbenen Aktien entschädigungslos auf die Gesellschaft zurückzuübertragen.
  180. 16
  181. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des
  182. Bundesgerichtshofs fällt das in der Aktie verkörperte Anteilseigentum unter den
  183. Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG (BVerfG, ZIP 2012, 1402 Rn. 52; ZIP 2012, 1656
  184. Rn. 21 - Daimler/Chrysler; ZIP 1999, 1436, 1439 - DAT/Altana; ZIP 1999, 1804,
  185. 1805 f.; BGH, Urteil vom 25. November 2002 - II ZR 133/01, BGHZ 153, 47, 55;
  186. Beschluss vom 12. März 2001 - II ZB 15/00, BGHZ 147, 108, 112, 114). Der
  187. Schutzbereich der Eigentumsgarantie umfasst die Substanz des Anteilseigentums in seiner mitgliedschaftsrechtlichen und vermögensrechtlichen Ausgestal-
  188. -9-
  189. tung. Er ist beispielsweise betroffen bei einem Ausschluss des Aktionärs
  190. (BVerfG, ZIP 2007, 1261 Rn. 18). Grundsätzlich ist dem Aktionär, dessen Aktien eingezogen werden oder der sonst aus der Gesellschaft ausgeschlossen
  191. wird, der volle Wert seiner Aktien zu ersetzen. Ein entschädigungsloser oder
  192. nur mit einer unangemessen geringen Abfindung verbundener Ausschluss greift
  193. unzulässig in die vermögensmäßige Rechtsposition des Aktionärs ein und verstößt deshalb grundsätzlich gegen das Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 Abs. 1
  194. GG und gegen die guten Sitten nach § 138 Abs. 1 BGB (Grunewald, Der Ausschluss aus Gesellschaft und Verein, S. 174 f.; MünchKommAktG/Oechsler, 3.
  195. Aufl., § 237 Rn. 65; Becker in Bürgers/Körber, AktG, 2. Aufl, § 237 Rn. 24; s.
  196. auch OLG München, ZIP 2008, 220, 224; MünchHdbGesRIV/Krieger, 3. Aufl., §
  197. 62 Rn. 12 f.).
  198. 17
  199. Dieser Grundsatz gilt nicht nur bei einer Zwangseinziehung im Sinne des
  200. § 237 AktG - oder einer Übertragung von Aktien nach §§ 327a ff. AktG -, sondern gegebenenfalls auch bei einem zwangsweisen Ausschluss, der auf einer
  201. außerhalb der Satzung getroffenen schuldrechtlichen Abrede beruht. Denn es
  202. ist kein Grund ersichtlich, das Aktieneigentum gegen Eingriffe aufgrund schuldrechtlicher Abreden geringer zu schützen als gegen Eingriffe, die auf einer Satzungsbestimmung oder auf dem Gesetz beruhen. Dass sich der Aktionär bei
  203. Begründung seiner Aktionärsstellung mit dieser Eingriffsmöglichkeit einverstanden erklärt hat, gilt für das satzungsmäßige Einziehungsrecht ebenso wie für
  204. ein möglicherweise anzuerkennendes Ausschließungsrecht aufgrund einer
  205. schuldrechtlichen Abrede. Jedenfalls dann, wenn der Aktionär - wie hier - die
  206. Aktien entgeltlich erworben hat, verletzt die Pflicht zur unentgeltlichen Rückübertragung der Aktien sein Eigentumsgrundrecht und kann daher keinen Bestand haben.
  207. 18
  208. dd) Rechtsfolge dieses Verstoßes ist die Nichtigkeit der gesamten Klausel in § 12 Abs. 4 des Partnerschaftsvertrages. Sie kann weder durch eine er-
  209. - 10 -
  210. gänzende Vertragsauslegung oder eine entsprechende Anwendung von § 139
  211. BGB noch durch eine Umdeutung aufrechterhalten werden.
  212. 19
  213. Eine ergänzende Vertragsauslegung nach § 157 BGB oder eine entsprechende Anwendung von § 139 BGB kommt schon deshalb nicht in Betracht,
  214. weil nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein wegen eines sittenwidrigen Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung nichtiges Rechtsgeschäft grundsätzlich nicht durch Anpassung der Leistungen auf ein noch vertretbares Maß aufrechterhalten werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai
  215. 1958 - V ZR 280/56, NJW 1958, 1772; Urteil vom 12. Juli 1965 - II ZR 118/63,
  216. BGHZ 44, 158, 162; Urteil vom 21. März 1977 - II ZR 96/75, BGHZ 68, 204,
  217. 207). Es kommt hinzu, dass weder Umstände festgestellt noch sonst ersichtlich
  218. sind, aufgrund derer ermittelt werden könnte, welche Regelung die Parteien bei
  219. angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben getroffen
  220. hätten, wenn sie die Unwirksamkeit der Klausel in § 12 Abs. 4 des Partnerschaftsvertrages bedacht hätten (vgl. etwa BGH, Urteil vom 14. März 2012
  221. - VIII ZR 113/11, NJW 2012, 1865 Rn. 24; Urteil vom 7. November 2012
  222. - XII ZR 41/11, juris Rn. 26).
  223. 20
  224. Nichts anderes gilt für die Umdeutung nach § 140 BGB. Zwar wird für
  225. den Fall einer in der Satzung angeordneten entschädigungslosen Zwangseinziehung im Schrifttum angenommen, dass diese Regelung in eine gestattete
  226. - entgeltliche - Einziehung umzudeuten ist (vgl. MünchKommAktG/Oechsler,
  227. 3. Aufl., § 237 Rn. 35 mwN). Dafür wird angeführt, dass die gestattete Einziehung einen Beschluss der Hauptversammlung erfordert und deshalb nicht demselben strengen Bestimmtheitsgrundsatz unterliegt wie die angeordnete
  228. Zwangseinziehung, die nach § 237 Abs. 6 AktG ohne Beteiligung der Hauptversammlung durch den Vorstand vollzogen wird. Deshalb bleibt es bei der gestatteten Zwangseinziehung der Hauptversammlung vorbehalten, die - angemessene - Abfindung oder jedenfalls deren Bemessungsgrundsätze festzulegen
  229. - 11 -
  230. (Lutter in KK-AktG, 2. Aufl., § 237 Rn. 34). Das kann aber nur für die in der Satzung vorzusehenden Formen der Zwangseinziehung gelten, nicht dagegen für
  231. eine etwaige Ausschlussmöglichkeit durch Kündigung aufgrund einer schuldrechtlichen Abrede. Denn insoweit fehlt es schon an der Möglichkeit, im Wege
  232. der Umdeutung eine Zuständigkeit der Hauptversammlung zu begründen.
  233. 21
  234. Im Übrigen hat sich auch eine Umdeutung an dem (hypothetischen) Parteiwillen
  235. zu
  236. orientieren
  237. (BGH,
  238. Beschluss
  239. vom
  240. 17. September
  241. 2008
  242. - III ZB 19/08, WM 2008, 2153 Rn. 18). Der (hypothetische) Parteiwille kann
  243. aber angesichts der Vielgestaltigkeit schuldrechtlicher Abreden nicht ohne weiteres im Sinne einer gestatteten Zwangseinziehung angenommen werden.
  244. Ebenso gut hätten die Parteien, wenn ihnen die Unwirksamkeit einer Pflicht zur
  245. entschädigungslosen Rückübertragung der Aktien bewusst gewesen wäre, auf
  246. diese Rückübertragung gänzlich verzichten können oder aber die von allen
  247. Partnern zu zahlenden laufenden Gebühren höher ansetzen können, um das
  248. Kapital für etwaige Abfindungszahlungen aufzubringen.
  249. - 12 -
  250. 22
  251. 3. Da somit schon keine Pflicht zur Übertragung der Aktien auf die Klägerin begründet worden ist, kann die Frage offen bleiben, wie eine angemessene
  252. Abfindung gegebenenfalls zu bemessen wäre.
  253. Bergmann
  254. Strohn
  255. Reichart
  256. Caliebe
  257. Sunder
  258. Vorinstanzen:
  259. AG Düsseldorf, Entscheidung vom 09.07.2009 - 54 C 14868/08 LG Düsseldorf, Entscheidung vom 06.04.2010 - 36 S 3/09 -