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889 lines
47 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. II ZR 12/08
  5. Verkündet am:
  6. 22. März 2010
  7. Vondrasek
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. ja
  16. BGHR:
  17. ja
  18. ADCOCOM
  19. EGGmbHG § 3 Abs. 4; GmbHG §§ 19 Abs. 4, 30, 31, 56
  20. a) Die in § 3 Abs. 4 EGGmbHG angeordnete rückwirkende Anwendung von § 19 Abs. 4
  21. GmbHG i.d.F. des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung
  22. von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008 (BGBl. I S. 2026) begegnet keinen
  23. durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.
  24. b) Die Anrechnung des Wertes der verdeckt eingelegten Sache auf die fortbestehende Bareinlageverpflichtung nach § 19 Abs. 4 Satz 3 GmbHG darf im Fall der verdeckten gemischten Sacheinlage nicht zu Lasten des übrigen Gesellschaftsvermögens gehen. Daher
  25. ist vor einer Anrechnung von dem tatsächlichen Wert der eingelegten Sache der Betrag
  26. abzuziehen, der von der Gesellschaft aus dem Gesellschaftsvermögen über den Nominalbetrag der Bareinlage hinaus als Gegenleistung (hier: Kaufpreis für Lizenzen) aufgewendet worden ist.
  27. c) Bestand oder entsteht im Zeitpunkt einer verdeckten gemischten Sachkapitalerhöhung
  28. eine Unterbilanz oder war die Gesellschaft sogar bilanziell überschuldet, können auf den
  29. Teil der Gegenleistung der Gesellschaft, der den Nominalbetrag der Bareinlage übersteigt, §§ 30, 31 GmbHG Anwendung finden.
  30. BGH, Urteil vom 22. März 2010 - II ZR 12/08 - OLG Celle
  31. LG Hildesheim
  32. -2-
  33. Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 22. März 2010 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette
  34. und die Richter Dr. Strohn, Caliebe, Dr. Reichart und Bender
  35. für Recht erkannt:
  36. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 9. Zivilsenats
  37. des Oberlandesgerichts Celle vom 9. Januar 2008 aufgehoben.
  38. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
  39. über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  40. Von Rechts wegen
  41. Tatbestand:
  42. 1
  43. Die Beklagte war die Alleingesellschafterin der damals noch unter
  44. H.
  45. GmbH firmierenden AdCoCom GmbH (künftig: Schuldne-
  46. rin). Sie beabsichtigte Anfang des Jahres 2003, ihren Geschäftsanteil im Zuge
  47. eines "management buy-out" an die Geschäftsleitung der Schuldnerin zu veräußern, die ihrerseits die Schuldnerin mit Unterstützung der W.
  48. mbH (künftig: W.
  49. ) weiterführen wollte.
  50. -3-
  51. 2
  52. Am 12. Februar 2003 stellte die W.
  53. verschiedene Bedingungen für
  54. eine Investition in die Schuldnerin. Am gleichen Tag fasste die Beklagte den
  55. Beschluss, 3 Millionen € in die Kapitalrücklage der Schuldnerin einzuzahlen. In
  56. einem "Letter of Intent" vom 14. Februar 2003 an die Schuldnerin, dessen Inhalt
  57. im Wesentlichen den Forderungen der W.
  58. entsprach und den sie zur
  59. Grundlage ihres weiteren Vorgehens machte, führte die Beklagte unter anderem aus:
  60. "…
  61. 3.
  62. Zum Zwecke der Übertragung des Kaufobjektes [gemeint: zur Vorbereitung der Übernahme
  63. des Geschäftsanteils an der Schuldnerin durch deren Geschäftsleitung] wird … [die Beklagte] folgende Maßnahmen treffen:
  64. 3.1 Ablösung der Bank-Darlehen der … [Schuldnerin] bei der D.
  65. Bank und der C.
  66. bank in H.
  67. in Höhe von insgesamt Euro 2.556.459,40 durch ein von …
  68. [der Beklagten] gewährtes Gesellschaftsdarlehen;
  69. 3.2 Aufstockung des Stammkapitals der … [Schuldnerin] auf 1.000.000,00 Euro (derzeit
  70. 260.758,86 Euro) durch … [die Beklagte];
  71. 3.3 Einzahlung von 3.000.000,00 Euro in die Kapitalrücklage durch … [die Beklagte];
  72. 3.4 Verkauf der Rechte an den Produkten für 3.990.000,00 Euro an … [die Schuldnerin];
  73. 3.5 Übernahme der laufenden Kosten der … [Schuldnerin] für die Monate Januar und Februar 2003 bis zu einer Höhe von 700.000,00 Euro.
  74. Die Verrechnung erfolgt auf der Grundlage des bestehenden Dienstleistungsvertrages.
  75. Der Dienstleistungsvertrag wird im gegenseitigen Einvernehmen zum 28.02.2003 beendet. Ab jenem Datum entstehen keinerlei weitere gegenseitige Verpflichtungen aus diesem Dienstleistungsvertrag.
  76. Die Zahlung erfolgt innerhalb von 14 Tagen nach Rechnungslegung;
  77. 3.6 Verkauf der Fertig- und Handelswaren, die das H.
  78. Label tragen, am
  79. 18. Februar 2003 zum Transferpreis von 1.113.092,03 Euro gemäß der Auflistung in Anlage 1. Die Zahlung erfolgt innerhalb von 14 Tagen nach Lieferung und nach Beurkundung des Kaufvertrages;
  80. -4-
  81. 3.7 … [die Beklagte] wird unmittelbar nach Inkrafttreten des Kaufvertrages auf folgende Forderungen verzichten:
  82. Bestehendes Gesellschaftsdarlehen:
  83. Gesellschaftsdarlehen gem. Ziff. 3.1:
  84. Bestehende Forderungen gegenüber … [der Schuldnerin]:
  85. Abzüglich Verbindlichkeiten von … [der Beklagten] gegenüber
  86. … [der Schuldnerin]:
  87. TOTAL
  88. 700.000,00 Euro
  89. 2.556.459,40 Euro
  90. 397.480,04 Euro
  91. (459.940,14 Euro)
  92. 3.193.999,30 Euro
  93. Bereits beglichene Forderungen und Verbindlichkeiten werden entsprechend verrechnet
  94. … ."
  95. Am 19. Februar 2003 zahlte die Beklagte auf ein debitorisches Konto der
  96. 3
  97. Schuldnerin 739.241,14 € mit dem Verwendungszweck "Aufstockung Stammkapital auf 1 Mio." und weitere 3 Millionen € mit dem Verwendungszweck "Einzahlung in die Kapitalrücklage" ein. Am 20./21. Februar 2003 schlossen die Beklagte und die Schuldnerin einen Kaufvertrag über Sachen und Rechte der Beklagten (künftig: "Lizenzen") zu einem Nettokaufpreis von 3,99 Millionen €. Dieser Wert war Ende 2002 in einem Bewertungsgutachten im Auftrag der Beklagten von der P.
  98. GmbH auf
  99. der Grundlage der Reproduktionskosten ermittelt worden. Am 24. Februar 2003
  100. fasste die Beklagte den Beschluss, das Stammkapital der Schuldnerin um
  101. 739.241,14 € auf 1 Million € zu erhöhen. Am gleichen Tag überwies die Schuldnerin der Beklagten 3,99 Millionen € mit dem Verwendungszweck "Kaufpreis
  102. Lizenzen". Das Konto der Schuldnerin schloss am 24. Februar 2003 mit einem
  103. Minus.
  104. 4
  105. Die Beklagte erfüllte auch die übrigen im "Letter of Intent" übernommenen Verpflichtungen gegenüber der Schuldnerin und veräußerte und übertrug
  106. sodann am 4. März 2003 ihren Geschäftsanteil von 1 Million € für 1,00 € "mit
  107. Wirkung zum 1. Januar 2003" an die Geschäftsleitung der Schuldnerin. Über
  108. das Vermögen der Schuldnerin wurde auf Antrag vom 11. November 2004 am
  109. -5-
  110. 1. Januar 2005 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.
  111. 5
  112. Der Kläger hat die Beklagte auf nochmalige Leistung ihrer Einlage und
  113. auf Erstattung der in die freie Kapitalrücklage geleisteten Zahlung nach §§ 30,
  114. 31 GmbHG, hilfsweise aus dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung in Höhe von insgesamt 3.739.241,41 € in Anspruch genommen. Er hat u.a. behauptet, die Schuldnerin sei Ende 2002 überschuldet und die Lizenzen seien wertlos
  115. gewesen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat
  116. die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision des Klägers.
  117. Entscheidungsgründe:
  118. 6
  119. Die Revision des Klägers hat Erfolg und führt unter Aufhebung des
  120. angefochtenen
  121. Urteils
  122. zur
  123. Zurückverweisung
  124. der
  125. Sache
  126. an
  127. das
  128. Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
  129. 7
  130. I. Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
  131. 8
  132. Eine (nochmalige) Zahlung von 739.241,14 € könne der Kläger nach den
  133. Grundsätzen der Kapitalaufbringung nicht beanspruchen, weil die gegenzurechnenden Leistungen der Beklagten zusammengenommen die Qualifikation
  134. der Einlageleistung der Beklagten als verdeckte Sacheinlage ausschlössen. Die
  135. -6-
  136. Zahlung von weiteren 3 Millionen € sei keine Umgehung der Vorschriften über
  137. die Kapitalaufbringung und auch keine eigenkapitalersetzende Leistung der Beklagten. Ansprüche des Klägers nach §§ 30, 31 GmbHG kämen nicht in Betracht, wobei der Vortrag des Klägers zu einer Überschuldung der Schuldnerin
  138. bereits Ende 2002 nach § 531 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen sei. Ansprüche aus
  139. gesellschafterlicher Treuepflichtverletzung und aus Insolvenzanfechtung bestünden nicht.
  140. II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht
  141. 9
  142. stand.
  143. 10
  144. A. Rechtsfehlerhaft ist die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte
  145. habe auf die am 24. Februar 2003 beschlossene Kapitalerhöhung die versprochene Bareinlage geleistet. Das Berufungsgericht hat verkannt, dass die Beklagte mit dem Beschluss und seiner Umsetzung in Gestalt der Einzahlung des
  146. beschlossenen Erhöhungsbetrages ihr Vorhaben verdeckt hat, unter Umgehung
  147. der Sacheinlagevorschriften die Lizenzen in die Schuldnerin einzubringen.
  148. 11
  149. 1. Eine verdeckte Sacheinlage liegt vor, wenn die gesetzlichen Regeln
  150. für Sacheinlagen dadurch unterlaufen werden, dass zwar eine Bareinlage beschlossen/vereinbart wird, die Gesellschaft aber bei wirtschaftlicher Betrachtung
  151. von dem Einleger aufgrund einer im Zusammenhang mit der Übernahme der
  152. Einlage getroffenen Verwendungsabsprache einen Sachwert erhalten soll (Senat, BGHZ 182, 103 Tz. 10 - CASH POOL II; BGHZ 180, 38 Tz. 8 - QIVIVE;
  153. BGHZ 175, 265 Tz. 10 - RHEINMÖVE; BGHZ 173, 145 Tz. 14 - LURGI I;
  154. BGHZ 170, 47 Tz 11; BGHZ 166, 8 Tz. 11 - CASH POOL I; BGHZ 155, 329,
  155. 334; Sen.Urt. v. 1. Februar 2010 - II ZR 173/08, ZIP 2010, 423 Tz. 15, z.V.b. in
  156. BGHZ - EUROBIKE; v. 11. Februar 2008 - II ZR 171/06, ZIP 2008, 643 Tz. 12).
  157. -7-
  158. Diese vom Senat entwickelte Definition der verdeckten Sacheinlage hat der
  159. Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur
  160. Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008 (BGBl. I
  161. S. 2026) übernommen (Senat, BGHZ 180 aaO - QIVIVE; Sen.Urt. v. 1. Februar
  162. 2010 aaO; Bormann/Urlichs in Römermann/Wachter, GmbH-Beratung nach
  163. dem MoMiG 2008 S. 37, 39; Pentz, GmbHR 2009, 505, 507 f.). Bei einer EinPersonen-Gesellschaft tritt an die Stelle der Verwendungsabsprache ein entsprechendes Vorhaben des Alleingesellschafters (Sen.Urt. v. 11. Februar 2008
  164. - II ZR 171/06, ZIP 2008, 643 Tz. 12; Pentz in Festschrift K. Schmidt 2009,
  165. S. 1265, 1270 f.). Dass der für den eingelegten Gegenstand vereinbarte Preis
  166. den Betrag der Einlageverpflichtung wesentlich übersteigt, ändert an der Anwendung der für Sacheinlagen geltenden Regelungen auf das gesamte
  167. Rechtsgeschäft nichts, wenn eine kraft Parteivereinbarung unteilbare Leistung
  168. in Rede steht (Senat, BGHZ 175 aaO Tz. 14 - RHEINMÖVE; BGHZ 173 aaO
  169. Tz. 15 - LURGI I; BGHZ 170 aaO Tz. 17).
  170. 12
  171. 2. Gemessen daran lag hier eine verdeckte (gemischte) Sacheinlage vor.
  172. 13
  173. a) Das Vorhaben der Beklagten im Zuge der Kapitalerhöhung war entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auf das verdeckte Einbringen einer
  174. Sacheinlage gerichtet. Die Beklagte hat den wirtschaftlich einheitlichen Vorgang
  175. einer Sacheinbringung in zwei rechtlich getrennte Geschäfte aufgeteilt, bei denen der Gesellschaft zwar formal Bargeld als Einlage zugeführt, dieses jedoch
  176. im Zusammenhang mit einem zweiten Rechtsgeschäft gegen die Zuführung der
  177. Lizenzen zurückgewährt wurde, die ihrerseits von vornherein als Sacheinlage in
  178. die Gesellschaft eingebracht werden konnten und mussten.
  179. -8-
  180. 14
  181. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats sind schuldrechtliche
  182. Absprachen zwischen dem Inferenten und der Gesellschaft über die Verwendung der Einlagemittel bei der Kapitalerhöhung unter dem Gesichtspunkt der
  183. Kapitalaufbringung zwar grundsätzlich nicht verboten, aber dann schädlich,
  184. wenn sie dazu bestimmt sind, die eingezahlten Mittel wieder an den Inferenten
  185. zurückfließen zu lassen (Senat, BGHZ 171, 113 Tz. 10; BGHZ 153, 107, 110).
  186. Die Feststellung eines schädlichen, auf einen Rückfluss gerichteten Vorhabens
  187. unterliegt zwar tatrichterlicher Würdigung (Senat, BGHZ 166, 8 Tz. 13 ff.
  188. - CASH POOL I; Sen.Urt. v. 11. Februar 2008 - II ZR 171/06, ZIP 2008, 643
  189. Tz. 11; Sen.Beschl. v. 15. Oktober 2007 - II ZR 263/06, ZIP 2008, 1281 Tz. 4).
  190. Die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, insbesondere seine Auffassung, die Ausführungen der Beklagten im "Letter of Intent" vom 14. Februar
  191. 2003 bzw. der enge zeitliche Zusammenhang zwischen der Leistung der Einlage und dem Kaufvertrag über die Lizenzen und der damit verbundenen Rückführung des Einlagebetrages begründeten keinen Anhaltspunkt für eine verdeckte Sacheinlage, diese sei vielmehr im Hinblick auf die "Vorgänge in ihrer
  192. aufeinander bezogenen Gesamtheit" ausgeschlossen, beruht jedoch, wie die
  193. Revision zu Recht rügt, einerseits auf einer grundlegenden Verkennung der
  194. Anforderungen der gefestigten Senatsrechtsprechung und zudem auf einer unvollständigen Würdigung des Sachvortrags des Klägers. Mit seiner Wertung hat
  195. sich das Berufungsgericht nicht nur in Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Senats gesetzt, wonach schon der hier gegebene enge zeitliche Zusammenhang zwischen der Einzahlung des Einlagebetrages und dem Rückfluss des Geldes die Vermutung begründet, die (objektive) Umgehung der
  196. Sachkapitalaufbringungsregeln sei von Anfang an in Aussicht genommen worden (Senat, BGHZ 175, 265 Tz. 13 - RHEINMÖVE; BGHZ 166, 8 Tz. 13
  197. - CASH POOL I; BGHZ 153, 107, 109). Das Berufungsgericht hat vor allem verkannt, dass darüber hinaus bereits der Inhalt des "Letter of Intent" (s. hierzu
  198. -9-
  199. BGH, Urt. v. 2. Dezember 1999 - IX ZR 415/98, ZIP 2000, 72, 73), vor allem
  200. aber der Umstand, dass ausweislich der von der Beklagten in Auftrag gegebenen gutachterlichen Stellungnahme der P.
  201. GmbH vom 9. Dezember 2002 seitens der Beklagten zu diesem Zeitpunkt geplant war, die Lizenzen - damals im Rahmen der Veräußerung
  202. der Mehrheitsbeteiligung der Beklagten - im Wege einer Sachkapitalerhöhung
  203. in die Schuldnerin einzubringen, ein Vorhaben der Alleingesellschafterin im
  204. Sinne einer verdeckten (gemischten) Sacheinlage eindeutig belegen.
  205. 15
  206. b) Anders, als das Berufungsgericht gemeint hat, kann die verdeckte (gemischte) Sacheinlage und die daraus folgende Nichterfüllung der Bareinlageverpflichtung durch die Zahlung vom 19. Februar 2003 nicht wegen der weiteren im „Gesamtpaket“ versprochenen und zeitlich nach dem 24. Februar 2003
  207. auch tatsächlich geleisteten Zahlungen der Beklagten verneint werden. Das
  208. Berufungsgericht hat dabei nicht nur das auf eine verdeckte Sacheinlage gerichtete Vorhaben mit einer nachträglichen Tilgung der Bareinlagepflicht vermischt. Die Feststellungen des Berufungsgerichts ergeben, entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung, auch nicht eine nachträgliche Erfüllung der Bareinlageverpflichtung.
  209. 16
  210. Nach der Rechtsprechung des Senats ist zwar die nachträgliche Erfüllung der Einlageverbindlichkeit durch eine spätere Leistung möglich (Senat,
  211. BGHZ 165, 113, 117; BGHZ 165, 352, 356 ff.; Sen.Urt. v. 12. Juni 2006
  212. - II ZR 334/04, ZIP 2006, 1633 Tz. 13). Das setzt jedoch voraus, dass spätere
  213. Zuflüsse sich objektiv eindeutig, mithin zweifelsfrei der fortbestehenden Einlageverpflichtung zuordnen lassen (Senat, BGHZ 166, 8 Tz. 24 - CASH POOL I;
  214. Sen.Beschl. v. 15. Oktober 2007 - II ZR 263/06, ZIP 2008, 1281 Tz. 6; BGHZ
  215. 165, 113, 117). Das Gegenteil ist hier der Fall. Die späteren Zahlungen der Be-
  216. - 10 -
  217. klagten dienten aufgrund der mit ihnen verbundenen, vom Berufungsgericht
  218. selbst festgestellten Tilgungsbestimmungen vielmehr eindeutig und zweifelsfrei
  219. anderen Zwecken als der nachträglichen Erfüllung der Bareinlagepflicht.
  220. 17
  221. 3. Da das Berufungsgericht zu Unrecht das Vorliegen einer verdeckten
  222. (gemischten) Sacheinlage verneint hat, kommt es nicht mehr darauf an, dass
  223. das Berufungsurteil selbst bei zutreffender Ablehnung der verdeckten Sacheinlage der Aufhebung unterlegen hätte, weil das Berufungsgericht, wie die Revision zu Recht rügt, die von seinem Rechtsstandpunkt aus erforderliche Prüfung
  224. der Wirksamkeit der Einzahlung vom 19. Februar 2003 auf ein debitorisches
  225. Konto der Schuldnerin vor Fassung des Kapitalerhöhungsbeschlusses - ebenfalls - fehlerhaft unterlassen hat.
  226. 18
  227. B. Aufgrund des Rechtsfehlers der Verkennung einer verdeckten (gemischten) Sacheinlage unterliegt das Berufungsurteil in Höhe von 739.241,41 €
  228. der Aufhebung (§ 562 Abs. 1 ZPO); die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann nicht selbst abschließend
  229. in der Sache entscheiden, weil der Erfolg der Klage auf Zahlung der versprochenen Bareinlage nach § 19 Abs. 4 GmbHG i. d. F. des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG)
  230. vom 23. Oktober 2008 (BGBl. I S. 2026) von dem - vom Berufungsgericht nicht
  231. festgestellten - Wert der verdeckt eingebrachten Lizenzen abhängt.
  232. 19
  233. 1. Nach § 56 Abs. 2, § 19 Abs. 4 Satz 3 GmbHG, § 3 Abs. 4 EGGmbHG
  234. in der mit Inkrafttreten des MoMiG maßgeblichen Fassung ist auf die wegen
  235. Umgehung der Sacheinlagevorschriften fortbestehende Bareinlagepflicht der
  236. Beklagten (§ 19 Abs. 4 Satz 1, 3 GmbHG) der Wert der Lizenzen zu dem in
  237. § 19 Abs. 4 Satz 3 GmbHG bezeichneten Zeitpunkt anzurechnen. Die in § 3
  238. - 11 -
  239. Abs. 4 EGGmbHG angeordnete rückwirkende Anwendung des § 19 Abs. 4
  240. GmbHG n.F. (Senat, BGHZ 179, 249 Tz. 21 - GUT BUSCHOW) bezieht sich
  241. auch auf Kapitalerhöhungen (Habersack, GWR 2010, 107, 109).
  242. 20
  243. 2. Der Senat vermag nicht die Überzeugung zu gewinnen, dass die in § 3
  244. Abs. 4 GmbHG angeordnete rückwirkende Anwendung des § 19 Abs. 4
  245. GmbHG gegen Artikel 14 Abs. 1 Satz 1 GG und das verfassungsrechtliche
  246. Rückwirkungsverbot verstößt.
  247. 21
  248. a) § 3 Abs. 4 EGGmbHG berührt den Schutzbereich des Artikels 14
  249. Abs. 1 Satz 1 GG. Eigentum im Sinne des Artikels 14 Abs. 1 GG ist sowohl das
  250. dingliche Recht an einer Sache als auch eine Forderung (BVerfGE 112, 93,
  251. 107; 83, 201, 208 f.; 68, 193, 222). Unter den Schutz des Eigentumsgrundrechts fallen im Bereich des Privatrechts grundsätzlich alle vermögenswerten
  252. Rechte, die dem Berechtigten von der Rechtsordnung in der Weise zugeordnet
  253. sind, dass er die damit verbundenen Befugnisse nach eigenverantwortlicher
  254. Entscheidung zu seinem privaten Nutzen ausüben darf (BVerfGE 101, 239,
  255. 258; 83, 201, 209).
  256. 22
  257. aa) In den Schutzbereich einbezogen sind damit Forderungen im Zusammenhang mit einer verdeckten Sacheinlage und das Eigentum bzw. die
  258. Inhaberschaft an dem verdeckt eingebrachten Gegenstand.
  259. 23
  260. bb) Von § 3 Abs. 4 EGGmbHG nicht berührt wird hingegen der aufschiebend bedingte prozessuale Erstattungsanspruch (§ 91 ZPO) der auf Leistung
  261. der Bareinlage klagenden Gesellschaft im Falle der (ursprünglichen) Werthaltigkeit des verdeckt eingebrachten Gegenstands. Denn die Gesellschaft kann in
  262. solchen Fällen weiter eine ihr günstige Kostenfolge dadurch erreichen, dass sie
  263. - 12 -
  264. den Rechtsstreit für erledigt erklärt (Bormann/Urlichs in Römermann/Wachter,
  265. GmbH-Beratung nach dem MoMiG, 2008, S. 37, 42; Heckschen, Das MoMiG in
  266. der notariellen Praxis Rdn. 103; Nagel/Meder, ZInsO 2009, 944, 951 f.; Pentz,
  267. GmbHR 2009, 126, 130; s. zur verfassungsrechtlichen Unbeachtlichkeit dieser
  268. "Nebenfolge" auch BVerfGE 72, 302, 327).
  269. 24
  270. b) § 3 Abs. 4 EGGmbHG stellt keine Enteignung dar, sondern greift im
  271. Sinne einer Inhalts- und Schrankenbestimmung in das Eigentum der Gesellschaft und des Inferenten ein.
  272. 25
  273. aa) Aus § 3 Abs. 4 EGGmbHG folgt keine Enteignung nach Artikel 14
  274. Abs. 3 GG, sondern eine Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Artikel 14
  275. Abs. 1 Satz 2 GG. Enteignung ist der staatliche Zugriff auf das Eigentum des
  276. Einzelnen. Ihrem Zweck nach ist sie auf die vollständige oder partielle Entziehung konkreter subjektiver, durch Artikel 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleisteter
  277. Rechtspositionen zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben gerichtet
  278. (BVerfGE 101, 239, 259; 79, 174, 191, 52, 1, 27; Badenhop, ZInsO 2009, 793,
  279. 797). Demgegenüber geht es bei der Regelung des § 3 Abs. 4 EGGmbHG um
  280. die rechtliche Korrektur von Erwerbsvorgängen mit dem Ziel, divergierende private Interessen zu einem Ausgleich zu bringen.
  281. 26
  282. bb) Die mit § 3 Abs. 4 EGGmbHG verbundene Inhalts- und Schrankenbestimmung wirkt im Verhältnis zur Gesellschaft (1) und zum Inferenten (2).
  283. 27
  284. (1) § 3 Abs. 4 EGGmbHG greift einerseits in die Einlageforderung der
  285. Gesellschaft ein, indem er anordnet, dass bei verdeckten Sacheinlagen, die vor
  286. dem 1. November 2008 vereinbart und durchgeführt worden sind und bei denen
  287. über die - nach altem Recht infolge Unwirksamkeit der der Einbringung zugrun-
  288. - 13 -
  289. de liegenden Geschäfte bestehenden - Ansprüche noch nicht rechtskräftig entschieden oder eine wirksame Vereinbarung getroffen worden ist, der Wert der
  290. Sacheinlage auf die Einlageforderung der Gesellschaft anzurechnen ist. Das
  291. ergibt zwar nicht der Wortlaut des § 3 Abs. 4 EGGmbHG, folgt aber aus dem
  292. Umstand, dass § 3 Abs. 4 EGGmbHG auf den gesamten § 19 Abs. 4 GmbHG
  293. n.F. und damit auch auf § 19 Abs. 4 Satz 3 GmbHG Bezug nimmt (anders im
  294. Sinne einer teleologischen verfassungskonformen Reduktion Badenhop,
  295. ZInsO 2009, 793, 802; Heinze, GmbHR 2008, 1065, 1073; im Falle von Zwischenverfügungen zugunsten eines Dritten auch Pentz in Festschrift K. Schmidt
  296. 2009 S. 1265, 1284/1286).
  297. 28
  298. Damit wird der Gesellschaft die nach altem Recht vor dem 1. November
  299. 2008 bestehende, durch Artikel 14 Abs. 1 GG geschützte Bareinlageforderung
  300. im Umfang der Werthaltigkeit der eingebrachten Sacheinlage rückwirkend entzogen, wobei dahinstehen kann, wie die von § 19 Abs. 4 GmbHG n.F. angeordnete Anrechnung dogmatisch einzuordnen ist. Zudem vernichtet § 3 Abs. 4
  301. EGGmbHG im Umfang der Anrechnung eine aus § 20 GmbHG resultierende
  302. Zinsforderung (zur Rückwirkung des § 3 Abs. 4 EGGmbHG Goette, WPg 2008,
  303. 231, 234; Bormann/Urlichs in Römermann/Wachter, GmbH-Beratung nach dem
  304. MoMiG, 2008 S. 37, 41; Fuchs, BB 2009, 170, 173; Heckschen, Das MoMiG in
  305. der notariellen Praxis, 2009 Rdn. 100).
  306. 29
  307. (2) § 3 Abs. 4 EGGmbHG ordnet andererseits auch die Wirksamkeit der
  308. auf die Überlassung der verdeckten Sacheinlage gerichteten Verpflichtungsund Verfügungsgeschäfte ex tunc neu. Indem er deren Wirksamkeit anordnet,
  309. greift er in bestehende Forderungen der Gesellschaft und (Eigentums-)Rechte
  310. des Inferenten aus der Rückabwicklung der nach altem Recht unwirksamen
  311. Rechtsgeschäfte ein. Nach seinem Wortlaut regelt § 3 Abs. 4 EGGmbHG zwar
  312. - 14 -
  313. (nur) die Rückwirkung der gesellschaftsrechtlichen Erfüllungswirkung der Einlageleistung. Der untrennbare Zusammenhang zwischen dem Schicksal der Einlageforderung und den die verdeckte Sacheinlage betreffenden Rechtsgeschäften erfordert es aber, § 3 Abs. 4 EGGmbHG entsprechend auszulegen, weil der
  314. Gesellschafter sonst die durch Anrechnung "verbrauchte" Sacheinlage nach
  315. § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alternative, § 985 BGB herausverlangen könnte (ebenso Nagel/Meder, ZInsO 2009, 944, 946 Fn. 18). Dass der Gesetzgeber Anrechnung und Wirksamkeit der auf die verdeckte Sacheinlage bezogenen Verpflichtungs- und Erfüllungsgeschäfte parallel behandelt sehen wollte, folgt zudem aus
  316. der als vom Gesetzgeber übernommen zu behandelnden Begründung des
  317. Rechtsausschusses zu dem parallel zu § 3 Abs. 4 EGGmbHG gestalteten § 20
  318. Abs. 7 EGAktG (BT-Drucks. 16/13098, S. 42).
  319. 30
  320. c) Die mit § 3 Abs. 4 EGGmbHG verbundene Inhalts- und Schrankenbestimmung ist gerechtfertigt.
  321. 31
  322. aa) Allerdings genügt zur Rechtfertigung des § 3 Abs. 4 EGGmbHG nicht
  323. allein die Behauptung, das bis zum Inkrafttreten des MoMiG geltende Recht sei
  324. unklar oder verworren gewesen. Davon ging schon der Gesetzgeber des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und anderer handelsrechtlicher Vorschriften vom 4. Juli
  325. 1980 (BGBl. I S. 836) nicht aus (so richtig Badenhop, ZInsO 2009, 793, 796).
  326. Zwar wurde der im damaligen Regierungsentwurf enthaltene § 5 b Abs. 2
  327. GmbHG-E, der im Wesentlichen mit § 27 Abs. 3 AktG in der bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) vom
  328. 30. Juli 2009 (BGBl. I S. 2479) geltenden Fassung übereinstimmte und der mit
  329. dem Hinweis begründet wurde, sein Gehalt entspreche "weitgehend […] der
  330. Auslegung, die schon das GmbH-Gesetz erfahren" habe (BT-Drucks. 8/1347,
  331. - 15 -
  332. S. 30), nicht in das GmbH-Gesetz übernommen. Der Rechtsausschuss des
  333. Bundestages, auf den die Streichung zurückging, begründete dies in seiner Beschlussempfehlung und seinem Bericht aber ausdrücklich damit, er sehe "kein
  334. gesetzliches Regelungsbedürfnis, da sie [gemeint: die Neuregelungen] inhaltlich bereits weitgehend dem geltenden Recht" entsprächen (BT-Drucks. 8/3908,
  335. S. 69 f.). Auf dieses Vorverständnis des Gesetzgebers nahm der Senat in seiner Grundsatzentscheidung vom 7. Juli 2003 zur analogen Anwendung des
  336. § 27 Abs. 3 AktG a.F. im GmbH-Recht ausdrücklich Bezug (BGHZ 155, 329,
  337. 338). Die Rechtslage war vor und nach der Grundsatzentscheidung des Senats
  338. - wie vom Gesetzgeber 1980 richtig gesehen - eindeutig. Der Fall liegt damit
  339. wesentlich anders als die Sachlage bei Inkrafttreten der §§ 1 und 2 des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung beurkundungsrechtlicher Vorschriften vom
  340. 20. Februar 1980 (BGBl. I S. 157), mit dem der Gesetzgeber - vom Bundesverfassungsgericht gebilligt (BVerfGE 72, 302 ff.) - eine von großer Verunsicherung begleitete Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs korrigierte.
  341. 32
  342. bb) Zur
  343. verfassungsrechtlichen
  344. Rechtfertigung
  345. des
  346. §3
  347. Abs. 4
  348. EGGmbHG genügt auch nicht der Hinweis, die Regelung sei am - großzügigeren - Maßstab einer Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung gemessen unbedenklich (so aber Wedemann, GmbHR 2008, 1131, 1133 Fn. 14; mit
  349. diesem
  350. Ansatz
  351. sympathisierend
  352. Bormann,
  353. GmbHR 2007,
  354. 897,
  355. 900 f.;
  356. Hein/Suchan/Geeb, DStR 2008, 2289, 2296; Nagel/Meder, ZInsO 2009, 944,
  357. 949). § 3 Abs. 4 EGGmbHG unterliegt der Prüfung am Maßstab von in das Eigentumsrecht eingreifenden Gesetzen, nicht am Maßstab einer Änderung der
  358. Rechtsprechung
  359. (richtig
  360. Badenhop,
  361. ZInsO 2009,
  362. 793,
  363. 796;
  364. Felke,
  365. GmbH-StB 2009, 17, 19; Pentz, GmbHR 2009, 505, 506). Selbst dann, wenn
  366. - was nicht der Fall ist - die Prämisse zuträfe, dass die Kernaussagen über die
  367. Behandlung verdeckter Sacheinlagen im Recht der GmbH "lediglich" auf der
  368. - 16 -
  369. Entscheidung des Senats vom 7. Juli 2003 (BGHZ 155, 329 ff.) beruhten, käme
  370. es doch nicht auf den geänderten Gegenstand (Rechtsprechung des Senats),
  371. sondern ausschließlich auf die diese ändernde Maßnahme an (zutreffend
  372. Badenhop, ZInsO 2009, 793, 796; Fuchs, BB 2009, 170, 174). Insoweit gilt für
  373. die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 3 Abs. 4 EGGmbHG derselbe
  374. Maßstab wie für § 20 Abs. 7 EGAktG, der die identischen Rückwirkungsfolgen
  375. für § 27 AktG anordnet. Im Übrigen schließen § 19 Abs. 4 GmbHG n.F. (hier in
  376. Verbindung mit § 56 Abs. 2 GmbHG), § 3 Abs. 4 EGGmbHG nicht (lediglich)
  377. eine bestimmte Interpretation fortbestehender Vorschriften durch die Rechtsprechung aus, sondern ändern rückwirkend die in § 19 Abs. 2 Satz 2 und
  378. Abs. 5 GmbHG a.F. angeordnete gesetzliche Rechtsfolge in Bezug auf die Bareinlageverpflichtung (Felke, GmbH-StB 2009, 17, 19).
  379. 33
  380. cc) § 3 Abs. 4 EGGmbHG entspricht dem Gebot eines gerechten Interessenausgleichs und damit den Kriterien einer zulässigen Inhalts- und Schrankenbestimmung sowohl im Verhältnis zur Gesellschaft als auch zum Inferenten.
  381. 34
  382. (1) Der Inhalt und Schranken des Eigentums bestimmende Gesetzgeber
  383. genießt keine unbeschränkte Gestaltungsfreiheit (BVerfGE 101, 239, 259; 95,
  384. 64, 84). Vielmehr muss er bei der Verwirklichung seines Regelungsauftrags die
  385. Anerkennung des Privateigentums in Artikel 14 Abs. 1 Satz 1 GG beachten und
  386. sich im Einklang mit allen anderen Verfassungsnormen halten (BVerfGE 101,
  387. 239, 259; 74, 203, 214; 14, 263, 278). Er ist, wenn er von der Ermächtigung zur
  388. Inhalts- und Schrankenbestimmung Gebrauch macht, insbesondere verpflichtet,
  389. die Interessen der Beteiligten zu einem gerechten Ausgleich und in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen (BVerfGE 101, 239, 259; 95, 48, 58). Eine einseitige Bevorzugung oder Benachteiligung steht mit der verfassungsrechtlichen
  390. - 17 -
  391. Vorstellung
  392. eines
  393. sozialgebundenen
  394. Privateigentums
  395. nicht
  396. in
  397. Einklang
  398. (BVerfGE 101, 239, 259; 52, 1, 29).
  399. 35
  400. (2) Diesen Anforderungen wird die Regelung des § 3 Abs. 4 EGGmbHG
  401. gerecht. Indem § 3 Abs. 4 EGGmbHG Rechtsgeschäften Wirksamkeit verleiht,
  402. deren fehlende rechtliche Anerkennung aus der Sicht der handelnden Personen
  403. nicht ohne weiteres erkennbar war, schafft er Rechtssicherheit (so auch die Begründung zu § 20 Abs. 7 EGAktG n.F., BT-Drucks. 16/13098, S. 42). In dem
  404. Umfang, in dem wegen der Werthaltigkeit der vom Inferenten eingebrachten
  405. Sache zwar formelle, dem präventiven Gläubigerschutz dienende Vorschriften
  406. über die Sachkapitalaufbringung oder -erhöhung verletzt sind, die Gesellschaft
  407. aber den ihr versprochenen Vermögenswert zugewandt erhalten hat, musste
  408. der Gesetzgeber dem Formverstoß gegen Sachgründungs- oder Sachkapitalerhöhungsvorschriften nicht weiterhin das ihm bis dahin beigelegte Gewicht
  409. geben, sondern durfte für maßgeblich erachten, dass die Gesellschaft tatsächlich einen Vermögenswert erhalten hat. Wenn er entgegen der bisherigen
  410. Rechtslage dem präventiven Schutz weniger Bedeutung beimessen und an den
  411. Formalverstoß nicht mehr die Unwirksamkeitsfolge der der Einbringung zugrunde liegenden Geschäfte knüpfen, sondern - in Gestalt der Anrechnung - die tatsächliche Wertzuführung für entscheidend halten wollte, hat er damit seine
  412. Gestaltungsbefugnis nicht überschritten.
  413. 36
  414. dd) § 3 Abs. 4 EGGmbHG verletzt auch nicht das im Gewährleistungsbereich des Artikels 14 Abs. 1 GG zu berücksichtigende Vertrauensschutzprinzip.
  415. Er enthält insbesondere keine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung.
  416. - 18 -
  417. 37
  418. (1) § 3 Abs. 4 EGGmbHG beinhaltet eine verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässige unechte Rückwirkung bzw. tatbestandliche Rückanknüpfung.
  419. 38
  420. Eine unechte Rückwirkung liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige,
  421. noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich
  422. entwertet (BVerfGE 101, 239, 263). § 3 Abs. 4 EGGmbHG greift in gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen ein, indem er die von den Beteiligten gewollte, aber wegen der Unwirksamkeitsfolgen
  423. des alten Rechts noch nicht gelungene Kapitalaufbringung oder -erhöhung neu
  424. regelt. Bei der Bestimmung des verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstabs
  425. (Abgrenzung unechte - echte Rückwirkung) ist dabei nicht auf die in der Vergangenheit abgeschlossenen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte abzustellen, deren Wirksamkeit § 3 Abs. 4 EGGmbHG ebenso beeinflusst wie die
  426. aus ihnen resultierenden Ansprüche. Abzustellen ist vielmehr im Sinne einer
  427. Gesamtbetrachtung auf den einheitlichen Lebenssachverhalt der Kapitalaufbringung bzw. -erhöhung, der bis zur Einführung der Anrechnungslösung in den
  428. von § 3 Abs. 4 EGGmbHG erfassten Fällen wegen der fehlenden Erfüllungswirkung der einzelnen Geschäfte nicht abgeschlossen war (so auch Bayer in
  429. Lutter/Hommelhoff, GmbHG 17. Aufl. § 19 Rdn. 110; Seibt in Scholz, GmbHG
  430. 10. Aufl. § 3 EGGmbHG Rdn. 8).
  431. 39
  432. (2) Der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung des § 3 Abs. 4 EGGmbHG
  433. als einer Regelung mit unechter Rückwirkung stehen der Grundsatz des Vertrauensschutzes und das Verhältnismäßigkeitsprinzip nicht entgegen.
  434. 40
  435. (a) Zwar können sich aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und
  436. dem Verhältnismäßigkeitsprinzip Grenzen der Zulässigkeit ergeben. Diese
  437. - 19 -
  438. Grenzen sind aber erst überschritten, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete
  439. unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder
  440. erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (BVerfGE 116, 96, 132; 101, 239,
  441. 263; 95, 64, 86). Bei Gesetzen mit unechter Rückwirkung bzw. tatbestandlicher
  442. Rückanknüpfung wird den allgemeinen Grundsätzen des Vertrauensschutzes
  443. und der Rechtssicherheit kein genereller Vorrang vor dem jeweils verfolgten
  444. gesetzgeberischen Anliegen eingeräumt. Denn die Gewährung vollständigen
  445. Schutzes zu Gunsten des Fortbestehens der bisherigen Rechtslage würde den
  446. dem Gemeinwohl verpflichteten demokratischen Gesetzgeber in wichtigen Bereichen lähmen und den Konflikt zwischen der Verlässlichkeit der Rechtsordnung und der Notwendigkeit ihrer Änderung in nicht mehr vertretbarer Weise zu
  447. Lasten der Anpassungsfähigkeit der Rechtsordnung lösen (BVerfGE 105, 17,
  448. 40). Es muss dem Gesetzgeber möglich sein, Normen, die auch in erheblichem
  449. Umfang an in der Vergangenheit liegende Tatbestände anknüpfen, zu erlassen
  450. und durch Änderung der künftigen Rechtsfolgen dieser Tatbestände auf veränderte Gegebenheiten zu reagieren (BVerfGE 76, 256, 348).
  451. 41
  452. (b) Die dem Gesetzgeber bei der Anordnung einer unechten Rückwirkung gezogenen Grenzen sind hier eingehalten.
  453. 42
  454. (aa) Durch die rückwirkende Anrechnung des Wertes der verdeckt eingebrachten Sache auf die Bareinlageforderung und durch die nachträgliche Anerkennung der auf das Einbringen der Sacheinlage bezogenen Rechtsgeschäfte wird keine Vertrauensinvestition nachteilig beeinflusst.
  455. 43
  456. In Fällen, in denen die Unwirksamkeit des schuldrechtlichen Verpflichtungs- und des dinglichen Erfüllungsgeschäfts weder von der Gesellschaft noch
  457. von dem Inferenten erkannt worden ist, wird durch die rückwirkende Anerken-
  458. - 20 -
  459. nung der Rechtsgeschäfte keine Vertrauensinvestition nachteilig beeinflusst,
  460. sondern es werden die von den Beteiligten tatsächlich gewollte Rechtslage
  461. bzw. die von ihnen als bereits eingetreten bewerteten Rechtsfolgen hergestellt.
  462. Auch unter Geltung der neuen Rechtslage hätten sich die Gesellschafter und
  463. der Inferent nicht anders verhalten (siehe zu einer vergleichbaren Konstellation
  464. bzw. zu vergleichbaren Überlegungen die Entscheidung BVerfGE 72, 302 ff. zur
  465. Verfassungsmäßigkeit der rückwirkenden Heilungsvorschriften im Beurkundungsrecht).
  466. 44
  467. Haben hingegen die Gesellschaft und der Inferent um die Unwirksamkeit
  468. des von ihnen Gewollten gewusst, sind aber gleichwohl diesen Weg gegangen,
  469. verdienen sie erst recht keinen Vertrauensschutz. Es besteht kein schützenswertes Vertrauen in das Scheitern des Gewollten (in diesem Sinne auch Seibt
  470. aaO; Bayer aaO).
  471. 45
  472. (bb) Die Anrechnungslösung ist auch geeignet und erforderlich, um das
  473. vom Gesetzgeber erstrebte Ziel der Rechtssicherheit im Zusammenhang mit
  474. den in der Vergangenheit streitträchtigen und zunehmend als überschießend
  475. empfundenen Rechtsfolgen einer verdeckten Sacheinlage zu erreichen. Das
  476. Bestandsinteresse des Inferenten, das Eigentum an einer verdeckt eingebrachten Sache oder die Inhaberschaft an einer verdeckt eingebrachten Forderung
  477. zu behalten, ist nach dem Grundsatz widersprüchlichen Verhaltens nicht
  478. schutzwürdig. Das Bestandsinteresse der Gesellschaft an einem ungeschmälerten Erhalt der Bareinlageforderung geht dem Interesse des Gesetzgebers an
  479. einer Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten über die Werthaltigkeit des Gesellschaftsvermögens bei Gründung oder Kapitalerhöhung nicht vor. Das - schützenswerte - Bestandsinteresse der Gesellschaft am Erhalt ihres Vermögens ist
  480. durch die Rechtsänderung nicht berührt, da die verdeckte Leistung nur in dem
  481. Umfang angerechnet wird, in dem der Gesellschaft ursprünglich ein werthaltiger
  482. - 21 -
  483. Gegenstand zugeführt wurde. Bei - ganz oder teilweise - fehlender Werthaltigkeit der eingebrachten Sache besteht ihre Bareinlageforderung - ganz oder teilweise - fort. Mehr als den Schutz des Gesamtvermögens der Gesellschaft können auch ein Insolvenzverwalter und die hinter ihm stehende Gläubigergemeinschaft nicht beanspruchen, die keinen von dem der Gesellschaft abgelösten,
  484. weiterreichenden Vertrauensschutz genießen. Ein das Bestandsinteresse der
  485. Gesellschaft überwiegendes Bestandsinteresse kommt ihnen nicht zu.
  486. 46
  487. C. Das Berufungsurteil unterliegt weiter der Aufhebung und Zurückverweisung (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 ZPO), soweit das Berufungsgericht die
  488. Abweisung der Klage auf Zahlung von weiteren 3 Millionen € durch das Landgericht bestätigt hat. Auch insoweit ist die Sache mangels hinreichender Feststellungen des Berufungsgerichts nicht zur Endentscheidung reif.
  489. 47
  490. 1. Noch richtig ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass dem
  491. Kläger gegen die Beklagte aus dem Gesichtspunkt der Kapitalaufbringung ein
  492. Anspruch auf Zahlung eines die übernommene Bareinlagepflicht in Höhe von
  493. 739.241,41 € übersteigenden Betrages von weiteren 3 Millionen € nicht zusteht.
  494. Bei der Zahlung von 3 Millionen € handelte es sich um eine Zuzahlung der Beklagten im Sinne des § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB. Die Übernahme einer solchen
  495. Zuzahlung steht der Übernahme einer Bareinlagepflicht auch dann nicht gleich,
  496. wenn die Zuzahlung für die Einbringung einer verdeckten gemischten Sacheinlage verwendet wird, weil ansonsten die Grenze zwischen dem im Handelsregister zu verlautbarenden und deshalb im Interesse der Gesellschaftsgläubiger
  497. besonderen Schutzvorschriften unterworfenen Stammkapital und den sonstigen
  498. Leistungen der Gesellschafter verwischt würde (OLG München, ZIP 2007, 126,
  499. 129; dazu Sen.Beschl. v. 15. Oktober 2007 - II ZR 249/06, ZIP 2008, 26, 27; LG
  500. Mainz, ZIP 1986, 1323, 1328; Haberstock, NZG 2008, 220). Die Regelungen
  501. - 22 -
  502. über die Kapitalaufbringung sichern das im Handelsregister verlautbarte
  503. Stammkapital. Nur im Umfang dieser Verlautbarung besteht ein schutzwürdiges
  504. Interesse der Gläubiger der Gesellschaft an einer realen Kapitalaufbringung.
  505. Das gilt, wenn - wie hier - die Leistung als eine solche im Sinne des § 272
  506. Abs. 2 Nr. 4 HGB gekennzeichnet ist, unabhängig davon, auf welchen Konten
  507. der Gesellschaft diese Zuzahlungen verbucht werden.
  508. 48
  509. 2. Auch auf der Grundlage des nunmehr geltenden Rechts hat aber die
  510. - schon nach altem Recht rechtsfehlerhaft begründete - Annahme des Berufungsgerichts keinen Bestand, dem Kläger stehe gegen die Beklagte kein Anspruch aus §§ 30, 31 GmbHG auf Zahlung von weiteren 3 Millionen € zu. Vielmehr gebietet der Grundsatz des Kapitalschutzes der Gesellschaft die Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG auf den den Nominalwert der Kapitalerhöhung
  511. übersteigenden Teil des Kaufpreises für die Lizenzen (3,99 Millionen € ./. der
  512. auf die Kapitalerhöhung entfallenden 739.241,14 € = 3.250.758,86 €, davon
  513. vom Kläger eingeklagt 3 Millionen €), den die Schuldnerin über den Betrag der
  514. Einlageleistung hinaus aus ihrem übrigen Vermögen an die Beklagte ausgezahlt hat. Insofern gilt auf der Grundlage des neuen Rechts nichts anderes als
  515. bei Austauschgeschäften zwischen Gesellschaft und Gesellschafter.
  516. 49
  517. a) Da die die Sacheinlage verdeckenden Rechtsgeschäfte nach § 19
  518. Abs. 4 Satz 2 GmbHG nicht mehr unwirksam sind mit der Folge, dass die den
  519. Kapitalschutz der Gesellschaft - bislang - gewährleistenden Vorschriften der
  520. §§ 812, 818 BGB nicht mehr eingreifen, muss zur Vermeidung einer sonst eintretenden Schutzlücke für das Gesellschaftsvermögen auf die Anwendung der
  521. für eine ins Leben getretene GmbH selbstverständlich geltenden §§ 30, 31
  522. GmbHG zurückgegriffen werden. Eine solche Schutzlücke besteht dann, wenn
  523. bei einer Unterbilanz oder gar bilanziellen Überschuldung der Gesellschaft das
  524. - 23 -
  525. Gesellschaftsvermögen im Zusammenhang mit der verdeckten Sacheinlage
  526. - weiter - dadurch gemindert wird, dass der Wert der eingelegten Sache nicht
  527. nur die Bareinlageforderung im Wege der Anrechnung nicht deckt (s. unten III,
  528. 1), sondern auch der dafür aus dem Gesellschaftsvermögen zusätzlich erbrachten Gegenleistung (hier: 3.250.758,86 €) wertmäßig (ganz oder teilweise) nicht
  529. entspricht. In diesem Fall hat der Inferent durch die an ihn erbrachte Gegenleistung der Gesellschaft zulasten des Gesellschaftsvermögens und damit zulasten
  530. der Gesellschaftsgläubiger einen Vorteil erlangt, den er nicht mehr nach §§ 812,
  531. 818 BGB - bei Erfüllung der Voraussetzungen dieser Vorschriften - aber nach
  532. §§ 30, 31 GmbHG in das Gesellschaftsvermögen zurückerstatten muss (in diesem Sinne schon Senat, BGHZ 68, 191, 198 unter Bezugnahme auf BGHZ 60,
  533. 324, 331).
  534. 50
  535. b) Der Prüfung eines Anspruchs des Klägers aus §§ 30, 31 GmbHG
  536. steht nicht entgegen, dass das Berufungsgericht den Vortrag des Klägers zu
  537. einer Überschuldung der Schuldnerin Ende 2002 nach § 531 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen hat.
  538. 51
  539. aa) Auf den zu Unrecht zurückgewiesenen Vortrag kam es im Zeitpunkt
  540. der Entscheidung des Berufungsgerichts nicht an, weil auf der Grundlage des
  541. damals geltenden Rechts Ansprüche aus §§ 30, 31 GmbHG neben Ansprüchen
  542. des Klägers aus §§ 812, 818 BGB nicht in Betracht kamen (Senat, BGHZ 174,
  543. 370 Tz. 10 f.; BGHZ 173, 145 Tz. 20 - LURGI I; BGHZ 165, 113, 118).
  544. 52
  545. bb) Unabhängig davon ist - auch - in diesem Zusammenhang die neue
  546. Rechtslage in den Blick zu nehmen. Ist - wie hier - eine während des Revisionsverfahrens eingetretene Rechtsänderung bei der Entscheidung zu berücksichtigen, sind neue Tatsachen, die aufgrund des veränderten Rechts entschei-
  547. - 24 -
  548. dungserheblich geworden sind, sogar im Revisionsrechtszug zu beachten
  549. (BGH, Urt. v. 3. Dezember 2009 - III ZR 73/09, juris Tz. 12 m.w.Nachw.). Nichts
  550. anderes gilt dann aber für in der Berufungsinstanz vorgetragene Tatsachen, die
  551. erst durch die Rechtsänderung erheblich werden.
  552. 53
  553. c) Das die Klageabweisung i.H.v. 3 Millionen € bestätigende Berufungsurteil hat keinen Bestand. In der Zahlung des den Nominalwert der Kapitalerhöhung übersteigenden Teils des Kaufpreises an die Beklagte lag, da revisionsrechtlich sowohl von einer bilanziellen Überschuldung der Schuldnerin im Zeitpunkt der Zahlung des Kaufpreises als auch von der Wertlosigkeit der Lizenzen
  554. auszugehen ist, eine Leistung, die gegen das Auszahlungsverbot des § 30
  555. Abs. 1 GmbHG verstieß. Nach § 30 Abs. 1 GmbHG darf das zur Erhaltung des
  556. Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft nicht an die Gesellschafter ausgezahlt werden. Nach Sinn und Zweck der Kapitalerhaltungsregeln
  557. gilt dieses Auszahlungsverbot erst recht, wenn eine Leistung an die Gesellschafter zur bilanziellen Überschuldung führt oder eine bilanzielle Überschuldung vergrößert (Senat, BGHZ 60, 324, 331; Urt. v. 5. Februar 1990
  558. - II ZR 114/89, ZIP 1990, 451, 453; Goette, Die GmbH 2. Aufl. § 3 Rdn. 18).
  559. 54
  560. III. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§§ 562,
  561. 563 Abs. 1 ZPO), damit es - ggf. nach ergänzendem Sachvortrag der Parteien
  562. und Beweiserhebung - die nunmehr noch erforderlichen Feststellungen treffen
  563. kann.
  564. 55
  565. Für die weitere Behandlung der Sache durch das Berufungsgericht weist
  566. der Senat auf Folgendes hin:
  567. - 25 -
  568. 56
  569. 1. Nach §§ 19 Abs. 4, 56 Abs. 2 GmbHG ist der Wert der verdeckt eingebrachten Sache - hier der Wert der verdeckt eingebrachten Lizenzen - auf die
  570. Forderung des Klägers gegen die Beklagte anzurechnen. Das Berufungsgericht
  571. wird zum Wert der eingebrachten Lizenzen Feststellungen zu treffen haben, die
  572. sich - jedenfalls soweit es um die Anrechnung nach § 19 Abs. 4 GmbHG geht auf den Zeitpunkt der Anmeldung der Kapitalerhöhung zur Eintragung in das
  573. Handelsregister oder - falls später - auf den Zeitpunkt der Überlassung zu beziehen haben.
  574. 57
  575. Sollte das Berufungsgericht nach Beweiserhebung die Überzeugung gewinnen, dass die Lizenzen zwar nicht, wie vom Kläger behauptet, wertlos sind,
  576. aber einen dem Kaufpreis entsprechenden Wert von 3,99 Millionen € nicht erreichen, wird es zu berücksichtigen haben, dass die Anrechnung nach §§ 19
  577. Abs. 4, 56 Abs. 2 GmbHG wegen des Grundsatzes der realen Kapitalaufbringung nicht zulasten des übrigen Gesellschaftsvermögens der Schuldnerin gehen darf. Das bedeutet, dass vor einer Anrechnung von dem ermittelten tatsächlichen Wert der Lizenzen der Betrag abzuziehen ist, der von der Schuldnerin über den Nominalwert der Bareinlage hinaus als Kaufpreis für die Lizenzen
  578. entrichtet wurde, hier also der Betrag von 3.250.758,86 € (s. dazu Bayer in
  579. Lutter/Hommelhoff, GmbHG 17. Aufl. § 19 Rdn. 77; Veil in Scholz, GmbHG
  580. 10. Aufl. § 19 Nachtrag MoMiG Rdn. 33 ff., 45 ff. m.w.Nachw.; Veil/Werner,
  581. GmbHR 2009, 729, 735; Bormann/Urlichs in Römermann/Wachter, GmbHBeratung nach dem MoMiG, 2008 S. 37, 40; Bormann/Kauka/Ockelmann,
  582. Handbuch
  583. GmbH-Recht
  584. Kap. 4
  585. Rdn. 217 ff.;
  586. a.A.
  587. Hueck/Fastrich
  588. in
  589. Baumbach/Hueck, GmbHG 19. Aufl. 2010 § 19 Rdn. 56). Eine Anrechnung auf
  590. die Bareinlageforderung findet erst dann statt, wenn und soweit die Lizenzen
  591. einen höheren Wert haben als den die Bareinlageforderung übersteigenden
  592. Kaufpreisanteil, hier also den Betrag von 3.250.758,86 €.
  593. - 26 -
  594. 58
  595. 2. Bei der Prüfung von Ansprüchen des Klägers nach §§ 30, 31 GmbHG
  596. wird das Berufungsgericht zu beachten haben, dass als verbotene Auszahlung
  597. im Sinne von § 30 Abs. 1 GmbHG lediglich der den Nominalwert der Kapitalerhöhung
  598. übersteigende
  599. Teil
  600. des
  601. Kaufpreises
  602. für
  603. die
  604. Lizenzen
  605. von
  606. 3.250.758,86 € in Betracht kommt. Der von der Beklagten im Vorgriff auf die
  607. verdeckte Sachkapitalerhöhung an die Schuldnerin geleistete Betrag von
  608. 739.241,14 € hat insoweit außer Betracht zu bleiben. Würde man dies anders
  609. sehen, müsste der Inferent - die übrigen Voraussetzungen der §§ 30, 31
  610. GmbHG insoweit als erfüllt unterstellt - die Einlageforderung im Ergebnis zweimal leisten. Dieses der früheren Rechtslage wirtschaftlich entsprechende, als
  611. unbefriedigend und überschießend empfundene Ergebnis wollte der Gesetzgeber durch die Neufassung des § 19 Abs. 4 GmbHG gerade beseitigen. Ansprüche nach §§ 30, 31 GmbHG kommen deshalb nur insoweit in Betracht, als der
  612. Kläger weitere 3 Millionen € geltend macht.
  613. 59
  614. Ob und in welchem Umfang der Kläger die Beklagte aus §§ 30, 31
  615. GmbHG auf Zahlung in Anspruch nehmen kann, hängt einerseits von dem vom
  616. Berufungsgericht zu ermittelnden Wert der Lizenzen und andererseits von dem
  617. vom Berufungsgericht aufzuklärenden Ausmaß einer durch die Auszahlung
  618. verursachten oder vertieften bilanziellen Überschuldung der Schuldnerin ab.
  619. 60
  620. a) Sollte das Berufungsgericht einen Wert der Lizenzen in Höhe von
  621. 3,99 Millionen € ermitteln, scheiden Ansprüche des Klägers aus §§ 30, 31
  622. GmbHG aus, weil dann - bezogen auf die unter dem Gesichtspunkt der Kapitalerhaltung potentiell schädliche Teilauszahlung in Höhe von 3.250.758,86 € lediglich ein bilanzneutraler Aktiventausch vorgelegen hat (Senat, BGHZ 179,
  623. 71 Tz. 12 - MPS). Nichts anderes gilt, wenn das Berufungsgericht einen Wert
  624. - 27 -
  625. von weniger als 3,99 Mio. €, aber mehr als 3.250.758,86 € feststellt. Dann besteht in Höhe der Differenz der Bareinlageanspruch fort. Für einen Ausgleich
  626. nach §§ 30, 31 GmbHG besteht insoweit kein Bedürfnis.
  627. 61
  628. Sollte das Berufungsgericht einen Wert der Lizenzen ermitteln, der den
  629. unter dem Gesichtspunkt der Kapitalerhaltung potentiell schädlichen Kaufpreisanteil von 3.250.758,86 € unterschreitet, wird es - den Nachweis der sonstigen
  630. Voraussetzungen der §§ 30, 31 GmbHG als geführt unterstellt - aufgrund der
  631. bei Austauschgeschäften grundsätzlich - auch im Umfang der nur teilweisen
  632. Wertäquivalenz - gebotenen bilanziellen Betrachtungsweise (in diese Richtung
  633. bereits Sen.Urt. v. 15. Juni 1992 - II ZR 88/91, ZIP 1992, 1152, 1154; Goette,
  634. Die GmbH 2. Aufl. § 3 Rdn. 31; K. Schmidt, GesR 4. Aufl. § 37 III 2 c a.E.
  635. S. 1139 f.; Westermann in Scholz, GmbHG 10. Aufl. § 31 Rdn. 2; anders
  636. Roth/Altmeppen, GmbHG 6. Aufl. § 30 Rdn. 84 mit § 31 Rdn. 10) den ermittelten tatsächlichen Wert der Lizenzen von dem Betrag i.H.v. 3.250.758,86 € abzuziehen haben. Nur in Höhe dieser Differenz kann eine schädliche Auszahlung
  637. im Sinne von § 30 Abs. 1 GmbHG vorliegen.
  638. 62
  639. b) In jedem Fall kann der Kläger von der Beklagten nach §§ 30, 31
  640. GmbHG nicht mehr verlangen als die Beseitigung der bilanziellen Überschuldung zuzüglich eines dem verlautbarten Stammkapital nach dem Stand vor der
  641. Kapitalerhöhung entsprechenden Betrages.
  642. - 28 -
  643. 63
  644. 3. Sollte das Berufungsgericht Ansprüche des Klägers aus Kapitalaufbringung bzw. Kapitalerhaltung erneut verneinen, wird es aufgrund der ergänzend getroffenen Feststellungen die Berechtigung der Klageforderung erneut
  645. unter dem vom Kläger weiter geltend gemachten Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung zu prüfen haben.
  646. Goette
  647. Strohn
  648. Reichart
  649. Caliebe
  650. Bender
  651. Vorinstanzen:
  652. LG Hildesheim, Entscheidung vom 29.05.2007 - 10 O 130/06 OLG Celle, Entscheidung vom 09.01.2008 - 9 U 117/07 -