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162 lines
6.0 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. II ZR 105/07
  5. Verkündet am:
  6. 5. Mai 2008
  7. Vondrasek
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. HGB §§ 171, 172 Abs. 4
  19. Die persönliche Haftung des Kommanditisten lebt nach § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB
  20. auch dann wieder auf, wenn an ihn ein Agio zurückgezahlt wird, sofern dadurch der
  21. Stand seines Kapitalkontos unter den Betrag seiner Haftsumme sinkt oder schon zuvor diesen Wert nicht mehr erreicht hat (Bestätigung von Sen.Beschl. v. 9. Juli 2007
  22. - II ZR 95/06, ZIP 2007, 2074; BGHZ 84, 383).
  23. BGH, Urteil vom 5. Mai 2008 - II ZR 105/07 - LG Berlin
  24. AG Charlottenburg
  25. -2-
  26. Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 5. Mai 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und
  27. die Richter Kraemer, Dr. Strohn, Caliebe und Dr. Reichart
  28. für Recht erkannt:
  29. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der Zivilkammer 52
  30. des Landgerichts Berlin vom 26. Februar 2007 im Kostenpunkt
  31. und insoweit abgeändert, als zum Nachteil der Klägerin erkannt
  32. worden ist.
  33. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der Zivilprozessabteilung 232 des Amtsgerichts Charlottenburg vom 16. Juni 2006
  34. wird zurückgewiesen.
  35. Die Kosten der Rechtsmittelverfahren werden der Beklagten auferlegt.
  36. Von Rechts wegen
  37. Tatbestand:
  38. 1
  39. Die Beklagte trat der Klägerin, einem 1997 gegründeten geschlossenen
  40. Immobilienfonds
  41. mit
  42. 281 Kommanditisten,
  43. mit
  44. Beitrittserklärung
  45. vom
  46. 26./29. Oktober 1999 bei. Sie zahlte die vereinbarte Hafteinlage in Höhe von
  47. 100.000,00 DM zuzüglich eines Agios in Höhe von 5.000,00 DM (= 2.556,46 €).
  48. -3-
  49. 2
  50. Die Klägerin erzielte von Beginn an ausschließlich negative Jahresergebnisse mit der Folge, dass die Kapitalkonten der Kommanditisten durchweg
  51. negativ waren. Im Jahr 2000 nahm sie gleichwohl gegenüber den Kommanditisten eine Liquiditätsausschüttung in Höhe von 6 % der jeweiligen Kommanditeinlage vor.
  52. 3
  53. Als die Klägerin Anfang des Jahres 2004 nicht mehr in der Lage war, den
  54. Zins- und Tilgungsdienst für die bei der B.
  55. H.
  56. bank
  57. aufgenommenen Kredite zu zahlen, vereinbarte sie im Rahmen eines Sanierungskonzepts mit der Bank - auf deren Verlangen - u.a. die sofortige Fälligstellung eines Darlehensteilbetrages in Höhe des an die Kommanditisten insgesamt gezahlten Ausschüttungsbetrages. Die Gesellschafterversammlung hatte
  58. die Geschäftsführer zuvor mit einer Stimmenmehrheit von 99,15 % mit dem Abschluss dieser Vereinbarung beauftragt.
  59. 4
  60. Die Bank hat die Klägerin - unter hierzu erteilter Zustimmung der Gesellschafterversammlung - dazu ermächtigt, ihre Forderungen gegen die Kommanditisten aus §§ 171, 172 Abs. 4 HGB im eigenen Namen und auf fremde Rechnung geltend zu machen. Nachdem die Klägerin die Beklagte außergerichtlich
  61. vergeblich zur Rückzahlung des auf sie entfallenden Ausschüttungsbetrages in
  62. Höhe von 3.067,65 € aufgefordert hatte, erhob sie Klage auf Zahlung dieses
  63. Betrages nebst Zinsen sowie auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren.
  64. 5
  65. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat
  66. sie auf die Berufung der Beklagten in Höhe von 2.556,46 € (= Betrag des Agios)
  67. abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin.
  68. -4-
  69. Entscheidungsgründe:
  70. 6
  71. Die Revision hat in der Sache Erfolg und führt unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils zur Wiederherstellung des amtsgerichtlichen
  72. Urteils.
  73. 7
  74. I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung
  75. - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - im Wesentlichen ausgeführt:
  76. Die Ausschüttung an die Beklagte sei insoweit als haftungsunschädlich
  77. 8
  78. anzusehen, als die Beklagte über die im Handelsregister eingetragene Hafteinlage hinaus noch 2.556,46 € Agio an die Gesellschaft gezahlt habe, weil ihr
  79. durch eine Rückzahlung in Höhe des Agios etwas erstattet worden sei, das sie
  80. über den eingetragenen Betrag hinaus gezahlt habe, so dass ihre Haftungseinlage dadurch nicht gemindert worden sei.
  81. II. Das angefochtene Urteil hält im Umfang seiner Anfechtung revisions-
  82. 9
  83. rechtlicher Überprüfung nicht stand.
  84. 1. Die Beklagte ist gemäß §§ 171, 172 Abs. 4 HGB zur Rückzahlung des
  85. 10
  86. gesamten an sie ausgeschütteten Betrages in Höhe von 3.067,75 € verpflichtet.
  87. Wie der Senat bereits in BGHZ 84, 383, 387 f. und erneut - zeitlich nach dem
  88. Berufungsurteil - mit Hinweisbeschluss vom 9. Juli 2007 (II ZR 95/06, ZIP 2007,
  89. 2074 Tz. 8; a.A. Bayer/Lieder, ZIP 2008, 809 ff.) entschieden hat, ist nach § 172
  90. Abs. 4 HGB jede Rückzahlung an den Kommanditisten haftungsbegründend,
  91. wenn und soweit dadurch der Kapitalanteil des Kommanditisten unter den Betrag seiner Haftsumme sinkt oder schon zuvor diesen Wert nicht mehr erreicht
  92. hat.
  93. -5-
  94. 11
  95. 2. So liegt der Fall hier. Das Berufungsgericht hat - entgegen der unzutreffenden Ansicht der Revisionserwiderung - unter Bezugnahme auf das amtsgerichtliche Urteil festgestellt, dass unstreitig (a) die Klägerin von Beginn an
  96. ausschließlich negative Jahresergebnisse erzielte, (b) die Kapitalkonten der
  97. Kommanditisten dementsprechend durchweg negativ waren und (c) die Ausschüttungen den ohnehin schon negativen Kapitalanteil der Beklagten - weiter gemindert haben. Angesichts dessen ist durch die Ausschüttung die persönliche, zunächst durch die Zahlung der Pflichteinlage ausgeschlossene Haftung
  98. der Beklagten im Umfang der an sie geleisteten Zahlung wieder aufgelebt, ohne
  99. dass es, wie das Berufungsgericht fälschlicherweise meint, darauf ankommt, ob
  100. das Agio nach den gesellschaftsvertraglichen Regelungen dem Eigenkapital
  101. -6-
  102. zuzurechnen ist, ob seine Rückzahlung im Gesellschaftsvertrag vorgesehen ist,
  103. oder ob die Rückzahlung ausdrücklich als "Rückzahlung des Agios" bezeichnet
  104. oder ohne Angabe eines Zahlungsgrundes geleistet worden ist.
  105. Goette
  106. Kraemer
  107. Caliebe
  108. Strohn
  109. Reichart
  110. Vorinstanzen:
  111. AG Berlin-Charlottenburg, Entscheidung vom 16.06.2006 - 232 C 73/06 LG Berlin, Entscheidung vom 26.02.2007 - 52 S 262/06 -