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425 lines
20 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. II ZR 265/16
  5. Verkündet am:
  6. 17. April 2018
  7. Stoll
  8. Justizamtsinspektorin
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. BGB § 311 Abs. 2
  19. Die einen nicht rein kapitalistisch als Anleger mit eigener Einlage einer Publikumsgesellschaft beigetretenen Altgesellschafter treffenden Aufklärungspflichten bei der Anbahnung des Aufnahmevertrags gegenüber den nach ihm rein kapitalistisch als Anleger beitretenden Gesellschaftern sind unabhängig von der Höhe der Kapitaleinlage
  20. des Altgesellschafters und der Anzahl weiterer Gesellschafter.
  21. BGH, Urteil vom 17. April 2018 - II ZR 265/16 - OLG Frankfurt in Darmstadt
  22. LG Darmstadt
  23. ECLI:DE:BGH:2018:170418UIIZR265.16.0
  24. -2-
  25. Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  26. vom 17. April 2018 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Drescher, die
  27. Richter Born und Sunder, die Richterin B. Grüneberg und den Richter
  28. V. Sander
  29. für Recht erkannt:
  30. Auf
  31. die
  32. Revision
  33. des
  34. Klägers
  35. wird
  36. das
  37. Urteil
  38. des
  39. 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main
  40. mit Sitz in Darmstadt vom 7. Juli 2016 aufgehoben.
  41. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung,
  42. auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  43. Von Rechts wegen
  44. Tatbestand:
  45. 1
  46. Der Kläger erklärte am 10. Dezember 2003 seinen Beitritt als Direktkommanditist mit einer Einlage von 60.000 € zzgl. 3 % Agio zu der E.
  47. P.
  48. M.
  49. GmbH & Co. KG II, einer Publikumsgesellschaft. Die Er-
  50. klärung erfolgte nach einem Beratungsgespräch mit dem Vermittler E.
  51. . Auf
  52. -3-
  53. der vom Kläger unterschriebenen Beitrittserklärung (Zeichnungsschein) unterzeichnete E.
  54. in der vorformulierten Zeile: "Vermittelt sowie Legitimationsprü-
  55. fung durchgeführt: Unterschrift Vermittler".
  56. 2
  57. Die Beklagte war Treuhandkommanditistin. Neben ihrer Tätigkeit für die
  58. Treugeber nahm sie auch Aufgaben für die Direktkommanditisten wahr. Sie leitete die auf ihr Treuhandanderkonto eingezahlten Kommanditeinlagen der
  59. Direktkommanditisten auf ein Sonderkonto der Fondsgesellschaft weiter.
  60. 3
  61. Im Zusammenhang mit der Zeichnung schloss der Kläger mit der Beklagten einen Verwaltungsvertrag. Nach dessen § 3.1 nahm die Beklagte sämtliche
  62. Rechte und Pflichten der Direktkommanditisten aus dem Gesellschaftsvertrag
  63. im fremden Namen wahr, soweit diese die Rechte und Pflichten nicht selbst
  64. ausübten.
  65. 4
  66. Die Beklagte wurde am 28. April 2004 als Kommanditistin mit einer Einlage in Höhe von 35.600 € in das Handelsregister eingetragen. Der Kläger behauptet, die Beklagte sei bereits zum Zeitpunkt seines Beitritts mit einer Kapitaleinlage von 100 € Gründungsgesellschafterin des Fonds gewesen.
  67. 5
  68. Der Kläger begehrt im Wesentlichen wegen Verletzung vorvertraglicher
  69. Aufklärungspflichten die Zahlung von 37.800 € sowie die Feststellung der Freistellung von sämtlichen Verpflichtungen, die ihm durch die Zeichnung seiner
  70. Kommanditbeteiligung entstanden sind und noch entstehen werden, Zug um
  71. Zug gegen Abtretung der Rechte an der Kommanditgesellschaft.
  72. 6
  73. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die
  74. Berufung zurückgewiesen. Der Kläger verfolgt mit der vom Senat zugelassenen
  75. Revision seine Klageanträge weiter.
  76. -4-
  77. Entscheidungsgründe:
  78. 7
  79. Die Revision des Klägers hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
  80. 8
  81. I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
  82. 9
  83. Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte bestünden weder unter dem
  84. Gesichtspunkt fehlerhafter Anlageberatung, noch wegen Prospekthaftung oder
  85. fehlerhafter Aufklärung durch die Beklagte als Treuhandkommanditistin.
  86. 10
  87. Den Prospekt habe der Kläger unstreitig erst nach der Zeichnung der Beteiligung erhalten. Prospektfehler könnten daher nicht ursächlich für die Beitrittsentscheidung des Klägers gewesen sein. Der Prospekt habe dem Vermittler E.
  88. nicht als Grundlage der Beratung gedient, sondern die persönliche Er-
  89. folgsprognose in Form einer auf die Beteiligungs- und Einkommensverhältnisse
  90. des Klägers zugeschnittenen Musterberechnung.
  91. 11
  92. Das Landgericht habe den Vortrag des Klägers zu einer angeblichen Auftragskette zwischen der Fondsgesellschaft, der Beklagten und dem Zeugen
  93. E.
  94. zu Recht als unzureichend zurückgewiesen. Aus dem Vortrag lasse sich
  95. nicht erkennen, welche natürlichen Personen an den behaupteten Handlungen
  96. beteiligt gewesen seien. Damit lägen die Voraussetzungen für eine Zurechnung
  97. von deren Verhalten zu Lasten der Fondsgesellschaft, der Vertriebsgesellschaft
  98. und schließlich auch der Beklagten nicht vor. Es sei nicht erkennbar, aufgrund
  99. welcher Umstände die Beklagte für eine falsche Aufklärung verantwortlich sein
  100. solle oder sie diese falsche Aufklärung initiiert hätte.
  101. -5-
  102. 12
  103. Zwar hafte ein Treuhandkommanditist, der eigene Anteile halte, bei einer
  104. Verletzung der Aufklärungspflicht gegenüber den Anlegern wie ein Gründungsgesellschafter, und das Verschulden eines Verhandlungsgehilfen werde ihm
  105. gemäß § 278 BGB zugerechnet. Es erscheine schon höchst zweifelhaft, ob die
  106. vom Kläger behauptete anfängliche Beteiligung der Beklagten mit 100 € eigenem Kommanditanteil angesichts der Anzahl und der Beteiligung anderer
  107. Kommanditisten an dem Fonds ausreiche, um einen maßgeblichen Anknüpfungspunkt für das erforderliche Eigeninteresse der Beklagten bilden zu können. Daneben sei zur Auffüllung eines Haftungstatbestands auch nicht ausreichend erkennbar vorgetragen, auf welcher tatsächlichen Grundlage der Vermittler bei der Beratung im Auftrag der Beklagten tätig geworden sein soll.
  108. 13
  109. II. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht
  110. stand.
  111. 14
  112. 1. Entgegen der Auffassung der Revision lässt sich eine Haftung aus
  113. dem Treuhandverhältnis zwischen der Beklagten und dem Kläger als Direktkommanditisten nicht begründen. Der Senat hat bereits entschieden, dass die
  114. Beklagte als Beteiligungsverwalterin oder als Einzahlungstreuhänderin nicht
  115. verpflichtet ist, einem Anleger für seine Beitrittsentscheidung ein richtiges Bild
  116. über das Beteiligungsobjekt zu vermitteln (BGH, Urteil vom 9. Mai 2017
  117. - II ZR 10/16, ZIP 2017, 1515 Rn. 10 mwN).
  118. 15
  119. 2. Nach dem für das Revisionsverfahren zu unterstellenden Sachverhalt
  120. kommt eine Haftung der Beklagten aus Prospekthaftung im weiteren Sinn für
  121. Aufklärungspflichtverletzungen des Vermittlers E.
  122. 16
  123. in Betracht.
  124. a) Bei einer Publikumspersonengesellschaft haftet ein mit einer eigenen
  125. Kapitaleinlage beteiligter Treuhandkommanditist wegen der Verletzung von
  126. Aufklärungspflichten bei der Anbahnung des Aufnahmevertrags auch gegen-
  127. -6-
  128. über nach ihm eintretenden Direktkommanditisten. Auf die Höhe der Kapitaleinlage des Altgesellschafters kommt es nicht an.
  129. 17
  130. aa) Die Prospekthaftung im weiteren Sinn ist ein Anwendungsfall der
  131. Haftung für Verschulden bei Vertragsschluss nach § 280 Abs. 1, 3, §§ 282, 241
  132. Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB. Danach obliegen dem, der selbst oder durch einen
  133. Verhandlungsgehilfen einen Vertragsschluss anbahnt, Schutz- und Aufklärungspflichten gegenüber seinem Verhandlungspartner, bei deren Verletzung er
  134. auf Schadensersatz haftet. Abgesehen etwa von dem Sonderfall des § 311
  135. Abs. 3 BGB, in dem auch ein Dritter haften kann, wenn er in besonderem Maße
  136. Vertrauen für sich in Anspruch genommen hat, trifft die Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss denjenigen, der den Vertrag im eigenen Namen abschließen will. Das sind bei einem Beitritt zu einer Kommanditgesellschaft
  137. grundsätzlich die schon zuvor beigetretenen Gesellschafter. Denn der Aufnahmevertrag wird bei einer Personengesellschaft zwischen dem neu eintretenden
  138. Gesellschafter und den Altgesellschaftern geschlossen (BGH, Urteile vom
  139. 9. Mai 2017 - II ZR 10/16, ZIP 2017, 1515 Rn. 12 und II ZR 344/15, ZIP 2017,
  140. 1267 Rn. 15, beide mwN). Da Anknüpfungspunkt für die Aufklärungspflichten
  141. die Anbahnung des Aufnahmevertrags ist, haftet ein mit einer eigenen Kapitaleinlage beteiligter Treuhandkommanditist auch gegenüber den neu eintretenden Direktkommanditisten, mit denen er (und die anderen Gesellschafter) den
  142. Aufnahmevertrag schließen (BGH, Urteil vom 9. Mai 2017 - II ZR 10/16,
  143. ZIP 2017, 1515 Rn. 13). Die an die Anbahnung eines Vertragsschlusses anknüpfenden Schutz- und Aufklärungspflichten treffen grundsätzlich denjenigen,
  144. der den Vertrag im eigenen Namen abschließen will. Gegenüber einem beitrittswilligen Neugesellschafter haftet daher der bereits vor diesem beigetretene
  145. Altgesellschafter. Der hierfür maßgebliche, Schutzpflichten begründende Zeitpunkt ist regelmäßig der Abschluss des Aufnahmevertrags des Altgesellschafters (vgl. BGH, Urteil vom 1. März 2011 - II ZR 16/10, ZIP 2011, 957 Rn. 7
  146. -7-
  147. mwN). Auf die für die Erlangung der Gesellschafterstellung lediglich deklaratorische Eintragung in das Handelsregister kommt es nicht an (BGH, Urteil vom
  148. 9. Mai 2017 - II ZR 10/16, ZIP 2017, 1515 Rn. 13).
  149. 18
  150. Nach dem für das Revisionsverfahren zu unterstellenden Vortrag des
  151. Klägers ist davon auszugehen, dass die Beklagte der E.
  152. P.
  153. M.
  154. GmbH & Co. KG II bereits vor dem Kläger mit einer eigenen Kapitaleinlage von 100 € beigetreten war. Das Berufungsgericht hat zwar ausgeführt: "Die
  155. Beklagte trat dem Medienfonds am 28.4.2004 als Kommanditist mit einer Einlage von 35.600 € bei." Auf dieses Datum, das nach dem Beitritt des Klägers
  156. liegt, ist indes nicht abzustellen, weil damit, wie sich bereits dem Tatbestand
  157. des landgerichtlichen Urteils entnehmen lässt, der für einen Beitritt eines Kommanditisten nicht maßgebliche Zeitpunkt der Eintragung in das Handelsregister
  158. gemeint ist. Wollte man, wie die Revisionsbeklagte, die Ausführungen des Berufungsgerichts als Feststellung des Inhalts verstehen, dass zwischen den Parteien ein Beitritt der Beklagten erst am 28. April 2004 unstreitig sei, wäre diese
  159. Feststellung nicht bindend. Denn dem Tatbestand kommt keine Beweiskraft
  160. nach § 314 ZPO zu, wenn und soweit er Widersprüche, Lücken oder Unklarheiten aufweist, die sich aus dem Urteil selbst ergeben (BGH, Urteil vom 12. Mai
  161. 2015 - VI ZR 102/14, ZIP 2015, 1835 Rn. 48 mwN). Dies wäre der Fall, weil das
  162. Berufungsgericht an anderer Stelle ausführt, dass der Kläger behauptet, die
  163. Beklagte sei bereits anfänglich beziehungsweise vor ihm mit einem eigenen
  164. Kapitalanteil von 100 € beigetreten.
  165. 19
  166. bb) Bei einer Publikumspersonengesellschaft ist eine Haftung wegen
  167. Verschuldens bei Vertragsschluss insoweit ausgeschlossen, als sie sich gegen
  168. Altgesellschafter richten würde, die nach der Gründung der Gesellschaft rein
  169. kapitalistisch als Anleger beigetreten sind (BGH, Urteil vom 9. Juli 2013
  170. - II ZR 9/12, ZIP 2013, 1616 Rn. 28; Urteil vom 21. Juni 2016 - II ZR 331/14,
  171. -8-
  172. ZIP 2016, 1478 Rn. 12; Urteil vom 9. Mai 2017 - II ZR 344/15, ZIP 2017, 1267
  173. Rn. 15; Urteil vom 9. Mai 2017 - II ZR 10/16, ZIP 2017, 1515 Rn. 16).
  174. 20
  175. Die Beklagte fällt nicht unter diese Ausnahme. Anders als rein kapitalistische Anleger verfolgte die Beklagte nicht ausschließlich Anlageinteressen.
  176. Vielmehr war sie als Treuhänderin in das Organisationsgefüge der Fondsgesellschaft eingebunden und erhielt für ihre Dienste nach § 15 des Gesellschaftsvertrags der Fondsgesellschaft eine jährliche Vergütung in Höhe von
  177. maximal 0,1 % des Kommanditkapitals (vgl. BGH, Urteil vom 9. Mai 2017
  178. - II ZR 10/16, ZIP 2017, 1515 Rn. 17).
  179. 21
  180. Die Haftung der Beklagten ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Beklagte im Verhältnis zu vielen anderen Gesellschaftern mit einer verhältnismäßig kleinen Kapitaleinlage
  181. beteiligt ist. Die einen nicht rein kapitalistisch als Anleger mit eigener Einlage
  182. einer Publikumsgesellschaft beigetretenen Altgesellschafter treffenden Aufklärungspflichten bei der Anbahnung des Aufnahmevertrags gegenüber den nach
  183. ihm rein kapitalistisch als Anleger beitretenden Gesellschaftern sind unabhängig von der Höhe der Beteiligung des Altgesellschafters und der Anzahl weiterer
  184. Gesellschafter. Da die Beklagte nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden
  185. Vortrag des Klägers einen eigenen Anteil hielt, kann offen bleiben, ob ein Treuhandgesellschafter, der ausschließlich als solcher beteiligt ist, einem geringeren
  186. Pflichtenkatalog unterliegt (vgl. BGH, Urteil vom 9. Mai 2017 - II ZR 344/15,
  187. ZIP 2017, 1267 Rn. 16 mwN).
  188. 22
  189. b) Es beruht auf einer Verkennung der Senatsrechtsprechung, dass es
  190. das Berufungsgericht abgelehnt hat, Aufklärungspflichtverletzungen des Vermittlers E.
  191. der Beklagten nach § 278 BGB zuzurechnen. Der Kläger hat vor-
  192. getragen, der Vertriebsmitarbeiter E.
  193. habe ihn auf der Grundlage des Emis-
  194. -9-
  195. sionsprospekts über verschiedene näher bezeichnete Umstände der Kapitalanlage unrichtig aufgeklärt. Hiervon ist für das Revisionsverfahren auszugehen.
  196. 23
  197. aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entspricht es der Lebenserfahrung, dass ein Prospektfehler für die Anlageentscheidung ursächlich geworden ist. Diese Vermutung kann allerdings widerlegt
  198. werden. Davon ist grundsätzlich dann auszugehen, wenn der Prospekt bei dem
  199. konkreten Vertragsschluss keine Verwendung gefunden hat (BGH, Urteil vom
  200. 3. Dezember 2007 - II ZR 21/06, ZIP 2008, 412 Rn. 16; Urteil vom 7. Dezember
  201. 2009 - II ZR 15/08, ZIP 2010, 176 Rn. 23; Urteil vom 13. Dezember 2012
  202. - III ZR 70/12, juris Rn. 11 jeweils mwN). Das Berufungsgericht hat festgestellt,
  203. dass der Kläger den Prospekt erst nach der Zeichnung erhalten hat.
  204. 24
  205. bb) Verwendung findet der Prospekt allerdings auch dann, wenn er den
  206. Anlagevermittlern oder -beratern als Arbeitsgrundlage für ihre Beratungsgespräche dient (BGH, Urteil vom 3. Dezember 2007 - II ZR 21/06, ZIP 2008, 412
  207. Rn. 16; Urteil vom 13. Dezember 2012 - III ZR 70/12, juris Rn. 11 beide mwN).
  208. Hiervon ist für das Revisionsverfahren auszugehen.
  209. 25
  210. Das Berufungsgericht hat zwar ausgeführt, ausweislich des von den Parteien vorgetragenen und des vom Landgericht festgestellten Sachverhalts habe
  211. nicht der Prospekt dem benannten Zeugen E.
  212. als Grundlage für die Beratung
  213. des Klägers gedient, sondern die bereits mit der Klageschrift vorgelegte, sogenannte persönliche Erfolgsprognose in Form einer auf die Beteiligungs- und
  214. Einkommensverhältnisse des Klägers zugeschnittenen Musterberechnung. Den
  215. zur Ausfüllung notwendigen Sachverhalt habe der Kläger trotz der Hinweise im
  216. angefochtenen Urteil auch im Berufungsrechtszug nicht vorgetragen. Es seien
  217. keinerlei Tatbestandsmerkmale dafür erkennbar, sondern es sei schlicht behauptet, der Vermittler habe auf der Grundlage des Prospekts falsch aufgeklärt.
  218. - 10 -
  219. 26
  220. Diese Ausführungen erfassen den Vortrag des Klägers nur unzureichend. Der Kläger hat bereits in erster Instanz vorgetragen und diesen Vortrag in zweiter Instanz in Bezug genommen, dass der Vertriebsmitarbeiter E.
  221. auf der Grundlage des Emissionsprospekts geschult worden und dieser als alleinige Arbeitsgrundlage verwendet worden sei. Er hat als Beweis dafür das
  222. Zeugnis des Vertriebsmitarbeiters E.
  223. angeboten. Der Kläger hat zudem auf
  224. Passagen des Prospekts hingewiesen, die Bestandteil der Beratung gewesen
  225. seien. Ob der Zeuge E.
  226. zusätzlich eine persönliche Erfolgsprognose in Form
  227. einer auf die Beteiligungs- und Einkommensverhältnisse des Klägers zugeschnittenen Musterberechnung benutzt hat, kann - so die Revision zu Recht dahinstehen. Das schließt eine Beratung auf der Grundlage des Prospekts nicht
  228. aus.
  229. 27
  230. Sollte der Prospekt hinreichende Aufklärung vermitteln, schließt die Verwendung des Prospekts zur Aufklärung des Klägers es nicht aus, unzutreffende
  231. Angaben des Vermittlers der Beklagten zuzurechnen. Vermittelt der Prospekt
  232. hinreichende Aufklärung, ist dies kein Freibrief, Risiken abweichend hiervon
  233. darzustellen und mit Erklärungen ein Bild zu zeichnen, das die Hinweise im
  234. Prospekt für die Entscheidung des Anlegers entwertet oder mindert (vgl. BGH,
  235. Urteil vom 4. Juli 2017 - II ZR 358/16, ZIP 2017, 1664 Rn. 11 mwN).
  236. 28
  237. cc) Das Vorbringen des Klägers ist entscheidungserheblich.
  238. 29
  239. Zwar hat das Landgericht, vom Berufungsgericht unbeanstandet, ausgeführt, der Vermittler sei überhaupt nicht im Pflichtenkreis der Beklagten tätig
  240. gewesen; die Beklagte sei nicht mit der Kapitalsuche beschäftigt gewesen. Das
  241. Berufungsgericht verlangt zudem die Benennung natürlicher Personen auf Seiten der juristischen Personen in einer Auftragskette zwischen der Fondsgesellschaft, der Beklagten und dem Zeugen E.
  242. und stellt die Frage, auf welcher
  243. - 11 -
  244. tatsächlichen Grundlage der Vermittler bei der Beratung im Auftrag der Beklagten tätig geworden sei.
  245. 30
  246. Damit hat das Berufungsgericht ebenso wie das Landgericht die Anforderungen an die Zurechnung nach § 278 BGB überspannt. Die Zurechnung einer
  247. Aufklärungspflichtverletzung eines Vermittlers an einen aufklärungspflichtigen
  248. Altgesellschafter kommt nicht nur dann in Betracht, wenn der Altgesellschafter
  249. mit der Kapitalsuche befasst ist oder es eine direkte vertragliche "Auftragskette"
  250. zwischen dem Altgesellschafter und dem Vermittler gibt. Die Beklagte muss
  251. selbst als aufklärungspflichtige Altgesellschafterin einem Beitrittsinteressenten
  252. für seine Beitrittsentscheidung ein zutreffendes Bild über das Beteiligungsobjekt
  253. vermitteln und ihn über alle Umstände, die für seine Anlageentscheidung von
  254. wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, insbesondere über die mit der
  255. angebotenen speziellen Beteiligungsform verbundenen Nachteile und Risiken
  256. zutreffend, verständlich und vollständig aufklären (BGH, Urteil vom 4. Juli 2017
  257. - II ZR 358/16, ZIP 2017, 1664 Rn. 9 mwN). Der aufklärungspflichtige Altgesellschafter, der sich zu den vertraglichen Verhandlungen über einen Beitritt eines
  258. eingeschalteten Vertriebs bedient und daher diesem oder von diesem eingeschalteten Untervermittlern die von ihm geschuldete Aufklärung der Beitrittsinteressenten überlässt, haftet über § 278 BGB für deren unrichtige oder unzureichende Angaben. Er muss sich das Fehlverhalten von Personen, die er mit
  259. den Verhandlungen zum Abschluss des Beitrittsvertrages ermächtigt hat, zurechnen lassen (BGH, Urteil vom 1. Oktober 1984 - II ZR 158/84, ZIP 1984,
  260. 1473, 1474; Urteil vom 14. Januar 1985 - II ZR 41/84, WM 1985, 533, 534;
  261. Urteil vom 14. Juli 2003 - II ZR 202/02, ZIP 2003, 1651, 1652; Urteil vom
  262. 26. September 2005 - II ZR 314/03, ZIP 2005, 2060, 2063; Urteil vom
  263. 3. Dezember 2007 - II ZR 21/06, ZIP 2008, 412 Rn. 17; Urteil vom 14. Mai 2012
  264. - II ZR 69/12, ZIP 2012, 1289 Rn. 11; Urteil vom 9. Juli 2013 - II ZR 9/12,
  265. ZIP 2013, 1616 Rn. 37; Urteil vom 4. Juli 2017 - II ZR 358/16, ZIP 2017, 1664
  266. - 12 -
  267. Rn. 10 mwN). Die Einschaltung eines Vertriebs ist einer Altgesellschafterin
  268. auch zurechenbar, wenn sie nicht selbst einen Vertrieb einschaltet, sondern die
  269. geschuldete Aufklärung einem Mitgesellschafter oder der Fondsgesellschaft
  270. überlässt und diese ihrerseits einen Vertrieb einschaltet.
  271. 31
  272. So war es hier. Die Beklagte hat ihre Pflicht zur Aufklärung von Beitrittsinteressenten auf die Komplementärin der Fondsgesellschaft übertragen, die
  273. die Beitrittsverhandlungen nicht durch eigene Mitarbeiter, sondern über einen
  274. Vertrieb geführt hat. Die Anwerbung von Beitrittsinteressenten oblag der
  275. Fondsgesellschaft, die über ihre Komplementärin handelte. Entsprechend sieht
  276. der Prospekt vor, dass die Komplementärin die Entgelte für den Vertrieb vereinbart, und der Zeichnungsschein ist derart gestaltet, dass neben der Zeile für
  277. die Annahmeerklärung der Komplementärin eine Zeile für die Unterschrift des
  278. Vermittlers vorformuliert ist.
  279. 32
  280. III. Das Urteil ist nicht aus anderen Gründen richtig. Die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede greift nicht durch. Entgegen der Auffassung
  281. der Revisionserwiderung ist § 51a WiPrO a.F. auf die Haftung des Altgesellschafters nicht anwendbar (vgl. BGH, Urteil vom 11. April 2013 - III ZR 80/12,
  282. juris Rn. 26).
  283. 33
  284. IV. Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die
  285. Sache ist, da sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht hat von seinem Rechtsstandpunkt aus zutreffend - keine Feststellungen zu den von
  286. dem Kläger behaupteten Aufklärungsmängeln und zum Zeitpunkt des Beitritts
  287. der Beklagten getroffen. Der Senat weist darauf hin, dass die Beklagte zum
  288. Zeitpunkt ihres Beitritts eine sekundäre Darlegungslast trifft (BGH, Urteil vom
  289. - 13 -
  290. 9. Mai 2017 - II ZR 10/16, ZIP 2017, 1515 Rn. 12; Urteil vom 9. Mai 2017
  291. - II ZR 345/15, juris Rn. 32).
  292. Drescher
  293. Born
  294. Grüneberg
  295. Sunder
  296. Sander
  297. Vorinstanzen:
  298. LG Darmstadt, Entscheidung vom 21.11.2014 - 27 O 102/14 OLG Frankfurt in Darmstadt, Entscheidung vom 07.07.2016 - 12 U 181/14 -