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36 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. I ZR 79/00
  5. in dem Rechtsstreit
  6. Nachschlagewerk:
  7. BGHZ
  8. :
  9. BGHR
  10. :
  11. Verkündet am:
  12. 6. Juni 2002
  13. Walz
  14. Justizamtsinspektor
  15. als Urkundsbeamter
  16. der Geschäftsstelle
  17. ja
  18. nein
  19. ja
  20. Titelexklusivität
  21. UrhG § 78 i.d.F. des Urheberrechtsgesetzes vom 9. September 1965;
  22. UWG § 1
  23. a) Unter der Geltung des § 78 UrhG a.F. konnte eine sog. nachvertragliche Titelexklusivität in einem Künstlervertrag nur mit schuldrechtlicher Wirkung vereinbart
  24. werden. Ein zur nachvertraglichen Titelexklusivität verpflichteter Künstler konnte
  25. sich wegen positiver Vertragsverletzung schadensersatzpflichtig machen, wenn er
  26. es unterließ, vor der Auswertung der Neuaufnahme seiner Darbietung eines unter
  27. die Ausschließlichkeitsbindung fallenden Musiktitels die Zustimmung des begünstigten Tonträgerherstellers einzuholen. Dies galt auch dann, wenn der Tonträgerhersteller seine Zustimmung zur Auswertung verweigert hat.
  28. b) Zur Frage der Schadensersatzpflicht eines anderen Tonträgerherstellers, der eine
  29. derartige Vertragsverletzung eines ausübenden Künstlers ausgenutzt hat.
  30. BGH, Urt. v. 6. Juni 2002 - I ZR 79/00 - OLG Frankfurt am Main
  31. LG Frankfurt am Main
  32. -2-
  33. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  34. vom 6. Juni 2002 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann und die Richter
  35. Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. Starck, Pokrant und Dr. Büscher
  36. für Recht erkannt:
  37. Auf die Revision der Klägerin wird das Teil-Urteil des 11. Zivilsenats des
  38. Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 15. Februar 2000 (in der
  39. Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 15. März 2000) unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen im Kostenpunkt und - den
  40. Vernichtungsausspruch ausgenommen - insoweit aufgehoben, als das
  41. Berufungsgericht zum Nachteil der Klägerin erkannt hat.
  42. Die Berufung der Beklagten zu 1 bis 4 gegen das Urteil des Landgerichts
  43. Frankfurt am Main - 3. Zivilkammer - vom 4. Februar 1999 wird hinsichtlich der Verurteilung zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung (Ausspruch 2) und hinsichtlich der Feststellung der Schadensersatzpflicht
  44. (Ausspruch 3) zurückgewiesen.
  45. Auf die Anschlußberufung der Klägerin wird das genannte landgerichtliche Urteil in den Aussprüchen 2 und 3 dahingehend ergänzt, daß sich
  46. die dort ausgesprochene Verurteilung der Beklagten zu 1 bis 4 zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung und die Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht auch auf Tonträger mit dem Titel "Ach' sie suchen
  47. Streit" bezieht.
  48. -3-
  49. Im übrigen Umfang der Aufhebung (Ansprüche gegenüber der Beklagten
  50. zu 5) wird der Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  51. Von Rechts wegen
  52. Tatbestand:
  53. Die Beklagten zu 1 bis 4 bilden die Musikgruppe
  54. O.
  55. . Sie schlossen mit
  56. der Klägerin unter dem 27. April/10. Mai 1990 einen Künstlervertrag, der unter anderem folgende Regelungen enthielt:
  57. " Par. 3 Rechtsübertragung
  58. (1) Der Künstler überträgt B.
  59. und ihren Lizenznehmern ohne Einschränkung und für die ganze Welt das ausschließliche und übertragbare Recht, seine sämtlichen schutzfähigen Darbietungen während der Dauer dieses Vertrages auf Tonträger und/oder Bildtonträger aller Art aufzunehmen und diese aufgenommenen Darbietungen
  60. in der ganzen Welt, in jeder beliebigen Weise unbefristet zu verwerten und verwerten zu lassen.
  61. ...
  62. Par. 4 Ausschließlichkeit
  63. (1) Der Künstler wird vorbehaltlich des Par. 4 (3) während der Vertragsdauer niemanden, außer B.
  64. , gestatten, seine Darbietungen auf
  65. Tonträger aufzunehmen und auszuwerten (persönliche Exklusivität).
  66. Er wird keine Bindungen eingehen - auch nicht unter anderem Namen oder ohne Nennung seines Namens/Pseudonyms - welche die
  67. Erfüllung dieses Vertrages beeinträchtigen. Zur Sicherung dieser
  68. persönlichen Exklusivität überträgt der Künstler B.
  69. seine sämtli-
  70. -4-
  71. chen Leistungsschutzrechte und daraus folgende Ansprüche, die ihm
  72. an etwaigen Aufnahmen oder Mitschnitten seiner Darbietungen entstehen, die möglicherweise - dieser Exklusivitätsverpflichtung zuwider - von Dritten vorgenommen und/oder ausgewertet werden.
  73. (2) ...
  74. (3) Der Künstler bleibt berechtigt, seine Darbietungen ausschließlich zu
  75. Film-, Funk- und Fernsehzwecken aufzunehmen oder aufnehmen zu
  76. lassen. Er verpflichtet sich aber, während der Vertragsdauer und
  77. während der in Par. 4 (4) bestimmten Zeit stets zu verbieten, daß
  78. seine Vorträge bei einer Rundfunk- oder Fernsehübertragung von
  79. dem Rundfunk- oder Fernsehsender oder von Dritten zwecks Weiterverbreitung auf Filmen, Schallplatten oder sonstigen Wiedergabemitteln irgendwie festgehalten werden. ...
  80. (4) Bei Beendigung der persönlichen Ausschließlichkeit beschränken
  81. sich die B.
  82. vom Künstler eingeräumten Ausschließlichkeitsrechte
  83. auf die unter diesem Vertrag aufgenommenen Titel und Teile davon
  84. (Titelexklusivität). Diese wird der Künstler auf die Dauer von zehn
  85. (10) Jahren nach Vertragsende nicht durch Dritte auf Tonträger aufnehmen lassen, es sei denn, daß ihm die Aufnahme nach Par. 4 (3)
  86. ohnehin vorbehalten ist."
  87. Durch Vereinbarungen vom 21. September 1993 und 19. Oktober 1994 beendeten die Parteien ihr Vertragsverhältnis zum 31. Dezember 1993.
  88. Am 23. November 1996 gaben die Beklagten zu 1 bis 4 ein Live-Konzert in der
  89. Dortmunder Westfalenhalle, das sie auf ihre Kosten mitschneiden ließen. Die Beklagte zu 5, mit der die Beklagten zu 1 bis 4 am 30. März 1995 einen "Bandübernahme- und Labelvertrag" geschlossen hatten, vertrieb ab Mitte 1997 den LiveMitschnitt mit Zustimmung der Beklagten zu 1 bis 4 auf der CD "
  90. O.
  91. Live in
  92. Dortmund". Neun der 27 Musiktitel dieser CD waren von den Beklagten zu 1 bis 4
  93. schon während ihres Vertragsverhältnisses mit der Klägerin als Studioversionen eingespielt und von der Klägerin auf Tonträgern veröffentlicht worden.
  94. Die Klägerin hat vorgetragen, die Beklagten zu 1 bis 4 hätten durch die Aufnahme und Verwertung ihrer Live-Darbietungen der Musiktitel, die bereits während
  95. der Vertragsdauer aufgenommen worden seien, ihre Ausschließlichkeitsbindung aus
  96. -5-
  97. § 4 Abs. 4 des Künstlervertrages (Titelexklusivität) verletzt. Sie seien deshalb ihr gegenüber zur Unterlassung, Rechnungslegung und Schadensersatzleistung verpflichtet. Auch die Beklagte zu 5 habe rechtswidrig gehandelt, da sie von dem Künstlervertrag gewußt habe und gleichwohl zum Vertragsbruch der Beklagten zu 1 bis 4
  98. beigetragen und diesen ausgenutzt habe.
  99. Die Klägerin hat vor dem Landgericht beantragt,
  100. 1. den Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen,
  101. Tonträger mit den Titeln
  102. Lieber stehend sterben
  103. Heilige Lieder
  104. Wieder mal 'nen Tag verschenkt
  105. Gehasst, verdammt, vergöttert
  106. Nur die Besten sterben jung
  107. Ich bin in Dir
  108. Scheißegal
  109. Wir ham' noch lange nicht genug
  110. zu bewerben, feilzuhalten und/oder in den Verkehr zu bringen;
  111. 2. die Beklagten zu verurteilen, ihr über den Umfang der vorstehend zu
  112. Ziffer 1 beschriebenen Handlungen Auskunft zu erteilen bzw. Rechnung zu legen
  113. a) die Beklagten zu 1 bis 4 durch Offenlegung der mit der Beklagten
  114. zu 5 vereinbarten Lizenzgebühren und der nach dem Vertrag abgerechneten Einheiten,
  115. b) die Beklagte zu 5 durch Vorlage eines Verzeichnisses der Herstellungs- und Lieferzahlen unter Angabe der Lieferpreise und Benennung
  116. aa) der Namen und Anschriften der Abnehmer,
  117. bb) der Gestehungskosten unter Auflistung der einzelnen Kostenfaktoren,
  118. cc) des erzielten Gewinns;
  119. 3. festzustellen, daß die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet
  120. sind, der Klägerin den Schaden zu erstatten, der ihr aus den vorstehend zu Ziffer 1 bezeichneten Handlungen der Beklagten entstanden
  121. ist und künftig noch entstehen wird;
  122. -6-
  123. 4. die Beklagte zu 5 zu verurteilen, die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz befindlichen Vervielfältigungsstücke des Tonträgers
  124. "Live in Dortmund" mit den zu Ziffer 1 genannten Titeln zu vernichten.
  125. Die Beklagten zu 1 bis 4 haben demgegenüber die Ansicht vertreten, aus der
  126. in § 4 Abs. 4 des Künstlervertrages geregelten Titelexklusivität ergebe sich lediglich
  127. ein schuldrechtliches Wiederaufnahmeverbot, das auch nur Aufnahmen durch Dritte,
  128. nicht aber eine von ihnen selbst hergestellte Aufzeichnung untersage. Der Klägerin
  129. sei durch den Vertrieb des Live-Albums kein Schaden entstanden.
  130. Die Beklagte zu 5 hat weiterhin vorgebracht, sie habe den Künstlervertrag
  131. nicht gekannt, sondern nur gewußt, daß ein schuldrechtliches Wiederaufnahmeve rbot bestehe.
  132. Im übrigen haben die Beklagten die Einrede der Verjährung erhoben.
  133. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.
  134. Gegen dieses Urteil haben die Beklagten Berufung eingelegt. Die Klägerin hat
  135. beantragt, die Rechtsmittel mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß die Unterla ssungszeit auf zehn Jahre beschränkt werde. Sie hat zugleich ihre Klageanträge auf
  136. den Titel "Ach' sie suchen Streit" erweitert. Die Beklagten haben auch insoweit Kl
  137. ageabweisung beantragt.
  138. Das Berufungsgericht hat den Rechtsstreit hinsichtlich des Unterlassungsantrags der Klägerin gegen die Beklagten zu 1 bis 4 ausgesetzt, weil insoweit der zwischen der Klägerin und den Beklagten zu 1 bis 4 geführte Rechtsstreit vor dem
  139. Oberlandesgericht Frankfurt am Main (11 U
  140. ) vorgreiflich sei. Im übrigen hat das
  141. Berufungsgericht die Klage gegen die Beklagten zu 1 bis 5 unter Abänderung des
  142. landgerichtlichen Urteils durch Teil-Urteil abgewiesen.
  143. -7-
  144. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision, deren
  145. Zurückweisung die Beklagten zu 1 bis 5 beantragen.
  146. Entscheidungsgründe:
  147. A. Das Berufungsgericht hat die Ansicht vertreten, daß die mit dem Klageantrag zu 2 geltend gemachten Ansprüche gegen die Beklagten zu 1 bis 4 auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung über die Verwertung der Aufnahmen bei dem
  148. Live-Konzert in Dortmund unbegründet seien. Derartige Ansprüche könnten nur gegeben sein, wenn die Beklagten zu 1 bis 4 durch die Aufnahme ihrer Darbietungen
  149. dingliche Nutzungsrechte der Klägerin verletzt hätten. Dies sei jedoch nicht der Fall.
  150. Die Beklagten zu 1 bis 4 hätten durch die Aufzeichnung ihrer Darbietungen lediglich
  151. gegen ihre Vertragspflichten aus § 4 Abs. 4 des Künstlervertrages verstoßen. Die der
  152. Klägerin eingeräumten dinglichen Nutzungsrechte seien auf Darbietungen während
  153. der Vertragslaufzeit beschränkt gewesen. Durch § 4 Abs. 4 Satz 2 des Künstlervertrages hätten sich die Beklagten zu 1 bis 4 lediglich schuldrechtlich verpflichtet, nicht
  154. in die Aufzeichnung von Darbietungen einzuwilligen, die von der vereinbarten Titelexklusivität erfaßt würden. Ein Auskunftsanspruch zur Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs wegen Verletzung des Künstlervertrages könne sich nicht auf
  155. die mit der Beklagten zu 5 vereinbarten Lizenzgebühren beziehen, da deren Höhe
  156. nur für die Schadensberechnung wegen Verletzung dinglicher Rechte bedeutsam
  157. sein könne.
  158. Der Klageantrag zu 3 auf Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten sei unzulässig, weil der Klägerin das erforderliche Feststellungsinteresse fehle.
  159. Der Feststellungsantrag sei aber jedenfalls unbegründet, da die Wahrscheinlichkeit
  160. einer Vermögenseinbuße keineswegs offensichtlich sei. Es sei nicht zwingend, daß
  161. der Absatz der Tonträger der Klägerin durch die CD mit den Live-Aufnahmen beeinträchtigt werde. Die Klägerin könne auch nicht geltend machen, daß sie ihren Ver-
  162. -8-
  163. zicht auf ihr schuldrechtliches Verbietungsrecht von einer Vergütung abhängig gemacht hätte. Sie könne eine solche Vergütung nicht als entgangenen Gewinn fordern, weil sie ihr Einverständnis mit der Aufzeichnung der unter die Titelexklusivität
  164. fallenden Darbietungen mit Schreiben vom 7. November 1996 schlechthin verweigert
  165. habe.
  166. Die Klägerin könne von der Beklagten zu 5 nicht verlangen, den Vertrieb von
  167. Vervielfältigungsstücken der CD "Live in Dortmund" mit den streitgegenständlichen
  168. Darbietungen zu unterlassen. Ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch
  169. wegen Ausnutzens eines fremden Vertragsbruchs sei nicht gegeben. Die Beklagte
  170. zu 5 habe auf die Vertragsverletzung der Beklagten zu 1 bis 4 nicht hingewirkt. Besondere Umstände, die ihr Vorgehen unlauter machten, lägen nicht vor. Das Vorbringen der Klägerin, die Beklagte zu 5 habe den Vertragsbruch der Beklagten zu 1 bis 4
  171. gekannt, genüge dazu nicht. Auf eine dingliche Rechtsposition könne die Klägerin
  172. den geltend gemachten Unterlassungsanspruch nicht stützen.
  173. Da die Klägerin keinen Schadensersatz- oder Bereicherungsanspruch gegen
  174. die Beklagte zu 5 habe, könne sie auch nicht Auskunft und Rechnungslegung verlangen.
  175. Der mit dem Klageantrag zu 4 verfolgte Vernichtungsanspruch sei ebenfalls
  176. mangels Verletzung eines ausschließlichen Nutzungsrechts unbegründet.
  177. B. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision hat überwiegend Erfolg.
  178. I. Klage gegen die Beklagten zu 1 bis 4
  179. 1. Der Antrag auf Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten zu 1
  180. bis 4 ist zulässig und begründet.
  181. -9-
  182. a) Der Feststellungsantrag kann - anders als das Berufungsgericht gemeint
  183. hat - nicht mit der Begründung als unzulässig behandelt werden, der Klägerin fehle
  184. das Feststellungsinteresse, weil sie bereits Leistungsklage auf Zahlung von Schadensersatz erheben könne.
  185. Das prozessuale Erfordernis des rechtlichen Interesses an der begehrten
  186. Feststellung ist lediglich die besondere Ausgestaltung des bei jeder Rechtsverfolgung
  187. erforderlichen
  188. Rechtsschutzinteresses
  189. (vgl.
  190. BGH,
  191. Urt.
  192. v.
  193. 19.11.1971
  194. - I ZR 72/70, GRUR 1972, 180, 183 = WRP 1972, 309 - Cheri; MünchKommZPO/
  195. Lüke, 2. Aufl., § 256 Rdn. 35). Es ist regelmäßig gegeben, wenn eine tatsächliche
  196. Unsicherheit das behauptete Rechtsverhältnis gefährdet. Dagegen gehört die Frage,
  197. ob das behauptete Rechtsverhältnis besteht, zur sachlichen Begründetheit der Klage.
  198. Die Zulässigkeit der Klageerhebung ist auch bei der Feststellungsklage nicht davon
  199. abhängig, ob die begehrte Feststellung materiell-rechtlich getroffen werden kann, die
  200. Klage also sachlich begründet ist (BGH GRUR 1972, 180, 183 - Cheri). Dementsprechend ist bei der Beurteilung des Feststellungsinteresses von dem Vorbringen der
  201. Klägerin auszugehen. Diese verlangt Schadensersatz, weil die Beklagten ihr zustehende dingliche Nutzungsrechte verletzt hätten oder zumindest eine ihr durch Vertrag und Wettbewerbsrecht ausschließlich zugewiesene Rechtsposition. Sie sei deshalb befugt zu wählen, nach welcher der drei Schadensberechnungsarten, die bei
  202. Eingriffen in Immaterialgüterrechte und bei wettbewerbswidriger Leistungsübernahme zulässig seien, ihr Schadensersatzanspruch bemessen werden solle (konkrete
  203. Schadensberechnung, Schadensersatz in Höhe einer angemessenen Lizenzgebühr
  204. und Herausgabe des Verletzergewinns, vgl. BGH, Urt. v. 22.9.1999 - I ZR 48/97,
  205. GRUR 2000, 226, 227 = WRP 2000, 101 - Planungsmappe). Wird von diesem - jedenfalls nicht unvertretbaren - Vorbringen der Klägerin ausgegangen, kann ihr Feststellungsinteresse nicht verneint werden, weil sie bei Begründetheit ihres Vorbringens ihr Wahlrecht sinnvoll erst nach Erfüllung des Anspruchs auf Auskunftserteilung
  206. ausüben könnte (vgl. dazu auch BGH, Urt. v. 17.5.2001 - I ZR 189/99, GRUR 2001,
  207. 1177, 1178 = WRP 2001, 1164 - Feststellungsinteresse II).
  208. - 10 -
  209. Der Umstand, daß das Berufungsgericht den Feststellungsantrag zu Unrecht
  210. wegen Fehlens des Feststellungsinteresses als unzulässig beurteilt hat, ist aber
  211. letztlich unschädlich, weil es rechtsfehlerfrei auch über die Begründetheit des Antrags entschieden hat (vgl. BGH, Urt. v. 16.1.1997 - III ZR 117/95, ZIP 1997, 453,
  212. 455 = WM 1997, 375, insoweit in BGHZ 134, 268 nicht abgedruckt).
  213. b) Der Feststellungsantrag ist - abweichend von der Ansicht des Berufungsgerichts - auch begründet.
  214. (1) Das Berufungsgericht hat allerdings zu Recht entschieden, daß die Klägerin wegen der Neuaufnahme der streitgegenständlichen neun Musiktitel von den Beklagten zu 1 bis 4 nicht Schadensersatz nach § 97 Abs. 1 UrhG beanspruchen kann.
  215. aa) Die Klägerin ist nicht Inhaberin dinglicher Rechte an den streitgegenständlichen Darbietungen.
  216. Die Beklagten zu 1 bis 4 haben sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in § 4 Abs. 4 des Künstlervertrages vom 27. April/10. Mai 1990 nur schuldrechtlich gegenüber der Klägerin verpflichtet, in einer Zeit von zehn Jahren nach
  217. Vertragsende Titel, die während der Vertragsdauer bereits in ihrer Darbietung auf
  218. Tonträger aufgenommen worden sind, grundsätzlich nicht erneut in ihrer Darbietung
  219. durch Dritte auf Tonträger aufnehmen zu lassen (Titelexklusivität). Für die Annahme
  220. der Revision, die Beklagten zu 1 bis 4 hätten darüber hinaus den Willen gehabt, der
  221. Klägerin entsprechende dinglich wirkende Rechte einzuräumen, fehlen hinreichende
  222. Anhaltspunkte.
  223. Gegen eine solche Auslegung des Künstlervertrages spricht bereits, daß es
  224. den Beklagten zu 1 bis 4 nach der zur Zeit des Vertragsschlusses geltenden
  225. Rechtslage gar nicht möglich gewesen wäre, der Klägerin solche Rechte einzuräumen. Nach § 75 UrhG in der damals geltenden Fassung des Urheberrechtsgesetzes
  226. vom 9. September 1965 war ein ausübender Künstler bei der Aufnahme und Ver-
  227. - 11 -
  228. vielfältigung seiner Darbietung auf Einwilligungsrechte beschränkt. Er konnte diese
  229. Rechte gemäß § 78 UrhG a.F. an Dritte abtreten, behielt jedoch nach § 78 Halbs. 2
  230. UrhG a.F. stets die Befugnis, die Einwilligung in Aufnahmen seiner Darbietung und
  231. die Vervielfältigung der so hergestellten Bild- oder Tonträger auch selbst zu erteilen.
  232. Erst durch die Neufassung der §§ 75 und 78 UrhG durch Art. 1 Nr. 8 und 9 des Dritten Gesetzes zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes vom 23. Juni 1995 (BGBl. I
  233. S. 842, 843) wurde den ausübenden Künstlern das ausschließliche Recht zuerkannt,
  234. Bild- oder Tonträger, auf denen ihre Darbietung mit ihrer Einwilligung aufgenommen
  235. worden ist, zu vervielfältigen und zu verbreiten. Die Verpflichtung eines ausübenden
  236. Künstlers, Vervielfältigungen von Aufnahmen seiner Darbietungen zu unterlassen,
  237. konnte vor dieser Gesetzesänderung nur eine schuldrechtliche Wirkung haben (vgl.
  238. Begründung zu § 88 des Regierungsentwurfs eines Gesetzes über Urheberrecht und
  239. verwandte Schutzrechte, BT-Drucks. IV/270 S. 93 = UFITA 45 [1965], S. 240, 311;
  240. v. Gamm, Urheberrechtsgesetz, § 78 Rdn. 7). Da es somit bereits an einer Verfügung der Beklagten zu 1 bis 4 fehlt, stellt sich die von der Revision aufgeworfene
  241. Frage nicht, ob die Klägerin infolge der Änderung der Rechtslage gemäß § 185
  242. Abs. 2 BGB Inhaberin dinglicher Rechte zum Schutz der vereinbarten nachvertraglichen Titelexklusivität werden konnte.
  243. bb) Auf ausschließliche Nutzungsrechte an der Vervielfältigung der Musiktitel
  244. auf Tonträgern beruft sich die Klägerin nicht. Derartige Nutzungsrechte konnte die
  245. Beklagte zu 5 unstreitig von der GEMA erwerben.
  246. (2) Der Klägerin steht jedoch ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten zu 1 bis 4 aus positiver Vertragsverletzung des Künstlervertrages zu.
  247. aa) Das Berufungsgericht hat § 4 Abs. 4 des Künstlervertrages dahin ausgelegt, daß er den Beklagten zu 1 bis 4 untersagte, Musiktitel, die sie bereits während
  248. der Laufzeit des Vertrages mit der Klägerin aufgenommen hatten, binnen zehn Jahren nach Vertragsende erneut zum Zweck der Vervielfältigung und Verbreitung auf
  249. Tonträgern aufzunehmen oder aufnehmen zu lassen. Das Berufungsgericht hat dies
  250. - 12 -
  251. - unter Bezugnahme auf seinen Aussetzungsbeschluß - mit dem Zweck der Vertragsbestimmung begründet, der Klägerin den wirtschaftlichen Wert der Exklusivrechte,
  252. die ihr durch § 4 Abs. 1 des Künstlervertrages für die Vertragsdauer zugestanden
  253. worden seien, und der Tonträger und Bildtonträger, die in Auswertung dieser Rechte
  254. geschaffen werden sollten, für die Dauer von zehn Jahren nach Vertragsende zu sichern. Dementsprechend sei für diese Zeit ein Wettbewerb mit Neuaufnahmen der
  255. während der Vertragsdauer aufgenommenen Titel in der Darbietung der Beklagten
  256. zu 1 bis 4 ausgeschlossen worden. Mit diesem Vertragszweck sei es unvereinbar,
  257. § 4 Abs. 4 des Vertrages dahin auszulegen, daß das Verbot von Neuaufnahmen von
  258. Darbietungen der Musiktitel nur für Aufnahmen Dritter, nicht aber für eigene Aufnahmen der Beklagten zu 1 bis 4 gelten sollte. Andernfalls hätte es in ihrem freien Ermessen gestanden, ihrer Unterlassungsverpflichtung durch eigene Aufnahmen von
  259. Live-Konzerten und Studiodarbietungen zu entgehen.
  260. Diese tatrichterliche Auslegung der Vereinbarung der nachvertraglichen Titelexklusivität wird von der Revisionserwiderung ohne Erfolg angegriffen.
  261. Die Revisionserwiderung kann sich für ihre abweichende Auslegung allerdings
  262. auf den Wortlaut des Vertrages berufen, der für die Auslegung in erster Linie maßgebend ist (vgl. BGH, Urt. v. 7.2.2002 - I ZR 304/99, GRUR 2002, 532, 533 = WRP
  263. 2002, 552 - Unikatrahmen, für BGHZ vorgesehen; Urt. v. 13.2.2002 - VIII ZR 124/00,
  264. Umdruck S. 8, jeweils m.w.N.). Danach sollte das nachvertragliche Aufnahmeverbot
  265. für Aufnahmen Dritter gelten. Das Berufungsgericht hat jedoch rechtsfehlerfrei dargelegt, daß es nicht dem Vertragszweck entsprochen hätte, den Umfang der Möglichkeiten der Klägerin, von ihr während der Vertragsdauer hergestellte Tonträger zu
  266. vermarkten, durch Zulassung einer eigenen Produzententätigkeit der Beklagten zu 1
  267. bis 4 - auch in Form von Studioaufnahmen - deren Belieben zu überlassen.
  268. Das Vorbringen der Revisionserwiderung, es sei branchenüblich, bei der Vereinbarung einer Titelexklusivität zwischen eigenen Aufnahmen und Aufnahmen durch
  269. Dritte zu unterscheiden, ist nicht auf entsprechenden Sachvortrag in den Vorinstan-
  270. - 13 -
  271. zen gestützt. Eine solche Branchenübung kann nicht schon dem Umstand entnommen werden, daß der Senatsentscheidung "Künstlerverträge" (Urt. v. 1.12.1988
  272. - I ZR 190/87, GRUR 1989, 198) ein Vertrag zugrunde lag, der bereits nach seinem
  273. Wortlaut ausdrücklich auch eigene Aufnahmen des Künstlers von seinen Darbietungen untersagte.
  274. bb) Die Beklagten zu 1 bis 4 haben - wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei
  275. festgestellt hat - gegen ihre nachvertragliche Pflicht, die Titelexklusivität zu wahren,
  276. dadurch verstoßen, daß sie die streitgegenständlichen neun Titel bei ihrem LiveKonzert in Dortmund aufnahmen und den Mitschnitt der Beklagten zu 5 zur Verbreitung auf Tonträgern überließen. Diese Vertragsverletzung begründet ihre Schadensersatzpflicht.
  277. cc) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist der Klägerin durch die
  278. Vertragsverletzung der Beklagten zu 1 bis 4 wahrscheinlich ein Schaden entstanden.
  279. Die Höhe des Schadensersatzanspruchs kann allerdings - entgegen der Ansicht der Revision - nicht nach den Grundsätzen der dreifachen Schadensberechnung ermittelt werden. Die Klägerin kann ihren Schadensersatzanspruch nicht auf die
  280. Verletzung ihr zustehender absoluter Rechte stützen. Sie kann sich auch nicht auf
  281. eine den Immaterialgüterrechten vergleichbare Rechtsposition berufen, wie sie in den
  282. Fällen der wettbewerbswidrigen Leistungsübernahme zur dreifachen Schadensberechnung berechtigt (vgl. BGHZ 122, 262, 267 - Kollektion Holiday). Der Schutz, den
  283. ein Unternehmen gemäß § 1 UWG gegen die wettbewerbswidrige Übernahme seiner
  284. Leistung geltend machen kann, gewährt ihm in bezug auf das Leistungsergebnis eine
  285. gegen Dritte geschützte Rechtsposition. Die schuldrechtliche Vereinbarung der
  286. nachvertraglichen Titelexklusivität gab der Klägerin demgegenüber schon deshalb
  287. keine vergleichbare Rechtsposition, weil sie - ungeachtet der ihr möglicherweise zustehenden wettbewerbsrechtlichen Ansprüche gegen Dritte (vgl. dazu unter II. 1.) lediglich das Recht hatte, bei den unter die Ausschließlichkeitsbindung fallenden Titeln Neuaufnahmen von Darbietungen der Beklagten zu 1 bis 4 zu untersagen, nicht
  288. - 14 -
  289. aber auch befugt war, solche Neuaufnahmen unter Ausschluß jedes Dritten selbst
  290. auszuwerten.
  291. Die Klägerin hat jedoch durch die Vertragsverletzung der Beklagten zu 1 bis 4
  292. jedenfalls deshalb einen Schaden erlitten, weil sie ihre - nach dem Vertrag erforderliche - Zustimmung zur Vervielfältigung und Verbreitung der Mitschnitte der unter die
  293. Titelexklusivität fallenden neun Musiktitel nicht von einem Entgelt abhängig machen
  294. konnte.
  295. Ersatz dieses Schadens kann die Klägerin allerdings nicht nach § 252 BGB
  296. als Schadensersatz für entgangenen Gewinn verlangen, weil es nicht in ihrer Absicht
  297. lag, durch Zustimmung zur Neuaufnahme und Verwertung von Darbietungen der Beklagten zu 1 bis 4, die unter die Titelexklusivität fallen, ein Entgelt zu erzielen.
  298. Der Schadensersatzanspruch der Klägerin richtet sich jedoch nach § 249 BGB
  299. auf vollen Schadensausgleich; die Vorschrift des § 252 BGB schränkt diesen Grundsatz nicht ein (vgl. BGHZ - GrSZ - 98, 212, 219; MünchKommBGB/Oetker, 4. Aufl.,
  300. § 252 Rdn. 1). Aufgrund ihrer vertraglichen Rechtsposition hätte die Klägerin ihre
  301. Zustimmung zur Aufzeichnung und Auswertung von Darbietungen, die von der Titelexklusivität erfaßt werden, von der Zahlung einer Vergütung abhängig machen können. Die Beklagten zu 1 bis 4 haben sie durch ihre Vertragsverletzung um diese Verdienstmöglichkeit gebracht. Ihre dadurch begründete Pflicht zum Schadensersatz
  302. wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Klägerin von sich aus nicht bereit gewesen wäre, ihre Zustimmung zu Neuaufnahmen zu erteilen. Es würde vielmehr Sinn
  303. und Zweck des Schadensersatzes widersprechen, wenn die Beklagten zu 1 bis 4
  304. infolge der Mißachtung der vertraglichen Rechtsposition der Klägerin besser stünden,
  305. als wenn sie rechtzeitig die Zustimmung der Klägerin eingeholt hätten. Nachdem die
  306. Vertragsverletzung nun einmal geschehen ist, kann die Klägerin deshalb als Schadensersatz wenigstens den Betrag verlangen, den sie bei einer Zustimmung als angemessene Vergütung erhalten hätte (vgl. dazu auch - zum Schadensersatz im Wege der Lizenzanalogie nach einem Eingriff in ein Immaterialgüterrecht - BGHZ 44,
  307. - 15 -
  308. 372, 378 f. - Meßmer-Tee II). Der Umstand, daß der Wert der Zustimmung der Kläg erin nicht als Marktwert bestimmt werden kann, schließt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts die Feststellung, daß ihr durch die Vertragsverletzung ein Schaden
  309. entstanden ist, nicht aus (vgl. dazu MünchKommBGB/Oetker aaO § 249 Rdn. 48).
  310. Auf die Frage, ob der Klägerin durch die Vertragsverletzung der Beklagten
  311. zu 1 bis 4 auch ein Schaden bei der Auswertung der während der Vertragsdauer
  312. hergestellten Tonträger entstanden ist, kommt es danach für die Entscheidung über
  313. den Antrag auf Feststellung der Schadensersatzpflicht nicht mehr an.
  314. 2. Der Klägerin steht gegen die Beklagten zu 1 bis 4 der geltend gemachte
  315. Anspruch auf Auskunftserteilung zu. Ein Auskunftsanspruch ist auch zur Vorbereitung der Durchsetzung eines Anspruchs aus positiver Vertragsverletzung aus dem
  316. Gesichtspunkt von Treu und Glauben gegeben, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, daß der Anspruchsberechtigte in
  317. entschuldbarer Weise über den Umfang dieses Anspruchs im Ungewissen ist und
  318. wenn der Verpflichtete in der Lage ist, unschwer die zur Beseitigung dieser Ungewißheit
  319. erforderliche
  320. Auskunft zu
  321. erteilen
  322. (vgl.
  323. BGH,
  324. Urt.
  325. v.
  326. 22.11.2000
  327. - VIII ZR 40/00, WRP 2001, 168, 169). Der Inhalt des zuzubilligenden Auskunftsanspruchs ist, da dessen Grundlage der Grundsatz von Treu und Glauben ist, abhängig
  328. von den Erfordernissen der möglichen Schadensberechnung sowie unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und der beiderseitigen Interessen des Berechtigten und des Verpflichteten in Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit des verlangten Mittels zu dem angestrebten Erfolg zu bestimmen.
  329. Die begehrte Auskunft über die mit der Beklagten zu 5 vereinbarte Höhe der
  330. Lizenzgebühren und die nach dem Vertrag abgerechneten Einheiten ist geeignet,
  331. wesentliche Anhaltspunkte für eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO zu geben.
  332. Diese Auskunft kann von den Beklagten zu 1 bis 4 ohne Schwierigkeiten erteilt werden und ist ihnen ohne weiteres zumutbar.
  333. - 16 -
  334. II. Klage gegen die Beklagte zu 5
  335. 1. Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte
  336. zu 5 aus § 1 UWG verneint, weil nicht festgestellt werden könne, daß diese den Vertragsbruch der Beklagten zu 1 bis 4 in wettbewerbsrechtlich unlauterer Weise ausgenutzt habe. Dem Klagevorbringen lasse sich lediglich entnehmen, daß die Beklagte
  337. zu 5 Kenntnis von einem Vertragsbruch der Beklagten zu 1 bis 4 gehabt habe. Dieser
  338. Beurteilung kann nicht zugestimmt werden.
  339. Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, daß ein
  340. Kaufmann, der den Vertragsbruch eines Vertragspartners eines Wettbewerbers nur
  341. ausnutzt, ohne den Gebundenen zu dem Vertragsbruch zu verleiten, nicht wettbewerbswidrig handelt, solange nicht besondere die Unlauterkeit begründende Umstände hinzutreten. Dem liegt der Gedanke zugrunde, daß die schuldrechtliche Bindung zwischen dem Wettbewerber und seinem Vertragspartner - auch wenn es wie
  342. z.B. eine Vertriebsbindung eine Ausschließlichkeitsbindung ist - Dritten gegenüber im
  343. allgemeinen keine rechtlichen Wirkungen zu entfalten vermag und daß es gewissermaßen zu einer - im Interesse des freien Austausches von Waren und Dienstleistungen unerwünschten - Verdinglichung der schuldrechtlichen Verpflichtungen führen
  344. würde, wenn schon das Ausnutzen eines fremden Vertragsbruchs als solches als
  345. wettbewerbswidrig angesehen würde (vgl. BGHZ 143, 232, 240 - Außenseiteranspruch II, m.w.N.). Etwas anderes kann aber - abweichend von der Ansicht des Berufungsgerichts - gelten, wenn die Verletzung einer branchenüblichen Ausschließlichkeitsbindung ausgenutzt wird, die erforderlich ist, um eine wirtschaftlich sinnvolle
  346. Auswertung der von dem Gebundenen vertraglich zugestandenen Rechte oder Befugnisse zu sichern (vgl. dazu BGH, Urt. v. 16.10.1956 - I ZR 2/55, GRUR 1957, 219,
  347. 221 - Bierbezugsvertrag; Urt. v. 19.10.1966 - Ib ZR 156/64, GRUR 1967, 138, 141 =
  348. WRP 1967, 26 - Streckenwerbung; Urt. v. 23.2.1973 - I ZR 70/71, GRUR 1973, 426,
  349. 428 [mit Anmerkung Sprick] = WRP 1973, 261 - Medizin-Duden; Urt. v. 4.5.1973
  350. - I ZR 11/72, GRUR 1974, 97, 98 = WRP 1973, 410 - Spielautomaten II; Baumbach/
  351. - 17 -
  352. Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., § 1 UWG Rdn. 705 f.). Es ist regelmäßig
  353. unlauter, die Verletzung einer solchen Ausschließlichkeitsbindung auszunutzen. Wird
  354. entsprechend der Darstellung der Klägerin davon ausgegangen, daß in der maßge blichen Zeit die Vereinbarung einer nachvertraglichen Titelexklusivität üblich war, gilt
  355. dies auch, wenn es ein Tonträgerhersteller ausgenutzt hat, daß ausübende Künstler
  356. die mit einem anderen Tonträgerhersteller vereinbarte - unter der Geltung des § 78
  357. UrhG a.F. nur schuldrechtlich mögliche - nachvertragliche Titelexklusivität verletzen
  358. (vgl. dazu Schricker/Krüger, Urheberrecht, 1. Aufl. 1987, § 78 Rdn. 3; Hertin in
  359. Fromm/ Nordemann, Urheberrecht, 8. Aufl. 1994, § 78 Rdn. 4; Kroitzsch in Möhring/Nicolini, Urheberrechtsgesetz, 2. Aufl., § 78 Rdn. 7; Gentz, UFITA 46 [1966]
  360. S. 33, 40; Ruzicka, Film und Recht 1978, 512, 514 Fn. 12). Die Ansicht des Berufungsgerichts, das nachvertragliche Wiederaufnahmeverbot sei lediglich dem Randbereich der Hauptpflichten zuzuordnen und besitze keine entscheidende wettbewerbliche Bedeutung, wird der Funktion einer solchen Vertragsbestimmung nicht gerecht (zur Vereinbarung der Titelexklusivität in Künstlerverträgen vgl. auch Rossbach/Joos in Festgabe für Schricker, 1995, S. 333, 368; Hertin in Münchener Vertragshandbuch, Bd. 3, 1. Halbbd., 4. Aufl., IX. 23 S. 1002, 1010 Anm. 6; Schwenzer,
  361. Die Rechte des Musikproduzenten, 1998, S. 231 ff.; Gilbert/Scheuermann in Moser/Scheuermann, Handbuch der Musikwirtschaft, 4. Aufl., S. 1018, 1024 f.). Die
  362. Ausschließlichkeitsbindung des Künstlers durch eine vereinbarte Titelexklusivität ist
  363. typischerweise eine Gegenleistung für die Aufwendungen, die der Tonträgerhersteller
  364. zur Erfüllung des Künstlervertrages zu tätigen hat und soll zu den wirtschaftlichen
  365. Voraussetzungen für diese Investitionen beitragen, indem sie sicherstellt, daß der
  366. Tonträgerhersteller die während der Vertragsdauer geschaffenen Tonträger auch
  367. noch eine gewisse Zeit nach Vertragsende auswerten kann.
  368. Die Annahme einer unlauteren Wettbewerbshandlung im Sinne des § 1 UWG
  369. setzt allerdings voraus, daß der Täter vorsätzlich oder mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat. Erforderlich ist daher bei einem Ausnutzen fremden Vertragsbruchs, daß
  370. sich der Täter des von einem anderen begangenen Vertragsbruchs bewußt ist oder
  371. doch damit rechnet und in Kauf nimmt, daß er fremden Vertragsbruch geschäftlich
  372. - 18 -
  373. ausnutzt (vgl. BGH, Urt. v. 30.1.1976 - I ZR 108/74, GRUR 1976, 372, 374 = WRP
  374. 1976, 237 - Möbelentwürfe). Der positiven Kenntnis steht es dabei gleich, wenn sich
  375. der Handelnde der Kenntnis der vertraglichen Bindung bewußt verschließt oder en tzieht (vgl. BGH GRUR 1957, 219, 221 f. - Bierbezugsvertrag; BGH GRUR 1974, 97,
  376. 98 - Spielautomaten II; vgl. weiter BGHZ 117, 115, 117 f. - Pullovermuster; Baumbach/Hefermehl aaO Einl. Rdn. 127 sowie - zum Verleiten zum Vertragsbruch - § 1
  377. UWG Rdn. 701; Piper in Köhler/Piper, UWG, 2. Aufl., Einf. Rdn. 296, jeweils m.w.N.).
  378. Dies wird im vorliegenden Fall jedenfalls dann anzunehmen sein, wenn entsprechend
  379. dem Vorbringen der Klägerin für die maßgebliche Zeit von einer Übung der Tonträgerhersteller, in Künstlerverträgen eine nachvertragliche Titelexklusivität zu vereinbaren, auszugehen ist (vgl. dazu auch Hertin in Fromm/Nordemann, Urheberrecht,
  380. 8. Aufl. 1994, § 78 Rdn. 4). In diesem Fall hätte die Beklagte zu 5 bei der Klägerin
  381. rückfragen müssen, ob eine vertragliche Ausschließlichkeitsbindung besteht, oder
  382. Einsicht in den Künstlervertrag nehmen müssen, die ihr angesichts des ihr bekannten
  383. Zwecks der Vereinbarung einer Titelexklusivität - trotz des Vertragswortlauts - die
  384. Kenntnis von der Vertragsbindung verschafft hätte (vgl. dazu auch v. Gamm, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl., Kap. 33 Rdn. 12). Feststellungen dazu hat das Berufungsgericht noch nicht getroffen. Dies wird gegebenenfalls nachzuholen sein, falls nicht jedenfalls die erhobene Verjährungseinrede durchgreift.
  385. 2. Auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen kann noch nicht
  386. über den Antrag, die Schadensersatzpflicht der Beklagten zu 5 festzustellen, sowie
  387. über den Antrag, sie zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung zu verurteilen,
  388. entschieden werden. Für das erneute Berufungsverfahren wird darauf hingewiesen,
  389. daß die Beklagte zu 5 jedenfalls nicht verpflichtet ist, die Abnehmer der von ihr vertriebenen Tonträger mit Titeln, die unter die Titelexklusivität fallen, zu benennen und
  390. Auskunft zu geben über die Gestehungskosten dieser Tonträger, die Lieferpreise und
  391. den erzielten Gewinn. Für die Schätzung der Höhe eines etwaigen Schadensersatzanspruchs der Klägerin könnten diese Umstände nichts Wesentliches beitragen (vgl.
  392. auch Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Aufl., Kap. 38 Rdn. 19 m.w.N.).
  393. - 19 -
  394. 3. Der Klageantrag zu 4 auf Verurteilung der Beklagten zu 5, die in ihrem Besitz befindlichen Vervielfältigungsstücke des Tonträgers "Live in Dortmund" zu vernichten, ist vom Berufungsgericht zu Recht abgewiesen worden. Für einen solchen
  395. Anspruch fehlt es - wie das Berufungsgericht zu Recht entschieden hat - an einer
  396. gesetzlichen Grundlage, weil sich die Klägerin gegenüber der Beklagten zu 5 nicht
  397. auf dingliche Rechte berufen kann und deshalb § 98 UrhG nicht eingreift.
  398. C. Auf die Revision der Klägerin war danach unter Zurückweisung des
  399. Rechtsmittels im übrigen das Berufungsurteil im Kostenpunkt und - den Vernichtungsausspruch ausgenommen - insoweit aufzuheben, als das Berufungsgericht zum
  400. Nachteil der Klägerin erkannt hat. Die Berufung der Beklagten zu 1 bis 4 gegen das
  401. landgerichtliche Urteil war hinsichtlich ihrer Verurteilung zur Auskunftserteilung und
  402. Rechnungslegung (Ausspruch 2) und hinsichtlich der Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht (Ausspruch 3) zurückzuweisen. Auf die Anschlußberufung der Klägerin
  403. war das landgerichtliche Urteil in den Aussprüchen 2 und 3 dahingehend zu ergänzen, daß sich die dort ausgesprochene Verurteilung der Beklagten zu 1 bis 4 zur
  404. - 20 -
  405. Auskunftserteilung und Rechnungslegung und die Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht auch auf Tonträger mit dem Titel "Ach' sie suchen Streit" bezieht. Im übr
  406. igen Umfang der Aufhebung (Ansprüche gegenüber der Beklagten zu 5) war der
  407. Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten
  408. der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
  409. Erdmann
  410. v. Ungern-Sternberg
  411. Pokrant
  412. Starck
  413. Büscher