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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. II ZR 326/04
  5. Verkündet am:
  6. 20. März 2006
  7. Boppel
  8. Justizamtsinspektor
  9. als Urkundsbeamter
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk: ja
  13. BGHZ:
  14. nein
  15. BGHR:
  16. ja
  17. StBerG § 68 a.F.
  18. Gegen einen Steuerberater als Treuhandkommanditisten einer Publikums-KG
  19. gerichtete Schadensersatzansprüche von Kapitalanlegern aus Verschulden bei
  20. Vertragsverhandlungen unterlagen nicht der kurzen Verjährungsfrist gemäß
  21. § 68 a.F. StBerG, sondern verjährten in 30 Jahren (Abgrenzung zum Senatsurteil BGHZ 120, 157).
  22. BGH, Urteil vom 20. März 2006 - II ZR 326/04 - OLG Frankfurt a.M.
  23. LG Frankfurt a.M.
  24. -2-
  25. Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche
  26. Verhandlung
  27. vom
  28. 20. März
  29. 2006
  30. durch
  31. den
  32. Vorsitzenden
  33. Richter
  34. Prof. Dr. Goette und die Richter Kraemer, Münke, Dr. Strohn und Dr. Reichart
  35. für Recht erkannt:
  36. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 17. Zivilsenats
  37. des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 26. Mai 2004 aufgehoben.
  38. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
  39. über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  40. Von Rechts wegen
  41. Tatbestand:
  42. 1
  43. Der Kläger wurde im März 1997 durch einen Anlagevermittler zu einer
  44. Beteiligung an der B-KG (im Folgenden: B-KG) geworben. Grundlage dafür war
  45. ein Prospekt dieser Gesellschaft, der einen "erwarteten Profit" von 10 % bis
  46. 50 % p.a. aus den von ihr betriebenen Immobiliengeschäften in Aussicht stellte
  47. und den Beklagten - unter der Berufsbezeichnung "Steuerbevollmächtigter" als Treuhandkommanditisten auswies. Er war nach § 13 des dem Prospekt beigefügten Gesellschaftsvertrages einziger Kommanditist der B-KG mit einer
  48. Kommanditeinlage von 5.000,00 DM, sollte jedoch berechtigt und verpflichtet
  49. sein, diese durch Abschluss von Treuhandverträgen mit Kapitalanlegern zu er-
  50. -3-
  51. höhen und das erhöhte Kommanditkapital treuhänderisch für die Treugeber zu
  52. erwerben, die "im Übrigen als vollwertige Kommanditisten" bzw. "wie unmittelbar beteiligte Gesellschafter behandelt" werden sollten (§ 13 Nr. 1, § 14 Nr. 3
  53. des Gesellschaftsvertrages).
  54. 2
  55. Unter dem 10. März 1997 erteilte der Kläger dem Beklagten einen Treuhandauftrag zum Erwerb einer Beteiligung an der B-KG in Höhe von
  56. 90.000,00 DM zuzüglich eines Agios von 6.300,00 DM und überwies den Betrag im Mai 1997. Die B-KG geriet im Herbst 1997 in Insolvenz. Kurz davor oder
  57. danach erfuhr der Kläger, dass gegen die Geschäftsführerin der KomplementärGmbH der B-KG, eine Frau B. M., die zugleich Initiatorin der B-KG und einer
  58. Vielzahl ähnlicher Kapitalanlagemodelle war, bereits seit 1994 verschiedene
  59. staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren u.a. wegen Kapitalanlagebetruges geführt wurden. Er konsultierte daraufhin eine Wirtschaftsdetektei, die ihn spätestens im Jahr 1998 über eine mögliche Haftung des Beklagten informierte. Unter
  60. dem 28. Februar 2000 mandatierte er einen Anwalt, der den Beklagten mit
  61. Schreiben vom 2. Januar 2001 erfolglos zur Zahlung von Schadensersatz in
  62. Höhe von 96.300,00 DM aufforderte und schließlich am 14. Juni 2002 Klage
  63. gegen ihn einreichte.
  64. 3
  65. Der Kläger meint, der Beklagte sei ihm gegenüber schadensersatzpflichtig, weil er seine Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit dem Beteiligungserwerb verletzt habe. Er habe bereits 1995 von strafrechtlichen Ermittlungen
  66. gegen Frau B. M. gewusst; auch sei ihm bekannt gewesen, dass die im Prospekt genannten Renditeerwartungen völlig unrealistisch seien. Der Beklagte hat
  67. in erster Linie die Einrede der Verjährung gemäß § 68 a.F. StBerG erhoben. Im
  68. Übrigen sei er für den Prospekt nicht verantwortlich, den er bei dessen Publikation noch nicht einmal gekannt habe. Ebenso wenig sei er an der Initiierung der
  69. -4-
  70. Gesellschaft beteiligt gewesen. Seine Mitwirkung habe sich darauf beschränkt,
  71. dass er sich auf Anfrage von Frau B. M. in Unkenntnis ihrer angeblichen Verfehlungen bereit erklärt habe, als Treuhänder zu fungieren. Beide Vorinstanzen
  72. haben die Klage wegen Verjährung gemäß § 68 StBerG abgewiesen. Dagegen
  73. richtet sich die - von dem Senat auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers zugelassene - Revision des Klägers.
  74. Entscheidungsgründe:
  75. 4
  76. Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
  77. 5
  78. I. Das Berufungsgericht meint, etwaige Schadensersatzansprüche des
  79. Klägers gegen den Beklagten aus Prospekthaftung im engeren Sinne seien
  80. nach den Grundsätzen im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22. März 1982
  81. (BGHZ 83, 222) jedenfalls verjährt. Ebenso verjährt seien aber auch Ersatzansprüche des Klägers aus einer etwaigen Aufklärungspflichtverletzung bei Abschluss des Treuhandvertrages (BGHZ 83, 222, 227), weil hier nicht die damals
  82. noch geltende 30-jährige Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB a.F. i.V.m.
  83. Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB, sondern die berufsspezifische Verjährungsfrist von
  84. drei Jahren gemäß § 68 (a.F.) StBerG eingreife. Die Treuhandtätigkeit des Beklagten habe gemäß § 57 Abs. 3 StBerG zu dessen Berufsbild als Steuerberater gehört. Seine Rolle als Treuhandkommanditist belege nicht einen von ihm
  85. ausgeübten Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft. Ebenfalls verjährt sei
  86. eine etwaige Sekundärhaftung des Beklagten als Steuerberater, weil der Kläger
  87. vor Ablauf der Primärverjährungsfrist des § 68 (a.F.) StBerG anwaltlich beraten
  88. gewesen sei.
  89. -5-
  90. 6
  91. II. Das angefochtene Urteil hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
  92. 7
  93. 1. Das Berufungsgericht verkennt schon im Ansatz, dass der Beklagte
  94. - auf der Grundlage von § 13 des Gesellschaftsvertrages der B-KG vom November 1996 - nicht nur als Treuhänder für die zu werbenden Kapitalanleger
  95. fungieren sollte, sondern einziger Kommanditist der B-KG mit einer Eigenbeteiligung von 5.000,00 DM war. Dass er diese Einlage durch den Abschluss von
  96. Treuhandverträgen mit künftigen Anlegern sollte "erhöhen" können, ändert daran nichts. Er war sonach ebenso wie die Komplementär-GmbH Gesellschafter
  97. der B-KG und als solcher - neben seiner Treuhänderstellung - direkter Vertragspartner der künftigen Anleger (vgl. Sen.Urt. v. 7. Juli 2003 - II ZR 18/01,
  98. ZIP 2003, 1536 zu II 1 m.w.Nachw.). Diese sollten nicht nur in Rechtsbeziehungen zu dem Beklagten als Treuhänder treten, sondern gemäß den Angaben im
  99. Prospekt und dem beigefügten Gesellschaftsvertrag wie unmittelbar an der
  100. B-KG beteiligte Gesellschafter behandelt werden (vgl. dazu Sen.Urt. v. 30. März
  101. 1987 - II ZR 163/86, ZIP 1987, 912). Nicht nur als Treuhänder, sondern auch in
  102. seiner Eigenschaft als Gesellschafter hat der im Prospekt und im Gesellschaftsvertrag namentlich benannte Beklagte bei dem Zustandekommen des
  103. Beitritts von Kapitalanlegern (unter Einschluss des Klägers) persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und ist nach den Grundsätzen vorvertraglicher
  104. Haftung dann schadensersatzpflichtig, wenn und soweit er seiner Verpflichtung
  105. zur Aufklärung seiner künftigen Vertragspartner über Nachteile und Risiken der
  106. Kapitalanlage schuldhaft nicht genügte. Das gilt nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch dann, wenn die Beteiligung an einer Publikumsgesellschaft unter Verwendung von Prospekten angebahnt wird (vgl. Sen.Urt. v.
  107. 7. Juli 2003 aaO m.w.Nachw.). Einer daraus resultierenden Haftung wegen
  108. Verschuldens bei Vertragsverhandlungen mit künftigen Mitgesellschaftern unterliegen nach der Rechtsprechung des Senats nur diejenigen Gesellschafter
  109. -6-
  110. einer Publikumsgesellschaft nicht, welche erst nach Gründung der Gesellschaft
  111. beigetreten und von jedem Einfluss auf künftige Beitrittsverhandlungen ausgeschlossen sind (vgl. dazu BGHZ 71, 284, 286). Zu diesem Personenkreis gehört
  112. der Beklagte als Treuhandkommanditist nicht. Da er einziger Kommanditist der
  113. - nach den Prospektangaben im Jahr 1996 "umgegründeten" - B-KG war, ist er
  114. einem Gründungskommanditisten, der nach den genannten Grundsätzen ggf.
  115. einer vorvertraglichen Haftung gegenüber neu beitretenden Anlegern unterliegt
  116. (vgl. Sen.Urt. v. 14. Juli 2003 - II ZR 202/02, ZIP 2003, 1651), zumindest
  117. gleichzustellen.
  118. 8
  119. 2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann sich der Beklagte,
  120. soweit seine vorvertragliche Haftung als Gesellschafter der B-KG gegenüber
  121. dem Kläger in Frage steht, nicht auf die berufsrechtliche Verjährungsvorschrift
  122. des § 68 a.F. StBerG berufen. Die Pflichten und die Haftung eines Gesellschafters richten sich unabhängig von seinem Beruf nach den Vorschriften, die für
  123. jeden Gesellschafter in gleicher Situation gelten. Für die Verjährung von Schadensersatzansprüchen gegen einen Gesellschafter aus vorvertraglicher schuldhafter Pflichtverletzung gegenüber künftigen Mitgesellschaftern gilt nichts anderes. Solche Ersatzansprüche verjährten gemäß dem nach Maßgabe des
  124. Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB anzuwendenden § 195 BGB i.d.F. bis zum
  125. 31. Dezember 2001 erst in 30 Jahren (vgl. Senat, BGHZ 83, 222, 227). Entsprechendes hat der Senat in dem - vom Berufungsgericht missverstandenen Urteil vom 7. Juli 2003 aaO zum Fall einer Steuerberatungsgesellschaft als
  126. Treuhandgesellschafterin der Anlagegesellschaft sowie auch schon im Urteil
  127. vom 24. Mai 1982 (II ZR 124/81, BGHZ 84, 141, 149) zur Haftung einer Wirtschaftsprüfergesellschaft als Treuhandkommanditistin (vgl. § 51 a a.F. WPO)
  128. angenommen.
  129. Soweit
  130. aus
  131. dem
  132. Senatsurteil
  133. vom
  134. 9. November
  135. 1992
  136. (II ZR 141/91, BGHZ 120, 157) - zur Anwendbarkeit der Verjährungsvorschrift
  137. -7-
  138. des § 51 a.F. BRAO auf Ersatzansprüche gegen einen Rechtsanwalt als "Gesellschaftertreuhänder" wegen pflichtwidrigen Verhaltens bei der Anbahnung
  139. des Treuhandverhältnisses mit künftigen Gesellschaftern - Gegenteiliges zu
  140. entnehmen sein sollte, wird daran nicht festgehalten. Im Übrigen ist diesem Urteil nicht zu entnehmen, dass der dortige Beklagte neben seiner Treuhänderfunktion die Stellung eines vollwertigen Gesellschafters in der Objektgesellschaft hatte, wie das bei dem Beklagten des vorliegenden Rechtsstreits der Fall
  141. war. Dieser Aspekt wird auch im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 11. März
  142. 1987 (IVa ZR 290/85, BGHZ 100, 132 zu § 51 a a.F. WPO) nicht erörtert. In
  143. sonstigen Fällen, in denen der Bundesgerichtshof berufsspezifische Verjährungsvorschriften auf Berater oder Treuhänder im Zusammenhang mit Kapitalanlagegesellschaften angewendet hat, handelte es sich nicht um Gesellschafter
  144. der Anlagegesellschaft (vgl. Urt. v. 21. April 1982 - IVa ZR 291/80, BGHZ 83,
  145. 328; v. 16. Januar 1986 - VII ZR 61/85, BGHZ 97, 21; v. 10. April 1986
  146. - VII ZR 214/85, WM 1986, 940; v. 19. November 1987 - VII ZR 39/87, BGHZ
  147. 102, 220; v. 5. Juli 1990 - VII ZR 26/89, NJW 1990, 2464; v. 16. Januar 1991
  148. - VII ZR 14/90, WM 1991, 695; v. 11. Oktober 2001 - III ZR 288/00, NJW 2002,
  149. 888; v. 8. Juni 2004 - X ZR 283/02, NJW 2004, 3420).
  150. 9
  151. III. Nach allem kann das angefochtene Urteil mit der ihm von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht bestehen bleiben. Es stellt sich auch
  152. nicht deshalb im Ergebnis als richtig dar, weil es in § 18 Abs. 2, 3 des Gesellschaftsvertrages der B-KG heißt, dass Schadensersatzansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis drei Jahre nach Bekanntwerden des haftungsbegründenden Sachverhaltes verjähren und innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs
  153. Monaten nach Kenntniserlangung von dem Schaden geltend zu machen sind.
  154. Gesellschaftsverträge von Publikumsgesellschaften unterliegen einer ähnlichen
  155. Auslegung und Inhaltskontrolle wie allgemeine Geschäftsbedingungen (vgl.
  156. -8-
  157. Senat, BGHZ 64, 238; Urt. v. 27. November 2000 - II ZR 218/00, ZIP 2001,
  158. 243). Abgesehen davon, dass die genannte Bestimmung Schadensersatzansprüche aus vorvertraglicher Pflichtverletzung nicht, zumindest nicht eindeutig
  159. erfasst, ist die vorliegende Verkürzung der Verjährung für Schadensersatzansprüche "aus dem Gesellschaftsverhältnis" - einschließlich solcher gegen Gesellschaftsorgane - auf weniger als fünf Jahre unwirksam (vgl. Senat aaO; vgl.
  160. auch v. Gerkan in Röhricht/Graf v. Westphalen, HGB 2. Aufl. § 161 Rdn. 98).
  161. Die zusätzlich bestimmte Ausschlussfrist, die auch deliktische Ansprüche erfasst, ist ohnehin wegen Abweichung von § 852 BGB a.F. unwirksam (vgl.
  162. Palandt/Heinrichs, BGB 61. Aufl. § 9 AGBG Rdn. 136). Auf die Verjährungsregelungen in § 12 des Treuhandvertrages kommt es für die hier in Rede stehenden Ansprüche des Klägers gegen den Beklagten als Gesellschafter nicht an.
  163. -9-
  164. 10
  165. Eine abschließende Entscheidung in der Sache selbst ist dem Senat
  166. verwehrt, weil das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus konsequent zum Haftungsgrund keine Feststellungen getroffen hat. Die Zurückverweisung
  167. gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, dies - ggf. nach ergänzendem Parteivortrag - nachzuholen.
  168. Goette
  169. Kraemer
  170. Strohn
  171. Münke
  172. Reichart
  173. Vorinstanzen:
  174. LG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 04.11.2003 - 2/12 O 193/02 OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 26.05.2004 - 17 U 2/04 -