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12 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. II ZR 380/99
  4. VERSÄUMNISURTEIL
  5. in dem Rechtsstreit
  6. Verkündet am:
  7. 10. September 2001
  8. Boppel
  9. Justizamtsinspektor
  10. als Urkundsbeamter
  11. der Geschäftsstelle
  12. -2-
  13. Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
  14. vom 10. September 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und
  15. die Richter Dr. Hesselberger, Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly und Kraemer
  16. für Recht erkannt:
  17. Auf
  18. die
  19. Revision
  20. des
  21. Beklagten
  22. wird
  23. das
  24. Urteil
  25. des
  26. 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 27. Mai 1999
  27. aufgehoben.
  28. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung,
  29. auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  30. Von Rechts wegen
  31. Tatbestand:
  32. Der Beklagte kannte seit einigen Jahren den Finanzmakler U. B.,
  33. über den er auch selbst Kapital angelegt hatte. B. wollte 1994 gemeinsam
  34. mit dem Tierarzt Dr. A., Herausgeber der Zeitschrift V., Fremdgelder zur Kapitalanlage in der Schweiz sammeln. Er fragte den Beklagten, ob dieser sich vorstellen könne, dabei als Treuhänder zu fungieren. Der Beklagte bat um Bedenkzeit. Im September 1994 fuhr er mit B. und der Ehefrau des Dr. A., die für
  35. diesen handelte, in die Schweiz, um dort bei der C. (Schweiz) AG das gemeinsame Konto Nr. zu eröffnen, für das jeweils zwei der Kontoinhaber gemeinsam
  36. zeichnungsbefugt waren. Auf diesem Konto sollten die Anlagegelder in der
  37. -3-
  38. Schweiz gesammelt werden. Ferner erteilte Dr. A. dem Beklagten und B. Vollmacht für sein Konto Nr. bei der D. e.G..
  39. Der Kläger unterzeichnete im November 1994 einen "Vertrag über eine
  40. Kapitalbeteiligung
  41. von
  42. 88.000,00 DM",
  43. die
  44. auf
  45. dem
  46. Konto
  47. bei
  48. der
  49. D. e.G. einzuzahlen waren und in der Schweiz "besichert durch einen Bankwechsel" zinsgünstig angelegt werden sollten. Als Treuhänder sind in dem
  50. Vertrag Dr. A., der Beklagte und B. aufgeführt. Die Vertragsurkunde ist am
  51. 23. November 1994 von Dr. A. und B. unterschrieben worden. Am 5. Dezember
  52. 1994 stellte der Kläger einen Scheck über die Vertragssumme von
  53. 88.000,00 DM aus und B. bestätigte ihm mit Schreiben vom 27. Dezember
  54. 1994 die Einzahlung mit Werterstellung zum 1. Januar 1995. Der Kläger legte
  55. dann im Februar 1996 weitere 80.000,00 DM an und überwies diesen Betrag
  56. direkt auf das Konto Nr. bei der C..
  57. Im Sommer 1997 erfuhr der Kläger, daß seine Kapitalbeträge abhanden
  58. gekommen sind und mit einer Rückzahlung nicht mehr zu rechnen ist.
  59. Dr. A. erstellte für die Anleger einen Bericht vom 8. August 1997 und teilte mit,
  60. daß
  61. die
  62. vereinnahmten
  63. Anlagegelder
  64. auf
  65. ein
  66. Treuhandkonto
  67. der
  68. "An. S.A.", die auf den British Virgin Islands registriert sei, überwiesen wurden,
  69. von dem aus unter Einschaltung des Schweizer Rechtsanwalts H. als Treuhänder die bankgesicherte Anlage der Gelder hätte vorgenommen werden sollen.
  70. Verantwortlich für die Abwicklung sei B. gewesen; dieser sei aber auch nicht in
  71. der Lage, den Fluß des Kapitals über die zur Verfügungstellung an die
  72. "An. S.A." hinaus zu verfolgen. Tatsächlich solle B. sogar keinen Treuhänder
  73. mehr eingeschaltet haben und ihm (Dr. A.) den Abfluß des Geldes auf das
  74. Konto bei der "An. S.A." als ein treuhänderisch gesichertes fälschlich vorgespiegelt haben.
  75. -4-
  76. Der Kläger nimmt den Beklagten als Gesamtschuldner neben B.
  77. und Dr. A. auf Rückzahlung seiner Einlage von 168.000,00 DM und Erstattung
  78. vorgerichtlicher Anwaltskosten in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr in der Hauptsache uneingeschränkt
  79. stattgegeben. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag, die Klage
  80. abzuweisen, weiter.
  81. Entscheidungsgründe:
  82. A. Da der Kläger im Verhandlungstermin trotz dessen ordnungsgemäßer
  83. Bekanntgabe nicht vertreten war, ist über die Revision des Beklagten durch
  84. Versäumnisurteil zu entscheiden (§§ 557, 331 ZPO). Das Urteil beruht jedoch
  85. inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. BGHZ 37,
  86. 79, 82).
  87. B. Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur
  88. Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
  89. I.
  90. Das
  91. Berufungsgericht
  92. geht
  93. davon
  94. aus,
  95. zwischen
  96. B.,
  97. Dr. A.
  98. und dem Beklagten habe eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts bestanden,
  99. deren Zweck im Sammeln von Anlagegeldern gelegen habe, um diese später
  100. samt Gewinnanteilen an die Anleger zurückzuzahlen. Die Gesellschaft sei
  101. spätestens mit der Eröffnung des Kontos Nr. bei der C. errichtet worden. Bei
  102. Abschluß der Treuhandverträge mit dem Kläger über die Anlage seiner Gelder
  103. sei der Beklagte nach § 714 BGB von B. und Dr. A. vertreten worden. Der Be-
  104. -5-
  105. klagte hafte daher als Gesamtschuldner neben B. und Dr. A. für die investierten Anlagebeträge. Dem kann nicht gefolgt werden.
  106. II. Zutreffend rügt die Revision, daß die Feststellung des Berufungsgerichts, zwischen den "Treuhändern" habe eine Gesellschaft bürgerlichen
  107. Rechts bestanden, rechtsfehlerhaft ist.
  108. 1. Grundvoraussetzung für die Entstehung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist der Abschluß eines Gesellschaftsvertrages im Sinne von § 705
  109. BGB, also die vertragliche Verpflichtung von zwei oder mehr Partnern, einen
  110. gemeinsamen Zweck durch Beitragsleistung oder in sonstiger, vertraglich vereinbarter Weise zu fördern. Die vertragliche Verschmelzung der Interessen
  111. zum gemeinsamen Zweck der Gesellschaft hat dabei zentrale Bedeutung. Mit
  112. der Einigung auf den gemeinsamen Zweck werden die Vorstellungen der Parteien über Grundlage und Ziel des Vertrages zum Vertragsinhalt erhoben.
  113. 2. Der Abschluß eines solchen Gesellschaftsvertrages zwischen
  114. Dr. A., B. und dem Beklagten läßt sich dem Prozeßstoff nicht entnehmen.
  115. Die Klagepartei behauptet selber nicht, der Beklagte sowie B. und
  116. Dr. A. hätten sich zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks auf vertraglicher
  117. Basis verbunden. Sie macht geltend, mit Unterzeichnung der Kapitalbeteiligungsverträge vom 30. Juni und vom 16. November 1995 sei zwischen ihr und
  118. dem Beklagten sowie Dr. A. und B. ein Treuhandvertrag zustande gekommen.
  119. Die drei Treuhänder hätten sich dabei untereinander bevollmächtigt, jeweils
  120. auch für die anderen den Treuhandvertrag abzuschließen. Der Beklagte hat
  121. seinerseits ausdrücklich geltend gemacht, er habe auf die Frage des Zeugen
  122. B., ob er sich vorstellen könne, einmal als Treuhänder zu fungieren, um Be-
  123. -6-
  124. denkzeit gebeten. Er habe sich zunächst informieren wollen, für wen und wofür
  125. er eine Treuhandtätigkeit entfalten und welchen Inhalt diese haben sollte. Das
  126. sei dann bei der Fahrt in die Schweiz im Dezember 1994 geklärt worden; er
  127. habe die ordnungsgemäße Verteilung der auf das Sammelkonto bei der
  128. S. Bank zurückfließenden, für die Anleger bestimmten und an diese auszuzahlenden Gelder vornehmen sollen.
  129. Schon nach dem Vorbringen der Parteien war das Berufungsgericht daher an der Feststellung gehindert, es sei zumindest bei der Fahrt in die
  130. Schweiz zwischen den "Gesellschaftern" ein gemeinsamer Zweck im Sinne des
  131. § 705 BGB vereinbart worden. Die Rede war stets nur von Treuhandaufträgen.
  132. Die Feststellung des Berufungsgerichts, es sei ein Gesellschaftsvertrag zustande gekommen, verstößt daher gegen den Beibringungsgrundsatz, wonach
  133. das Gericht seiner Entscheidung nur solche Tatsachen zugrunde legen darf,
  134. welche die Parteien vorgetragen haben (BGH, Urt. v. 28. März 1989 - VI ZR
  135. 292/88, NJW 1989, 3161, 3162).
  136. III. Es ist nach dem bisherigen Stand des Verfahrens nicht erwiesen,
  137. daß der Beklagte auf Seiten der Zeugen B. und Dr. A. an dem Treuhandvertrag
  138. zwischen diesen und dem Kläger beteiligt war.
  139. 1. Die Verträge "über eine Kapitalbeteiligung" vom Juni und November
  140. 1995 sind von den Treuhändern B. und Dr. A. unterschrieben; der
  141. Beklagte hat sie nicht unterzeichnet.
  142. 2. Das bisherige Ergebnis der Beweisaufnahme ist nicht eindeutig und
  143. beruht, zumindest teilweise, auf einem Verfahrensfehler.
  144. -7-
  145. a) Nach der Aussage des von dem Landgericht vorgenommenen Zeugen
  146. B. ist der Beklagte nie in Erscheinung getreten, auch gegenüber den Anlegern
  147. nicht. Er habe lediglich die Rückabwicklung begleiten und buchhalterisch überprüfen sollen. Im einzelnen sei nur besprochen worden, daß der Beklagte zum
  148. Schluß oder bei vorzeitigen, kündigungsbedingten Auszahlungen tätig habe
  149. werden sollen.
  150. b) Der im Parallelrechtsstreit vernommene Zeuge Dr. A., dessen Aussage im Einverständnis mit den Parteien urkundlich verwertet worden ist, hat bestätigt, er habe den Beklagten nicht gekannt und ihn auch bis zum Herbst 1997
  151. nicht kennengelernt. Er habe lediglich gewußt, daß der Beklagte Treuhänder
  152. sein sollte. Von dessen Funktion habe er erst nachträglich durch B. erfahren.
  153. c) Das Landgericht hat die Aussagen der beiden Zeugen dahin gewürdigt, aus ihnen lasse sich nicht die Überzeugung gewinnen, daß der Beklagte
  154. damit einverstanden gewesen sei, in den Kapitalbeteiligungsverträgen mit als
  155. Treuhänder zu erscheinen und den beiden anderen Treuhändern eine Vollmacht dahingehend zu erteilen, ihn als Treuhänder zu verpflichten. Der Zeuge
  156. B. habe äußerst ungenaue und sehr ausweichende Angaben gemacht. Er
  157. sei auffallend darum bemüht gewesen, sich nicht festzulegen und den gesamten Vorgang im Diffusen zu belassen. Das Berufungsgericht hat den Zeugen B.
  158. nicht erneut vernommen und auch eingeräumt, seine Aussage sei "insgesamt
  159. vage und unbestimmt gehalten". Gleichwohl geht es davon aus, daß sich ihr
  160. "eher" entnehmen lasse, der Beklagte sei in Kenntnis der zu tätigenden Geschäfte mit diesen einverstanden gewesen. Damit hat es die Aussage des
  161. Zeugen B. und dessen Glaubwürdigkeit abweichend von dem Landgericht gewertet. Deshalb hätte das Berufungsgericht den Zeugen B. erneut anhören
  162. -8-
  163. müssen (BGH, Urt. v. 16. Oktober 1997 - IX ZR 10/97, BGHR ZPO § 398
  164. Abs. 1 - Ermessen 28 m.w.N.).
  165. IV. Eine Duldungs- oder Anscheinsvollmacht ergibt sich aus dem bisher
  166. unterbreiteten und festgestellten Sachverhalt nicht mit der erforderlichen Sicherheit.
  167. 1. Eine Duldungsvollmacht ist gegeben, wenn ein zum Handeln in fremdem Namen nicht Befugter während einer gewissen Dauer und wiederholt für
  168. den Geschäftsführer als Vertreter aufgetreten ist, der Geschäftsführer dieses
  169. Verhalten kannte und nicht dagegen eingeschritten ist, obwohl ihm dies möglich gewesen wäre (BGH, Urt. v 9. November 1989 - VII ZR 200/88, BGHR BGB
  170. § 167 - Duldungsvollmacht 1 m.w.N.), und der Geschäftsgegner seinerseits das
  171. Verhalten des Vertreters sowie dessen Duldung durch den Geschäftsherrn zur
  172. Zeit der Vornahme des Geschäfts gekannt und er diese Duldung dahin gewertet hat und nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte werten
  173. durfte,
  174. daß
  175. der
  176. als
  177. Vertreter
  178. Handelnde
  179. Vollmacht
  180. habe
  181. (MünchKomm.-Schramm, BGB 3. Aufl. § 167 Rdn. 36 m.w.N.).
  182. Eine solche Duldungsvollmacht kann nicht von vornherein verneint werden. Der Zeuge Dr. A. konnte hierzu nichts sagen. Der Zeuge B. hat zwar bestätigt, die von dem Kläger unterzeichneten Treuhandformulare habe es zu
  183. dem Zeitpunkt, als er mit dem Beklagten in die Schweiz gefahren sei, noch
  184. nicht gegeben; der Beklagte sei auch gegenüber den Anlegern nie in Erscheinung getreten. Er hat aber weiter ausgesagt, er meine, er habe dem Beklagten
  185. den Text der Formulare "rübergefaxt"; er könne sich nicht vorstellen, daß er
  186. den Beklagten in den Vertragstext aufgenommen hätte, wenn dieser nichts davon gewußt hätte. Ob sich hieraus mit dem erforderlichen Grad von Wahr-
  187. -9-
  188. scheinlichkeit ergibt, der Beklagte habe den Vertragstext gekannt und gegen
  189. seine Verbreitung nichts unternommen, muß der nunmehr von dem Berufungsgericht vorzunehmenden Beweisaufnahme und deren Ergebnis vorbehalten
  190. bleiben.
  191. 2. Eine Anscheinsvollmacht liegt vor, wenn der Geschäftsgegner die den
  192. Rechtsschein einer Vollmacht begründenden und dem Vertretenen zurechenbare Umstände im Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses gekannt, auf den
  193. Rechtsschein vertraut hat und dieses Vertrauen für seine geschäftliche Entschließung ursächlich geworden ist (BGH, Urt. v. 14. März 2000 - XI ZR 55/99,
  194. BGHR BGB § 167 - Anscheinsvollmacht 9 m.w.N.). Dieser Rechtsgrundsatz
  195. greift aber in der Regel nur dann, wenn das Verhalten des einen Teils, aus
  196. dem der Geschäftsgegner auf die Bevollmächtigung eines Dritten schließen zu
  197. können glaubt, von einer gewissen Häufigkeit und Dauer ist (BGH, Urt. v.
  198. 5. März 1998 - III ZR 183/96, NJW 1998, 1854, 1855 m.w.N.). Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, muß ebenfalls dem Ergebnis der Beweisaufnahme
  199. vorbehalten werden, erforderlichenfalls nach ergänzendem Sachvortrag.
  200. - 10 -
  201. V. Aus diesen Gründen ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
  202. Röhricht
  203. Hesselberger
  204. Kurzwelly
  205. Goette
  206. Kraemer