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543 lines
20 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. Urteil
  4. II ZR 273/11
  5. Verkündet am:
  6. 9. April 2013
  7. Vondrasek
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. BGB § 626 Abs. 2
  19. a) Für die Kenntnis der für die Kündigung eines Geschäftsführeranstellungsvertrages
  20. maßgebenden Tatsachen, die die Zweiwochenfrist nach § 626 Abs. 2 BGB in Lauf
  21. setzt, kommt es auf den Wissensstand des zur Entscheidung über die fristlose
  22. Kündigung berufenen und bereiten Gremiums der Gesellschaft an.
  23. b) Die Befugnis, den Anstellungsvertrag zu kündigen, kann sowohl im Gesellschaftsvertrag als auch durch die Gesellschafter auf andere Personen übertragen werden.
  24. c) Kenntnis liegt dann vor, wenn alles in Erfahrung gebracht worden ist, was als notwendige Grundlage für eine Entscheidung über Fortbestand oder Auflösung des
  25. Dienstverhältnisses anzusehen ist. Kennenmüssen oder grobfahrlässige Unkenntnis genügt nicht.
  26. BGH, Urteil vom 9. April 2013 - II ZR 273/11 - OLG Düsseldorf
  27. LG Düsseldorf
  28. -2-
  29. Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  30. vom 9. April 2013 durch den Richter Dr. Strohn als Vorsitzenden, die Richterin
  31. Dr. Reichart und die Richter Dr. Drescher, Born und Sunder
  32. für Recht erkannt:
  33. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 14. Zivilsenats
  34. des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 24. November 2011 aufgehoben.
  35. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
  36. über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  37. Von Rechts wegen
  38. Tatbestand:
  39. 1
  40. Der Kläger war seit 21. Mai 2002 Geschäftsführer der beklagten GmbH.
  41. Alleinige Gesellschafterin der Beklagten ist die S.
  42. D.
  43. kasse D.
  44. mbH, deren alleinige Gesellschafterin die Stadtsparist. Der Geschäftsführeranstellungsvertrag des Klägers vom
  45. -3-
  46. 14. Mai 2003 wurde mit einem Nachtrag vom 30. August 2006 bis zum
  47. 31. Dezember 2012 verlängert.
  48. 2
  49. Bis zum 15. Juli 2003 war der Kläger auch Geschäftsführer der S.
  50. D.
  51. mbH. Als ihr Geschäftsführer hat der
  52. Kläger Ende 2000 einen Beratervertrag mit dem
  53. M.
  54. Kommunalpolitiker
  55. geschlossen, in dem diesem ein jährliches Beraterhonorar von
  56. 200.000 DM zugesagt worden war. Der Beratervertrag mit M.
  57. ten der Stadtsparkasse K.
  58. fang 2004 bat M.
  59. wurde auf Bit-
  60. im Jahre 2003 bis 23. Juni 2004 verlängert. An-
  61. um eine Aufhebung des Vertrages, der die S.
  62. D.
  63. mbH mit Wirkung vom 31. Dezember 2003
  64. in einem von ihren beiden Geschäftsführern unterschriebenen Schreiben vom
  65. 12. Februar 2004 zustimmte. In diesem Schreiben heißt es:
  66. "Wir folgen gern Ihrem Vorschlag und stimmen hiermit einer Aufhebung des Vertrages mit Wirkung vom 31. Dezember 2003 zu. Wir bedanken uns für die vertrauensvolle Zusammenarbeit und verbleiben mit freundlichen
  67. Grüßen".
  68. 3
  69. Am 1. Februar 2009 trat M.
  70. von allen politischen Ämtern zurück. In
  71. Presseberichten war die Vermutung geäußert worden, dass es sich bei dem
  72. Beratervertrag mit ihm um einen Scheinvertrag gehandelt habe, der von dem
  73. damaligen Vorstandsvorsitzenden der Stadtsparkasse K.
  74. initiiert worden sei
  75. und allein der Versorgung von M.
  76. gedient habe. Eine Gegenleistung für das
  77. vereinnahmte Honorar habe M.
  78. nie erbracht. Strafrechtliche Ermittlungen
  79. wurden wegen Eintritts der Verfolgungsverjährung eingestellt.
  80. 4
  81. Am
  82. D.
  83. 16.
  84. Februar
  85. 2009
  86. beschloss
  87. die
  88. S.
  89. mbH als Alleingesellschafterin der Beklagten die Abberufung des
  90. -4-
  91. Klägers als Geschäftsführer der Beklagten und die fristlose Kündigung des
  92. Dienstvertrages aus wichtigem Grund, die dem Kläger am selben Tag erklärt
  93. wurde.
  94. 5
  95. Der Kläger hat beantragt, die Unwirksamkeit der Kündigung festzustellen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr
  96. stattgegeben. Dagegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene
  97. Revision der Beklagten.
  98. Entscheidungsgründe:
  99. 6
  100. Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils
  101. und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
  102. 7
  103. I. Das Berufungsgericht (OLG Düsseldorf, Urteil vom 24. November 2011
  104. - 14 U 27/11, juris) hat ausgeführt, die gegenüber dem Kläger ausgesprochene
  105. außerordentliche fristlose Kündigung sei unwirksam, weil sie nicht innerhalb der
  106. Frist gemäß § 626 Abs. 2 S. 1 und 2 BGB erfolgt sei. Kenntnis der Geschäftsführer der Alleingesellschafterin der Beklagten, auf die es ankomme, habe bereits zum Zeitpunkt der von ihnen unterzeichneten Zustimmung zur Aufhebung
  107. des Beratervertrages mit M.
  108. vorgelegen. Das folge aus dem Schreiben vom
  109. 12. Februar 2004. Dieses Schreiben dokumentiere aus sich heraus eine Bestätigung und Billigung des Beratervertrages, die verdeutliche, dass die Unterzeichner bereits die wesentlichen Hintergründe kannten und sogar billigten. Andernfalls bleibe schlechthin unverständlich, wie sich die Geschäftsführer dazu
  110. veranlasst gesehen haben könnten, eine nur teilweise rückwirkende Aufhebung
  111. eines gänzlich unbekannten Beratervertrages zu bestätigen und M.
  112. sogar
  113. eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zu attestieren. Selbst bei unterstelltem
  114. -5-
  115. Fortbestehen gewisser (Rest-) Unklarheiten über den Charakter des bereits auf
  116. den ersten Blick höchst auffälligen und ungewöhnlichen Beratervertrages und
  117. zumal eines solchen, bei dem es nach der Darstellung der Beklagten nie eine
  118. Beratungstätigkeit gegeben haben soll, hätte jedenfalls Veranlassung bestanden, den sich akut aufdrängenden Seriositätsbedenken nachzugehen. Noch
  119. etwa notwendige Ermittlungen seien mit gebotener Eile durchzuführen gewesen.
  120. 8
  121. Die von der Beklagten weiter geltend gemachte Missachtung von Weisungen durch den Kläger im Rahmen der Aufklärungstätigkeit im Jahre 2009
  122. trage die fristlose außerordentliche Kündigung nicht. Soweit die kündigungsrelevanten Umstände bereits im Jahre 2004 bekannt gewesen seien oder zu dieser Zeit jedenfalls die gebotenen Erkundigungen verabsäumt worden seien, sei
  123. es schon im Ansatz verfehlt, etwaige Versäumnisse des Klägers bei der Aufdeckung eben dieser Vorgänge im Jahre 2009 für ein gleichsam wieder auflebendes Kündigungsrecht ins Feld zu führen. Dass dem Kläger darüber hinaus Verfehlungen bei der Aufklärung anzulasten wären, die für sich die ausgesprochene Kündigung tragen würden, sei nicht feststellbar.
  124. 9
  125. Schließlich bestehe auch kein Kündigungsgrund in Bezug auf das Verhalten des Klägers bei der Verlängerung des Beratervertrages mit der
  126. K.
  127. GmbH bezüglich des Komplexes G.
  128. .
  129. 10
  130. II. Das Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
  131. 11
  132. 1. Im Ergebnis noch zutreffend hat es das Berufungsgericht für maßgebend erachtet, ob die Geschäftsführer der Alleingesellschafterin der Beklagten
  133. schon im Februar 2004 Kenntnis von den möglichen Kündigungsgründen erlangt haben.
  134. -6-
  135. 12
  136. Nach § 626 Abs. 2 BGB kann die außerordentliche Kündigung des Geschäftsführeranstellungsvertrages nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Für
  137. die die Zweiwochenfrist in Lauf setzende Kenntnis im Sinn von § 626 Abs. 2
  138. BGB kommt es allein auf den Wissensstand des zur Entscheidung über die
  139. fristlose Kündigung berufenen und bereiten Gremiums der Gesellschaft an
  140. (BGH, Urteil vom 10. September 2001 - II ZR 14/00, ZIP 2001, 1957, 1958; Urteil vom 10. Januar 2000 - II ZR 251/98, ZIP 2000, 508, 510; Urteil vom 15. Juni
  141. 1998 - II ZR 318/96, BGHZ 139, 89, 92). Kündigungsberechtigt ist bei der
  142. GmbH grundsätzlich die Gesellschafterversammlung als das analog § 46 Nr. 5
  143. GmbHG zuständige Organ. Wenn die Gesellschaft nur einen Gesellschafter
  144. hat, kommt es auf dessen Kenntnis bzw. die Kenntnis des organschaftlichen
  145. Vertreters des Alleingesellschafters an. Dieser kann jederzeit eine Universalversammlung nach § 51 Abs. 3 GmbHG abhalten und damit eine Kündigung
  146. auch ohne Einberufung einer förmlichen Gesellschafterversammlung aussprechen (BGH, Urteil vom 20. Oktober 2008 - II ZR 107/07, ZIP 2008, 2260 Rn. 13;
  147. Beschluss vom 8. Januar 2007 - II ZR 267/05, ZIP 2007, 910 Rn. 7; Urteil vom
  148. 27. März 1995 - II ZR 140/93, ZIP 1995, 643, 645; Urteil vom 24. Februar 1954
  149. - II ZR 88/53, BGHZ 12, 337, 339).
  150. 13
  151. Allerdings kann die Befugnis, den Anstellungsvertrag zu kündigen, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sowohl im Gesellschaftsvertrag
  152. als auch durch die Gesellschafter auf andere Personen übertragen werden
  153. (BGH, Urteil vom 26. März 1984 - II ZR 120/83, BGHZ 91, 217, 218 f.). Davon
  154. hat die Alleingesellschafterin hier Gebrauch gemacht und ein Vorstandsmitglied
  155. der
  156. Stadtsparkasse
  157. D.
  158. D.
  159. bevollmächtigt,
  160. die
  161. S.
  162. mbH in allen Angelegenheiten betreffend die Beklagte
  163. zu vertreten und insbesondere Anstellungsverträge mit Geschäftsführern zu
  164. beenden. Die Bevollmächtigung eines Vorstandsmitglieds der Muttergesell-
  165. -7-
  166. schaft führt aber nicht dazu, dass für den Beginn der Kündigungserklärungsfrist
  167. allein die Kenntnis dieser Person maßgebend ist. Durch die Bevollmächtigung
  168. wurde die Befugnis der Geschäftsführer, für die Alleingesellschafterin zu handeln und den Beschluss über die Beendigung des Anstellungsvertrages zu fassen, nicht verdrängt. Immerhin haben die Geschäftsführer ausweislich des Protokolls der Gesellschafterversammlung den der Kündigung zugrunde liegenden
  169. Gesellschafterbeschluss gefasst und das Kündigungsschreiben unterzeichnet.
  170. 14
  171. Mussten
  172. D.
  173. die
  174. Geschäftsführer
  175. der
  176. S.
  177. mbH darüber hinaus vor einer Beschlussfassung über die Beendi-
  178. gung des Anstellungsvertrages mit dem Kläger die Zustimmung der Gesellschafterin, also der Stadtsparkasse D.
  179. , einholen, begann zwar die
  180. zweiwöchige Erklärungsfrist erst nach Eingang der Zustimmung zu laufen. In
  181. diesem Fall ist allerdings die Kündigungsmöglichkeit verwirkt, wenn die Geschäftsführer der S.
  182. D.
  183. mbH sich nach
  184. Kenntniserlangung nicht unverzüglich um die Zustimmung als Voraussetzung
  185. einer Beschlussfassung bemühten. Wenn die Einberufung der Gesellschafterversammlung von den einberufungsberechtigten Mitgliedern unangemessen
  186. verzögert wird, muss sich die Gesellschaft so behandeln lassen, als wäre die
  187. Gesellschafterversammlung mit der zumutbaren Beschleunigung einberufen
  188. worden (BGH, Urteil vom 15. Juni 1998 - II ZR 318/96, BGHZ 139, 89, 92 f.).
  189. Dieser Grundsatz gilt auch, wenn der Beschlussfassung ein anderes überwindbares Hindernis wie die Zustimmung der Gesellschafter-Gesellschafterin entgegensteht.
  190. 15
  191. 2. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht aber dem Schreiben vom
  192. 12. Februar 2004 eine Kenntnis der Geschäftsführer von den kündigungsrelevanten Tatsachen entnommen. Eine sichere und umfassende Kenntnis der für
  193. -8-
  194. die Kündigung maßgebenden Tatsachen liegt dann vor, wenn alles in Erfahrung
  195. gebracht worden ist, was als notwendige Grundlage für eine Entscheidung über
  196. Fortbestand oder Auflösung des Dienstverhältnisses anzusehen ist (BGH, Urteil
  197. vom 24. November 1975 - II ZR 104/73, WM 1976, 77, 78). Kennenmüssen
  198. oder grobfahrlässige Unkenntnis genügt nicht (vgl. BAG, NJW 2011, 2231,
  199. 2232; AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 46 mwN). Lediglich dann, wenn die
  200. Tatsachen bereits im Wesentlichen bekannt sind und noch zusätzliche Ermittlungen erforderlich sind, wie etwa die Anhörung des Betroffenen bei einer Verdachtskündigung oder die Ermittlung von gegen eine Kündigung sprechenden
  201. Tatsachen, sind diese zügig durchzuführen (BGH, Urteil vom 2. Juli 1984
  202. - II ZR 16/84, ZIP 1984, 1113, 1114; Urteil vom 24. November 1975
  203. - II ZR 104/73, WM 1976, 77, 78).
  204. 16
  205. Dem Schreiben vom 12. Februar 2004 lässt sich die positive Kenntnis
  206. der Geschäftsführer von den kündigungsrelevanten Tatsachen nicht entnehmen. Es beschränkt sich auf die Zustimmung zur Vertragsaufhebung und einen
  207. Dank für die Zusammenarbeit. Daraus lässt sich nicht schließen, dass die Geschäftsführer Kenntnis vom Abschluss eines Scheinvertrages oder des behaupteten Kompetenzverstoßes hatten. Die Aufhebung des Beratervertrages auf
  208. Bitte des Vertragspartners ist auch dann, wenn dieser in der Vergangenheit Beratungsleistungen erbracht hat, nichts Ungewöhnliches. Dass der Vertrag ohne
  209. die erforderliche Zustimmung des Vorstands der Muttergesellschaft abgeschlossen wurde, folgt aus seiner Aufhebung nicht. Der floskelhafte Dank für
  210. eine vertrauensvolle Zusammenarbeit lässt ebenfalls nicht erkennen, dass den
  211. Geschäftsführern der Scheincharakter des Vertrages oder ein Kompetenzverstoß bei seinem Abschluss bekannt war.
  212. -9-
  213. 17
  214. Dass
  215. nach
  216. dem
  217. Schreiben
  218. D.
  219. den
  220. Geschäftsführern
  221. der
  222. S.
  223. mbH die Existenz des Beratervertrages
  224. bekannt war, genügt nicht, um die Erklärungsfrist in Lauf zu setzen. Die Kenntnis von der Existenz eines Beratungsvertrages mit M.
  225. ist nicht alles, was als
  226. Grundlage für eine Entscheidung über den Fortbestand oder die Auflösung des
  227. Dienstverhältnisses benötigt wird. Den Geschäftsführern musste aus Anlass der
  228. Zustimmung zur Vertragsaufhebung und des Dankes für die Zusammenarbeit
  229. noch nicht einmal der Inhalt der Vertragsurkunde bekannt werden. Das Berufungsgericht hat auch nicht dargelegt, dass aus den schriftlichen Vereinbarungen zwischen M.
  230. und der S.
  231. zu erkennen sei, dass M.
  232. D.
  233. mbH
  234. keine Beratungsleistungen erbringen sollte sowie
  235. die Zustimmung des Vorstands der Stadtsparkasse D.
  236. zum Vertrags-
  237. schluss erforderlich war und fehlte. Eine Pflicht zur Ermittlung der für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen bestand entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts aus Anlass der Vertragsaufhebung nicht, da eine fahrlässige Unkenntnis der maßgeblichen Tatsachen nicht genügt, um die Erklärungsfrist auszulösen.
  238. 18
  239. 3. Das Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig.
  240. 19
  241. Etwaige Pflichtverletzungen des Klägers im Rahmen seiner Tätigkeit als
  242. Geschäftsführer der S.
  243. D.
  244. mbH können
  245. auch eine Kündigung seines Anstellungsvertrages als Geschäftsführer der Beklagten als einer anderen Konzerngesellschaft rechtfertigen.
  246. 20
  247. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung fehlt ein Kündigungsgrund nicht deshalb, weil der dem Kläger vorgeworfene Kompetenzverstoß jedenfalls wegen der Zustimmung des Vorstandsvorsitzenden der Stadtsparkasse
  248. D.
  249. in einem milderen Licht erscheint.
  250. - 10 -
  251. 21
  252. a) Allein auf den Kompetenzverstoß kommt es schon deshalb nicht an,
  253. weil der Kündigung nicht nur der Vorwurf zugrunde liegt, der Kläger habe den
  254. Beratungsvertrag ohne eine erforderliche Zustimmung der Alleingesellschafterin, der Stadtsparkasse D.
  255. , abgeschlossen, sondern vor allem der Vor-
  256. wurf, der Kläger habe einen Vertrag ohne Gegenleistung abgeschlossen, weil
  257. die Zahlungen der Versorgung von M.
  258. dienen sollten und dieser keine Bera-
  259. tungsleistungen erbringen sollte. Das Landgericht hat die Kündigung zudem
  260. auch darauf gestützt, dass der Kläger jedenfalls nach dem Scheitern des V. Fonds, für den nach dem Vortrag des Klägers der Beratungsvertrag abgeschlossen sein sollte, Anfang 2001 den Vertrag trotz einer jederzeitigen Kündigungsmöglichkeit nicht gekündigt hat. Beide Vorwürfe, mit denen sich die Revisionserwiderung nicht befasst und zu denen das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen hat, sind geeignet, einen Kündigungsgrund abzugeben.
  261. 22
  262. b) Auch der vorgeworfene Kompetenzverstoß vermag grundsätzlich eine
  263. Kündigung
  264. zu
  265. rechtfertigen
  266. (vgl.
  267. BGH,
  268. Urteil
  269. vom
  270. 25. Februar
  271. 1991
  272. - II ZR 76/90, ZIP 1991, 509, 510; Urteil vom 28. Juni 1993 - II ZR 119/92, NJWRR 1993, 1123, 1124). Die Zustimmungsbedürftigkeit wegen des Abschlusses
  273. eines Dienstvertrages, die die Gesellschaft zu Leistungen über einer bestimmten Höhe verpflichtete, entfiel entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht schon deshalb, weil die Stadtsparkasse K.
  274. sparkasse D.
  275. ihrerseits der Stadt-
  276. das Beratungshonorar erstatten sollte. Gegenüber M.
  277. war allein die Stadtsparkasse D.
  278. verpflichtet. Wenn - wie die Beklagte
  279. vorträgt - der Beratungsvertrag lediglich der Versorgung von M.
  280. dienen soll-
  281. te und er keine Beratungsleistungen erbringen sollte, begingen die zuständigen
  282. Mitarbeiter der Stadtsparkasse K.
  283. mit der Zusage der Kostenübernahme zu-
  284. dem eine Straftat (§ 266 StGB), so dass die Stadtsparkasse K. nicht zur Leistung verpflichtet war (§ 134 BGB).
  285. - 11 -
  286. 23
  287. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung scheidet ein Kompetenzverstoß auch nicht deshalb von vorneherein aus, weil der Kläger den Vertrag auf Weisung des Vorstandsvorsitzenden der Stadtsparkasse D.
  288. abgeschlossen hat. Darin lag die nach der Geschäftsordnung der S.
  289. D.
  290. mbH erforderliche Zustimmung der Ge-
  291. sellschafterin nicht, wenn der Vorstandsvorsitzende seinerseits die Zustimmung
  292. des Gesamtvorstands einholen musste und für den Kläger evident war, dass
  293. diese Zustimmung fehlte. Dann missbrauchte der Vorstandsvorsitzende seine
  294. Vertretungsmacht für die Stadtsparkasse. Die Evidenz eines Verstoßes für den
  295. Kläger ist nicht schon deshalb zu verneinen, weil der damalige Mitgeschäftsführer B.
  296. intern bei der S.
  297. D.
  298. mbH dafür
  299. zuständig war, auf die Einhaltung der Geschäftsordnung zu achten, und keine
  300. Bedenken anmeldete.
  301. 24
  302. Die Kündigung wegen eines Kompetenzverstoßes ist nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts auch nicht ausgeschlossen, weil er
  303. wegen der Mitwirkung des Vorstandsvorsitzenden und des Mitgeschäftsführers
  304. des Klägers in einem milderen Licht zu betrachten ist. Besondere Umstände
  305. können im einzelnen Fall allerdings dazu führen, dass ein Kompetenzverstoß in
  306. milderem Licht erscheint und kein Kündigungsgrund ist (vgl. BGH, Beschluss
  307. vom 4. Mai 2009 - II ZR 169/07, ZIP 2009, 2195 Rn. 12; Beschluss vom
  308. 10. Dezember 2007 - II ZR 289/06, ZIP 2008, 694 Rn. 2). Ob ein bestimmtes
  309. Verhalten als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung zu werten
  310. ist, hat aber in erster Linie der Tatrichter zu entscheiden (BGH, Urteil vom
  311. 9. März 1992 - II ZR 102/91, ZIP 1992, 539 f.). Da das Berufungsgericht zu dem
  312. behaupteten Kompetenzverstoß bisher - von seinem Rechtsstandpunkt aus
  313. folgerichtig - keine Feststellungen getroffen hat, kann der Senat die nach § 626
  314. Abs. 1 BGB erforderliche Abwägung nicht nachholen. In die Abwägung, ob es
  315. - 12 -
  316. dem Dienstherrn nicht zugemutet werden kann, den Dienstverpflichteten weiter
  317. zu beschäftigen, sind alle für die Vertragsparteien maßgebenden Umstände
  318. einzubeziehen (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 23. Oktober 1995 - II ZR 130/94,
  319. WM 1995, 2064, 2065 mwN).
  320. 25
  321. III. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist
  322. (§ 563 Abs. 1 ZPO).
  323. 26
  324. Der Kläger hat u.a. bestritten, dass der Beratervertrag nur zum Schein
  325. und zur Versorgung von M.
  326. abgeschlossen wurde, dass nach dem Schei-
  327. tern des V. -Fonds keine Beratungsleistungen mehr in Anspruch genommen
  328. wurden und dass für ihn erkennbar war, dass der Vorstandsvorsitzende nicht
  329. ohne Zustimmung des Gesamtvorstands der Sparkasse D.
  330. handeln
  331. durfte und gehandelt hat. Das Berufungsgericht wird sich auch mit der Behauptung des Klägers auseinanderzusetzen haben, die Geschäftsführer der
  332. S-Kapitalbeteiligungsgesellschaft Düsseldorf mbH hätten den Scheincharakter
  333. des Vertrages bereits vor der rückwirkenden Aufhebung des Beratervertrages
  334. gekannt. Insoweit weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass die Beklagte die
  335. Beweislast dafür trägt, dass die Erklärungsfrist eingehalten ist (BGH, Urteil vom
  336. 2. Juni 1997 - II ZR 101/96, GmbHR 1997, 998, 999; Urteil vom 2. Juli 1984
  337. - II ZR 16/84, ZIP 1984, 1113, 1114).
  338. 27
  339. Die Zurückweisung gibt dem Berufungsgericht auch Gelegenheit, sich
  340. mit den Einwänden der Revision gegen die Verneinung der weiteren, auf das
  341. Verhalten des Klägers im Jahr 2009 gestützten Kündigungsgründe im Rahmen
  342. der Aufklärung der Umstände, die zum Abschluss des Beratervertrages führten,
  343. und zu dem Komplex G.
  344. Beratervertrag K.
  345. GmbH auseinan-
  346. derzusetzen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts müssen ältere
  347. - 13 -
  348. Vorgänge, aus denen wegen Ablaufs der Erklärungsfrist kein Kündigungsrecht
  349. mehr hergeleitet werden kann, bei der Gesamtwürdigung nicht außer Betracht
  350. bleiben. Sie können vielmehr zur Unterstützung anderer Kündigungsgründe
  351. herangezogen werden, wenn wenigstens ein noch nicht erledigter Vorfall von
  352. nicht unerheblichem Gewicht vorhanden ist (vgl. BGH, Urteil vom 9. März 1992
  353. - II ZR 102/91, ZIP 1992, 539, 540).
  354. Strohn
  355. Reichart
  356. Born
  357. Drescher
  358. Sunder
  359. Vorinstanzen:
  360. LG Düsseldorf, Entscheidung vom 02.11.2010 - 35 O 28/09 OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 24.11.2011 - I-14 U 27/11 -