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322 lines
20 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. II ZR 342/03
  5. Verkündet am:
  6. 19. September 2005
  7. Vondrasek
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk: ja
  13. BGHZ:
  14. ja
  15. BGHR:
  16. ja
  17. BGB §§ 138 Aa, 622 Abs. 6
  18. "Mitarbeitermodell"
  19. a) In den Personengesellschaften und der GmbH sind Regelungen, die einem
  20. Gesellschafter, einer Gruppe von Gesellschaftern oder der Gesellschaftermehrheit das Recht einräumen, einen Mitgesellschafter ohne sachlichen
  21. Grund aus der Gesellschaft auszuschließen ("Hinauskündigungsklauseln"),
  22. grundsätzlich nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig.
  23. b) Dieser Grundsatz steht einem sog. Mitarbeitermodell nicht entgegen, bei
  24. dem einem verdienten Mitarbeiter des Gesellschaftsunternehmens
  25. - unentgeltlich oder gegen Zahlung eines Betrages in Höhe nur des Nennwerts - eine Minderheitsbeteiligung eingeräumt wird, die er bei seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen zurückzuübertragen hat.
  26. c) Diese Regelung ist keine unzulässige Kündigungserschwerung im Sinne der
  27. zu § 622 Abs. 6 BGB entwickelten Rechtsprechungsgrundsätze.
  28. d) Auch die Beschränkung der dem Mitarbeiter bei der Rückübertragung des
  29. Gesellschaftsanteils zu zahlenden Abfindung auf den Betrag, den er für den
  30. Erwerb des Anteils gezahlt hat, und damit sein Ausschluss von etwaigen
  31. zwischenzeitlichen Wertsteigerungen ist grundsätzlich zulässig.
  32. BGH, Urteil vom 19. September 2005 - II ZR 342/03 - OLG Celle
  33. LG Hannover
  34. -2-
  35. Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche
  36. Verhandlung vom 19. September 2005 durch den Vorsitzenden Richter
  37. Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly, Münke, Dr. Strohn und
  38. Dr. Reichart
  39. für Recht erkannt:
  40. Die Revision gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 15. Oktober 2003 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
  41. Von Rechts wegen
  42. Tatbestand:
  43. Die Beklagte war Arbeitnehmerin der klagenden GmbH. Mehrheitsgesellschafter ist der Unternehmensgründer J. S.. Im Jahre 1982 entschloss sich S.,
  44. Mitarbeiter des Unternehmens als Gesellschafter zu beteiligen. Dazu übertrug
  45. er u.a. der Beklagten einen Geschäftsanteil im Nominalwert von 2.000,00 DM
  46. gegen Zahlung eines gleich hohen Betrages. Nach einer Kapitalerhöhung im
  47. Jahre 1985 überließ er der Beklagten einen weiteren Geschäftsanteil im Nominalwert von 2.000,00 DM, diesmal unentgeltlich. Die Beklagte erklärte sich in
  48. beiden Fällen zur Rückübertragung der Anteile im Falle eines Ausscheidens
  49. aus den Diensten der GmbH bereit und gab dazu aufschiebend bedingte Rückabtretungsangebote ab. Als Gegenleistung sollte sie bei der Rückabtretung
  50. dasjenige erhalten, was sie für die Anteile gezahlt hatte.
  51. -3-
  52. Am 23. Januar 1990 wurde der Gesellschaftsvertrag der GmbH - mit der
  53. Stimme der Beklagten - neu gefasst. In § 9 des Vertrages heißt es seitdem:
  54. "1.
  55. Eine Abtretung von Geschäftsanteilen ist nur an den Gesellschafter
  56. J. S. oder an dessen Rechtsnachfolger oder an einen von J. S. oder
  57. dessen Rechtsnachfolger zu benennenden Dritten zulässig, soweit
  58. es sich nicht um Abtretungen seitens des Gesellschafters J. S. oder
  59. dessen Rechtsnachfolger handelt. Verpfändungen sind unzulässig.
  60. 2.
  61. Soweit ein Gesellschafter aus den Diensten der Gesellschaft ausscheidet - und zwar gleich aus welchen Gründen -, ist er - im Todesfall sein Erbe - verpflichtet, sämtliche Geschäftsanteile dem Gesellschafter J. S. oder seinem Rechtsnachfolger oder einem von
  62. diesem zu bestimmenden Dritten abzutreten. Die Verpflichtung ist
  63. unverzüglich nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses - im Fall
  64. einer Kündigung nach deren Zugang unbeschadet dagegen etwa
  65. erhobener Einwendungen zu erfüllen.
  66. 3.
  67. pp.
  68. 4.
  69. Das Entgelt für die Abtretung besteht in allen Fällen in Höhe desjenigen Betrages, den der Gesellschafter für den oder die abzutretenden Geschäftsanteile selbst gezahlt hat."
  70. Im Zuge einer weiteren Kapitalerhöhung übernahm die Beklagte am
  71. 2. Mai 1990 unentgeltlich einen weiteren Geschäftsanteil im Nominalwert von
  72. 20.000,00 DM.
  73. -4-
  74. Am 19. Oktober 2000 beendete die Beklagte aus gesundheitlichen Gründen das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin. Daraufhin erklärte S. die Annahme
  75. der Rückabtretungsangebote aus 1982 und 1985 und zahlte der Beklagten
  76. 4.000,00 DM als Abfindung. Mit der Klage verlangt die Klägerin, handelnd aus
  77. eigenem und aus abgetretenem Recht des J. S., die Rückabtretung auch des
  78. Geschäftsanteils über nominal 20.000,00 DM und die Rückzahlung der hinsichtlich des Anteilserwerbs aus 1985 irrtümlich gezahlten 2.000,00 DM.
  79. Die Klage hatte in beiden Vorinstanzen Erfolg. Dagegen richtet sich die
  80. von dem Berufungsgericht (GmbHR 2003, 1428) zugelassene Revision.
  81. Entscheidungsgründe:
  82. Die Revision bleibt ohne Erfolg.
  83. I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die in dem Gesellschaftsvertrag
  84. vereinbarte Pflicht der Beklagten, ihre Geschäftsanteile bei Beendigung des
  85. Arbeitsverhältnisses an den Mehrheitsgesellschafter zurückzuübertragen, verstoße weder gegen § 138 BGB noch gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung. In dem "Mitarbeitermodell" der Klägerin hielten die einzelnen Mitarbeiter
  86. ihre Gesellschaftsanteile treuhandähnlich. Der zulässige Satzungszweck - die
  87. Erhaltung und Vermehrung des Gesellschaftsvermögens für künftige Generationen von Mitarbeiter-Gesellschaftern sowie eine Teilhabe am Erfolg des Unternehmens - könne nur erreicht werden, wenn die Geschäftsanteile - unabhängig
  88. von ihrem tatsächlichen Wert - zu den Bedingungen zurückübertragen würden,
  89. zu denen ihre Überlassung erfolgt sei. Der Anspruch auf Rückzahlung der irrtümlich gezahlten Abfindung von 2.000,00 DM folge aus § 812 BGB.
  90. -5-
  91. II. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung stand.
  92. 1. Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die zunächst einzelvertraglich und dann in dem Gesellschaftsvertrag in der Fassung
  93. vom 23. Januar 1990 vereinbarte Pflicht der Beklagten zur Rückübertragung
  94. der Geschäftsanteile im Falle der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses mit der
  95. Klägerin wirksam ist.
  96. a) Ohne Erfolg beruft sich die Revision dazu auf die Rechtsprechung des
  97. Senats zu den sog. Hinauskündigungsklauseln. Danach sind in den Personengesellschaften und der GmbH gesellschaftsvertragliche Regelungen, die einem
  98. Gesellschafter, einer Gruppe von Gesellschaftern oder der Gesellschaftermehrheit das Recht einräumen, einen Mitgesellschafter ohne sachlichen Grund aus
  99. der Gesellschaft auszuschließen, grundsätzlich wegen Verstoßes gegen die
  100. guten Sitten nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig (BGHZ 81, 263, 266 ff.; 105, 213,
  101. 216 f.; 112, 103, 107 f.; Urt. v. 8. März 2004 - II ZR 165/02, ZIP 2004, 903, 904;
  102. v. 14. März 2005 - II ZR 153/03, ZIP 2005, 706). Der davon betroffene Gesellschafter ist schutzwürdig. Die freie Ausschließungsmöglichkeit kann von ihm als
  103. Disziplinierungsmittel empfunden werden, das ihn daran hindert, von seinen
  104. Mitgliedschaftsrechten nach eigener Entscheidung Gebrauch zu machen und
  105. seine Mitgliedschaftspflichten zu erfüllen ("Damoklesschwert").
  106. Dieser Grundsatz gilt - wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat aber nicht ausnahmslos. Eine an keine Voraussetzungen geknüpfte Hinauskündigungsklausel oder eine vergleichbare schuldrechtliche Regelung ist wirksam, wenn sie wegen besonderer Umstände sachlich gerechtfertigt ist. So hat
  107. der Senat freie Ausschließungsrechte als wirksam angesehen, wenn der ausschließungsberechtigte Gesellschafter mit Rücksicht auf die enge persönliche
  108. Beziehung zu seiner Mitgesellschafterin die volle Finanzierung der Gesellschaft
  109. -6-
  110. übernimmt und der Partnerin eine Mehrheitsbeteiligung und die Geschäftsführung einräumt (BGHZ 112, 103), wenn eine Praxisgemeinschaft von Ärzten einen neuen Gesellschafter aufnimmt und sich dabei eine zeitlich begrenzte Prüfungsmöglichkeit vorbehalten will (Urt. v. 8. März 2004 - II ZR 165/02, ZIP 2004,
  111. 903) oder wenn die Gesellschaftsbeteiligung nur als Annex zu einem Kooperationsvertrag der Gesellschafter anzusehen ist und sichergestellt werden soll,
  112. dass der Gesellschaft nur die Partner des Kooperationsvertrages angehören
  113. (Urt. v. 14. März 2005 - II ZR 153/03, ZIP 2005, 706). Keine Bedenken hatte der
  114. Senat auch gegen eine Satzungsklausel, nach der in einer GmbH, in der alle
  115. Gesellschafter persönlich mitarbeiten, ein Geschäftsanteil eingezogen werden
  116. kann, wenn der betreffende Gesellschafter nicht mehr in dem Gesellschaftsunternehmen tätig ist (Urt. v. 20. Juni 1983 - II ZR 237/82, WM 1983, 956; im Ergebnis ebenso der Prozesskostenhilfe-Beschluss des Senats vom 7. Oktober
  117. 1996 - II ZR 238/95, bei Goette, DStR 1997, 336).
  118. In diesem Sinn hat der Senat mit Urteil vom heutigen Tage in der Sache
  119. II ZR 173/04 entschieden, dass im Rahmen eines "Managermodells" der Geschäftsführer einer GmbH wirksam verpflichtet werden kann, seinen ihm mit
  120. Rücksicht auf seine Geschäftsführerstellung überlassenen Geschäftsanteil nach
  121. Beendigung
  122. seiner
  123. Geschäftsführertätigkeit
  124. zurückzugeben
  125. (ebenso
  126. Habersack, ZGR 2005, 451, 461 ff.; Kowalski/Bormann, GmbHR 2004, 1438,
  127. 1440 f.; Sosnitza, DStR 2005, 72, 74 f.; Bütter/Tonner, BB 2005, 283, 285 f.;
  128. zuvor schon Schäfer/Hillesheim, DStR 2003, 2122; Goette, DStR 1997, 337;
  129. Wiedemann,
  130. Gesellschaftsrecht
  131. II
  132. §8
  133. IV
  134. 3c,
  135. S. 753;
  136. Ulmer
  137. in
  138. Hachenburg/Ulmer, GmbHG 8. Aufl. § 34 Rdn. 42; Westermann in Scholz,
  139. GmbHG 9. Aufl. § 34 Rdn. 16; aA Binz/Sorg, GmbHR 2005, 893; Piehler in FS
  140. Rheinisches Notariat 1998, S. 321, 326 ff.; gegen einen Abfindungsausschluss
  141. Schröder, GmbHR 2003, 1430, 1431). Das muss für das von der Klägerin be-
  142. -7-
  143. triebene "Mitarbeitermodell" erst recht gelten. Denn hier liegt schon keine freie
  144. Hinauskündigungsmöglichkeit in der oben beschriebenen Art vor. Der Mehrheitsgesellschafter S. kann die Gesellschafterstellungen der MitarbeiterGesellschafter nicht ohne sachlichen Grund beenden. Der Verlust der Gesellschafterstellung ist vielmehr an eine objektive Voraussetzung gebunden, nämlich an den Verlust des Arbeitsplatzes, und insoweit besteht keine Möglichkeit
  145. zu einem willkürlichen Handeln der Klägerin. Die Klägerin hatte zuletzt 24 Mitarbeiter, fällt also in den Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes.
  146. Dann aber kann sie nicht ohne Grund Arbeitnehmer entlassen. Sie muss dafür
  147. einen Kündigungsgrund i.S. des § 1 KSchG geltend machen können. Das gilt
  148. auch in Bezug auf die Beklagte. Dass die Beklagte zu den leitenden Angestellten i.S. des § 14 Abs. 2 KSchG gehörte, bei denen der Arbeitgeber nach §§ 14,
  149. 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses erzwingen
  150. kann, ist nicht ersichtlich. Ihre Stellung als Prokuristin reichte dafür nicht aus.
  151. Vielmehr hätte sie die Befugnis zur selbständigen Einstellung oder Entlassung
  152. von Arbeitnehmern haben müssen, was nach dem Vortrag der Parteien fern
  153. liegt.
  154. b) Die Vereinbarung einer Pflicht zur Rückübertragung des Geschäftsanteils bei Ende des Arbeitsverhältnisses ist auch nicht wegen Verstoßes gegen
  155. den Gleichbehandlungsgrundsatz unwirksam. Abgesehen davon, daß die Beklagte sich auf eine etwaige Nichtigkeit mit Rücksicht darauf nicht berufen könnte, dass der neu gefasste Gesellschaftsvertrag seit mehr als drei Jahren im
  156. Handelsregister eingetragen ist (§ 242 Abs. 2 AktG analog, vgl. BGHZ 144, 365
  157. ff. m. w. Nachw.) und ein Verstoß gegen diesen Grundsatz ohnehin nur zur Anfechtbarkeit des Beschlusses führen würde, ist ihr schon im Ansatzpunkt nicht
  158. zu folgen. Die Regelung enthält keinen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot. Die von dem Landgericht zu Unrecht verneinte Ungleichbehandlung be-
  159. -8-
  160. ruht auf einem sachlichen, sie rechtfertigenden Grund. Herr S. hat die Gesellschaft - zusammen mit seiner Ehefrau, die zu 10 % beteiligt ist - gegründet und
  161. das erforderliche Kapital aufgebracht. Die Mitarbeiter-Gesellschafter haben dagegen in die Gesellschaft kein Kapital eingelegt, sondern allenfalls an S. einen
  162. Kaufpreis für ihre Anteile bezahlt. Bei dieser Sachlage bestehen keine Bedenken gegen eine Regelung, wonach nur die Mitarbeiter-Gesellschafter und nicht
  163. auch S. bei Beendigung ihrer Tätigkeit für die Beklagte zur Rückgabe ihrer Geschäftsanteile verpflichtet sind.
  164. c) Die Rückübertragungsklausel in der Satzung der Klägerin ist auch
  165. nicht nach §§ 134, 622 Abs. 6 BGB nichtig. Auch darauf hätte sich die Beklagte
  166. nur mit der Anfechtungsklage berufen können. Jedenfalls erfüllt die Regelung
  167. aber auch nicht die Voraussetzungen einer nach § 622 Abs. 6 BGB unzulässigen Kündigungsbeschränkung.
  168. Zwar wird dem Arbeitnehmer dadurch die Entscheidung, seinen Arbeitsvertrag zu kündigen, insofern erschwert, als er dann auch seine Gesellschafterstellung aufgeben muss. Das Bundesarbeitsgericht hat aus dem Verbot des
  169. § 622 Abs. 6 BGB, für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer eine längere Frist zu vereinbaren als für die Kündigung durch den
  170. Arbeitgeber, den allgemeinen Grundsatz hergeleitet, es sei unzulässig, durch
  171. vertragliche Absprachen eine ungleiche Kündigungslage zum Nachteil einer der
  172. Parteien des Arbeitsverhältnisses, vor allem des Arbeitnehmers, zu schaffen,
  173. insbesondere einen einseitigen Vermögensnachteil des Arbeitnehmers für den
  174. Fall einer von ihm erklärten Kündigung zu vereinbaren (BAG DB 1956, 503,
  175. 504; 1971, 1068; 1990, 434). Damit soll die Entscheidungsfreiheit des Arbeitnehmers in Bezug auf die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses geschützt
  176. werden. Der Arbeitnehmer soll die Freiheit behalten, unter Beachtung der gel-
  177. -9-
  178. tenden Kündigungsfrist und ohne Diskriminierung im Verhältnis zu seinem Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis zu beenden und sich einer anderen Tätigkeit
  179. zuzuwenden.
  180. Dieser Grundsatz schließt allerdings eine für den Arbeitnehmer ungünstige Reflexwirkung seiner Kündigung nicht aus. Entscheidend ist eine Würdigung der Gesamtumstände unter Beachtung des Gebots der Verhältnismäßigkeit (ebenso BAG MDR 2001, 1301 für die vergleichbare Rechtslage nach
  181. § 5 BBiG). Danach ist die Verknüpfung der Beendigung - und damit auch der
  182. Kündigung - des Arbeitsvertrages mit dem Wegfall der Gesellschafterstellung
  183. im Rahmen des bei der Klägerin praktizierten "Mitarbeitermodells" nicht zu beanstanden.
  184. Die gesellschaftsrechtliche Beteiligung verdienter Mitarbeiter hat nach
  185. dem Unternehmenskonzept der Klägerin die Funktion, diese Mitarbeiter stärker
  186. an das Unternehmen zu binden, ihre Motivation zu steigern und zugleich einen
  187. Anreiz für die übrigen Mitarbeiter zu schaffen, durch entsprechend loyales Verhalten ebenfalls in den Genuss einer Gesellschaftsbeteiligung zu kommen, die
  188. nicht nur zu einer Aufwertung ihrer Stellung im Unternehmen führt, sondern ihnen auch die Aussicht auf Auszahlung einer zusätzlichen Vergütung in Gestalt
  189. der Gewinnanteile verschafft. So sind an die Beklagte in den Jahren 1990 bis
  190. 2001 Gewinnanteile i.H.v. durchschnittlich 26.250,00 DM ausgeschüttet worden.
  191. Die einer Tantiemeregelung ähnelnde Gestaltung steht im Vordergrund
  192. des Modells. Denn die Möglichkeiten des Mitarbeiters, in der Gesellschafterversammlung seine Vorstellungen gegen den Willen des Mehrheitsgesellschafters
  193. S. durchzusetzen, sind weniger bedeutsam. Von dem Stammkapital der
  194. Klägerin
  195. i.H.v.
  196. zuletzt
  197. 600.000,00 DM
  198. hielten
  199. S.
  200. und
  201. seine
  202. Ehefrau
  203. - 10 -
  204. 321.000,00 DM, das sind 53,5 %. Das übrige Kapital war auf - einschließlich der
  205. Beklagten, welche 4 % des Stammkapitals hielt - 12 Mitarbeiter-Gesellschafter
  206. aufgeteilt. Das finanzielle Risiko der Mitarbeiter-Gesellschafter ist noch dadurch
  207. gemindert, dass sie für den Erwerb ihres Geschäftsanteils - soweit er ihnen
  208. nicht wie im Falle der Beklagten unentgeltlich übertragen wird - allenfalls den
  209. Nennwert zahlen müssen, während der Verkehrswert erheblich höher ist.
  210. Im Ergebnis haben die Mitarbeiter danach eine treuhänderähnliche Stellung, deren wirtschaftlicher Wert - bei denkbar geringem eigenen Risiko - in
  211. dem erheblichen Gewinnausschüttungspotential während der Dauer der dienstvertraglichen Bindung an die Klägerin liegt. Mit deren Beendigung ist es selbstverständlich, daß die weitere Beteiligung an der Gesellschaft ihren rechtfertigenden Sinn - Bindung an das Unternehmen, Motivationssteigerung und Belohnung für geleistete Dienste - verliert. Nur durch die Rückübertragung wird dem
  212. Mehrheitsgesellschafter zudem die Möglichkeit eröffnet, andere verdiente Mitarbeiter mit Geschäftsanteilen auszustatten und das in der Satzung niedergelegte Mitarbeitermodell weiterhin durchzuführen. Dagegen führte eine Teilhabe
  213. an dem künftigen Wertzuwachs des Gesellschaftsvermögens ohne die weitere
  214. Mitarbeit zu einem unverdienten Vermögensvorteil des ausgeschiedenen Mitarbeiters.
  215. 2. Auch die in § 9 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages vorgesehene Abfindungsbeschränkung auf den Betrag, den der Mitarbeiter für den Erwerb seines
  216. Geschäftsanteils gezahlt hat, ist wirksam.
  217. a) Scheidet ein Gesellschafter aus der Gesellschaft aus, sei es durch
  218. Einziehung seines Geschäftsanteils, sei es durch Ausschließung, sei es - wie
  219. hier - als Folge einer satzungsgemäßen Abtretungspflicht, hat er allerdings
  220. grundsätzlich einen Anspruch auf Abfindung in Höhe des Verkehrswerts seines
  221. - 11 -
  222. Geschäftsanteils (BGHZ 9, 157, 168; 16, 317, 322; 116, 359, 364 ff.; Sen.Urt. v.
  223. 7. Dezember 2001 - II ZR 348/99, ZIP 2002, 258, 259). Die Abfindung kann ihm
  224. von der Gesellschaft oder - wie hier - von dem den Anteil übernehmenden Mitgesellschafter zu zahlen sein. Dieser Grundsatz gilt aber nicht ausnahmslos. So
  225. kann der Abfindungsanspruch in der Satzung beschränkt werden, soweit dadurch nicht von vornherein ein grobes Missverhältnis zu dem wahren Wert der
  226. Gesellschaftsbeteiligung entsteht (BGHZ 116, 359, 375 f.; Urt. v. 9. Januar
  227. 1989 - II ZR 83/88, ZIP 1989, 770, 771 f.). Dabei sind das Interesse der verbleibenden Gesellschafter an dem Fortbestand des Gesellschaftsunternehmens
  228. und das Interesse des ausscheidenden Gesellschafters an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung seiner Beteiligung gegeneinander abzuwägen.
  229. Der bloße Umstand, dass der ausscheidende Gesellschafter - wie hier die Beklagte - den Geschäftsanteil geschenkt bekommen hat, reicht allerdings grundsätzlich als Rechtfertigung für eine Abfindungsbeschränkung nicht aus, weil
  230. nach der Rechtsprechung des Senats auch eine auf dem Wege der Schenkung
  231. der Beteiligung in die Gesellschaft aufgenommene Person kein Gesellschafter
  232. "zweiter Klasse" ist (Sen.Urt. v. 9. Januar 1989 - II ZR 83/88, ZIP 1989, 770,
  233. 772).
  234. Zu einem solchen Gesellschafter „minderen Rechts“ wird indessen der
  235. Mitarbeiter nicht, der im Rahmen eines Mitarbeitermodells, wie es hier praktiziert worden ist, darauf verwiesen wird, bei seinem Ausscheiden aus den Diensten der Gesellschaft nur Anspruch auf eine Abfindung in Höhe des von ihm
  236. selbst aufgewandten Betrages - und ohne Beteiligung am Verlust - zu erhalten
  237. (vgl. schon BGH, Beschl. v. 7. Oktober 1996 - II ZR 238/95, zitiert bei Goette,
  238. DStR 1997, 336). Eine derartige Abfindungsbeschränkung ist vielmehr sachlich
  239. gerechtfertigt, weil andernfalls nur die erste Generation von MitarbeiterGesellschaftern in den Genuß der Vorteile dieser Vertragsgestaltung gelangte,
  240. - 12 -
  241. mit deren Ausscheiden unter Zahlung einer Abfindung zum Verkehrswert aber
  242. die für die weitere Durchführbarkeit des Modells erforderliche finanzielle Grundlage zerstört wäre. Hat er den Anteil unentgeltlich erhalten, kann damit eine Abfindung auch ganz entfallen.
  243. b) Der Einwand der Revision, die Beklagte müsse wenigstens an den
  244. nicht ausgeschütteten Gewinnen aus der Zeit ihrer Unternehmenszugehörigkeit
  245. beteiligt werden, bleibt schon deswegen ohne Erfolg, weil bereits die Grundvoraussetzung nicht festgestellt worden ist, dass es in der fraglichen Zeit überhaupt zu Gewinnthesaurierungen gekommen und der Beklagten damit ein Teil
  246. des ihr nach dem verabredeten Mitarbeitermodell zustehenden Gewinns vorenthalten worden ist.
  247. 3. Damit steht zugleich fest, dass auch die Klage auf Rückzahlung der für
  248. den zweiten Geschäftsanteil irrtümlich gezahlten Abfindung aus § 812 Abs. 1
  249. Satz 1, Alt. 1, § 398 BGB begründet ist.
  250. - 13 -
  251. 4. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, da auch bei einer erneuten Verhandlung vor dem Berufungsgericht mit neuen Erkenntnissen nicht
  252. zu rechnen ist.
  253. Goette
  254. Münke
  255. RiBGH Dr. Kurzwelly kann
  256. wegen Urlaubs nicht
  257. unterschreiben.
  258. Goette
  259. Strohn
  260. Reichart