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1373 lines
82 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. II ZB 1/12
  4. vom
  5. 29. Juli 2014
  6. in dem Musterverfahren
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. nein
  11. BGHR:
  12. ja
  13. KapMuG § 1 Abs. 1 a.F.
  14. Generelle Feststellungen zur Art und Weise der Schadensberechnung können Gegenstand einer Feststellung im Kapitalanlegemusterverfahren sein.
  15. BGH, Beschluss vom 29. Juli 2014 - II ZB 1/12 - OLG München
  16. LG München I
  17. -2-
  18. Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. Juli 2014 durch den
  19. Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann und die Richterin Caliebe sowie die
  20. Richter Dr. Drescher, Born und Sunder
  21. beschlossen:
  22. 1. Auf die Rechtsbeschwerden der Musterbeklagten wird der
  23. Musterentscheid
  24. des
  25. Senats
  26. für
  27. Kapitalanleger-
  28. Musterverfahren des Oberlandesgerichts München vom
  29. 30. Dezember 2011 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 9. März 2012 unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel hinsichtlich der Feststellungen
  30. zu 1. (1) und 1. (2) a) und e) sowie 3. aufgehoben und werden die Feststellungen zu 1. (2) b) und d) sowie die Feststellung zu 4. klarstellend wie folgt neu gefasst:
  31. 1. (2) b) und d): Es wird festgestellt, dass der Prospekt über die
  32. Beteiligung an der
  33. VIP
  34. 4 GmbH & Co. KG hinsichtlich der Darstellung des Verlustrisikos unrichtig ist, weil der Prospekt beim Anleger den Eindruck erweckt, durch die Schuldübernahme der Musterbeklagten zu 2 werde unmittelbar der Erhalt von 115% des von
  35. ihm eingezahlten Kommanditkapitals abgesichert.
  36. 4. Bei der Berechnung des Schadens des Anlegers sind der
  37. zum Erwerb der Beteiligung an der
  38. VIP
  39. 4 GmbH & Co. KG geleistete Aufwand
  40. nebst Disagio, etwaige entstandene steuerliche Nachteile
  41. sowie die bei der Musterbeklagten zu 2 eingegangenen Dar-
  42. -3-
  43. lehensverbindlichkeiten, beschränkt auf das negative Interesse, zu berücksichtigen.
  44. Die Feststellungen zu 1. (2) a) und e) werden wie folgt abgeändert:
  45. 1. Es wird nicht festgestellt, dass der am 26.03.2004 von der
  46. VIP Vermögensberatung
  47. GmbH,
  48. für die Beteiligung an der
  49. VIP
  50. 4 GmbH & Co. KG,
  51. veröffentlichte Prospekt in fol-
  52. genden Punkten unrichtig, unvollständig und irreführend ist:
  53. (2) [Streitpunkt 2] Das Verlustrisiko ist fehlerhaft dargestellt, da
  54. a) nicht 115% des Kommanditkapitals abgesichert sind,
  55. e) die Schuldübernahme fehlerhaft und irreführend als Garantie bezeichnet ist.
  56. Im Umfang der weitergehenden Aufhebung (1. (1) und 3.) wird die
  57. Sache an das Oberlandesgericht zur erneuten Ent-scheidung
  58. - auch über die Kosten des Rechtsbeschwer-deverfahrens - zurückverwiesen.
  59. 2. Der Streitwert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf
  60. 30.000.000 € festgesetzt.
  61. -4-
  62. Gründe:
  63. A.
  64. 1
  65. Die Musterklägerin beteiligte sich über die Treuhandkommanditistin MTM
  66. München Vermögensverwaltung GmbH im Jahr 2004 an der
  67. VIP
  68. 4 GmbH & Co. KG (nachstehend
  69. VIP 4 oder Fondsgesellschaft). Der Beteiligung lag ein Prospekt vom 26. März
  70. 2004 zu Grunde, der eine Zeichnungsfrist bis zum 14. Dezember 2004 vorsah.
  71. Sie nimmt neben weiteren, beigeladenen Anlegern die Musterbeklagten unter
  72. dem Gesichtspunkt der Prospekthaftung im engeren Sinne auf Schadenersatz
  73. in Anspruch.
  74. 2
  75. Gegenstand der Fondsgesellschaft ist die weltweite Entwicklung, Produktion, Koproduktion, Verwertung und Vermarktung sowie der weltweite Vertrieb
  76. von Kino-, Fernseh- und Musikproduktionen und anderen audiovisuellen Produktionen jeder Art sowie damit zusammenhängenden Nebenrechten, insbesondere Merchandising. Nach dem Prospekt war vorgesehen, dass die Fondsgesellschaft sog. unechte Auftragsproduktionen an Produktionsdienstleister
  77. vergibt, wofür insgesamt ca. 87,2% der Einlagen ohne Agio aufgewandt werden
  78. sollten. Der Fonds sollte als Hersteller der Filme anzusehen sein, mit der Folge,
  79. dass die Filme als selbst geschaffene und damit nicht aktivierbare immaterielle
  80. Wirtschaftsgüter i.S.d. § 5 Abs. 2 EStG in der zum Zeitpunkt der Herausgabe
  81. des Prospekts geltenden Fassung und die Herstellungskosten entsprechend als
  82. sofort abziehbare Betriebsausgaben gelten sollten.
  83. 3
  84. Die Verwertung der Rechte an der jeweiligen Produktion sollte einem Lizenznehmer überlassen werden, der sich im Gegenzug u.a. zur Leistung einer
  85. Schlusszahlung verpflichten sollte, die spätestens am 30. November 2014 zu
  86. leisten ist. Die Musterbeklagte zu 2 sollte die Schlusszahlungsverpflichtung des
  87. -5-
  88. Lizenznehmers gegen Zahlung eines Entgelts mit schuldbefreiender Wirkung
  89. übernehmen. Die vertragsgemäße Verwendung und Auszahlung des Kommanditkapitals sollte von einer Steuerberatungsgesellschaft als unabhängige Mittelverwendungskontrolleurin sichergestellt werden, die Mittel für die Filmproduktion neben weiteren Voraussetzungen nur dann freigeben durfte, wenn 132,64%
  90. der budgetierten Produktionskosten ohne Agio (entspricht 115% des Kommanditkapitals ohne Agio) bezüglich des Anteils der Gesellschaft an dem Projekt
  91. durch Bankgarantie oder einer Garantie mit vergleichbarer Sicherheit abgesichert sind. Die Erlöse aus der erstmaligen Investition der Fondsgesellschaft in
  92. Filmprojekte sollten nach Abzug der laufenden Ausgaben und Ausschüttungen
  93. wiederum in Filmprojekte investiert werden, hinsichtlich derer eine Absicherung
  94. durch eine Schuldübernahme nicht vorgesehen war.
  95. 4
  96. Der Prospekt sah ferner vor, dass die Kommanditeinlage der Anleger zu
  97. 54,5% nebst 5% Agio aus eigenen Mitteln und in Höhe von 45,5% aus einem
  98. Darlehen der Musterbeklagten zu 2 finanziert wird. Nach dem im Prospekt als
  99. Entwurf abgedruckten Darlehensvertrag sollte das Darlehen bei einer Laufzeit
  100. bis zum 30. November 2014 mit 7,475% p.a. verzinst und zum Laufzeitende
  101. einschließlich Zinsen in einem Betrag zurückgezahlt werden, wobei die Rückzahlung aus den durch die Schuldübernahmen abgesicherten Schlusszahlungen vorgesehen war.
  102. 5
  103. Der Musterbeklagte zu 1 war zum Zeitpunkt der Herausgabe des Prospekts Geschäftsführer der VIP Vermögensberatung
  104. GmbH, die nach
  105. dem Prospekt Initiatorin, Geschäftsbesorgerin und Prospektherausgeberin war.
  106. Ferner war der Musterbeklagte zu 1 Mitgeschäftsführer der
  107. VIP
  108. Geschäftsführungs GmbH, der Komplementärin und
  109. Geschäftsführerin der Fondsgesellschaft, sowie Vorstand der VIP
  110. -6-
  111. AG, die für die Anlagebetreuung und als Eigenkapitalvermittlerin tätig
  112. wurde.
  113. 6
  114. Der Fonds zahlte die für die Filmproduktion bestimmten Mittel nachfolgend an die jeweiligen Produktionsdienstleister. Diese leiteten hiervon den zur
  115. Deckung des Schuldübernahmeentgelts erforderlichen Anteil - ca. 80% - an den
  116. Lizenznehmer weiter, der damit seine Verpflichtungen gegenüber der schuldübernehmenden Bank erfüllte. Die Zahlungen erfolgten zeitgleich auf der
  117. Grundlage abgestimmter Aufträge (sog. Fund Flow Memos) von Konten, die die
  118. Beteiligten bei der Musterbeklagten zu 2 eingerichtet hatten.
  119. 7
  120. Das Landgericht hat auf insgesamt 32 Anträge nach dem KapitalanlegerMusterverfahrensgesetz hin eine Entscheidung des Oberlandesgerichts herbeigeführt. Das Oberlandesgericht (OLG München, Beschluss vom 30. Dezember
  121. 2011 - Kap 1/07, juris, berichtigt durch Beschluss vom 9. März 2012) hat durch
  122. Musterentscheid unter Abweisung der weitergehenden Anträge der Musterklägerin festgestellt:
  123. 1. Der am 26.03.2004 von der VIP Vermögensberatung
  124. GmbH,
  125. für die Beteiligung an der
  126. VIP
  127. 4 GmbH & Co. KG,
  128. veröffentlichte Prospekt ist in folgenden Punkten unrichtig, unvollständig und irreführend:
  129. (1) [Streitpunkt 1] Das steuerliche Anerkennungsrisiko ist fehlerhaft dargestellt, da
  130. a) der tatsächliche Zahlungsfluss und die Zahlungsmodalitäten unzutreffend dargestellt sind
  131. b) der tatsächliche Zahlungsfluss nicht den Prospektangaben entspricht
  132. c) auf Grund des Zahlungsflusses steuerschädliche Auswirkungen
  133. bestehen
  134. (2) [Streitpunkt 2] Das Verlustrisiko ist fehlerhaft dargestellt, da
  135. -7-
  136. a) keine Absicherung von 115% des Kommanditkapitals
  137. b) keine Absicherung aus Sicht des Anlegers
  138. c) vorrangige Absicherung der den Anlegern gewährten Darlehen
  139. d) keine Absicherung von 115% des Eigenkapitals des Anlegers
  140. e) fehlerhafte und irreführende Bezeichnung der Schuldübernahme
  141. als Garantie
  142. (3) [Streitpunkt 8] Die Prognoserechnung ist fehlerhaft dargestellt
  143. 2. a) Der Musterbeklagte zu 1) ist für den am 26.03.2004 für die Beteiligung
  144. an der
  145. VIP
  146. 4 GmbH & Co. KG,
  147. veröffentlichten
  148. Prospekt als
  149. Fondsinitiator nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im engeren
  150. Sinne verantwortlich.
  151. b) Der Musterbeklagte zu 1) hat bei der Veröffentlichung des Prospekts
  152. für die Beteiligung an der
  153. VIP
  154. 4
  155. GmbH & Co. KG,
  156. nach den
  157. Grundsätzen der Prospekthaftung im engeren Sinne schuldhaft gehandelt.
  158. 3. a) Die Musterbeklagte zu 2) ist für den am 26.03.2004 für die Beteiligung
  159. an der
  160. VIP
  161. 4 GmbH & Co. KG,
  162. veröffentlichten Prospekt als
  163. „Hintermann“ und/oder „Garant“ nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im engeren Sinne verantwortlich.
  164. b) Die Musterbeklagte zu 2) handelte bei der Veröffentlichung des Prospekts für die Beteiligung an der
  165. VIP
  166. 4 GmbH & Co. KG,
  167. nach
  168. den Grundsätzen der Prospekthaftung im engeren Sinne schuldhaft.
  169. 4. Der Schaden des Anlegers besteht in dem von ihm zum Erwerb der Beteiligung an der
  170. VIP
  171. 4 GmbH & Co.
  172. KG,
  173. geleisteten Aufwand nebst
  174. Disagio, entstandenen steuerlichen Nachteilen, sowie den obligatorisch
  175. eingegangenen Darlehensverbindlichkeiten bei der Musterbeklagten zu
  176. 2), beschränkt auf das negative Interesse.
  177. 8
  178. Hiergegen wenden sich die Musterbeklagten mit der Rechtsbeschwerde
  179. jeweils im Umfang ihrer Beschwer.
  180. -8-
  181. B.
  182. 9
  183. Die Rechtsbeschwerden sind zulässig.
  184. 10
  185. I. Nach § 27 des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes in der seit
  186. dem 1. November 2012 geltenden Fassung (nachstehend KapMuG nF, BGBl. I,
  187. 2182) ist auf das Musterverfahren das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz
  188. in seiner bis zum 1. November 2012 geltenden Fassung anzuwenden (nachstehend KapMuG), weil in diesem Verfahren vor dem 1. November 2012 mündlich
  189. verhandelt worden ist.
  190. 11
  191. II. Die Rechtsbeschwerden sind statthaft. Die Sache hat nach § 15
  192. Abs. 1 Satz 2 KapMuG stets grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 574
  193. Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Formalien der Rechtsbeschwerden - für die § 575 ZPO
  194. gilt (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Oktober 2012 - XI ZB 12/12, ZIP 2012, 2177
  195. Rn. 13) - sind gewahrt.
  196. C.
  197. 12
  198. Die Rechtsbeschwerden der Musterbeklagten haben Erfolg, soweit diese
  199. sich gegen die Feststellungen zu 1. (1) und 1. (2) a) und e) sowie 3. wenden.
  200. 13
  201. Hinsichtlich der Feststellungen zu 1. (1) und 3. ist der Musterentscheid
  202. aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen. Im Übrigen kann der Senat - teilweise unter klarstellender Neufassung der Feststellungen - in der Sache entscheiden. Die weitergehenden Rechtsmittel der Musterbeklagten haben keinen Erfolg.
  203. -9-
  204. 14
  205. I. Die zu den Prospektfehlern getroffenen Feststellungen des Oberlandesgerichts halten einer rechtlichen Überprüfung hinsichtlich der Feststellungen
  206. zu 1. (1) und 1. (2) a) und e) nicht stand.
  207. 15
  208. 1. Die Rechtsbeschwerden der Musterbeklagten wenden sich mit Erfolg
  209. gegen die Feststellungen des Oberlandesgerichts zum Streitpunkt 1, das steuerliche Anerkennungsrisiko sei im Prospekt fehlerhaft dargestellt.
  210. 16
  211. a) Das Oberlandesgericht hat zu Streitpunkt 1 festgestellt, das steuerliche Anerkennungsrisiko sei fehlerhaft dargestellt, da der tatsächliche Zahlungsfluss und die Zahlungsmodalitäten unzutreffend dargestellt seien (a), der tatsächliche Zahlungsfluss nicht den Prospektangaben entspreche (b) und auf
  212. Grund des Zahlungsflusses steuerschädliche Auswirkungen bestünden (c).
  213. 17
  214. Es hat seine Feststellungen zum Streitpunkt 1 im Wesentlichen wie folgt
  215. begründet: Der Prospekt sehe für den Zahlungsfluss der Erstinvestition vor,
  216. dass zunächst das in den Schuldübernahmeverträgen vereinbarte Entgelt vom
  217. Lizenznehmer an die Musterbeklagte zu 2 geleistet werde und nachfolgend die
  218. Zahlung der Fondsgesellschaft an den Produktionsdienstleister erfolge. Tatsächlich seien demgegenüber 100% von der Fondsgesellschaft an den Produktionsdienstleister gezahlt worden. Dieser habe - auch unter Einschaltung von
  219. Subunternehmern - ca. 80% an den Lizenznehmer weitergeleitet, der diese
  220. wiederum an die Musterbeklagte zu 2 weitergeleitet habe. Von dritter Seite seien dann ca. 80% an den Produktionsdienstleister zurückgeflossen. Mit diesen
  221. 80% und den ursprünglich von dem Fonds an den Produktionsdienstleister gezahlten, nicht weitergeleiteten 20% seien dann tatsächlich Filme produziert
  222. worden. Lege man den Sachvortrag der Musterbeklagten zu 2 zu Grunde, dass
  223. intern die Weisung erteilt worden sei, die Überweisungen zuerst von dem Konto
  224. des Lizenznehmers auszuführen, habe sie sich gleichwohl entgegen den Vor-
  225. - 10 -
  226. schriften des Prospekts an die Stelle der Mittelverwendungskontrolleurin gestellt. Die von der Musterbeklagten zu 2 kontrollierten Fund Flow Memos verstießen als Ganzes gegen den Prospekt, weil zuerst die Überweisung des Lizenznehmers an die Musterbeklagte zu 2 hätte erfolgen müssen und die Mittelverwendungskontrolleurin nach der Bestätigung der Musterbeklagten zu 2 an
  227. die Fondsgesellschaft, dass die Schuldübernahmeverträge wirksam seien, hätte
  228. prüfen müssen, ob dies tatsächlich der Fall sei. Erst dann hätte sie die Mittel
  229. freigeben dürfen. Es sei von Anfang an geplant gewesen, von den Prospektangaben abzuweichen.
  230. 18
  231. Auf Grund des tatsächlichen, vom Prospekt abweichenden Zahlungsflusses bestünden steuerschädliche Auswirkungen, weil die Voraussetzungen für
  232. ein Umgehungsgeschäft im Sinne des § 42 Abs. 1 AO gegeben seien. Es hätten nur 20% der Investition in Filmproduktionen gedient. Bezüglich der restlichen 80% sei es das Ziel des Fonds gewesen, im Jahr 2014 115% von der
  233. Musterbeklagten zu 2 als Absicherung zu erhalten. Dieser Anteil sei nur aus
  234. „steuerlichen“ und nicht aus „unternehmerischen“ Gründen in die Filmproduktion geflossen. Das Steuerrecht sehe die Möglichkeit der Abschreibung der Investition als unternehmerische Beteiligung verbunden mit den sicheren Einkünften aus einer Kapitalanlage nicht vor. Für die gewählte Konstruktion seien keine
  235. wirtschaftlichen oder sonstigen beachtlichen Gründe zu erkennen; diese habe
  236. vielmehr dazu gedient, die in Wahrheit angestrebte festverzinsliche Anlage des
  237. Fondskapitals bei der Musterbeklagten zu 2 zu umgehen. Ohne die Schuldübernahme hätte die Gewinnprognose nach den Ausführungen des Prospekts
  238. ein Vielfaches betragen. Der einzig nachvollziehbare Grund, auf diese Gewinnaussichten zu verzichten, sei der Sicherheitsgedanke. In steuerlicher Hinsicht
  239. sei dies aber ein Umgehungsgeschäft, weil das fehlende Unternehmerrisiko
  240. durch einen Gewinnverzicht erkauft und stattdessen ein fester Gewinn in Form
  241. einer festverzinslichen Anlage gestaltet werde. Selbst wenn im Ergebnis ein
  242. - 11 -
  243. Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne des § 42 Abs. 1 AO
  244. nicht vorliegen sollte, wäre es erforderlich gewesen, in dem Prospekt nicht nur
  245. auf die allgemeinen steuerlichen Risiken hinzuweisen, sondern konkret dieses
  246. spezielle, wesentlich gesteigerte Risiko zu erläutern. Die Musterbeklagten könnten sich nicht darauf berufen, dass das Finanzamt im Rahmen einer vorläufigen
  247. Beurteilung die steuerliche Absetzbarkeit nicht in Zweifel gezogen habe. Dies
  248. ändere nichts an der Pflicht, die Risiken im Prospekt deutlich zu machen, weil
  249. es sich bei einer vorläufigen Anerkennung nicht um eine endgültige Entscheidung der Finanzbehörden handele.
  250. 19
  251. b) Die hiergegen gerichteten Rügen der Rechtsbeschwerden der Musterbeklagten haben Erfolg. Das Oberlandesgericht hat rechtsfehlerhaft angenommen, dass das steuerliche Anerkennungsrisiko im Prospekt fehlerhaft dargestellt ist.
  252. 20
  253. aa) Die Feststellung des Oberlandesgerichts, dass die Zahlungsabwicklung abweichend von den prospektierten Zahlungsflüssen erfolgt ist und diese
  254. Abweichung bereits bei der Herausgabe des Fondsprospekts geplant war, ist
  255. allerdings rechtlich nicht zu beanstanden.
  256. 21
  257. (1) Die Beweiswürdigung im Rechtsbeschwerdeverfahren ist nur auf
  258. Rechtsfehler zu überprüfen, § 576 Abs. 1 und 3 ZPO i.V.m. § 546 ZPO. An
  259. rechtsfehlerfrei getroffene tatsächliche Feststellungen ist das Rechtsbeschwerdegericht gebunden (§ 577 Abs. 2 Satz 4 ZPO i.V.m. § 559 Abs. 2 ZPO). Die
  260. Beweiswürdigung ist danach grundsätzlich Sache des Tatrichters und nur eingeschränkt darauf zu überprüfen, ob er sich mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die
  261. Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen
  262. Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom
  263. - 12 -
  264. 13. Dezember 2011 - XI ZR 51/10, BGHZ 192, 90 Rn. 29; Urteil vom 19. Juli
  265. 2004 - II ZR 217/03, WM 2004, 1726, 1729). Diese Grundsätze gelten auch für
  266. die Rechtsbeschwerde nach § 15 KapMuG (BGH, Beschluss vom 23. April
  267. 2013 - II ZB 7/09, ZIP 2013, 1165 Rn. 11).
  268. 22
  269. (2) Die tatrichterlichen Feststellungen des Oberlandesgerichts sind hiervon ausgehend rechtlich nicht zu beanstanden.
  270. 23
  271. (2.1) Dass die Buchungen nach dem Vorbringen der Musterbeklagten lediglich in einer vom Prospekt abweichenden Reihenfolge in das System der
  272. Musterbeklagten zu 2 eingegeben, jedoch „taggleich ausgeführt“ worden seien,
  273. vermag die Feststellung der Prospektwidrigkeit der tatsächlichen Zahlungsflüsse nicht in Frage zu stellen. Das Oberlandesgericht hat zutreffend hervorgehoben, dass die Freigabe der Mittel des Fonds nur erfolgen durfte, wenn die
  274. 132,64% der budgetierten Produktionskosten ohne Agio abgesichert waren (§ 1
  275. Nr. 1.1 b) des Mittelverwendungskontrollvertrags). Die im Prospekt vorgesehene Absicherung durch die Schuldübernahme der Musterbeklagten zu 2 setzte
  276. ihrerseits voraus, dass der Lizenznehmer das Schuldübernahmeentgelt eingezahlt hatte. Diese Voraussetzungen sind auch bei einer gleichzeitigen Ausführung der Buchungen nicht erfüllt.
  277. 24
  278. (2.2) Das Oberlandesgericht hat entgegen der Rechtsbeschwerde der
  279. Musterbeklagten zu 2 den zeitlichen Bezugspunkt für die Prospekthaftung nicht
  280. verkannt bzw. hierzu keine Feststellungen getroffen. Es hat deutlich gemacht,
  281. dass die ordnungsgemäße Zahlungsabwicklung zu keinem Zeitpunkt geplant
  282. war, und damit auch nicht bei Herausgabe des Prospekts. Diese Feststellung
  283. hat es auf der Grundlage einer aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden
  284. Würdigung des Parteivorbringens getroffen. Die Behauptung der Musterbeklagten zu 2, die Zahlungsabwicklung sei erst im Dezember 2004 vereinbart und
  285. - 13 -
  286. durchgeführt worden, steht dieser Würdigung nicht entgegen, weil das Oberlandesgericht angenommen hat, dass eine Vorfinanzierung des Schuldübernahmeentgelts durch den Lizenznehmer zwar theoretisch möglich, tatsächlich aber
  287. unrealistisch gewesen sei. Hiervon ausgehend kommt es auf die spätere Umsetzung der Zahlungsabwicklung bzw. den Zeitpunkt der mit den jeweiligen Lizenznehmern geführten Verhandlungen nicht an. Gleiches gilt für die von der
  288. Musterbeklagten zu 2 behaupteten internen Anweisungen zur Zahlungsabwicklung. Abgesehen davon, dass das Oberlandesgericht insoweit zutreffend hervorgehoben hat, dass auch bei einer unwiderruflichen Zahlungsanweisung des
  289. Lizenznehmers die Vorgaben des Mittelverwendungskontrollvertrags nicht eingehalten worden wären, geht aus dem von der Musterbeklagten zu 2 mitgeteilten Inhalt der Weisung nicht hervor, dass eine der Weisung entsprechende Abwicklung der Buchungen die im Prospekt dargestellten Zahlungsflüsse sichergestellt hätte. Aus dem FKD-Kreditprotokoll der Musterbeklagten zu 2 vom
  290. 8. März 2004 musste das Oberlandesgericht nichts für eine alternativ in Betracht kommende Zahlungsabwicklung herleiten. Im Gegenteil spricht der Inhalt
  291. des Protokolls dafür, dass die prospektwidrige Zahlungsabwicklung bereits bei
  292. Herausgabe des Prospekts feststand.
  293. 25
  294. In der Kurzbeschreibung der Struktur auf der Seite 3 des Protokolls heißt
  295. es im 3. Unterpunkt:
  296. „Im Rahmen dieser befreienden Schuldübernahme werden am Tag des
  297. Fundings eine unwiderrufliche Vorauszahlung in Höhe des abdiskontierten
  298. Betrages der übernommenen Zahlungsverpflichtungen auf ein internes
  299. HVB Konto geleistet. Hierbei handelt es sich um ein Zug-um-Zug Geschäft
  300. mit der Schuldübernahme, d.h. alle Buchungen erfolgen zeitgleich am Tag
  301. des Funding (Bargeschäft).“
  302. 26
  303. Ferner heißt es in der Zusammenfassung unter „Pro“ 6. Unterpunkt:
  304. „Alle Transaktionszahlungen werden über bei uns (HVB) geführte Konten
  305. abgewickelt.“
  306. - 14 -
  307. 27
  308. Diese Ausführungen lassen erkennen, dass die Abwicklung der Transaktionszahlungen ausschließlich über bei der Musterbeklagten zu 2 geführte Konten bereits unabhängig von dem späteren Lizenznehmer geplant war. Dies
  309. spricht für die Annahme, dass die Zahlungsflüsse bereits bei Prospekterstellung
  310. feststanden, und zwar unabhängig von dem späteren Lizenznehmer und den
  311. zur Zahlungsabwicklung zu treffenden Vereinbarungen. Dass andere Dokumente, zum Beispiel die Transaktionsbeschreibung, eine unwiderrufliche Zahlungsanweisung der Kundenbank des Lizenznehmers an die HVB als weitere Form
  312. der Zahlungsabwicklung in den Raum stellen, besagt nicht, dass diese ernsthaft
  313. in Betracht zu ziehen war.
  314. 28
  315. Das Oberlandesgericht hat auch zu Recht die Liquiditätsbetrachtung in
  316. dem FKD-Kreditprotokoll der Musterbeklagten zu 2 als Indiz für die Vorhersehbarkeit der Aufbringung des Schuldübernahmeentgelts aus dem Fondskapital
  317. gewertet. Die Formulierung legt schon dadurch, dass es die Liquiditätsbetrachtung an den Gesamtinvestitionskosten orientiert, mit denen ausweislich der
  318. Darstellung auf Seite 1 des Protokolls das Fondskapital gemeint ist, nahe, dass
  319. von einer Schmälerung des für die Filmproduktion (liquide) zur Verfügung stehenden Fondskapitals durch die Finanzierung des Schuldübernahmeentgelts
  320. ausgegangen wird. Gerade diese Schmälerung würde aber nicht eintreten,
  321. wenn das Schuldübernahmeentgelt aus anderen Mitteln aufgebracht würde.
  322. Dass diese Betrachtung nicht nach Parteien differenziert und ihr eine pauschale
  323. Betrachtung der „Studioseite“ zu Grunde gelegen haben mag, ändert daran
  324. nichts. Der von der Rechtsbeschwerde erhobene Einwand, nach der Vorstellung der Beteiligten seien die Mittel der Filmproduktion nicht dauerhaft entzogen
  325. worden, spricht ebenfalls nicht gegen die Würdigung des Oberlandesgerichts.
  326. Nachdem die tatrichterliche Würdigung auf den objektiven Erklärungsinhalt des
  327. Protokolls abstellt, kommt es auch nicht auf die von der Musterbeklagten zu 2
  328. unter Beweis gestellte Behauptung an, dass einzelne Mitarbeiter der Musterbe-
  329. - 15 -
  330. klagten zu 2 der Formulierung ein anderen Verständnis zu Grunde gelegt haben
  331. mochten. Schließlich konnte das Oberlandesgericht auch die Äußerung des
  332. Musterbeklagten zu 1, er sei von Finanzierungskosten des Produktionsdienstleisters ausgegangen, als Indiz dafür werten, dass der Abfluss der für die Filmproduktion bestimmten Mittel vorgesehen war. Die Rechtsbeschwerde zeigt
  333. kein Vorbringen auf, auf Grund dessen der Anfall anderweitiger Finanzierungskosten vom Oberlandesgericht ernsthaft in Betracht zu ziehen war.
  334. 29
  335. Die von den Musterbeklagten in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend befunden. Von
  336. einer weiteren Begründung wird insoweit gemäß § 577 Abs. 6 Satz 2, § 564
  337. Satz 1 ZPO abgesehen.
  338. 30
  339. bb) Das Oberlandesgericht hat aber rechtsfehlerhaft angenommen, dass
  340. im Prospekt ein besonderer Hinweis auf ein steuerliches Anerkennungsrisiko
  341. geboten war, weil damit gerechnet werden musste, dass die an den jeweiligen
  342. Produktionsdienstleister gezahlten Produktionskosten von den Finanzbehörden
  343. möglicherweise nicht als sofort abziehbare Betriebsausgaben anerkannt werden, soweit diese vom Produktionsdienstleister an den Lizenznehmer zur Deckung des Schuldübernahmeentgelts an die Musterbeklagte zu 2 weitergeleitet
  344. wurden. Zwar genügt es, wenn den Umständen nach bei der Erstellung des
  345. Prospekts das ernst zu nehmende Risiko bestand, dass der Betriebsausgabenabzug als Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 Abs. 1 AO)
  346. angesehen wird. Die hierzu getroffenen Feststellungen tragen die Annahme
  347. eines solchen Risikos allerdings nicht.
  348. 31
  349. (1) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss
  350. einem Anleger auch außerhalb des Anwendungsbereichs der gesetzlich geregelten Prospekthaftung durch einen im sogenannten grauen Kapitalmarkt her-
  351. - 16 -
  352. ausgegebenen Emissionsprospekt für seine Beitrittsentscheidung ein zutreffendes Bild über das Beteiligungsobjekt vermittelt werden. Er muss über alle Umstände, die für seine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind
  353. oder sein können, insbesondere über die mit der angebotenen speziellen Beteiligungsform verbundenen Nachteile und Risiken, zutreffend, verständlich und
  354. vollständig aufgeklärt werden, wozu auch eine Aufklärung über Umstände gehört, die den Vertragszweck vereiteln können (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom
  355. 24. April 1978 - II ZR 172/76, BGHZ 71, 284, 286 f.; Urteil vom 9. Juli 2013
  356. - II ZR 9/12, ZIP 2013, 1616 Rn. 33). Dies gilt insbesondere auch für die Risiken
  357. der steuerlichen Anerkennungsfähigkeit des konkreten Anlagemodells (BGH,
  358. Urteil vom 14. Juli 2003 - II ZR 202/02, ZIP 2003, 1651, 1653). Es muss aber
  359. nur über solche Risiken aufgeklärt werden, mit deren Verwirklichung ernsthaft
  360. zu rechnen ist oder die jedenfalls nicht nur ganz entfernt liegen (BGH, Urteil
  361. vom 23. Juli 2013 - II ZR 143/12, ZIP 2013, 1761 Rn. 12; vgl. auch Urteil vom
  362. 21. März 2005 - II ZR 149/03, ZIP 2005, 763, 765).
  363. 32
  364. (2) Ob unter Berücksichtigung der voraussehbaren Abwicklung des
  365. Fondsmodells ernsthaft mit der Annahme einer missbräuchlichen Gestaltung
  366. gem. § 42 Abs. 1 AO in der bei Herausgabe des Prospekts geltenden Fassung
  367. gerechnet werden musste, lässt sich auf der Grundlage der Feststellungen des
  368. Oberlandesgerichts nicht abschließend beantworten. Das Oberlandesgericht
  369. hat seiner Entscheidung insoweit zwar einen zutreffenden rechtlichen Maßstab
  370. zu Grunde gelegt. Das wird von den Rechtsbeschwerden der Musterbeklagten
  371. auch nicht in Frage gestellt. Die hieran anschließende Würdigung hält demgegenüber aber einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
  372. 33
  373. (2.1) Nach § 42 Abs. 1 AO in der bei Herausgabe des Fondsprospekts
  374. geltenden Fassung kann das Steuergesetz durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts nicht umgangen werden. Liegt ein Missbrauch
  375. - 17 -
  376. vor, so entsteht der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen
  377. Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.
  378. 34
  379. Ein Gestaltungsmissbrauch ist gegeben, wenn eine rechtliche Gestaltung
  380. gewählt wird, die gemessen an dem erstrebten Ziel unangemessen ist, der
  381. Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche
  382. nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist. Das Motiv, Steuern zu sparen,
  383. macht eine steuerliche Gestaltung nicht unangemessen (BFHE 239, 31 Rn. 24).
  384. Die Unangemessenheit einer Rechtsgestaltung tritt aber zutage, wenn diese
  385. keinem wirtschaftlichen Zweck dient. Dient die Gestaltung hingegen steuerlich
  386. beachtlichen wirtschaftlichen Zwecken, darf das Verhalten der Beteiligten nicht
  387. auf seine Angemessenheit hin beurteilt werden (BFHE 239, 31 Rn. 24). Die Annahme eines Gestaltungsmissbrauchs hängt nicht davon ab, ob die zwischen
  388. den jeweiligen Vertragsparteien geschlossenen Verträge ernsthaft gewollt waren und durchgeführt wurden. Der Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO kann
  389. gerade dadurch gekennzeichnet sein, dass eine unangemessene Gestaltung
  390. darauf abzielt, einen durch den Zweck einer begünstigenden Gesetzesvorschrift
  391. nicht mehr gedeckten steuerlichen Vorteil zu erlangen (BFHE 163, 264, 274 f.;
  392. BFHE 170, 197, 200 f.; BFHE 189, 408, 411), wobei anders als beim Scheingeschäft nach § 41 Abs. 2 Satz 1 AO der Erfolgseintritt beim Umgehungsgeschäft
  393. gerade gewollt ist (Koenig in Pahlke/Koenig, AO, 2. Aufl., § 42 Rn. 1).
  394. 35
  395. (2.2) Die Rügen der Musterbeklagten, die Zahlungsabwicklung als solche gefährde die steuerliche Anerkennung des Fondsmodells nur bei einer Anweisung der Fondsgesellschaft an den Produktionsdienstleister, greifen allerdings nicht durch. Das Oberlandesgericht hat festgestellt, dass bei Herausgabe
  396. des Prospekts die Weiterleitung der für die Filmproduktion vorgesehenen Mittel
  397. des Fonds zur Deckung des Schuldübernahmeentgelts geplant war. Dies zu
  398. Grunde gelegt ist die hieran anknüpfende Annahme des Oberlandesgerichts, es
  399. - 18 -
  400. sei die Zielsetzung der Fondsgesellschaft gewesen, nur 20% der Investitionen
  401. für Filmproduktionen aufzuwenden und die Mittel im Übrigen zur Absicherung
  402. einer garantierten Schlusszahlung einzusetzen, aus Rechtsgründen nicht zu
  403. beanstanden.
  404. 36
  405. (2.3) Angesichts dieser Zielsetzung geht das Oberlandesgericht auch zu
  406. Recht davon aus, dass neben der gewählten rechtlichen Gestaltung die wirtschaftliche Zielsetzung auch dadurch hätte erreicht werden können, dass nur
  407. 20% des Fondskapitals in Filmproduktionen investiert und im Übrigen ein typisches festverzinsliches Einlagengeschäft getätigt wird, wie es die Schuldübernahme bei wirtschaftlicher Betrachtung nach den rechtsfehlerfrei getroffenen
  408. Feststellungen ebenfalls war. Das Oberlandesgericht hat diesbezüglich anhand
  409. der im Prospekt dargestellten Gewinnprognose aufgezeigt, dass die für das
  410. Schuldübernahmeentgelt aufgewandten Mittel nicht an den Chancen und Risiken der Filmproduktionen teilnehmen sollten und auch für Folgeinvestitionen
  411. nicht zur Verfügung standen.
  412. 37
  413. (2.4) Mit der vom Oberlandesgericht gegebenen Begründung kann aber
  414. nicht davon ausgegangen werden, dass unter Berücksichtigung der Gesamtkonstruktion bei Herausgabe des Fondsprospekts das ernst zu nehmende Risiko bestand, dass die gewählte rechtliche Gestaltung als unangemessen angesehen würde.
  415. 38
  416. Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts bestand die Gefahr
  417. der Beurteilung der Gestaltung als unangemessen nicht deshalb, weil die
  418. Fondsgesellschaft im Umfang der garantierten Schlusszahlung kein unternehmerisches Risiko eingegangen ist und infolge der Absicherung erheblich geminderte Ertragsaussichten bestanden haben. Den geminderten Gewinnaussichten steht die höhere Sicherheit gegenüber, so dass ein wirtschaftlicher
  419. - 19 -
  420. Zweck nicht ausgeschlossen und die Absicherung nicht unangemessen ist.
  421. Auch dem Betriebsausgabenabzug nach § 4 Abs. 4 EStG steht es nicht entgegen, dass mit dem geleisteten Aufwand zu einem wesentlichen Anteil ein garantierter Erlös erzielt wird. Maßgebliches Kriterium für den Betriebsausgabenabzug ist vielmehr die betriebliche Veranlassung des Aufwands (§ 4 Abs. 4 EStG).
  422. Die Rechtsbeschwerde macht zu Recht darauf aufmerksam, dass unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts das Geschäftsmodell, das die Vereinbarung einer festen Schlusszahlung durch den Lizenznehmer und die Übernahme dieser Schlusszahlungsverpflichtung durch eine
  423. Bank vorsieht (sog. Defeasance-Struktur), generell dem Vorwurf eines Umgehungsgeschäfts ausgesetzt wäre. Für diese Sichtweise finden sich in der steuerrechtlichen Literatur keine Anhaltspunkte (Rüber/Angloher, FR 2008, 498;
  424. Feyock/Heintel, ZUM 2008, 179; Wassermeyer, DB 2010, 354; Theisen/Linz,
  425. DStR 2010, 1649; Kohlhaas, FR 2010, 693; Elicker/Hartrott, BB 2011, 1879;
  426. Lüdicke/Arndt, Geschlossene Fonds, 6. Aufl., S. 84 f.; Dornheim, DStR 2011,
  427. 1793; vgl. auch FG München, WM 2011, 1699). Dass bei der Erstellung des
  428. Prospekts ernsthaft damit zu rechnen war, dass die Finanzbehörden eine solche Sichtweise einnehmen würden, ist nicht ersichtlich und vom Oberlandesgericht nicht festgestellt.
  429. 39
  430. Die Unangemessenheit der gewählten Gestaltung lässt sich aufgrund der
  431. bisher getroffenen Feststellungen auch nicht aus dem Umstand herleiten, dass
  432. das Fondskapital bei wirtschaftlicher Betrachtung zu 80% nicht für die Deckung
  433. der Herstellungskosten der Filmproduktionen eingesetzt wurde, sondern diese
  434. Mittel vom Produktionsdienstleister an den Lizenznehmer zur Deckung des
  435. Schuldübernahmeentgelts weitergeleitet wurden und diese Vorgehensweise
  436. bereits bei Herausgabe des Fondsprospekts vorherzusehen war. Von einer Unangemessenheit der gewählten Gestaltung könnte auszugehen sein, wenn die
  437. Durchleitung der Gelder über den Produktionsdienstleister an die Musterbeklag-
  438. - 20 -
  439. te zu 2 keinem wirtschaftlich vernünftigen Zweck, sondern ausschließlich der
  440. Steuerersparnis diente. Von einem wirtschaftlichen vernünftigen Zweck kann
  441. jedenfalls dann nicht ausgegangen werden, wenn die Gestaltung - abgesehen
  442. von den steuerlichen Vorteilen - wirtschaftlich nachteilig ist. Ob diese Gestaltung für die Fondsgesellschaft absehbare Nachteile mit sich brachte, so dass
  443. zumindest ein ernst zu nehmendes Risiko bestand, dass der alleinige Zweck
  444. dieser Gestaltung darin gesehen werden kann, die steuerlichen Vorteile der
  445. Investition in Filmproduktionen zu sichern, kann daher davon abhängen, ob allein die Fondsgesellschaft das Risiko zu tragen hatte, dass der an die Musterbeklagte zu 2 weitergeleitete Produktionskostenanteil vom Lizenznehmer aufgebracht werden kann, um das Darlehen des Produktionsdienstleisters zurückzuführen. Nach den Vorgaben des BMF-Schreibens vom 23. Februar 2001
  446. (IV A 6-S 2241-8/01, sog. Medienerlass), nach dessen Vorgaben die Filmproduktionen durchgeführt werden sollten, musste der jeweilige Produktionsdienstleister die Verträge mit Dritten zur Herstellung der Filme im eigenen oder im
  447. Namen des Fonds, aber stets auf Rechnung des Fonds abschließen sowie die
  448. tatsächlich entstandenen Produktionskosten gegenüber dem Fonds auf der
  449. Grundlage testierter Kostenberichte nachweisen (Ziff. I. a] des Medienerlasses).
  450. Die Fondsgesellschaft sollte danach auch bei der späteren Ausführung der
  451. Filmproduktionen das volle wirtschaftliche Risiko zu tragen haben (Schwarz in
  452. v. Hartlieb/Schwarz, Handbuch des Film-, Fernseh- und Videorechts, 5. Aufl.,
  453. 85. Kap. Rn. 1). Hiervon ausgehend liegt ein erhebliches Interesse der Fondsgesellschaft nahe, dass die von ihr an den Produktionsdienstleister gezahlten
  454. Mittel für die Filmproduktion verwandt werden. Eine nicht zweckgebundene
  455. Zahlung könnte demgegenüber erhebliche Nachteile mit sich bringen, wenn die
  456. Fondsgesellschaft absehbar neben dem Herstellungsrisiko zusätzlich das Insolvenzrisiko des Produktionsdienstleisters und damit mittelbar auch das Risiko
  457. der Rückführung der an den Lizenznehmer weitergeleiteten Mittel zur Filmpro-
  458. - 21 -
  459. duktion tragen müsste. Zu der Frage, ob zur Vermeidung dieser Risiken hinreichende Vorkehrungen getroffen waren, hat das Oberlandesgericht keine Feststellungen getroffen.
  460. 40
  461. 2. Die Rechtsbeschwerden der Musterbeklagten haben teilweise Erfolg,
  462. soweit sie sich gegen die Feststellungen zum Streitpunkt 2 wenden. Die Feststellungen zu 1. (2) a) und e) sind rechtsfehlerhaft. Im Übrigen bleiben die Angriffe der Rechtsbeschwerden ohne Erfolg, wobei die Feststellungen zu 1. (2) b)
  463. und d) klarstellend neu zu fassen sind.
  464. 41
  465. a) Das Oberlandesgericht hat seine Feststellungen zum Streitpunkt 2 im
  466. Wesentlichen wie folgt begründet:
  467. 42
  468. (Feststellung zu 1. (2) a]): Die Ausführungen im Prospekt zur Absicherung des Kommanditkapitals seien in sich widersprüchlich und bewusst unklar
  469. gehalten. Aus dem Prospekt sei nicht erkennbar, was nun tatsächlich durch die
  470. Schlusszahlung gesichert sein solle. Bei dem Anleger werde der falsche Eindruck erweckt, dass die Absicherung sich auf das Kommanditkapital und nicht
  471. nur auf die Höhe der Produktionskosten erstrecke.
  472. 43
  473. (Feststellung zu 1. (2) b]): Die Risiken der Beteiligung würden unzulässig
  474. verharmlost, weil der Prospekt bei einem Anleger den Eindruck erwecke, seine
  475. Einlage werde garantiert. Dies sei aber nicht der Fall, weil die Schlusszahlung
  476. an den Fonds erfolge und durch Verbindlichkeiten vermindert werde. Der Prospekt erwecke durch die Formulierung „Darüber hinaus ist die Bareinlage selbst
  477. ohne Berücksichtigung steuerlicher Effekte in Höhe von ca. 65% abgesichert“
  478. beim Anleger den Eindruck, dass es eine besondere Absicherung seiner eigenfinanzierten Einlage gäbe. Dies sei aber nicht der Fall.
  479. - 22 -
  480. 44
  481. (Feststellung zu 1. (2) c]): Beim Anleger werde der falsche Eindruck erweckt, dass die Schuldübernahme seiner Absicherung diene und der vermögenswerte Vorteil ihm mindestens indirekt über die Fondsgesellschaft zugutekomme. Tatsächlich diene die Schuldübernahme in erster Linie dem Sicherungsinteresse der Musterbeklagten zu 2 als Darlehensgeberin der Anleger,
  482. weil die Schlusszahlung vorrangig zur Rückzahlung der Anteilsfinanzierung und
  483. der damit in Zusammenhang stehenden Kosten der Bank diene. Nach Abzug
  484. der Darlehenskosten stünden aus der Schuldübernahme noch ca. 65% der von
  485. den Anlegern eigenfinanzierten Einlage zur Verfügung. Der Prospekt erwecke
  486. demgegenüber den falschen Eindruck, als würden tatsächlich 115% des Kommanditanteils der Fondsgesellschaft effektiv zugutekommen.
  487. 45
  488. (Feststellung zu 1. (2) d]): Der Prospekt verdeutliche nicht ausreichend,
  489. dass der Wert 115% sich nicht auf das Eigenkapital des Anlegers beziehe und
  490. ihm daher nicht zu Gute komme. Bereits die Bezeichnung als Garantiefonds an
  491. herausgehobener Stelle erwecke beim Anleger den Eindruck, seine Einlage
  492. werde garantiert und diese Garantie komme ihm zu Gute. Dies sei aber nicht
  493. der Fall, weil die Schlusszahlung an den Fonds erfolge und durch Verbindlichkeiten vermindert werde. Darüber hinaus werde die Schlusszahlung in Verbindung mit dem Kommanditkapital gebracht. Dies sei nach dem Fondskonzept
  494. objektiv unrichtig.
  495. 46
  496. (Feststellung zu 1. (2) e]): Die Verwendung der Überschrift „Garantiefonds“ im Prospekt sei objektiv unrichtig und erwecke beim Anleger falsche
  497. Vorstellungen über seine Beteiligung. Der Prospekt enthalte keine Garantie,
  498. weil lediglich eine Schuldübernahme vorgesehen sei und Zahlungen ausschließlich an die Fondgesellschaft und nicht an den Anleger erfolgen würden.
  499. Die abgedruckten Risikohinweise, insbesondere auf Seite 93 des Prospekts,
  500. seien nicht geeignet, dem Anleger ein zutreffendes Bild von dem Fonds zu
  501. - 23 -
  502. vermitteln. Das Wort „Garantiefonds“ enthalte für den Anleger eine wichtige Information, die ihm sofort beim Betrachten ins Auge springe. Es vermittele dem
  503. Anleger, dass kein Verlust seines eingezahlten Kapitals zu erwarten sei, was
  504. ihm tatsächlich gerade nicht garantiert werde.
  505. 47
  506. b) Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Prüfung nur teilweise
  507. stand. Ob ein Prospekt, mit dem der Anleger über die mit der Beteiligungsform
  508. verbundenen Nachteile und Risiken aufgeklärt werden soll, unrichtig oder unvollständig ist, ist nicht allein anhand der wiedergegebenen Einzeltatsachen,
  509. sondern nach dem Gesamtbild zu beurteilen, das er von den Verhältnissen des
  510. Unternehmens vermittelt (BGH, Urteil vom 14. Juni 2007 - III ZR 125/06, WM
  511. 2007, 1503 Rn. 9; Beschluss vom 13. Dezember 2011 - II ZB 6/09, ZIP 2012,
  512. 117 Rn. 37). Dabei ist auf den Empfängerhorizont abzustellen, wobei nach
  513. ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf die Kenntnisse und Erfahrungen eines durchschnittlichen Anlegers abzustellen ist, der als Adressat
  514. des Prospekts in Betracht kommt und der den Prospekt sorgfältig und eingehend gelesen hat (BGH, Urteil vom 12. Juli 1982 - II ZR 175/81, ZIP 1982, 923,
  515. 924; Urteil vom 22. Februar 2005 - XI ZR 359/03, ZIP 2005, 808, 810; Urteil
  516. vom 14. Juni 2007 - III ZR 125/06, ZIP 2007, 1993 Rn. 10; Beschluss vom
  517. 13. Dezember 2011 - II ZB 6/09, ZIP 2012, 117 Rn. 25; Urteil vom 5. März 2013
  518. - II ZR 252/11, ZIP 2013, 773 Rn. 14).
  519. 48
  520. aa) Die Feststellung zu 1. (2) a), das Verlustrisiko sei fehlerhaft dargestellt, „da keine Absicherung von 115% des Kommanditkapitals“, wird von den
  521. tatsächlichen Feststellungen des Oberlandesgerichts nicht getragen. Es hat
  522. zwar rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Darstellungen im Prospekt zur
  523. Höhe der durch die Schuldübernahme gesicherten Forderung widersprüchlich
  524. sind. Rechtsfehlerhaft ist indes die Feststellung, dass tatsächlich nur eine Absicherung der Forderungen gegen die jeweiligen Lizenznehmer in Höhe von
  525. - 24 -
  526. 115% der Produktionskosten vorzunehmen war. Der Senat kann den Prospekt,
  527. der über den Bezirk des Oberlandesgerichts hinaus verwendet wurde, insoweit
  528. selbst auslegen (BGH, Urteil vom 22. März 2007 - III ZR 218/06, ZIP 2007, 871
  529. Rn. 6; Urteil vom 19. Juli 2011 - II ZR 300/08, ZIP 2011, 1657 Rn. 46; Urteil
  530. vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 22; Urteil vom 5. März
  531. 2013 - II ZR 252/11, ZIP 2013, 773 Rn. 11).
  532. 49
  533. (1) Der Prospekt enthält zur Darstellung der Schuldübernahme der Musterbeklagten zu 2 u.a. folgende Angaben:
  534. 1. DAS ANGEBOT IM ÜBERBLICK
  535. DIE ECKDATEN DES FONDS [Seite 5]
  536. (…)
  537. -
  538. Absicherung von mind. 115% des Kommanditkapitals ohne Agio
  539. mittels Schuldübernahme durch die B.
  540. AG (zu Bedingungen und Umfang der übernommenen
  541. oder abgesicherten Zahlungen siehe Kapitel 12 und 13)
  542. (…)
  543. SCHULDÜBERNAHME
  544. AG [Seite 13]
  545. DURCH
  546. DIE
  547. B.
  548. Die Bank wird bezüglich aller bei der Erst-Investition realisierten Filme der Fondsgesellschaft (nachfolgend auch Lizenzgeber) jeweils die
  549. Verpflichtungen des Lizenznehmers zur Erbringung der fest vereinbarten Schlusszahlungen in Höhe von mind. 115% des anteiligen
  550. Kommanditkapitals ohne Agio bezogen auf den Anteil der Produktionskosten am gesamten Kommanditkapital des Lizenzgebers übernehmen. (…)
  551. 12. VERTRAGSGRUNDLAGEN
  552. (…)
  553. SCHULDÜBERNAHMEVERTRÄGE [Seite 90]
  554. - 25 -
  555. Es ist vorgesehen, dass der Lizenznehmer und die B.
  556. AG sich unter Zustimmung der Fondsgesellschaft
  557. verpflichten, Schuldübernahmeverträge abzuschließen, die deutschem Recht unterliegen. In diesen Schuldübernahmeverträgen wird
  558. vereinbart, dass die B.
  559. AG unter den
  560. im Vertrag geregelten Voraussetzungen und unter der Voraussetzung
  561. der Einzahlung eines Entgeltes durch den Lizenznehmer die im Lizenzvertrag fest vereinbarten Schlusszahlungen - jedoch maximal in
  562. Höhe von 115% bezogen auf den Anteil der Gesamtkosten des Projekts am gesamten Kommanditkapital ohne Agio gegenüber der
  563. Fondsgesellschaft leistet. (…)
  564. 13. CHANCEN UND RISIKEN
  565. (…)
  566. WIRTSCHAFTLICHE RISIKEN [Seite 93]
  567. (…)
  568. Die vorgesehenen Schlusszahlungen sind ebenfalls keine Garantie
  569. dafür, dass der Anleger sein Geld in jedem Fall zurückerhält. Die
  570. Schlusszahlungen sollen lediglich 115% des Fondsvolumens ohne
  571. Agio absichern. Die so gesicherten Ausschüttungen sind vorrangig
  572. zur Rückzahlung der Anteilsfinanzierung der Anleger und der damit in
  573. Zusammenhang stehenden Kosten der Bank zu verwenden. Zwischenzeitlich in der Fondsgesellschaft aufgelaufene Verluste gehen
  574. zu Lasten dieser Schlusszahlung, bevor eine Barausschüttung an die
  575. Gesellschafter erfolgen kann.
  576. (…)
  577. SCHULDÜBERNAHMEN [Seite 94]
  578. (…)
  579. Da aufgrund der Schuldübernahmeverträge der Lizenznehmer von
  580. der Verpflichtung zur Schlusszahlung befreit ist, kann die Fondsgesellschaft im Fall der Nichtzahlung durch die schuldübernehmende
  581. Bank nicht auf die Film- und Verwertungsrechte des Lizenznehmers
  582. zugreifen. (…)
  583. 50
  584. Die Schlusszahlung ist in der Prognoseberechnung auf Seite 66 des
  585. Prospekts mit 5.750.000 € ausgewiesen. Auf Seite 67 unter Ziff. 3 wird darauf
  586. hingewiesen, dass „die Schlusszahlungen in 2014 mit 132,64% der Produk-
  587. - 26 -
  588. tionskosten gerechnet“ wurden. Auf Seite 88 des Prospekts wird zum Inhalt des
  589. Mittelverwendungskontrollvertrags ausgeführt, dass für die Freigabe von Produktionsgeldern u.a. Absicherungen i.H.v. 132,64% der budgetierten Produktionskosten bzgl. des Anteils der Fondsgesellschaft an dem Projekt durch Bankgarantie oder eine vergleichbare Sicherheit vorliegen muss. Entsprechende
  590. Ausführungen finden sich auch im Gesellschaftsvertrag unter § 9 Nr. 2.7 und im
  591. Mittelverwendungskontrollvertrag unter § 1 Nr. 1.2 b).
  592. 51
  593. (2) Das Oberlandesgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die
  594. Prospektangaben in sich widersprüchlich sind. Zum einen wird der Eindruck
  595. erweckt, die Schuldübernahme erfolge in Höhe von 115% des Kommandit- bzw.
  596. Fondskapitals. Die Formulierungen betreffend die Schuldübernahme auf Seite
  597. 13 und 90 des Prospekts hat das Oberlandesgericht nach ihrem Wortlaut ohne
  598. Rechtsfehler dahin interpretiert, dass eine Schuldübernahme lediglich in Höhe
  599. von 115% der Produktionskosten erfolgen solle, welche lediglich 87,2% des
  600. Fondskapitals ausmachen sollten.
  601. 52
  602. (3) Demgegenüber hat das Oberlandesgericht rechtsfehlerhaft festgestellt, dass tatsächlich nur eine Absicherung in Höhe von 115% der Produktionskosten vorzunehmen war. Dem vom Oberlandesgericht in Bezug genommenen Schaubild, das von der Musterbeklagten zu 2 in der mündlichen Verhandlung übergeben wurde, lässt sich hierzu nichts entnehmen. Die Musterbeklagte zu 2 hat - wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt - zur Erläuterung des
  603. Schaubilds vorgetragen, dass sich die dort angegebene Zahl 115 auf das volle
  604. Kommanditkapital beziehe. Die angefochtene Entscheidung lässt nicht erkennen, auf Grund welcher Umstände das Oberlandesgericht zu seiner hiervon
  605. abweichenden Feststellung gelangt. Die Ausführungen im Gesellschaftsvertrag
  606. und im Mittelverwendungskontrollvertrag - mit denen sich das Oberlandesgericht bei seiner Würdigung nicht auseinandergesetzt hat - sprechen eher für
  607. - 27 -
  608. eine am gesamten Fondskapital orientierte Absicherung, weil eine Investition
  609. bzw. Mittelfreigabe nur bei einer Absicherung in Höhe von 132,64% der jeweiligen Produktionskosten, die 87,2% des Fondskapitals ausmachen sollten, erfolgen durfte.
  610. 53
  611. bb) Die Feststellungen zu 1. (2) b) („Das Verlustrisiko ist fehlerhaft dargestellt, da keine Absicherung aus Sicht des Anlegers“) und d) („Keine Absicherung von 115% des Eigenkapitals des Anlegers“) halten einer rechtlichen Prüfung stand. Das Oberlandesgericht hat zutreffend angenommen, dass der
  612. Prospekt fehlerhaft ist, weil er bei dem Anleger den sachlich unzutreffenden
  613. Eindruck erweckt, mit der Schuldübernahme werde das von den Anlegern aufgebrachte Kommanditkapital in Höhe von 115% abgesichert. Die Feststellungen
  614. sind lediglich klarstellend neu zu fassen, weil sie der Sache nach denselben
  615. Prospektfehler ansprechen.
  616. 54
  617. (1) In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung wird teilweise - bezogen
  618. auf den streitgegenständlichen Prospekt bzw. den Prospekt für die
  619. VIP
  620. 3 GmbH & Co. KG (VIP 3) - angenommen, dass
  621. bereits die Bezeichnung „Garantiefonds“ auf dem Deckblatt des Prospekts den
  622. unzutreffenden Eindruck vermittele, dass der Anleger seine Einlage in jedem
  623. Fall zurückerhalte (OLG München, WM 2010, 836, 840 [VIP 4]; OLG Karlsruhe,
  624. WM 2010, 1264, 1267 [VIP 3]; OLG Frankfurt, Urteil vom 2. August 2010
  625. - 23 U 253/09, juris Rn. 31 [VIP 4]). Teilweise wird der Überschrift „Garantiefonds“ auf dem Titelblatt des Fondsprospekts der Charakter einer anpreisenden
  626. Werbung beigemessen (OLG Frankfurt, WM 2010, 1313, 1315; Urteil vom 19.
  627. Oktober 2011 - 17 U 34/10, juris Rn. 121 [VIP 3]; tendenziell auch OLG Düsseldorf, WM 2010, 1934, 1940; Urteil vom 20. Januar 2011 - 6 U 9/10, juris Rn. 70;
  628. offen lassend OLG Hamm, Urteil vom 23. Juli 2013 - 34 U 53/10, juris Rn. 47),
  629. mit der Folge, dass sich die Fehlerhaftigkeit der Angaben zur Kapitalgarantie
  630. - 28 -
  631. nur im Zusammenhang mit den weitergehenden Aussagen des Fondsprospekts
  632. feststellen lasse (OLG Düsseldorf, Urteil vom 19. April 2012 - 6 U 52/11, juris
  633. Rn. 40 ff. [VIP 4]; OLG Hamm, Urteil vom 23. Juli 2013 - 34 U 53/10, juris Rn.
  634. 47 [VIP 4]). Dabei wird im Hinblick auf den streitgegenständlichen Prospekt angenommen, dass dieser eine mögliche Irreführung durch die Verwendung der
  635. Überschrift „Garantiefonds“ auf dem Deckblatt des Prospekts durch die Hinweise auf das Totalverlustrisiko des Anlegers ausreichend klarstelle (OLG Frankfurt, WM 2010, 1313, 1315; Urteil vom 19. Oktober 2011 - 17 U 34/10, juris Rn.
  636. 121 [VIP 3]).
  637. 55
  638. (2) Der Prospekt ist hinsichtlich der Darstellung der Absicherung des Anlegerkapitals unabhängig davon fehlerhaft, ob eine Irreführung bereits auf der
  639. Verwendung des Begriffs „Garantiefonds“ auf dem Deckblatt des Prospekts beruht, weil der Prospekt auch im Übrigen den tatsächlich unrichtigen Eindruck
  640. erweckt, durch die Schuldübernahme der Musterbeklagten zu 2 werde nicht nur
  641. die Forderung des Fonds gegen den jeweiligen Lizenznehmer, sondern der Erhalt des Kommanditkapitals selbst sicher gestellt (OLG Düsseldorf, Urteil vom
  642. 19. April 2012 - 6 U 52/11, juris Rn. 40 ff. [VIP 4]; OLG Hamm, Urteil vom
  643. 23. Juli 2013 - 34 U 53/10, juris Rn. 47 [VIP 4]). Dieser Eindruck entsteht bereits
  644. durch die schlagwortartige Darstellung unter der Überschrift „Eckdaten des
  645. Fonds“ auf Seite 5 des Prospekts, weil dort von der Absicherung „von mind.
  646. 115% des Kommanditkapitals“ und nicht - wie aber tatsächlich der Fall - von der
  647. Absicherung einer Forderung des Fonds gegen den Lizenznehmer die Rede ist.
  648. Den Eindruck einer unmittelbaren Absicherung der Einlage des Anlegers erweckt auch die Formulierung auf Seite 6 des Prospekts, nach der die Bareinlage des Anlegers selbst ohne Berücksichtigung steuerlicher Effekte in Höhe von
  649. 65% abgesichert sei. Der hierdurch hervorgerufene Eindruck einer (unmittelbaren) Kapitalabsicherung wird durch die Ausführungen in den Kapiteln 12 und 13
  650. des Prospekts, auf die in einem Klammerzusatz Bezug genommen wird, nicht
  651. - 29 -
  652. entkräftet. Der durchschnittliche Anleger erwartet nach dem Klammerzusatz
  653. lediglich eine nähere Erläuterung der beschriebenen Absicherung. Er hat demgegenüber keinen Anlass damit zu rechnen, dass die in den Eckpunkten beschriebene Form der Absicherung nach den Erläuterungen gar nicht gewährleistet ist. Entsprechend ist der Prospekt auch unter Berücksichtigung der ergänzenden Ausführungen in den Kapiteln 12 und 13 des Prospekts nicht geeignet, für den durchschnittlichen Anleger hinreichend klarzustellen, dass damit
  654. - entgegen der schlagwortartigen Darstellung an anderen Stellen des Prospekts - im Ergebnis gerade keine Absicherung des Kommanditkapitals verbunden ist. In diesen Prospektangaben wird der Lizenznehmer aufgrund der
  655. Schuldübernahme von seiner Schuld befreit und wird auf das Risiko hingewiesen, dass die vorgesehenen Schlusszahlungen keine Garantie dafür seien,
  656. dass der Anleger sein Geld zurückerhält, sondern diese vorrangig zur Rückzahlung der Anteilsfinanzierung und der damit in Zusammenhang stehenden Kosten sowie zur Deckung zwischenzeitlich aufgelaufener Verluste der Fondsgesellschaft zu verwenden sind. Diese Ausführungen führen allenfalls zu einer
  657. widersprüchlichen und damit ebenfalls fehlerhaften Prospektdarstellung.
  658. 56
  659. cc) Rechtsfehlerfrei hat das Oberlandesgericht auch die Feststellung zu
  660. 1. (2) c) getroffen („Das Verlustrisiko ist fehlerhaft dargestellt, da vorrangige
  661. Absicherung der den Anlegern gewährten Darlehen“), weil der Prospekt nicht
  662. hinreichend deutlich macht, dass durch die Schuldübernahmen vorrangig die
  663. Ansprüche der Musterbeklagten zu 2 abgesichert werden. Der Prospekt ist
  664. auch insoweit zumindest widersprüchlich. Die Rechtsbeschwerden weisen zwar
  665. mit Recht darauf hin, dass der Prospekt im Kapitel „Chancen und Risiken“ im
  666. Zusammenhang mit den Ausführungen zu den wirtschaftlichen Risiken und zur
  667. Anteilsfinanzierung ausdrücklich beschreibt, dass die Anteilsfinanzierung im
  668. Namen und für Rechnung des Anlegers vorrangig aus der Schlusszahlung bedient wird. Damit korrespondiert, dass der Prospekt auf Seite 6 im Zusammen-
  669. - 30 -
  670. hang mit der Anteilsfinanzierung erwähnt, dass „die Bareinlage“ selbst ohne
  671. Berücksichtigung steuerlicher Effekte in Höhe von 65% abgesichert sei, wenngleich es sich dabei - wie oben unter bb) ausgeführt - nicht um eine unmittelbare Sicherung der Bareinlage handelt. Gleichwohl stehen diese Ausführungen in
  672. Widerspruch zu dem an anderer Stelle erweckten Eindruck, dass das Kommanditkapital selbst in Höhe von 115% abgesichert sei. Der Anleger wird zudem nicht hinreichend klar darüber aufgeklärt, dass durch die vorrangige Deckung der Zinsen der Anteilsfinanzierung von vornherein feststand, dass unabhängig vom Entstehen weiterer, unvorhergesehener Verbindlichkeiten der
  673. Fondsgesellschaft nicht einmal bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Absicherung von 115% des Fondskapitals gewährleistet sein würde. Zwar wird dies
  674. durch die Angabe, die Bareinlage sei in Höhe von 65% abgesichert, pauschal
  675. zum Ausdruck gebracht. Dieser Hinweis ist aber nicht hinreichend klar und verständlich. Dem Anleger werden im Prospekt zum einen die Berechnungsgrundlagen dieser Angabe nicht mitgeteilt und zum anderen steht diese bei den Erläuterungen zur Anteilsfinanzierung und nicht - wie der durchschnittliche Anleger dies aber erwarten würde - bei den Informationen zur Absicherung des
  676. Fondsvermögens.
  677. dd) Rechtsfehlerhaft ist dagegen die Feststellung zu 1. (2) e) („Das Ver-
  678. 57
  679. lustrisiko ist fehlerhaft dargestellt, da fehlerhafte und irreführende Bezeichnung
  680. der Schuldübernahme als Garantie“). Der Prospekt ist nicht deswegen fehlerhaft, weil er die Schuldübernahme der Beklagten zu 2 irreführend als Garantie
  681. bezeichnet. Dies folgt schon daraus, dass der Begriff „Garantiefonds“ lediglich
  682. als Überschrift auf dem Deckblatt des Prospekts verwandt wird und im Prospekt
  683. die Schuldübernahme der Musterbeklagten zu 2 nicht als Garantie bezeichnet
  684. wird.
  685. - 31 -
  686. 58
  687. 3. Die Rechtsbeschwerden der Musterbeklagten wenden sich ohne Erfolg gegen die Feststellung zu 1. (3) (Streitpunkt 8, Unrichtigkeit der Prognoserechnung).
  688. 59
  689. a) Das Oberlandesgericht hat seine Feststellung zum Streitpunkt 8 im
  690. Wesentlichen wie folgt begründet:
  691. 60
  692. Die Prognose auf Seite 66 des Prospekts enthalte bezüglich des Jahres
  693. 2014 einen gravierenden Rechenfehler. Im Gegensatz zu der Prognose, bei der
  694. Gesamtausgaben von 8.620.239 € Gesamteinahmen von 8.916.650 € gegenüberstünden, seien nur Gesamteinnahmen von 6.219.400 € in Ansatz zu bringen.
  695. 61
  696. Die Prognoserechnung gehe ferner von unrealistischen Vorgaben aus
  697. bzw. enthalte keine Hinweise, dass die angenommenen Gewinnprognosen mit
  698. besonderen Risiken behaftet seien. Aus der Prognose ergebe sich, dass eine
  699. Ketten-Re-Investition von neun Vorgängen geplant sei. Die neunte Reinvestition
  700. könne nur erfolgreich sein, wenn alle vorherigen Reinvestitionen und die Erstinvestition die Gewinnprognosen voll erfüllt hätten. Sollte die Erstinvestition oder
  701. die erste Reinvestition nicht erfolgreich gewesen sein, breche bereits die ganze
  702. Kette zusammen.
  703. 62
  704. Die Gewinnprognose sei in sich widersprüchlich. Für das gleiche Produkt
  705. (Produktion von Filmen) würden völlig unterschiedliche Gewinnmargen in Ansatz gebracht, bei der Erstinvestition 187,64% und bei den Re-Investitionen
  706. 129%. Die unterschiedlichen Ansätze würden nicht erklärt, so dass die Prognose für den Anleger nicht nachvollziehbar sei.
  707. 63
  708. Aus Seite 66 des Prospekts ergebe sich, dass die Liquiditätsreserve im
  709. Jahr 2005 zur Deckung der laufenden Kosten eingesetzt werde. Dem wider-
  710. - 32 -
  711. spreche die Anmerkung „zu 13“ auf Seite 65 des Prospekts, nach der die Liquiditätsreserve bis Ende 2005 oder später ebenfalls in Filmprojekte investiert
  712. werden könne, wenn sie nicht in Anspruch genommen worden und abgesichert
  713. sei, dass Einnahmen für die laufenden Mindestkosten vorhanden seien. Für das
  714. Jahr 2005 seien aber nur 625 € Einnahmen vorgesehen, so dass die Liquiditätsreserve auf jeden Fall verbraucht werde und nicht für Investitionen zur Verfügung stehe.
  715. 64
  716. b) Hiergegen wenden sich die Rechtsbeschwerden der Musterbeklagten
  717. ohne Erfolg. Das Oberlandesgericht hat zu Recht angenommen, dass der
  718. Prospekt unvollständig und damit fehlerhaft ist, weil nicht darauf hingewiesen
  719. wird, dass die Gewinnprognose mit besonderen Risiken behaftet ist. Ob die
  720. Prognoserechnung auch im Hinblick auf die weiteren vom Oberlandesgericht
  721. angeführten Punkte fehlerhaft ist, bedarf daher keiner Entscheidung.
  722. 65
  723. aa) Der Prospekt enthält folgende Erläuterungen zu den Chancen und
  724. Risiken der (Re-)Investition des Fondskapitals:
  725. 2. CHANCEN UND RISIKEN IM ÜBERBLICK [Seite 18 f.]
  726. CHANCEN
  727. (…)
  728. -
  729. Re-Investitionskonzept ermöglicht eine umfangreiche und „junge“ Filmbibliothek
  730. (…)
  731. -
  732. Mögliche Multiplikation
  733. Investitionen
  734. RISIKEN
  735. (…)
  736. der
  737. Gesamterträge
  738. durch
  739. Re-
  740. - 33 -
  741. -
  742. Bei Re-Investitionen können die Erlöse aus erfolgreichen Produktionen in weniger erfolgreiche Produktionen investiert werden
  743. -
  744. Filmproduktionen können u.U. nicht rechtzeitig fertig gestellt
  745. werden und dadurch Kosten oder Verluste verursachen
  746. (…)
  747. -
  748. Sollten trotz der sehr realistischen Erlöschancen keinerlei Einnahmen über die gesamte Fondslaufzeit eingehen, können die
  749. Ausschüttungen entfallen, und die laufenden Kosten sowie die
  750. darauf anfallenden Zinsen können die Schlusszahlungen reduzieren
  751. (…)
  752. 8. INVESTITIONSPLANUNG/MODELLRECHNUNG
  753. (…)
  754. ERLÄUTERUNGEN ZU DEN EINZELNEN POSITIONEN DER FONDSPROGNOSERECHNUNG [Seite 67 f.]
  755. (…)
  756. 2. Re-Investition
  757. Das Betriebskonzept sieht vor, für jeweils drei auf das Investitionsjahr folgende Jahre Erlöse zu erzielen. Bis 2013 ist geplant, die
  758. jährlich erzielten Erlöse nach Abzug der laufenden Ausgaben und
  759. Ausschüttungen voll zu re-investieren (siehe Zeile 12).
  760. (…)
  761. 12. (Re-)Investition
  762. Die effektive Investitionssumme 2004 ergibt sich aus dem vorgesehenen Gesamtkapital der Beteiligungsgesellschaft von € 5 Mio.
  763. abzüglich der Investitionsnebenkosten und weiteren ausgewiesenen Ausgaben. Es ist geplant, die in den Jahren bis 2013 anfallenden Erlöse nach Abzug der jeweiligen ausgewiesenen Ausgaben
  764. zu re-investieren, um eine Multiplikation der Gesamterträge zu erzielen.
  765. (…)
  766. - 34 -
  767. ERLÄUTERUNGEN ZUR TABELLE „AUSWIRKUNG VON EINFLUSSFAKTOREN“ [Seite 71 f.]
  768. (…)
  769. 2. Veränderung der laufenden Erlöse
  770. Hier wird unterstellt, dass die jeweilig erzielten Erlöse um 20% höher oder niedriger als im Standardszenario ausfallen. Dies führt
  771. wegen des Re-Investitionskonzepts und der damit verbundenen
  772. Hebelwirkung wie bei Variation anderer Einflussfaktoren zu erheblichen Veränderungen aller Ergebnisgrößen. Die Tabelle zeigt,
  773. dass der Anlageerfolg um etwa 50% ab- bzw. um 80% zunehmen
  774. kann.
  775. (…)
  776. 13. CHANCEN UND RISIKEN
  777. (…)
  778. RISIKEN AUS DER PRODUKTION [Seite 93 f.]
  779. Die zu verwertenden Filmprojekte müssen erst realisiert werden. Die
  780. Erstellung eines Films bis hin zur verwertbaren Fassung ist naturgemäß mit einer Vielzahl von Risiken behaftet. (…)
  781. DIE VERWERTUNG [Seite 94]
  782. Die realisierten Filmprojekte müssen erst über einen Lizenznehmer
  783. verwertet werden, bevor der Fondsgesellschaft Erlöse zufließen. Die
  784. Höhe des letztendlich erzielten Erlöses hängt entscheidend vom Erfolg des jeweiligen Films beim Publikum ab. Sämtliche Sicherungsmechanismen der Fondsgesellschaft (Erlösprognosen der Lizenznehmer in gewisser Höhe; garantierte Schlusszahlungen; ReInvestitionskonzept zur Schaffung einer Filmrechte-Bibliothek mit jungem Durchschnittsalter und verbesserter Veräußerungschance am
  785. Ende der Fondslaufzeit) können dieses wesentliche wirtschaftliche
  786. Risiko nur minimieren, nicht beseitigen.
  787. (…)
  788. Bei extrem ungünstiger Entwicklung der Verwertung bzw. beim Zusammentreffen mehrerer Risikofaktoren besteht sogar das Risiko eines Totalverlustes der Einlagen der Anleger. Demgegenüber besteht
  789. die Chance, dass ein Film besonders erfolgreich wird („Blockbuster“).
  790. Die Ergebnisse solcher „Blockbuster“ können ein Vielfaches der Er-
  791. - 35 -
  792. gebnisse normaler Spielfilme betragen und somit die Erlöse der
  793. Fondsgesellschaft enorm erhöhen.
  794. 66
  795. bb) Diese Ausführungen machen die vom Oberlandesgericht zutreffend
  796. erkannten besonderen Risiken des Reinvestitionskonzepts nicht hinreichend
  797. deutlich (so auch OLG Hamm, Urteil vom 23. Juli 2013 - 34 U 53/10, juris
  798. Rn. 57).
  799. 67
  800. Der Überblick über die Chancen und Risiken der Beteiligung erwähnt
  801. zwar die „mögliche Multiplikation“ der Gesamterträge durch Re-Investitionen,
  802. stellt die Kehrseite dieses Konzepts, dass bei Ausbleiben der Erträge aus der
  803. Erstinvestition keine Mittel für Folgeinvestitionen zur Verfügung stehen, demgegenüber nicht dar. Die Formulierung „Sollten trotz der sehr realistischen Erlöschancen keinerlei Einnahmen über die gesamte Fondslaufzeit eingehen, (…)“
  804. suggeriert vielmehr, dass das Reinvestitionskonzept das Erlösausfallrisiko eher
  805. minimiert. Eine ähnlich einseitige Darstellung zu den Chancen und Risiken des
  806. Reinvestitionskonzepts enthält die Erläuterung zur Prognoserechnung unter Nr.
  807. 12, in der ebenfalls lediglich eine Chance zur „Multiplikation der Gesamterträge“
  808. beschrieben, nicht aber auf die spezifischen Risiken dieses Konzepts hingewiesen wird.
  809. 68
  810. Die von der Rechtsbeschwerde des Musterbeklagten zu 1 hervorgehobenen Erläuterungen zur Tabelle „Auswirkung von Einflussfaktoren“ enthält
  811. ebenfalls keine hinreichende Risikodarstellung. Zwar wird pauschal darauf hingewiesen, dass das Reinvestitionskonzept eine Hebelwirkung hat, die „wie bei
  812. der Variation anderer Einflussfaktoren zu erheblichen Veränderungen aller Ergebnisgrößen“ führen könne. Das spezifische Risiko dieses Konzepts wird damit jedoch nur pauschal beschrieben und direkt im folgenden Satz verharmlost,
  813. weil lediglich ein durchschnittlicher Abschlag auf die laufenden Erlöse als Ergebnisveränderung dargestellt wird. Damit werden die besonderen Risiken ei-
  814. - 36 -
  815. ner fehlgeschlagenen Erstinvestition indes nicht plausibel. Schließlich enthalten
  816. auch die Ausführungen zu den Chancen und Risiken der Beteiligung auf Seite 93 f. des Prospekts keinen Hinweis auf die besonderen Risiken des Reinvestitionskonzepts. Vielmehr wird unter der Überschrift „Die Verwertung“ das Reinvestitionskonzept als Sicherungsmechanismus dargestellt. Dass es demgegenüber auch besondere Erlösausfallrisiken in sich trägt, bleibt unerwähnt.
  817. 69
  818. 4. Der Senat kann, soweit die Feststellungen des Oberlandesgerichts
  819. zum Streitpunkt 2 (Feststellung 1. [2]) rechtsfehlerhaft sind, gem. § 577 Abs. 5
  820. Satz 1 ZPO in der Sache selbst entscheiden, weil er den Prospekt selbst auslegen kann und nach dieser Auslegung ein Prospektfehler nicht vorliegt bzw. die
  821. Widersprüchlichkeit des Prospekts wegen der Angabe, es seien „115% des
  822. Kommanditkapitals“ abgesichert (hierzu oben unter I. 2. b) aa) [2]), bereits Gegenstand der vom Senat klarstellend neu gefassten Feststellung zu 1. (2) b)
  823. und d) ist. Hinsichtlich der Feststellung zum Streitpunkt 1 (Feststellung 1. [1]) ist
  824. der Musterentscheid gem. § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO aufzuheben und die Sache
  825. zu erneuten Entscheidung zurückzuverweisen, weil diese zur abschließenden
  826. Entscheidung über die Frage, ob eine Pflicht zum Hinweis auf ein besonderes
  827. steuerliches Anerkennungsrisiko bestand, noch nicht reif ist.
  828. 70
  829. II. Die Rechtsbeschwerde des Musterbeklagten zu 1 bleibt ohne Erfolg,
  830. soweit sie sich gegen die Feststellungen des Oberlandesgerichts zu den Anspruchsvoraussetzungen der Prospektverantwortlichkeit und des Verschuldens
  831. des Musterbeklagten zu 1 richtet.
  832. 71
  833. 1. Das Oberlandesgericht hat rechtsfehlerfrei die Prospektverantwortlichkeit des Musterbeklagten zu 1 angenommen.
  834. 72
  835. a) Das Oberlandesgericht hat seine Feststellung zur Prospektverantwortlichkeit des Musterbeklagten zu 1 im Wesentlichen wie folgt begründet: Der
  836. - 37 -
  837. Musterbeklagte zu 1 sei Geschäftsführer der VIP Vermögensberatung
  838. GmbH gewesen, die im Prospekt als Initiatorin, Geschäftsbesorgerin und Prospektherausgeberin genannt werde und habe Geschäftsanteile von über 25%
  839. gehalten. Zudem habe er über 25% der Geschäftsanteile der Komplementärin
  840. der Fondsgesellschaft gehalten und sei ihr Mitgeschäftsführer gewesen. Der
  841. Musterbeklagte zu 1 habe persönlich und in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der VIP Vermögensberatung
  842. GmbH auf den Prospekt Einfluss
  843. genommen. Er sei nicht nur ausführendes Organ gewesen, sondern habe vielmehr auf Grund seiner Kompetenz und seines Arbeitseinsatzes die Fäden von
  844. Anfang an in der Hand gehalten.
  845. 73
  846. b) Die hiergegen gerichteten Angriffe der Rechtsbeschwerde des Musterbeklagten zu 1 bleiben ohne Erfolg. Nach ständiger Rechtsprechung des
  847. Bundesgerichtshofs haften für fehlerhafte oder unvollständige Angaben in dem
  848. Emissionsprospekt einer Kapitalanlage neben dem Herausgeber des Prospekts
  849. die Gründer, Initiatoren und Gestalter der Gesellschaft, soweit sie das Management bilden oder beherrschen (BGH, Urteil vom 24. April 1978
  850. - II ZR 172/76, BGHZ 71, 284, 287 f.; Urteil vom 22. März 1982 - II ZR 114/81,
  851. BGHZ 83, 222, 223; Urteil vom 2. Juni 2008 - II ZR 210/06, BGHZ 177, 25 Rn.
  852. 12; Urteil vom 17. November 2011 - III ZR 103/10, BGHZ 191, 310 Rn. 17; Urteil vom 21. Februar 2013 - III ZR 139/12, ZIP 2013, 935 Rn. 12). Der Musterbeklagte zu 1 bildete nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts das Management und beherrschte es. Dass er keine eigene Prospekterklärung abgegeben hat, ist ohne Bedeutung. Die Rechtsbeschwerde wendet sich auch ohne
  853. Erfolg gegen die Feststellung der maßgeblichen Einflussnahme des Musterbeklagten zu 1. Das Oberlandesgericht hat seine Überzeugung diesbezüglich
  854. nicht allein darauf gestützt, dass der Musterbeklagte zu 1 die späteren Vertragsverhandlungen maßgeblich führte, sondern auch auf die Angaben des
  855. - 38 -
  856. Musterbeklagten zu 1 bei seiner Anhörung über seine weiteren Tätigkeiten bei
  857. der Entwicklung des Fondsplans und dessen Verwirklichung.
  858. 74
  859. 2. Die Rechtsbeschwerde wendet sich auch ohne Erfolg gegen die Feststellung des Oberlandesgerichts, dass der Musterbeklagte zu 1 bei der Veröffentlichung des Prospekts schuldhaft gehandelt hat.
  860. 75
  861. a) Das Oberlandesgericht hat diese Feststellung im Wesentlichen wie
  862. folgt begründet: Der Musterbeklagte habe vorsätzlich gehandelt. Der Musterbeklagte zu 1 sei über alle Details des Fonds bestens informiert gewesen. Er habe
  863. eingeräumt, dass seitens des Fonds Finanzierungskosten an den Produktionsdienstleister bezahlt worden seien, obwohl solche nach dem Fondskonzept
  864. überhaupt nicht hätten anfallen können. Dies sei nur dann vorstellbar, wenn von
  865. dem in dem Prospekt vorgegebenen Zahlungsfluss abgewichen werde. Der
  866. Musterbeklagte zu 1 habe gewusst, dass der Zahlungsfluss, wie er im Prospekt
  867. erläutert sei, nicht habe eingehalten werden sollen. Dem Musterbeklagten zu 1
  868. sei auch die steuerrechtliche Problematik bewusst gewesen. Der Umstand,
  869. dass dem Musterbeklagten zu 1 Berater zur Seite gestanden hätten, ändere an
  870. seinem schuldhaften Handeln nichts. Der Musterbeklagte zu 1 habe über große
  871. Sachkenntnis verfügt und hätte sich auch von kritischen Stimmen nicht von seiner Überzeugung abbringen lassen.
  872. 76
  873. b) Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Prüfung im Ergebnis
  874. stand. Der Musterbeklagte zu 1 hat hinsichtlich der Verwendung eines fehlerhaften Prospekts jedenfalls fahrlässig gehandelt.
  875. 77
  876. aa) Enthält ein Prospekt unrichtige Angaben und wird dieser bei der Anwerbung von Anlegern in Kenntnis der wahren Verhältnisse verwendet, dann
  877. ergibt sich daraus im Regelfall nicht nur die Verletzung der Aufklärungspflicht,
  878. sondern auch das Verschulden der handelnden Personen (BGH, Urteil vom
  879. - 39 -
  880. 24. Mai 1982 - II ZR 124/81, BGHZ 84, 141, 148). Dessen nähere Prüfung wird
  881. dann erforderlich, wenn besondere Umstände vorgetragen sind, die die unterlassene Aufklärung als nicht schuldhaft erscheinen lassen. Solche, das Verschulden ausnahmsweise ausschließenden Umstände können auch darin liegen, dass die für die Anlagegesellschaft handelnden Personen irrig davon ausgegangen sind, es bedürfe keines klarstellenden Hinweises an den Anleger,
  882. wobei die Entschuldigung auf Grund eines Rechtsirrtums nur unter engen
  883. Voraussetzungen in Betracht kommt (BGH, Urteil vom 28. September 1992 - II
  884. ZR 224/91, ZIP 1992, 1561 f.). Der Schuldner hat die Rechtslage sorgfältig zu
  885. prüfen, soweit erforderlich, Rechtsrat einzuholen und die höchstrichterliche
  886. Rechtsprechung sorgfältig zu beachten (BGH, Beschluss vom 29. Juni 2010
  887. - XI ZR 308/09, ZIP 2010, 1335 Rn. 3; Beschluss vom 15. Januar 2013 - II ZR
  888. 44/12, juris Rn. 12). Dem hinzugezogenen Berater ist dabei der relevante
  889. Sachverhalt umfassend mitzuteilen und die erteilte Auskunft einer Plausibilitätskontrolle zu unterziehen (BGH, Urteil vom 14. Mai 2007 - II ZR 48/06, ZIP 2007,
  890. 1265 Rn. 16; Urteil vom 20. September 2011 - II ZR 234/09, ZIP 2011, 2097
  891. Rn. 18; Urteil vom 23. Oktober 2012 - II ZR 45/11, juris Rn. 22; Urteil vom 14.
  892. Mai 2013 - XI ZR 335/11, juris Rn. 46).
  893. 78
  894. bb) Die Rechtsbeschwerde des Musterbeklagten zu 1 zeigt keinen Sachvortrag auf, der geeignet wäre, das Verschulden hinsichtlich der Verwendung
  895. eines fehlerhaften Prospekts nach den vorstehend aufgezeigten Maßstäben in
  896. Frage zu stellen. Das Verschulden erstreckt sich dabei jedenfalls auf die unter
  897. oben I. aufgeführten, vom Oberlandesgericht rechtsfehlerfrei festgestellten
  898. Prospektfehler. Soweit die Rechtsbeschwerde des Musterbeklagten zu 1 rügt,
  899. das Verschulden des Beklagten werde auf Handlungen gestützt, die erst nach
  900. Veröffentlichung des Prospekts stattgefunden hätten, zeigt sie keinen Vortrag
  901. auf, der geeignet ist, die Erkennbarkeit der Fehlerhaftigkeit des Prospekts in
  902. Frage zu stellen.
  903. - 40 -
  904. 79
  905. III. Die Rechtsbeschwerde der Musterbeklagten zu 2 ist begründet, soweit das Oberlandesgericht rechtsfehlerhaft angenommen hat, dass die Musterbeklagte zu 2 prospektverantwortlich ist. Im Hinblick darauf haben auch die
  906. weiteren Feststellungen zu den Voraussetzungen einer Haftung der Musterbeklagten zu 2 nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im engeren Sinne keinen Bestand.
  907. 80
  908. 1. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung zur Prospektverantwortlichkeit der Musterbeklagten zu 2 wie folgt begründet: Die Musterbeklagte
  909. zu 2 habe hinter der Fondsgesellschaft gestanden und auf ihr Geschäftsgebaren maßgeblich Einfluss genommen. Die prospektwidrige Abwicklung des
  910. Fonds wäre ohne die Mithilfe der Musterbeklagten zu 2 nicht möglich gewesen.
  911. Sie habe die gesamte finanzielle Abwicklung übernommen. Die Musterbeklagte
  912. zu 2 werde im Prospekt als maßgeblicher Partner für die Anteilsfinanzierung
  913. und die Schuldübernahmeverträge genannt. Ohne ihre Mitwirkung sei die
  914. Durchführung des Fonds nicht denkbar. Ihre Stellung gehe dabei über die einer
  915. die Anteile finanzierenden Bank deutlich hinaus. Die Musterbeklagte zu 2 profitiere von den aus den Schuldübernahmeverträgen resultierenden Forderungen,
  916. die ihr als Sicherheit für die den Anlegern gewährten Darlehen dienten. Das
  917. vertragliche Konstrukt habe es der Musterbeklagten zu 2 ermöglicht, Darlehen
  918. zu gewähren, ohne einem faktischen Ausfallrisiko als Gläubigerin ausgesetzt zu
  919. sein. Sie habe ohne eigenes Risiko die Spanne zwischen dem Zins für die Anlegerdarlehen und dem Habenzinssatz für den entsprechenden Teil des
  920. Schuldübernahmeentgelts beanspruchen können und erhalte die Differenz zwischen dem Schuldübernahmeentgelt und den Anlegerdarlehen als Einlage mit
  921. einer Laufzeit von 10 Jahren.
  922. 81
  923. 2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
  924. - 41 -
  925. 82
  926. a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind neben dem
  927. Herausgeber des Prospekts, den Gründern, Initiatoren und Gestaltern der Gesellschaft, soweit sie das Management bilden oder beherrschen, diejenigen als
  928. prospektverantwortlich anzusehen, die als Hintermänner hinter der Fondsgesellschaft stehen und auf ihr Geschäftsgebaren oder die Gestaltung des konkreten Anlagemodells besonderen Einfluss ausüben und Mitverantwortung tragen
  929. (BGH, Urteil vom 6. Oktober 1980 - II ZR 60/80, BGHZ 79, 337, 340). Maßgeblich für die Haftung des Hintermanns ist sein Einfluss auf die Gesellschaft bei
  930. der Initiierung des Projekts. Er muss eine Schlüsselposition besitzen, die mit
  931. derjenigen der Geschäftsleitung vergleichbar ist (BGH, Urteil vom 19. November 2009 - III ZR 109/08, ZIP 2009, 2449 Rn. 13; Urteil vom 17. November 2011
  932. - III ZR 103/10, BGHZ 191, 310 Rn. 17). Dabei können die gesellschaftsrechtliche Funktion des Hintermanns sowie ein erhebliches wirtschaftliches Eigeninteresse für eine Einflussnahme auf die Konzeption des Modells sprechen. In der
  933. Rechtsprechung sind auch mit ähnlichem Einfluss versehene Personen der
  934. Prospekthaftung unterworfen worden, etwa ein Generalbevollmächtigter (BGH,
  935. Urteil vom 6. Oktober 1980 - II ZR 60/80, BGHZ 79, 337, 343) und der Leiter
  936. einer für die Baubetreuung zuständigen „Planungsgemeinschaft“ (BGH, Urteil
  937. vom 13. März 1980 - II ZR 258/78, BGHZ 76, 231, 233 f.). Das im jeweiligen
  938. Fall festzustellen, ist eine im Wesentlichen tatrichterliche Aufgabe (BGH, Urteil
  939. vom 14. Juni 2007 - III ZR 125/06, ZIP 2007, 1993 Rn. 19).
  940. 83
  941. Daneben trifft eine Prospektverantwortlichkeit auch diejenigen, die auf
  942. Grund ihrer besonderen beruflichen und wirtschaftlichen Stellung oder auf
  943. Grund ihrer Fachkunde eine Garantenstellung einnehmen, sofern sie durch ihr
  944. nach außen in Erscheinung tretendes Mitwirken am Emissionsprospekt einen
  945. Vertrauenstatbestand schaffen (BGH, Urteil vom 31. März 1992 - XI ZR 70/91,
  946. ZIP 1992, 912, 917; Urteil vom 17. November 2011 - III ZR 103/10, BGHZ 191,
  947. 310 Rn. 19).
  948. - 42 -
  949. 84
  950. b) Die der Feststellung der Prospektverantwortlichkeit der Musterbeklagten zu 2 zu Grunde liegende tatrichterliche Würdigung des Oberlandesgerichts
  951. hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Es hat keine Feststellungen getroffen, die - für sich genommen oder in der Gesamtschau - die Annahme der
  952. Prospektverantwortlichkeit der Musterbeklagten zu 2 rechtfertigen.
  953. 85
  954. aa) Eine Prospektverantwortlichkeit unter dem Gesichtspunkt einer Garantenstellung kommt schon deswegen nicht in Betracht, weil die Musterbeklagte zu 2 im Prospekt weder als Sachverständige vertrauensbegründende Erklärungen abgegeben hat noch eine Mitwirkung an der Prospektgestaltung auf andere Weise nach außen in Erscheinung getreten ist. Der Prospekt weist lediglich auf die Rolle der Musterbeklagten zu 2 als Darlehensgeberin und Schuldübernehmerin hin. Die Ausführungen beschränken sich darauf, über die Musterbeklagte zu 2 zu informieren und die Grundlagen der Zusammenarbeit mit ihr
  955. sowie die damit für die Anleger verbundenen Risiken darzustellen. Aus diesen
  956. Angaben lässt sich entgegen der Sicht des Oberlandesgerichts nicht herleiten,
  957. dass die Musterbeklagte zu 2 eine Gesamtverantwortung für den Erfolg des
  958. Projekts übernommen hat. Vielmehr wird im Prospekt ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Bank das Beteiligungsangebot nicht mit konzipiert und Verträge lediglich im Hinblick auf ihre Interessen als Vertragspartnerin geprüft hat.
  959. Dass die Anleger auf Grund einer auf andere Weise nach außen hervorgetretenen Mitwirkung der Musterbeklagten zu 2 an der Prospektgestaltung auf die
  960. Richtigkeit der Prospektangaben vertrauen durften (vgl. BGH, Urteil vom
  961. 17. November 2011 - III ZR 103/10, BGHZ 191, 310 Rn. 19), hat das Oberlandesgericht nicht festgestellt.
  962. 86
  963. bb) Die Feststellungen des Oberlandesgerichts tragen auch nicht die Annahme, dass die Musterbeklagte zu 2 als sog. Hintermann aus der Rolle eines
  964. Projektbeteiligten, der vertragliche Beziehungen zur Fondsgesellschaft oder
  965. - 43 -
  966. eines anderen Projektbeteiligten unterhalten soll, herausgetreten ist und eine
  967. Schlüsselfunktion bei der Gestaltung des Gesamtprojekts übernommen hat (vgl.
  968. dazu auch BGH, Urteil vom 31. März 1992 - XI ZR 70/91, ZIP 1992, 912, 917 f.;
  969. Nobbe, WM 2013, 193, 199).
  970. 87
  971. (1) Ein maßgeblicher Einfluss der Musterbeklagten zu 2 auf das Geschäftsgebaren der Fondsgesellschaft lässt sich nicht damit begründen, dass
  972. die prospektwidrige Abwicklung des Fonds nicht ohne die Mithilfe der Musterbeklagten zu 2 möglich gewesen wäre. Hieraus ergibt sich lediglich, dass die
  973. Musterbeklagte zu 2 einen notwendigen Beitrag bei der Durchführung des
  974. Fonds geleistet hat, nicht aber eine maßgebliche Mitwirkung an der Projektgestaltung oder dem Geschäftsgebaren der Fondsgesellschaft selbst, die eine
  975. Gleichstellung mit den originär Prospektverantwortlichen rechtfertigen könnte.
  976. Eine solche Gleichstellung lässt sich auch nicht darauf stützen, dass die Musterbeklagte zu 2 in der Rolle als anteilsfinanzierende, schuldübernehmende und
  977. den Zahlungsverkehr abwickelnde Bank mit dem Fondskonzept „aufs engste
  978. verwoben war“. Auch dies spricht nur für eine zentrale Rolle der Musterbeklagten zu 2 bei der Durchführung des Geschäftsmodells, besagt aber nicht, dass
  979. die Musterbeklagte zu 2 auf Grund dieser Stellung auch maßgeblichen Einfluss
  980. auf das Management der Fondsgesellschaft bei der Initiierung des Projekts genommen hat oder nehmen konnte.
  981. 88
  982. (2) Auch die Feststellungen des Oberlandesgerichts zu den wirtschaftlichen Interessen der Musterbeklagten zu 2 tragen nicht die Annahme, dass ihre
  983. Stellung der eines originär Prospektverantwortlichen entsprach.
  984. 89
  985. Das Oberlandesgericht hat allerdings rechtsfehlerfrei festgestellt, dass
  986. der Musterbeklagten zu 2 nach der Konzeption des Fondsmodells die Möglichkeit eingeräumt wurde, die Zinsen aus der Anteilsfinanzierung zu vereinnah-
  987. - 44 -
  988. men, ohne einem Ausfallrisiko als Darlehensgläubigerin ausgesetzt zu sein,
  989. weil sie einen die Darlehen übersteigenden Betrag als Schuldübernahmeentgelt
  990. vereinnahmt hat. Rechtlich nicht zu beanstanden ist auch die Feststellung, dass
  991. der Darlehenszinssatz den Habenzinssatz für den entsprechenden Teil des
  992. Schuldübernahmeentgelts überstieg und der Musterbeklagten zu 2 hierdurch
  993. zum einen ein Zinsvorteil und zum anderen die Möglichkeit verblieb, über den
  994. Betrag, um den das Schuldübernahmeentgelt den Gesamtbetrag der Darlehen
  995. überstieg, bis zur Fälligkeit der Schlusszahlung frei zu verfügen. Die in diesem
  996. Zusammenhang von der Rechtsbeschwerde der Musterbeklagten zu 2 erhobene Verfahrensrüge hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend erachtet.
  997. Von einer weiteren Begründung wird insoweit gemäß § 577 Abs. 6 Satz 2,
  998. § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.
  999. 90
  1000. Die dargestellten wirtschaftlichen Vorteile erlauben indes für sich genommen nicht die Schlussfolgerung, dass die Musterbeklagte zu 2 bei der Initiierung des Fonds maßgeblichen Einfluss hatte. Die einem Projektbeteiligten
  1001. zugebilligten wirtschaftlichen Vorteile können nur dann für einen maßgeblichen
  1002. Einfluss auf die Konzeption eines Fonds sprechen, wenn Anhaltspunkte dafür
  1003. offenbar werden, dass solche nicht im Verhandlungswege erzielt wurden, sondern auf der einseitigen Einflussnahme des Projektbeteiligten bei der Gestaltung der Fondskonzeption beruhen. Dies kann der Fall sein, wenn dem Projektbeteiligten für die von ihm zu erbringenden Leistungen unangemessene wirtschaftliche Vorteile gewährt werden, die unter den gegebenen Marktbedingungen im Verhandlungswege typischerweise nicht ausbedungen werden können.
  1004. Ob der Musterbeklagten zu 2 im vorliegenden Fall unangemessene wirtschaftliche Vorteile zugebilligt wurden, lässt sich auf der Grundlage der Feststellungen
  1005. des Oberlandesgerichts nicht beurteilen. Das Oberlandesgericht geht zwar im
  1006. Ausgangspunkt zutreffend davon aus, dass die Musterbeklagte zu 2 im Rahmen der Anteilsfinanzierung davon profitiert hat, von den Anlegern Zinsen für
  1007. - 45 -
  1008. die Darlehen zu vereinnahmen, ohne dem typischen Ausfallrisiko eines Darlehensgebers ausgesetzt zu sein, weil die Darlehen durch den Erhalt des Schuldübernahmeentgelts in voller Höhe bar unterlegt sind. Ob damit unangemessene
  1009. Vorteile in dem oben beschriebenen Sinne verknüpft sind, lässt sich aber nicht
  1010. isoliert an den Bedingungen der Anteilsfinanzierung festmachen, sondern kann
  1011. nur unter Berücksichtigung sämtlicher von der Musterbeklagten zu 2 innerhalb
  1012. der Gesamtkonzeption zu erbringenden Leistungen und der jeweils gewährten
  1013. Gegenleistung beurteilt werden. Insoweit genügt auch nicht die Feststellung,
  1014. dass der Darlehenszins den auf den entsprechenden Teil des Schuldübernahmeentgelts gewährten Barwertvorteil, vom Oberlandesgericht als Habenzinssatz bezeichnet, überstieg, weil keine Feststellungen zur Höhe der hieraus für
  1015. die Musterbeklagte zu 2 resultierenden Vorteile getroffen wurden, eine Gesamtbetrachtung der wirtschaftlichen Vorteile der Musterbeklagten zu 2 unter
  1016. Berücksichtigung der von ihr zu erbringenden Leistungen unterblieben ist und
  1017. schließlich eine Bewertung der Angemessenheit dieser Vorteile fehlt.
  1018. 91
  1019. 3. Der Musterentscheid ist insoweit gem. § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. Der
  1020. Senat kann die Prospektverantwortlichkeit der Musterbeklagten zu 2 auf der
  1021. Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen des Oberlandesgerichts nicht
  1022. abschließend selbst beurteilen und gem. § 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO in der Sache
  1023. selbst entscheiden. Der Umfang der von der Musterbeklagten zu 2 erzielten
  1024. wirtschaftlichen Vorteile wird von den Parteien des Musterverfahrens unterschiedlich beurteilt.
  1025. 92
  1026. IV. Die Rechtsbeschwerde der Musterbeklagten bleibt ohne Erfolg, soweit sie sich gegen die Feststellung des Oberlandesgerichts zum Schaden der
  1027. Anleger wendet. Die Feststellung ist lediglich im Hinblick auf das in den Grün-
  1028. - 46 -
  1029. den des Musterentscheids zum Ausdruck kommende Verständnis des Oberlandesgerichts vom Inhalt der Feststellung klarstellend neu zu fassen.
  1030. 93
  1031. 1. Das Oberlandesgericht hat seine Feststellung zum Schaden der Anleger wie folgt begründet: Der Anleger sei so zu stellen, als habe er die Beteiligung nicht gezeichnet. Sein Schaden bestehe in dem an die Fondsgesellschaft
  1032. geleisteten tatsächlichen Aufwand inklusive des Agios abzüglich des bei der
  1033. Musterbeklagten zu 2 aufgenommenen Darlehensnominalbetrags. Von der Ersatzpflicht mit umfasst seien - beschränkt auf das negative Interesse - auch die
  1034. steuerlichen Nachteile, die mittelbar oder unmittelbar aus der Beteiligung resultierten.
  1035. 94
  1036. 2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Prüfung stand.
  1037. 95
  1038. a) Die Feststellung ist im Verfahren nach dem KapitalanlegerMusterverfahrensgesetz feststellungsfähig.
  1039. 96
  1040. aa) Eine die Person des Musterklägers oder eines beigeladenen Anlegers betreffende individuelle Frage, wie die Höhe des ihm entstandenen Schadens oder die Beurteilung der Rechtzeitigkeit einer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung, kann nicht Gegenstand einer Feststellung im Kapitalanlegermusterverfahren sein (BGH, Beschluss vom 10. Juni 2008 - XI ZB 26/07, BGHZ
  1041. 177, 88 Rn. 17, 27). Dies bedeutet indes nicht, dass generelle Feststellungen
  1042. zur Art und Weise der Schadensberechnung ausgeschlossen sind (Kruis in KKKapMuG, § 1 Rn. 96; Fullenkamp in Vorwerk/Wolf, KapMuG, § 4 Rn. 19; MaierReimer/Wilsing, ZGR 2006, 79, 98 f.; Reuschle, WM 2004, 2334, 2335).
  1043. 97
  1044. bb) Die Feststellung des Oberlandesgerichts enthält - nimmt man die
  1045. Begründung des Musterentscheids ebenfalls in den Blick - nur generalisierende
  1046. Aussagen zum Schaden der Anleger, die die Berücksichtigung der individuellen
  1047. - 47 -
  1048. Verhältnisse der Anleger in den dem Musterverfahren zu Grunde liegenden
  1049. Ausgangsverfahren nicht ausschließen.
  1050. 98
  1051. b) Die der Feststellung des Oberlandesgerichts zu Grunde liegende
  1052. Würdigung ist auch nicht rechtsfehlerhaft, weil nach dem Vorbringen der Musterbeklagten ein Schaden der Anleger zu verneinen gewesen wäre und das
  1053. Oberlandesgericht dieses Vorbringen unberücksichtigt gelassen hat. Die Musterbeklagten haben nicht vorgetragen, dass der Wert der Beteiligung den Wert
  1054. der von den Anlegern erbrachten Leistungen tatsächlich übersteigt. Sie haben
  1055. - 48 -
  1056. auch nicht dargelegt, dass bei den Anlegern aus der Beteiligung unter keinem
  1057. denkbaren Gesichtspunkt unmittelbare oder mittelbare steuerliche Nachteile
  1058. entstehen können.
  1059. Bergmann
  1060. Caliebe
  1061. Born
  1062. Drescher
  1063. Sunder
  1064. Vorinstanzen:
  1065. LG München I, Entscheidung vom 15.11.2007 - 22 OH 21245/07 OLG München, Entscheidung vom 30.12.2011 - KAP 1/07 -