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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. I ZR 89/02
  5. Verkündet am:
  6. 30. September 2004
  7. Führinger
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. BGHZ
  14. :
  15. BGHR
  16. :
  17. ja
  18. nein
  19. ja
  20. Steuerberater-Hotline
  21. UWG §§ 3, 4 Nr. 11; StBerG §§ 2, 5 Abs. 1 Satz 1, § 64 Abs. 1; StBGebV §§ 4,
  22. 13, 21 Abs. 1 Satz 1; Berufsordnung der Bundessteuerberaterkammer (BOStB)
  23. § 45 Abs. 4 Satz 1
  24. a) Der durch den Anruf bei einer Steuerberater-Hotline zustande kommende Beratungsvertrag wird im Zweifel mit dem den Anruf entgegennehmenden Steuerberater geschlossen und nicht mit dem – zur Steuerberatung nicht befugten
  25. – Unternehmen, das den Beratungsdienst organisiert und bewirbt.
  26. b) Der Steuerberater, der sich an einer Steuerberater-Hotline beteiligt, verstößt
  27. damit nicht gegen berufsrechtliche Verbote. Insbesondere verstößt es nicht
  28. gegen § 13 Nr. 2 StBGebV, wenn ein Steuerberater, der von einem ihm nicht
  29. näher bekannten Mandanten um telefonische Beratung gebeten wird, hierfür
  30. eine im Minutentakt berechnete Zeitgebühr vereinbart.
  31. BGH, Urt. v. 30. September 2004 – I ZR 89/02 – Kammergericht
  32. LG Berlin
  33. -2-
  34. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  35. vom 30. September 2004 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und
  36. die Richter Prof. Dr. Bornkamm, Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Bergmann
  37. für Recht erkannt:
  38. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des
  39. Kammergerichts vom 9. Oktober 2001 aufgehoben.
  40. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der Kammer für Handelssachen 97 des Landgerichts Berlin vom 14. Februar 2000 abgeändert.
  41. Die Klage wird abgewiesen.
  42. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
  43. Von Rechts wegen
  44. Tatbestand:
  45. Die Beklagte unterhält und bewirbt einen Telefonanschluß, über den Interessenten gegen Entgelt eine steuerliche Beratung erhalten können. Zur Durchführung der Beratung leitet die Beklagte die Anrufe, die über die in der Werbung angegebene 0190er-Telefonnummer bei ihr eingehen, unmittelbar an mit ihr vertrag-
  46. -3-
  47. lich verbundene Steuerberater weiter. Die Deutsche Telekom stellt dem Inhaber
  48. des Anschlusses, von dem aus der Anruf erfolgt, mit der Telefonrechnung den
  49. Preis von 3,63 DM pro Minute in Rechnung. Hiervon zahlt die Deutsche Telekom
  50. 2,48 DM an die Beklagte aus. Die auf diese Weise von der Telekom eingenommenen Beträge leitet die Beklagte je nach Gesprächsaufkommen an die beteiligten Steuerberater weiter, von denen sie ihrerseits eine pauschale monatliche Teilnahmegebühr sowie eine zeitabhängige Nutzungsgebühr erhält.
  51. Die Klägerin, eine Steuerberaterkammer, hat die Ansicht vertreten, die beanstandete Telefonberatung verstoße gegen das Steuerberatungsgesetz (StBerG)
  52. und die Gebührenverordnung für Steuerberater (StBGebV). Sie hat im Verhalten
  53. der Beklagten einen Wettbewerbsverstoß nach § 1 UWG a.F. gesehen und sie auf
  54. Unterlassung in Anspruch genommen.
  55. Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
  56. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, Steuerberatung zu einem Minutenpreis von 3,63 DM für den Anrufer per Telefon/Hotline anzubieten.
  57. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
  58. Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt (LG Berlin MMR
  59. 2001, 61 = DStRE 2000, 613). Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben (KG MMR 2002, 635 [Ls.] = DStRE 2003, 316).
  60. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
  61. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
  62. -4-
  63. Entscheidungsgründe:
  64. I.
  65. Das Berufungsgericht hat – noch vor der erst später ergangenen Se-
  66. natsentscheidung „Anwalts-Hotline“ (BGHZ 152, 153) – in dem beanstandeten Angebot einen Verstoß der mitwirkenden Steuerberater gegen die Gebührenregelungen in § 64 Abs. 1 StBerG, § 4 Abs. 1, § 13 Satz 1 Nr. 2 StBGebV und § 45 Abs. 4
  67. Satz 1 der Berufsordnung der Bundessteuerberaterkammer (BOStB) gesehen und
  68. der Klägerin den geltend gemachten Unterlassungsanspruch unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs aus § 1 UWG a.F. zugesprochen. Zur Begründung hat es
  69. ausgeführt:
  70. Die Beklagte fördere den unlauteren Wettbewerb der Steuerberater, die sich
  71. an der telefonischen Beratung beteiligten. Diese handelten wettbewerbswidrig, da
  72. die Gefahr bestehe, daß die gesetzlichen Gebühren unter- oder überschritten und
  73. nicht geschuldete Gebühren erhoben würden. Die Steuerberatervergütungsverordnung sei auch auf die telefonische Beratung durch Steuerberater anzuwenden.
  74. Die Erhebung einer Zeitgebühr nach § 13 Satz 1 Nr. 1 StBGebV komme für eine
  75. telefonische Beratung nicht in Betracht. Außerdem dürfe die in der Verordnung
  76. vorgesehene Zeitgebühr die Vergütungssätze der Verordnung nicht unter-, sondern nur überschreiten (§ 4 StBGebV). Im übrigen sei nicht gewährleistet, daß die
  77. Rahmengebühr des § 13 Satz 2 StBGebV in Höhe von 37,50 DM bis 90 DM je angefangene halbe Stunde bei der Abrechnung der telefonischen Beratung nicht unterschritten werde: Bleibe ein Beratungsgespräch unter zehn Minuten, werde die
  78. Mindestzeitgebühr des § 13 Satz 2 StBGebV nicht erreicht. Auch das Gebot der
  79. Angemessenheit der Gebühren aus § 64 Abs. 1 StBerG und § 45 Abs. 4 Satz 1
  80. BOStB könne ein Unterschreiten der Gebühren nicht rechtfertigen, da die bei der
  81. Gebührenbemessung zu berücksichtigenden Umstände wie der Wert des Objekts,
  82. -5-
  83. die Art der Aufgabe und der Schwierigkeitsgrad der Leistung bei der vorliegenden
  84. Zeitabrechnung unberücksichtigt blieben.
  85. II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Abweisung der Klage.
  86. Das von der Klägerin beanstandete Verhalten stellt sich entgegen der Auffassung
  87. des Berufungsgerichts nicht als wettbewerbswidrig dar.
  88. 1. Die Klagebefugnis der Klägerin ergibt sich aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG
  89. (vgl. Köhler in Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., § 8 UWG
  90. Rdn. 3.33; Bergmann in Harte/Henning, UWG, § 8 Rdn. 275). Insofern hat sich
  91. gegenüber der Regelung in § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F., auf die das Berufungsgericht zu Recht abgestellt hat, nichts geändert (dazu BGHZ 79, 390, 392 ff. – Apotheken-Steuerberatungsgesellschaft, m.w.N.). Mit ihrer Werbung für die Dienstleistung einer Steuerberatung hat sich die Beklagte in ein konkretes Wettbewerbsverhältnis (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG) zu den Mitgliedern des klagenden Verbandes
  92. gestellt.
  93. 2. In dem beanstandeten Verhalten der Beklagten liegt kein Angebot einer
  94. verbotenen Hilfeleistung in Steuersachen. Der Klägerin steht daher kein Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V. mit § 5 Abs. 1 Satz 1
  95. StBerG zu.
  96. Das Berufungsgericht geht ohne nähere Begründung, aber zutreffend, aber
  97. davon aus, daß bei dem beanstandeten Geschäftsmodell der Beklagten der Vertrag über die Beratungsleistung nicht mit der Beklagten, sondern mit dem jeweils
  98. telefonisch beratenden Steuerberater zustande kommt. Damit handelt es sich bei
  99. der Beratung um eine nicht von der Beklagten, sondern von dem jeweiligen Steuerberater erbrachte Dienstleistung. Zwar ist es nach den äußeren Umständen
  100. -6-
  101. zweifelhaft, zwischen wem der Vertrag über die Erbringung der Steuerberatungsleistung geschlossen werden soll. Für den Vertragsschluß mit dem telefonisch beratenden Steuerberater spricht jedoch eindeutig der Grundsatz, daß der Wille der
  102. vertragschließenden Parteien im Zweifel auf eine den Vertragszweck nicht gefährdende Gestaltung gerichtet ist.
  103. Wäre im Streitfall das Angebot des Anrufers auf einen Vertragsschluß mit der
  104. Beklagten gerichtet, wäre der Vertragszweck gefährdet. Nach § 2 StBerG darf die
  105. Hilfeleistung in Steuersachen (vgl. hierzu § 1 StBerG) geschäftsmäßig nur von
  106. Personen oder Vereinigungen ausgeübt werden, die dazu befugt sind. Die Beklagte gehört nicht zu diesem in §§ 3, 4 StBerG näher beschriebenen Kreis. Ihr ist es
  107. daher nach § 5 Abs. 1 Satz 1 StBerG versagt, geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen zu leisten. Käme der Vertrag über die Beratung in einer steuerlichen Angelegenheit mit der Beklagten zustande, wäre er auf eine unzulässige geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen gerichtet und damit nach § 134 BGB wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig (vgl. BGHZ 132, 229, 231 f. m.w.N.).
  108. Im Zweifel ist davon auszugehen, daß die Vertragschließenden eine derartige, von
  109. ihrem Willen unabhängige Gefährdung des Vertragszwecks nicht beabsichtigen.
  110. Ist den Umständen nicht eindeutig zu entnehmen, an welchen von zwei möglichen
  111. Adressaten sich das Angebot zum Abschluß eines Geschäftsbesorgungsvertrags
  112. richtet, ist daher nur diejenige Auslegung nach beiden Seiten interessengerecht,
  113. die die Nichtigkeit des angestrebten Vertrags vermeidet. Auf den Streitfall bezogen
  114. bedeutet dies, daß bei verständiger Würdigung in dem Anruf – in Ermangelung eines erkennbaren entgegenstehenden Willens des Anrufers – das Angebot zum
  115. Abschluß eines Beratungsvertrags mit dem jeweils sich meldenden Steuerberater
  116. zu den in der Werbung im einzelnen wiedergegebenen Bedingungen liegt (vgl.
  117. hierzu eingehend BGHZ 152, 153, 157 ff. – Anwalts-Hotline).
  118. -7-
  119. 3. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegt in dem von der
  120. Beklagten mit ihrem Geschäftsmodell geförderten Verhalten des telefonisch eingeschalteten Steuerberaters kein Wettbewerbsverstoß, für den die Beklagte als
  121. Teilnehmerin haftbar gemacht werden könnte. Der Steuerberater, der dem Ratsuchenden für jede Minute der Beratung 2,48 DM berechnet (die Differenz zu den
  122. insgesamt in Rechnung gestellten 3,63 DM sind die an die Deutsche Telekom fließenden Telefongebühren), verstößt nicht gegen die preisrechtlichen Bestimmungen des Steuerberatungsgesetzes und der Steuerberatergebührenverordnung.
  123. a) Das Berufungsgericht ist allerdings mit Recht davon ausgegangen, daß
  124. es sich bei den berufsrechtlichen Mindest- oder Höchstpreisvorschriften des Steuerberatungsgesetzes und der Steuerberatergebührenverordnung um Marktverhaltensregelungen i.S. von § 4 Nr. 11 UWG handelt (vgl. BGHZ 152, 153, 162 – Anwalts-Hotline, zur Rechtsanwaltsgebührenordnung; ferner Köhler in Baumbach/
  125. Hefermehl aaO § 4 Rdn. 11.139 f.). Im Falle des Verstoßes gegen derartige Bestimmungen steht Mitbewerbern und Verbänden, die – wie die Klägerin – die gewerblichen Interessen von Mitbewerbern wahrnehmen, ein Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1, § 3 UWG zu.
  126. b) Mit dem von der Beklagten organisierten und geförderten Steuerberatungsdienst sind entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts keine unzulässigen Gebührenunter- oder -überschreitungen verbunden.
  127. aa) Es stellt keinen Verstoß gegen die Bestimmungen des Steuerberatungsgesetzes und der Steuerberatergebührenverordnung dar, daß dem Ratsuchenden
  128. für die Beratung im Streitfall eine zeitabhängige Vergütung in Rechnung gestellt
  129. wird.
  130. -8-
  131. Nach § 64 Abs. 1 Satz 1 StBerG ist ein Steuerberater an die durch das Bundesministerium der Finanzen durch Rechtsverordnung erlassene Gebührenverordnung gebunden. Die Höhe der Gebühren darf nach § 64 Abs. 1 Satz 3 StBerG
  132. den Rahmen des Angemessenen nicht übersteigen und hat sich nach Zeitaufwand, Wert des Objekts und Art der Aufgabe zu richten. Die telefonische Beratung
  133. wird im allgemeinen den Gebührentatbestand des § 21 Abs. 1 Satz 1 StBGebV erfüllen. Danach erhält der Steuerberater für einen mündlichen Rat oder eine Auskunft, wenn die Beratung nicht mit einer anderen gebührenpflichtigen Tätigkeit zusammenhängt, eine Gebühr in Höhe von einem Zehntel bis zehn Zehntel der vom
  134. Gegenstandswert abhängigen vollen Gebühr. Im Falle einer Erstberatung darf diese Gebühr nach § 21 Abs. 1 Satz 2 StBGebV jedoch 180 € nicht übersteigen, was
  135. – wenn eine Mittelgebühr von 5,5/10 zugrunde gelegt wird – ab einem Gegenstandswert von mehr als 6.000 € zu einer betragsmäßigen Begrenzung des Gebührenanspruchs führt.
  136. Darüber hinaus sieht § 13 StBGebV ausdrücklich auch die Möglichkeit der
  137. Abrechnung nach einer Zeitgebühr vor. Dies gilt nach § 13 Satz 1 Nr. 1 StBGebV
  138. für die in der Verordnung ausdrücklich vorgesehenen Fällen sowie nach § 13
  139. Satz 1 Nr. 2 StBGebV für den Fall, daß es keine hinreichenden Anhaltspunkte für
  140. eine Schätzung des Gegenstandswerts gibt. Ob die Anhaltspunkte genügen, ist
  141. insbesondere im Hinblick darauf zu beurteilen, ob der Steuerberater in der Lage
  142. ist, den Gegenstandswert ohne langwierige Zusatzermittlungen zu schätzen (Goez
  143. in Meyer/Goez, StBGebV, 4. Aufl., § 13 Rdn. 10). Es bedarf im Streitfall keiner
  144. Entscheidung, ob sich daraus für die Praxis in Zweifelsfällen – wie im Schrifttum
  145. teilweise angenommen (vgl. Goez aaO § 13 Rdn. 11; enger dagegen Eckert/
  146. Crusen, StBGebV, 4. Aufl., § 13 Rdn. 1) – sogar generell eine Wahlmöglichkeit
  147. des Steuerberaters zwischen Wert- und Zeitgebühr ergibt. Denn ein Steuerberater, der von einem ihm nicht näher bekannten Mandanten um eine telefonische
  148. -9-
  149. Beratung in einer Steuerangelegenheit gebeten wird, verstößt nicht gegen die
  150. Preisbestimmungen des Steuerberatungsgesetzes und der Steuerberatergebührenverordnung, wenn er hierfür unter Berufung auf § 13 Satz 1 Nr. 2 StBGebV eine Zeitgebühr ansetzt. In vielen Fällen werden von vornherein Anhaltspunkte für
  151. eine Schätzung des Gegenstandswertes fehlen. Aber auch in den Fällen, in denen
  152. solche Anhaltspunkte an sich ermittelt werden könnten, wäre der Steuerberater
  153. vollständig auf die Angaben des ihm nicht näher bekannten Ratsuchenden angewiesen, die er in keiner Weise überprüfen könnte. Hinzu kommt, daß sich ein Anrufer, der sich an einen der von der Beklagten vermittelten Steuerberater wendet,
  154. durch seinen Anruf mit der Vereinbarung einer Zeitvergütung einverstanden erklärt. Mit der Zeitvergütung wählen die Parteien des Beratungsvertrages bewußt
  155. eine Berechnungsweise, die sich von der gegenstandswertabhängigen Berechnung vollständig löst. Dies ist für sich genommen im Streitfall nicht zu beanstanden (vgl. für den Fall der anwaltlichen Beratung, für den andere gesetzliche Gebührenbestimmungen gelten, BGHZ 152, 153, 160 f. – Anwalts-Hotline).
  156. bb) Die von der Beklagten vermittelten Steuerberater verstoßen auch nicht
  157. deswegen gegen die gebührenrechtlichen Bestimmungen, weil die von ihnen in
  158. Rechung gestellten Gebühren den in der Steuerberatergebührenverordnung gesetzten Rahmen unterschreiten.
  159. Die Zeitgebühr, die der Abrechnung eines Steuerberaters zugrunde gelegt
  160. wird, beträgt nach § 13 Satz 2 StBGebV zwischen 19 und 46 € je angefangene
  161. halbe Stunde. Die zeitabhängige Mindestgebühr wird damit bei der von der Klägerin beanstandeten telefonischen Beratung, für die dem Ratsuchenden ein Betrag
  162. von 2,48 DM pro Minute berechnet wird, nach 15 Minuten erreicht, die Höchstgebühr wird auch nach 30 Minuten nicht überschritten. Eine Unterschreitung des
  163. Gebührenrahmens des § 13 Satz 2 StBGebV bei Gesprächen von weniger als
  164. 15 Minuten ist daher nicht auszuschließen. Erfolgt die Gebührenberechnung nicht
  165. - 10 -
  166. nach Zeit, sondern nach Gegenstandswerten, liegt die Mittelgebühr (5,5/10) nach
  167. der Steuerberatergebührenverordnung mindestens bei 13,75 € (Gegenstandswert
  168. bis zu 300 €); auch bei Ausschöpfung des Gebührenrahmens (1/10 bis 10/10) darf
  169. sie 10 € nicht unterschreiten (§ 3 StVGebV). Bei einem Gegenstandswert von
  170. 1.500 € beträgt die Mittelgebühr bereits 57,75 €. Dies macht deutlich, daß die im
  171. Rahmen des beanstandeten Beratungsdienstes vereinbarte Vergütung in Höhe
  172. von 2,48 DM pro Minute die nach Gegenstandswerten berechneten gesetzlichen
  173. Gebühren häufig unterschreiten würde.
  174. Die in der Steuerberatergebührenverordnung vorgesehenen Mindestgebühren betreffen jedoch allein den Fall der Abrechnung nach den gesetzlichen Gebühren. Im Streitfall geht es dagegen um die Berechnung einer vereinbarten Vergütung. Für den Fall der Gebührenvereinbarung enthält die Steuerberatergebührenverordnung keine ausdrückliche Regelung über zu beachtende Mindestsätze. Die
  175. Bestimmung des § 4 StBGebV legt lediglich die Voraussetzungen für die Vereinbarung einer höheren als der gesetzlich vorgesehenen Vergütung fest. In der Begründung zur Verordnung werden Abweichungen von den vorgesehenen Gebühren – auch hinsichtlich Gebührenunterschreitungen – in zivil- und preisrechtlicher
  176. Hinsicht ausdrücklich nicht ausgeschlossen. Vielmehr wird es den beruflichen
  177. Selbstverwaltungskörperschaften überlassen, die berufsrechtlichen Grenzen einer
  178. Unter- oder Überschreitung aufzuzeigen und deren Einhaltung zu überwachen (zitiert bei Eckert/Winkler aaO § 4 Rdn. 1). Dementsprechend ist in § 45 Abs. 4
  179. Satz 1 der Berufsordnung der Bundessteuerberaterkammer (BOStB) vom 2. Juni
  180. 1997 (DStR, Beihefter zu Heft 26/1997), zuletzt geändert durch Beschluß der Satzungsversammlung vom 24. Oktober 2001 (DStR 2002, 518), geregelt, daß eine
  181. Unterschreitung der angemessenen Vergütung berufswidrig ist. Die Berufsordnung knüpft damit ausdrücklich nicht an die in der Steuerberatergebührenverordnung genannten Mindestgebühren, sondern an eine angemessene Vergütung an.
  182. - 11 -
  183. Unter den gegebenen Umständen kann im Streitfall in der Berechnung einer
  184. Vergütung, die den Mindestsatz des § 13 Satz 1 Nr. 2 StBGebV nicht erreicht, kein
  185. Unterschreiten der angemessenen Vergütung gesehen werden. Dabei ist zu berücksichtigen, daß der Betrag, der dem Ratsuchenden vereinbarungsgemäß für
  186. eine halbstündige Beratung in Rechnung gestellt wird, bei etwa 38 € und damit
  187. durchaus im Rahmen des § 13 Satz 1 Nr. 2 StBGebV liegt. Die Unterschreitung
  188. ergibt sich allein dadurch, daß für eine kürzere Inanspruchnahme des Steuerberaters auch nur eine anteilige Vergütung in Rechnung gestellt wird. In dieser Abweichung von der Gebührenregelung in § 13 Satz 1 Nr. 2 StBGebV liegt kein Unterschreiten der angemessenen Vergütung, sondern nur eine Abweichung im Modus
  189. der Gebührenberechnung. Während die Verordnung aus naheliegenden Praktikabilitätsgründen einen 30-Minuten-Takt vorsieht, kommt dem Ratsuchenden, der
  190. die Vermittlung der Beklagten in Anspruch nimmt, der günstigere Zeittakt zugute,
  191. der bei der telefonischen Beratung keinerlei praktische Schwierigkeiten aufwirft.
  192. Hierin liegt keine berufswidrige Unterschreitung einer angemessenen Vergütung.
  193. cc) Eine Gebührenüberschreitung durch den vermittelten Steuerberater ist
  194. mit dem Geschäftsmodell der Beklagten nicht verbunden. Denn die Vergütung, die
  195. der Ratsuchende dem Steuerberater über seine Telefonrechnung zahlt, überschreitet in keinem Fall den durch § 13 Satz 1 Nr. 2 StBGebV gesetzten Rahmen.
  196. dd) Gegenüber dem telefonischen Beratungsdienst kann auch nicht eingewandt werden, der vermittelte Steuerberater nehme die Vergütung auch in Fällen
  197. ein, in denen er sich – aus welchen Gründen auch immer – nicht in der Lage sehe,
  198. die erbetenen Hilfe in Steuersachen zu leisten. Es ist einem Steuerberater im
  199. Rahmen des § 13 StBGebV nicht verwehrt, mit dem Mandanten eine Zeitvergütung für ein Beratungsgespräch von angemessener Dauer auch für den Fall zu
  200. vereinbaren, daß sich der konkrete Sachverhalt nicht für eine telefonische Auskunft eignet oder es sich empfiehlt, sich hierfür an einen Steuerberater mit speziel-
  201. - 12 -
  202. len Kenntnissen und Erfahrungen zu wenden (vgl. BGHZ 152, 153, 163 – AnwaltsHotline).
  203. III. Das angefochtene Urteil kann danach keinen Bestand haben. Auf die Berufung der Beklagten ist die Klage abzuweisen.
  204. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.
  205. Ullmann
  206. Bornkamm
  207. Schaffert
  208. Büscher
  209. Bergmann