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24 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. II ZR 215/09
  5. Verkündet am:
  6. 22. März 2011
  7. Vondrasek
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. -2-
  13. Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 22. November 2010 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Dr. Bergmann, die Richterin Caliebe und die Richter Dr. Drescher,
  14. Born und Sunder
  15. für Recht erkannt:
  16. Auf die Revision des Klägers wird unter Zurückweisung seines
  17. weitergehenden Rechtsmittels und der Anschlussrevision der Beklagten das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts
  18. Karlsruhe vom 6. August 2009 teilweise abgeändert.
  19. Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung ihres
  20. Rechtsmittels im Übrigen und unter Zurückweisung der Anschlussberufung des Klägers das Urteil der 1. Zivilkammer des
  21. Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 13. Dezember 2007 teilweise
  22. abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
  23. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.712,52 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
  24. dem 21. November 2006 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  25. Die Kosten des Rechtsstreits in allen Instanzen tragen der Kläger
  26. zu 24 %, die Beklagte zu 76 %.
  27. Von Rechts wegen
  28. -3-
  29. Tatbestand:
  30. 1
  31. Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der F.
  32. gungsgesellschaft
  33. Beteili-
  34. KG (im Folgenden: Schuldnerin), deren Gesellschafts-
  35. zweck die Beteiligung als Kommanditistin an den Objektgesellschaften des F.
  36. Fonds
  37. 2
  38. war.
  39. Die Beklagte erklärte am 20. Juli 1999 gegenüber der Treuhänderin
  40. P.
  41. Verwaltungs- und Treuhandgesellschaft mbH ihren Beitritt zur Schuld-
  42. nerin mit einer Beteiligungssumme von 100.000 DM zuzüglich 5 % Agio. Die
  43. Treuhänderin übernahm gemäß § 1 des Treuhandvertrages für die Beklagte die
  44. förmliche Stellung als Kommanditistin im Handelsregister; nach § 5 des Treuhandvertrages hatte der Treugeber die Treuhänderin von ihrer persönlichen
  45. Kommanditistenhaftung freizustellen.
  46. 3
  47. § 12 des Gesellschaftsvertrages lautet auszugsweise:
  48. (1) An dem Vermögen und am Gewinn und Verlust der Gesellschaft sind allein
  49. die Kommanditisten in dem zum 31.12. des betreffenden Geschäftsjahres gegebenen Verhältnis ihrer festen Kapitalkonten ab dem der Einzahlung der Einlage folgenden Monatsersten beteiligt.
  50. (3) Die Gesellschaft hat die Ausschüttungen, die die Gesellschaft von den Objektgesellschaften erhält und die nach Abdeckung ihrer Kosten und Aufrechterhaltung einer Liquiditätsreserve in der in der Liquiditätsprognose des Beteiligungsprospektes angegebenen Höhe verbleiben, ab 1999 halbjährlich, jeweils
  51. bis 31.01. und 31.07. des Jahres, erstmals bis 31.01.2000, an die Kommanditisten im Verhältnis der Ergebnisbeteiligung gemäß Ziff. 1 auszuschütten. Das gilt
  52. auch dann, wenn die Kapitalkonten durch vorangegangene Verluste unter den
  53. Stand der Kapitaleinlage abgesunken sind.
  54. (4) Soweit die Ausschüttungen der Gesellschaft an die Kommanditisten nach
  55. den handelsrechtlichen Vorschriften als Rückzahlung der von dem Beteiligungstreuhänder für Rechnung seiner Treugeber geleisteten Kommanditeinlage anzusehen sind, entsteht für den Beteiligungstreuhänder eine persönliche
  56. Haftung für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft (§ 172 Abs. 4 HGB). Von dieser Haftung haben diejenigen Treugeber bzw. Kommanditisten, für die der Beteiligungstreuhänder die Kommanditbeteiligung im eigenen Namen hält, den
  57. -4-
  58. Beteiligungstreuhänder nach Maßgabe des Treuhandvertrages (Anlage 2) freizustellen.
  59. 4
  60. In den Jahren 2000 bis 2004 erhielt die Beklagte in zwei Zahlungen jeweils zum 31. Januar und 31. Juli eines jeden Jahres, erstmals am 31. Juli
  61. 2000, Ausschüttungen in Höhe von insgesamt 14.060,52 €. Die Handelsbilanzen der Schuldnerin wiesen für 1999 bis 2002 Gewinne aus, die die Ausschüttungen jedoch nicht in vollem Umfang deckten; in den Jahren 2003 und 2004
  62. wiesen sie Verluste aus.
  63. 5
  64. Die Schuldnerin stellte am 29. Juli 2005 Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen Zahlungsunfähigkeit; das Verfahren wurde am 20. April
  65. 2006 eröffnet. Mit Vereinbarung vom 6. April 2006 ließ sich der Kläger von der
  66. Treuhandkommanditistin deren Freistellungsansprüche gegen die Anleger abtreten. Er forderte die Beklagte unter Fristsetzung zum 20. November 2006 vergeblich zur Rückzahlung der Ausschüttungen auf.
  67. 6
  68. Der Kläger hat seinen mit der Klage geltend gemachten Rückzahlungsanspruch auf § 172 Abs. 4, § 171 Abs. 2 HGB, hilfsweise auf abgetretenes
  69. Recht und auf §§ 134, 143 InsO gestützt. Das Landgericht hat der Klage aus
  70. abgetretenem Recht bis auf einen Betrag von 135,49 € stattgegeben. Auf die
  71. Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Dagegen wenden sich der Kläger mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision und die Beklagte mit der Anschlussrevision.
  72. Entscheidungsgründe:
  73. 7
  74. Die Revision des Klägers hat überwiegend Erfolg und führt zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils in Höhe von 10.712,52 €. Die Anschlussrevision der Beklagten hat keinen Erfolg.
  75. -5-
  76. 8
  77. I. Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
  78. 9
  79. Die Beklagte hafte dem Kläger nicht unmittelbar als Kommanditistin. Ein
  80. Anspruch aus Insolvenzanfechtung scheitere an der Entgeltlichkeit der Ausschüttungen. Zwar könne der Kläger aus abgetretenem Recht die Rückzahlung
  81. sämtlicher Ausschüttungen verlangen. Der Anspruch sei indes durch Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch gegen die Treuhandkommanditistin
  82. aus Aufklärungspflichtverletzung erloschen.
  83. 10
  84. II. Das hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.
  85. 11
  86. 1. Der Senat hat die Rüge der mangelnden Zulässigkeit der Berufung
  87. geprüft und für nicht durchgreifend erachtet (§ 564 ZPO).
  88. 12
  89. 2. Noch zutreffend hat das Berufungsgericht einen unmittelbaren Anspruch des Klägers gegen die beklagte Treugeberin aus § 172 Abs. 4, § 171
  90. Abs. 1 und 2 HGB mangels formeller Kommanditisteneigenschaft verneint (vgl.
  91. BGH, Urteil vom 28. Januar 1980 - II ZR 250/78, BGHZ 76, 127, 130; Urteil vom
  92. 11. November 2008 - XI ZR 468/07, BGHZ 178, 271 Rn. 21; Urteil vom
  93. 12. Februar 2009 - III ZR 90/08, NZG 2009, 380 Rn. 35; Urteil vom 21. April
  94. 2009 - XI ZR 148/08, ZIP 2009, 1266 Rn. 15).
  95. 13
  96. 3. Dem Kläger steht indes entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts
  97. ein Anspruch in Höhe von 10.712,52 € aus abgetretenem Recht der Treuhandkommanditistin zu. Die Treuhandkommanditistin hat den Freistellungsanspruch
  98. aus § 5 des Treuhandvertrages, der zudem aus dem Geschäftsbesorgungsverhältnis zwischen Treuhandkommanditistin und der Beklagten folgt (§§ 675, 670
  99. BGB), wirksam an den Kläger abgetreten; der Anspruch ist nicht verjährt und
  100. -6-
  101. nicht durch Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen der Beklagten erloschen.
  102. 14
  103. a) Der Treuhandvertrag - und damit die darin enthaltene Freistellungsverpflichtung - ist entgegen der Ansicht der Anschlussrevision nicht wegen Verstoßes gegen Art. 1 § 1 RBerG gemäß § 134 BGB nichtig. Für die Frage, ob
  104. eine Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten im Sinne von Art. 1 § 1 RBerG
  105. vorliegt, ist entscheidend, ob der Schwerpunkt der geschuldeten Tätigkeit
  106. überwiegend auf wirtschaftlichem oder auf rechtlichem Gebiet liegt (st.Rspr.,
  107. vgl. nur BGH, Urteil vom 16. Dezember 2002 - II ZR 109/01, BGHZ 153, 214,
  108. 218; Urteil vom 25. April 2006 - XI ZR 29/05, BGHZ 167, 223 Rn. 15). Nur derjenige, der im Rahmen eines Immobilienfondsprojekts nicht nur die wirtschaftlichen Belange der Anleger wahrzunehmen, sondern für sie auch die erforderlichen Verträge abzuschließen hatte, bedurfte einer Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz
  109. (st.Rspr.,
  110. vgl.
  111. nur
  112. BGH,
  113. Urteil
  114. vom
  115. 14. Juni
  116. 2004
  117. - II ZR 393/02, BGHZ 159, 294, 299; Urteil vom 8. Mai 2006 - II ZR 123/05, ZIP
  118. 2006, 1201 Rn. 9). Eine Vollmacht, für die beklagte Treugeberin Verträge zu
  119. schließen, die diese selbst verpflichteten, enthält der Treuhandvertrag hier jedoch nicht. Die in § 1 Abs. 2 Satz 1 a - d des Treuhandvertrags genannten Verträge sind solche der Fondsgesellschaft oder der Objektgesellschaften mit Dritten.
  120. 15
  121. b) Der Freistellungsanspruch ist, wie das Berufungsgericht ebenfalls
  122. noch zutreffend erkannt hat, wirksam an den Kläger abgetreten worden.
  123. 16
  124. Die Abtretung ist nicht gemäß § 399 Fall 1 BGB ausgeschlossen. Zwar
  125. verändert der Freistellungsanspruch infolge der Abtretung seinen Inhalt, da er
  126. sich in einen Zahlungsanspruch umwandelt. Eine solche Veränderung des Leistungsinhalts hindert die Abtretung aber nicht, wenn der Freistellungsanspruch
  127. -7-
  128. gerade an den Gläubiger der zu tilgenden Schuld abgetreten wird (vgl. BGH,
  129. Urteil vom 22. Januar 1954 - I ZR 34/53, BGHZ 12, 136, 141 f.; Urteil vom
  130. 5. Mai 2010 - III ZR 209/09, ZIP 2010, 1295 Rn. 12; Palandt/Grüneberg, BGB,
  131. 70. Aufl., § 399 Rn. 4 m.w.N.). Als solcher ist hinsichtlich der sich aus der Kommanditistenhaftung gemäß § 171 Abs. 1, § 172 Abs. 4 HGB ergebenden Ansprüche im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Kommanditgesellschaft
  132. der Insolvenzverwalter anzusehen (vgl. auch OLG Köln, NZG 2009, 543, 544;
  133. OLG Stuttgart, ZIP 2010, 1694, 1695 f. m.w.N.). Gemäß § 171 Abs. 2 HGB ist
  134. er zur Durchsetzung der Ansprüche gegen Kommanditisten ermächtigt, während die Gesellschaftsgläubiger, die materiell-rechtliche Anspruchsinhaber bleiben, daran gehindert sind, ihre Ansprüche selbst geltend zu machen. Berechtigte Interessen des Schuldners des Freistellungsanspruchs, deren Schutz das
  135. Abtretungsverbot nach § 399 Fall 1 BGB bezweckt, werden durch die Abtretung
  136. an den Insolvenzverwalter anstelle des Gesellschaftsgläubigers nicht beeinträchtigt.
  137. 17
  138. Die Parteien haben die Abtretung auch nicht vertraglich ausgeschlossen,
  139. § 399 Fall 2 BGB. Eine solche Abrede ergibt sich insbesondere nicht aus § 5
  140. des Treuhandvertrages, der den Freistellungsanspruch der Treuhandkommanditistin regelt. Anhaltspunkte, die ein konkludent vereinbartes Abtretungsverbot
  141. nahe legen, sind nicht ersichtlich. Die Abtretung ist ferner weder sittenwidrig
  142. noch stellt sie eine unzulässige Rechtsausübung gemäß § 242 BGB dar. Infolge
  143. der Abtretung verwirklicht sich vielmehr nur das mit dem Treuhandvertrag verbundene Ziel, dass die wirtschaftlichen Folgen der Kommanditbeteiligung die
  144. Treugeber selbst treffen.
  145. 18
  146. c) § 172 Abs. 5 HGB steht dem Anspruch des Klägers nicht entgegen.
  147. Ein Gutglaubensschutz nach dieser Vorschrift setzt den Bezug von Gewinn
  148. aufgrund einer unrichtigen Bilanz voraus, die tatsächlich nicht vorhandene Ge-
  149. -8-
  150. winne ausweist (vgl. BGH, Urteil vom 20. April 2009 - II ZR 88/08, ZIP 2009,
  151. 1222 Rn. 12 m.w.N.). Die Ausschüttungen beruhten hier nicht auf in den Bilanzen ausgewiesenen Gewinnen, sondern waren gem. § 12 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages unabhängig von einem Gewinn der Gesellschaft aus den Liquiditätsüberschüssen zu zahlen.
  152. 19
  153. d) Infolge der Abtretung des Freistellungsanspruchs steht dem Kläger
  154. gegen die Beklagte ein Zahlungsanspruch, entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts allerdings nur in Höhe von 10.712,52 € zu. Die Treuhandkommanditistin kann in dieser Höhe die Freistellung von dem ihr gegenüber begründeten Anspruch aus § 171 Abs. 2, § 172 Abs. 4 HGB von der beklagten
  155. Treugeberin verlangen.
  156. 20
  157. aa) Durch die Ausschüttungen an die über die Treuhandkommanditistin
  158. beteiligten Treugeber hat die Schuldnerin die Einlage im Sinne von § 172
  159. Abs. 4 HGB teilweise zurückbezahlt (vgl. BGH, Urteil vom 20. Oktober 1975
  160. - II ZR 214/74, WM 1976, 130, 131; Urteil vom 28. Januar 1980 - II ZR 250/78,
  161. BGHZ 76, 127, 130; Strohn in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl.,
  162. § 172 Rn. 36). Der Anspruch aus § 172 Abs. 4, § 171 Abs. 1 und 2 HGB ist
  163. zwar nicht begründet, soweit die Haftsumme zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger nicht benötigt wird (vgl. BGH, Urteil vom 20. März 1958
  164. - II ZR 2/57, BGHZ 27, 51, 56 f.; Urteil vom 11. Dezember 1989 - II ZR 78/89,
  165. BGHZ 109, 334, 344; Strohn in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl.,
  166. § 171 Rn. 96). Diese Voraussetzung ist hier indes erfüllt. Die zur Insolvenztabelle festgestellten Forderungen, die nicht aus der Insolvenzmasse befriedigt
  167. werden können, übersteigen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts
  168. die Summe aller Ausschüttungen.
  169. -9-
  170. 21
  171. bb) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sind nicht sämtliche
  172. Ausschüttungen haftungsbegründend gewesen. Der Umfang, in dem die Haftung des Kommanditisten nach § 172 Abs. 4 HGB wieder auflebt, ist in dreifacher Hinsicht, nämlich durch die Haftsumme, die Höhe des ausgezahlten Betrags und durch das Ausmaß der dadurch gegebenenfalls entstehenden Haftsummenunterdeckung begrenzt (vgl. MünchKommHGB/K. Schmidt, 2. Aufl.,
  173. §§ 171, 172 Rn. 65). Im Streitfall ist das Kapitalkonto der Beklagten mit zuletzt
  174. 40.281,18 € gegenüber ihrer Haftsumme von 51.129,19 € (= 100.000 DM) nur
  175. um 10.848,01 € gemindert. Haftungsschädlich sind aber nur 10.712,52 € ausgezahlt worden. Die erste Ausschüttung für das 2. Halbjahr 1999 in Höhe von
  176. 1.789,52 € hat die Haftung aus § 172 Abs. 4 Satz 2 HGB nur in Höhe von
  177. 1.654,03 € wieder begründet. Vor dieser Ausschüttung war dem Kapitalkonto
  178. der Beklagten nach dem insoweit maßgeblichen Vortrag des Klägers und den
  179. von ihm vorgelegten Unterlagen ein anteiliger Gewinn für 1999 in Höhe von
  180. 135,49 € gutgeschrieben worden, dessen Entnahme nicht zum Wiederaufleben
  181. der Haftung führte. Alle nachfolgenden Ausschüttungen erfolgten zwar bei bereits bestehender Haftsummenunterdeckung. Müsste die Beklagte - wie das
  182. Berufungsgericht meint - alle Ausschüttungen erstatten, bliebe aber unberücksichtigt, dass das Kapitalkonto und damit die Haftsumme durch anteilige Gewinne in den Jahren 1999 bis 2002 teilweise wieder aufgefüllt wurden. Die Haftung nach § 171 Abs. 1, § 172 Abs. 4 HGB soll aber nur gewährleisten, dass die
  183. Haftsumme im Gesellschaftsvermögen gedeckt ist; auf mehr können die Gläubiger nicht vertrauen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 1982 - II ZR 201/81, BGHZ
  184. 84, 383, 387; MünchKommHGB/K. Schmidt, 2. Aufl., § 172 Rn. 64; Strohn in
  185. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 172 Rn. 44).
  186. 22
  187. Ausgehend von der Beispielsberechnung des Klägers ergibt sich bei
  188. Fortschreibung des Kapitalkontos der Beklagten folgende Berechnung:
  189. - 10 -
  190. Haftsumme/Einlage: 100.000 DM = 51.129,19 €
  191. Datum
  192. Stand
  193. konto
  194. Kapital-
  195. Ausschüttung
  196. Stand Kapitalkonto nachher
  197. Beitritt
  198. 51.129,19 €
  199. 31.7.2000
  200. 51.264,68 €
  201. 1.789,52 €
  202. 49.475,16 €
  203. 31.1.2001
  204. 31.7.2001
  205. 49.701,70 €
  206. 47.912,18 €
  207. 1.789,52 €
  208. 1.789,52 €
  209. 47.912,18 €
  210. 46.122,66 €
  211. 31.1.2002
  212. 31.7.2002
  213. 47.395,24 €
  214. 45.605,72 €
  215. 1.789,52 €
  216. 1.789,52 €
  217. 45.605,72 €
  218. 43.816,20 €
  219. 31.1.2003
  220. 31.7.2003
  221. 47.048,76 €
  222. 45.259,24 €
  223. 1.789,52 €
  224. 1.789,52 €
  225. 45.259,24 €
  226. 43.469,72 €
  227. 31.1.2004
  228. 31.7.2004
  229. 43.145,23 €
  230. 42.378,29 €
  231. 766,94 €
  232. 766,94 €
  233. 42.378,29 €
  234. 41.611,35 €
  235. 31.12.2004
  236. 40.281,18 €
  237. Gewinn/Verlust
  238. am Jahresende
  239. in 1999:
  240. + 135,49 €
  241. in 2000:
  242. + 226,54 €
  243. in 2001:
  244. + 1.272,58 €
  245. in 2002:
  246. + 3.232,56 €
  247. in 2003:
  248. - 324,49 €
  249. in 2004:
  250. - 1.330,17 €
  251. cc) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts muss sich der Klä-
  252. 23
  253. ger an der von ihm selbst als Beispiel so vorgetragenen Kapitalkontoentwicklung für eine Beteiligungssumme von 100.000 DM festhalten lassen. Zwar muss
  254. der Kommanditist darlegen und beweisen, dass eine unstreitige Ausschüttung
  255. die
  256. Haftung
  257. nicht
  258. wieder
  259. begründet
  260. hat
  261. (vgl.
  262. Strohn
  263. in
  264. Ebenroth/
  265. Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 172 Rn. 55 f.). Hier hat jedoch der Kläger mit seiner Beispielsberechnung selbst vorgetragen, dass die Ausschüttungen teilweise nicht haftungsbegründend waren. Er hat zudem Handelsbilanzen
  266. vorgelegt, die für die Jahre 1999 bis 2002 jeweils Gewinne der Schuldnerin ausweisen. Dass die Gewinne tatsächlich erzielt worden sind und jeweils den Kapitalkonten der Treugeber gemäß § 12 Abs. 1, 3 des Gesellschaftsvertrages auch
  267. zugewiesen worden sind, hat der Kläger in seiner Beispielsrechnung für eine
  268. - 11 -
  269. Kapitalkontenentwicklung bei einer Beteiligungssumme von 100.000 DM zugunsten der Treugeber selbst berücksichtigt. Nicht vorgetragen hat er hingegen,
  270. dass das Kapitalkonto durch vorangegangene Verluste bereits zum Zeitpunkt
  271. der ersten Ausschüttung gemindert war. Der Hinweis auf die steuerlichen Anlaufverluste, die zu der prospektierten Minderung der Steuerlast bei den Treugebern führen sollten, reicht dazu schon deshalb nicht, weil sich die Verluste
  272. aus der für die Kapitalkontoentwicklung maßgeblichen Handelsbilanz, auf die
  273. der Kläger sein Berechnungsbeispiel gestützt hat, nicht ergaben. Nach Vorlage
  274. der Steuerbilanzen hat der Kläger, was das Berufungsgericht übergangen hat,
  275. zudem selbst vorgetragen, dass er von den Handelsbilanzen ausgehe und die
  276. in den Steuerbilanzen ausgewiesenen höheren Verluste für den Anspruch aus
  277. § 172 Abs. 4 HGB nicht maßgeblich seien. Nach allgemeinen Grundsätzen (vgl.
  278. BGH, Urteil vom 17. Januar 1995 - X ZR 88/93, NJW-RR 1995, 684, 685) ist
  279. davon auszugehen, dass sich die Beklagte das Vorbringen des Klägers, soweit
  280. es für sie günstig ist, zumindest hilfsweise zu eigen gemacht hat.
  281. 24
  282. e) Das Berufungsgericht hat entgegen der Ansicht der Anschlussrevision
  283. zutreffend angenommen, dass der vom Kläger aus abgetretenem Recht geltend
  284. gemachte Zahlungsanspruch nicht verjährt ist.
  285. 25
  286. aa) Die Verjährungsfrist für den Befreiungsanspruch eines Treuhänders
  287. nach § 257 Satz 1 BGB beginnt nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs frühestens mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in dem die
  288. Forderungen fällig werden, von denen zu befreien ist (BGH, Urteil vom 5. Mai
  289. 2010 - III ZR 209/09, ZIP 2010, 1295 Rn. 21 f.; Urteil vom 12. November 2009
  290. - III ZR 113/09, ZIP 2010, 1299 Rn. 13). Der gesetzliche Befreiungsanspruch
  291. nach § 257 Satz 1 BGB wird zwar nach allgemeiner Auffassung sofort mit der
  292. Eingehung der Verbindlichkeit, von der freizustellen ist, fällig, unabhängig davon, ob diese Verbindlichkeit ihrerseits bereits fällig ist (BGH, Urteil vom 5. Mai
  293. - 12 -
  294. 2010 - III ZR 209/09, aaO Rn. 20 m.w.N.). Nach allgemeinen verjährungsrechtlichen Grundsätzen wäre der Zeitpunkt, zu dem ein Befreiungsanspruch entsteht und fällig wird, auch maßgeblich dafür, zu welchem Zeitpunkt die Verjährungsfrist des Freistellungsanspruchs beginnt (§ 199 BGB). Dies widerspräche
  295. indes den Interessen der Vertragsparteien eines Treuhandvertrags der hier vorliegenden Art. Wäre für den Lauf der Verjährungsfrist auf die Fälligkeit des Freistellungsanspruchs abzustellen, wäre die Treuhandkommanditistin regelmäßig
  296. bereits zu einem Zeitpunkt zur Geltendmachung ihres Freistellungsanspruchs
  297. gegenüber den Treugebern gezwungen, in dem weder die Fälligkeit der Drittforderung, von der freizustellen ist, absehbar ist noch feststeht, ob zu deren
  298. Erfüllung überhaupt auf Mittel der Treugeber zurückgegriffen werden muss.
  299. 26
  300. bb) Der Befreiungsanspruch der Treuhänderin ist danach nicht verjährt.
  301. Es ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass keine der eingegangenen
  302. Verbindlichkeiten im Sinne von § 257 Satz 1 BGB, für die die Treuhänderin
  303. nach § 128, § 161 Abs. 2, § 171 Abs. 1 und 2, § 172 Abs. 4 HGB in Höhe von
  304. 10.712,52 € haftet, in - im Hinblick auf die dreijährige Verjährungsfrist nach
  305. §§ 195, 199 Abs. 1 BGB und die Bekanntgabe des Ende Dezember 2006 eingereichten Prozesskostenhilfeantrags des Klägers (§ 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB) unverjährter Zeit fällig geworden ist.
  306. 27
  307. f) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann die Beklagte
  308. gegenüber dem Rückzahlungsanspruch des Klägers nicht mit etwaigen gegen
  309. die Treuhandkommanditistin bestehenden Schadensersatzansprüchen aufrechnen.
  310. - 13 -
  311. 28
  312. aa) Die Aufrechnung ist, anders als das Berufungsgericht meint, schon
  313. unzulässig.
  314. 29
  315. Über die gesetzlich oder vertraglich ausdrücklich geregelten Fälle hinaus
  316. ist eine Aufrechnung verboten, wenn nach dem besonderen Inhalt des zwischen den Parteien begründeten Schuldverhältnisses der Ausschluss als stillschweigend vereinbart angesehen werden muss (§ 157 BGB) oder wenn die
  317. Natur der Rechtsbeziehung oder der Zweck der geschuldeten Leistung eine
  318. Erfüllung im Wege der Aufrechnung als mit Treu und Glauben unvereinbar
  319. (§ 242 BGB) erscheinen lassen (BGH, Urteil vom 24. Juni 1985 - III ZR 219/83,
  320. BGHZ 95, 109, 113 m.w.N.). So liegt der Fall hier. Die Treuhandkommanditistin
  321. hat die Beteiligung treuhänderisch für Rechnung der Treugeber übernommen
  322. und gehalten. Bei einer Gestaltung der Anlegerbeteiligung wie der vorliegenden
  323. darf der Anleger zwar grundsätzlich, soweit sich das nicht aus der Zwischenschaltung des Treuhänders unvermeidbar ergibt, nicht schlechter stehen, als
  324. wenn er selbst Kommanditist wäre; er darf aber auch nicht besser gestellt werden, als wenn er sich unmittelbar beteiligt hätte. Ihn trifft daher, wenn keine besonderen Verhältnisse vorliegen, auch das Anlagerisiko so, als ob er sich unmittelbar als Kommanditist beteiligt hätte (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember
  325. 1979 - II ZR 240/78, ZIP 1980, 277, 278; Urteil vom 21. März 1988
  326. - II ZR 135/87, BGHZ 104, 50, 55). Die Einbindung der Anleger durch das Treuhandverhältnis erfasst auch die Haftung der Treuhandkommanditistin gegenüber Gesellschaftsgläubigern, soweit die Einlagen nicht erbracht oder wieder
  327. zurückbezahlt worden sind. Aus diesem Grund kann sich der Anleger der ihn
  328. mittelbar über die Inanspruchnahme durch die Treuhandkommanditistin treffenden Haftung gegenüber Gesellschaftsgläubigern nach §§ 171, 172 Abs. 4 HGB
  329. nicht durch Aufrechnung mit Ansprüchen gegen die Treuhandkommanditistin
  330. entziehen (vgl. OLG Düsseldorf, ZIP 1991, 1494, 1499; OLG Köln, NZG 2009,
  331. - 14 -
  332. 543, 544; Henze in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 177a
  333. Anh. B Rn. 102; Heymann/Horn, HGB, 2. Aufl., § 161 Rn. 176).
  334. 30
  335. bb) Die Aufrechnung der Beklagten würde im Übrigen auch nicht durchgreifen, weil sie eine Aufklärungspflichtverletzung nicht ausreichend dargelegt
  336. hat. Dass die Ausschüttungen nicht mit Gewinnen gleichzusetzen waren, ergab
  337. sich hinreichend deutlich aus dem Fondsprospekt. Dort wurde darauf hingewiesen, dass für die im Handelsregister eingetragenen Kommanditisten und für den
  338. Beteiligungstreuhänder eine persönliche Haftung für die Verbindlichkeiten der
  339. Gesellschaft entsteht, soweit die Einlagen der Kapitalanleger aus Liquiditätsüberschüssen der Gesellschaft zurückgezahlt werden. Ferner war dem
  340. Prospekt zu entnehmen, dass sich die prognostizierten Ausschüttungen nicht
  341. allein durch die angenommenen Mietzinsüberschüsse darstellen ließen, sondern auch durch die Höhe der Fremdfinanzierung (ca. 72 % des Gesamtaufwands der Objektgesellschaften), die anfänglichen Tilgungsaussetzungen und
  342. Entnahmen aus der Liquiditätsreserve, die zum Teil aus Eigenkapital gebildet
  343. wurde, in der ausgewiesenen Höhe möglich wurden.
  344. 31
  345. Auch war die Treuhandkommanditistin zu einer weitergehenden Erläuterung der Haftungsvorschrift des § 172 Abs. 4 HGB, die in § 12 des Gesellschaftsvertrages genannt wird, nicht verpflichtet (vgl. BGH, Beschluss vom
  346. 9. November 2009 - II ZR 16/09, ZIP 2009, 2335). Auf die eingeschränkte Handelbarkeit der Anteile weist der Prospekt ebenfalls hinreichend deutlich hin.
  347. 32
  348. 4. Ob der Kläger die Erstattung der Ausschüttungen gemäß §§ 143, 134
  349. Abs. 1 Satz 1 InsO verlangen könnte, kann dahinstehen. Jedenfalls ergäbe sich
  350. daraus keine höhere Forderung. Denn der Anspruch gemäß § 134 Abs. 1 InsO
  351. wäre begrenzt auf Ausschüttungen, die innerhalb von vier Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, den die Schuldnerin am 29. Juli
  352. - 15 -
  353. 2005 gestellt hat, vorgenommen worden sind, d.h. auf die Ausschüttungen ab
  354. dem 31. Juli 2001. Diese belaufen sich auf 10.481,48 €.
  355. Bergmann
  356. Caliebe
  357. Born
  358. Drescher
  359. Sunder
  360. Vorinstanzen:
  361. LG Waldshut-Tiengen, Entscheidung vom 13.12.2007 - 1 O 313/06 OLG Karlsruhe in Freiburg, Entscheidung vom 06.08.2009 - 4 U 11/08 -