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12 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. I ZR 45/09
  5. Verkündet am:
  6. 10. Juni 2010
  7. Führinger
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. -2-
  13. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. Juni 2010 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
  14. und die Richter Pokrant, Dr. Schaffert, Dr. Bergmann und Dr. Koch
  15. für Recht erkannt:
  16. Die Revisionen der Klägerin und der Beklagten gegen das Urteil
  17. des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 3. Zivilsenat,
  18. vom 5. März 2009 werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass
  19. der Urteilsausspruch zu I 1 des Berufungsurteils dahingehend berichtigt wird, dass die Beklagten zur Zahlung von 264.464,75 €
  20. verurteilt werden.
  21. Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Beklagten zu tragen.
  22. Von Rechts wegen
  23. Tatbestand:
  24. 1
  25. Die Klägerin vertreibt in Deutschland das Arzneimittel "Acerbon" in den
  26. Darreichungsformen "5 mg" und "20 mg". In Spanien wird das Arzneimittel unter
  27. der Bezeichnung "Zestril" von einer Konzernschwestergesellschaft der Klägerin
  28. vertrieben. Die Beklagten importierten das Arzneimittel aus Spanien nach
  29. Deutschland, kennzeichneten es in "Acerbon 5 mg" bzw. "Acerbon 20 mg" um
  30. und vertrieben es in der Darreichungsform "20 mg" im Zeitraum vom 8. Dezem-
  31. -3-
  32. ber 2000 bis zum 9. Oktober 2002 und in der Darreichungsform "5 mg" vom
  33. 1. August 2001 bis zum 9. Oktober 2002.
  34. 2
  35. Durch rechtskräftiges Urteil ist festgestellt worden, dass die Beklagten
  36. der Klägerin aufgrund dieser Vertriebshandlungen wegen Markenververletzung
  37. zu Schadensersatz verpflichtet sind. Die Klägerin nimmt die Beklagten, nachdem diese Auskunft erteilt haben, im vorliegenden Rechtsstreit auf Schadensersatz in Höhe von 267.284,61 € sowie auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.507,20 € in Anspruch.
  38. 3
  39. Dabei verlangt sie wegen des Vertriebs von "Acerbon 5 mg" die Herausgabe eines Verletzergewinns in Höhe von 262.584,84 €. Wegen des Vertriebs
  40. von "Acerbon 20 mg", mit dem die Beklagten Umsätze in Höhe von 46.997,68 €
  41. erzielt haben, begehrt die Klägerin unter Zugrundelegung eines Lizenzsatzes
  42. von 10% eine Lizenzgebühr in Höhe von 4.699,77 €.
  43. 4
  44. Die Klägerin hat beantragt, die Beklagten zu verurteilen,
  45. 1. an die Klägerin 267.284,81 € nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten
  46. über dem Basiszinssatz seit dem 9. Oktober 2002 zu zahlen;
  47. 2. an die Klägerin 1.507,20 € nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten
  48. über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
  49. 5
  50. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 90.974,78 € sowie weiterer
  51. 1.421,50 € nebst Zinsen stattgegeben; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Beklagten unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung der Klägerin und der weitergehenden Anschlussberufung
  52. der Beklagten verurteilt, an die Klägerin 264.446,75 € sowie weitere 1.430,50 €
  53. nebst Zinsen zu zahlen.
  54. -4-
  55. 6
  56. Mit ihren vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen verfolgen die
  57. Parteien ihre Klage- und Klageabweisungsanträge weiter. Weiterhin beantragen
  58. sie jeweils, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen.
  59. Entscheidungsgründe:
  60. 7
  61. I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klägerin könne wegen des
  62. Vertriebs von "Acerbon 5 mg" den gesamten von den Beklagten erzielten Verletzergewinn in Höhe von 262.584,84 € verlangen; hinsichtlich des Vertriebs
  63. von "Acerbon 20 mg" sei ein Anspruch auf Zahlung von 4% des Umsatzes von
  64. 46.997,68 €, mithin von 1.879,91 € angemessen. Dementsprechend könne sie
  65. die Erstattung von Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.410,50 € verlangen.
  66. Zur näheren Begründung hat es ausgeführt:
  67. 8
  68. Bei dem Vertrieb des ursprünglich unter der Bezeichnung "Zestril" in Spanien in Verkehr gebrachten und von den Beklagten parallelimportierten Arzneimittels bestehe die Markenverletzung der Beklagten in der Umkennzeichnung in
  69. "Acerbon". Da parallelimportierte Arzneimittel bereits aus arzneimittelrechtlichen
  70. Gründen ohne die Verwendung der Marke in Deutschland nicht verkehrsfähig
  71. seien, sei der gesamte mit dem Vertrieb des umgekennzeichneten Arzneimittels
  72. "Acerbon 5 mg" erzielte Gewinn ausschließlich auf die Markenverletzung zurückzuführen und von den Beklagten ohne Minderung herauszugeben. Dagegen könnten die Beklagten nicht mit Erfolg einwenden, sie hätten das Produkt in
  73. Deutschland auch zulässigerweise ohne Umkennzeichnung vertreiben dürfen.
  74. Die von ihnen aufgewandten Rechtsverteidigungskosten könnten von dem Verletzergewinn nicht in Abzug gebracht werden.
  75. -5-
  76. 9
  77. Hinsichtlich des Vertriebs von "Acerbon 20 mg" sei bei der Berechnung
  78. des Schadens nach der Lizenzanalogie unter Berücksichtigung des Bekanntheitsgrads und des Rufs des verletzten Kennzeichens sowie der Dauer, des
  79. Umfangs und der Art des Eingriffs in die Markenrechte eine Lizenzgebühr in
  80. Höhe von 4% zugrunde zu legen.
  81. 10
  82. II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revisionen bleiben ohne Erfolg.
  83. 11
  84. 1. Vertrieb von "Acerbon 5 mg"
  85. 12
  86. Die Revision der Beklagten wendet sich ohne Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Beklagten den Gewinn, den sie mit dem
  87. Vertrieb von "Acerbon 5 mg" erzielt haben, in voller Höhe an die Klägerin herauszugeben haben.
  88. 13
  89. a) Mit Recht hat das Berufungsgericht darauf abgestellt, dass parallelimportierte Arzneimittel in Deutschland ohne Verwendung der zur Bezeichnung
  90. des Arzneimittels angebrachten Marke aus arzneimittelrechtlichen Gründen
  91. nicht verkehrsfähig sind und sich eine Unterscheidung danach, ob der Markterfolg gegebenenfalls noch von anderen Umständen abhängt, auch deshalb verbietet, weil der Parallelimporteur über die erforderlichen Hinweise auf seine Rolle als Importeur und Umpacker hinaus nur in beschränktem Umfang Eingriffe in
  92. die Packung vornehmen darf (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juli 2009 - I ZR 87/07,
  93. GRUR 2010, 237 Rn. 17 = WRP 2010, 390 - Zoladex, mwN). Dass parallelimportierte Arzneimittel in der Regel preisgünstiger angeboten werden als die entsprechenden Originalpräparate, ändert nichts daran, dass der Gewinn auf der
  94. Verwendung der markenverletzenden Kennzeichnung beruht. Dem können die
  95. Beklagten auch nicht entgegenhalten, sie hätten einen ähnlich hohen Gewinn
  96. -6-
  97. erzielt, wenn sie das Präparat unter der zulässigen Ursprungsbezeichnung
  98. "Zestril" vertrieben hätten. Der Einwand des Verletzers, er hätte das betreffende
  99. Arzneimittel auch ohne Markenverletzung vertreiben können, ist bei der Berechnung des abstrakten Schadens nach dem Verletzergewinn unzulässig; eine
  100. wertende Betrachtung kann hier - wovon auch das Berufungsgericht mit Recht
  101. ausgegangen ist - allenfalls an die Frage der Ursächlichkeit zwischen Kennzeichenbenutzung und Gewinneintritt unter Einbeziehung eventueller Mitursachen
  102. für den Absatzerfolg anknüpfen (BGH GRUR 2010, 237 Rn. 17 - Zoladex). Im
  103. Übrigen hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass mit dem
  104. Zeichen "Zestril" gekennzeichneten Produkten im maßgeblichen Zeitraum kein
  105. nennenswerter Umsatz hätte erzielt werden können. Die dagegen erhobenen
  106. Verfahrensrügen der Revision greifen nicht durch; von einer weiteren Begründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.
  107. 14
  108. b) Mit Recht hat das Berufungsgericht ferner angenommen, dass die Beklagten die von ihnen aufgewandten Rechtsverteidigungskosten nicht in Abzug
  109. bringen können.
  110. 15
  111. Zutreffend hat es insoweit darauf verwiesen, dass - um dem Ausgleichsgedanken Rechnung zu tragen - bei der Berechnung des Schadens nach dem
  112. Verletzergewinn fingiert wird, dass der Rechtsinhaber ohne die Rechtsverletzung durch die Verwertung des Kennzeichenrechts den gleichen Gewinn wie
  113. der Verletzer erzielt hätte (vgl. BGH, Urteil vom 2. November 2000
  114. - I ZR 246/98, BGHZ 145, 366, 372 - Gemeinkostenanteil, mwN). Kosten des
  115. Verletzers, die beim Rechtsinhaber nicht angefallen wären, sind daher bei der
  116. Berechnung des vom Verletzer herauszugebenden Gewinns nicht zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Februar 2002 - I ZR 304/99, BGHZ 150, 32,
  117. 44 - Unikatrahmen; Urteil vom 21. September 2006 - I ZR 6/04, GRUR 2007,
  118. 431 Rn. 34 f. = WRP 2007, 533 - Steckverbindergehäuse). Das Berufungsge-
  119. -7-
  120. richt hat daher zu Recht die Kosten der Rechtsverteidigung der Beklagten nicht
  121. in Abzug gebracht.
  122. 16
  123. 2. Vertrieb von "Acerbon 20 mg"
  124. 17
  125. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass die Klägerin wegen des Vertriebs von "Acerbon 20 mg" eine Vergütung für eine fiktive
  126. Lizenz in Höhe von 4% des von den Beklagten mit den in dieser Weise rechtsverletzend gekennzeichneten Arzneimitteln erzielten Umsatzes verlangen kann
  127. (§ 14 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 6 MarkenG a.F.).
  128. 18
  129. a) Dabei hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei darauf abgestellt, welche Lizenzgebühr vernünftige Lizenzparteien vereinbart hätten, wenn sie die im
  130. Zeitpunkt der Entscheidung gegebene Sachlage gekannt hätten (vgl. BGH
  131. GRUR 2010, 237 Rn. 10 - Zoladex). Entgegen der Auffassung der Revision der
  132. Klägerin steht dem nicht entgegen, dass Originalhersteller von Arzneimitteln
  133. üblicherweise Parallelimporteuren keine Lizenzen erteilen und letztere daran
  134. auch nicht interessiert sind, weil sie die parallelimportierten Arzneimittel ohnehin
  135. rechtmäßig vertreiben können, nachdem sie alle Voraussetzungen für eine Erschöpfung geschaffen haben. Die Schadensberechnung auf der Grundlage einer angemessenen Lizenzgebühr ist überall dort zulässig, wo die Überlassung
  136. von Ausschließlichkeitsrechten zur Benutzung durch Dritte gegen Entgelt rechtlich möglich und verkehrsüblich ist; für die Annahme der Verkehrsüblichkeit einer Überlassung genügt es, dass ein solches Recht seiner Art nach - wie hier
  137. das Recht aus einer Marke - überhaupt durch Einräumung von Nutzungsrechten genutzt werden kann und genutzt wird (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juni 2005
  138. - I ZR 263/02, GRUR 2006, 144, 145 = WRP 2006, 117 - Catwalk, mwN). Dagegen ist es wegen der normativen Zielsetzung dieser Schadensberechnungsmethode unerheblich, ob es im konkreten Fall tatsächlich zu einer entsprechen-
  139. -8-
  140. den Lizenzerteilung gekommen oder ob dies etwa wegen Besonderheiten des
  141. Produkts oder der Beteiligten eher unwahrscheinlich gewesen wäre.
  142. 19
  143. b) Die Höhe der als Schadensersatz zu zahlenden Lizenzgebühr ist vom
  144. Tatrichter gemäß § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls
  145. nach seiner freien Überzeugung zu bemessen. Vom Revisionsgericht ist nur zu
  146. prüfen, ob die Schadensschätzung auf grundsätzlich falschen oder offenbar
  147. unsachlichen Überlegungen beruht oder ob wesentliche Tatsachen außer Acht
  148. gelassen worden sind (vgl. BGH, Urteil vom 26. März 2009 - I ZR 44/06, GRUR
  149. 2009, 660 Rn. 14 = WRP 2009, 847 - Resellervertrag, mwN). Die Revisionen
  150. zeigen mit ihren Angriffen gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, im
  151. Streitfall sei unter Berücksichtigung aller Umstände eine Lizenzgebühr von 4%
  152. angemessen, nicht auf, dass die Schätzung des Berufungsgerichts auf solchen
  153. Rechtsfehlern beruht. Das Berufungsgericht hat insbesondere sowohl die Intensität des Eingriffs in das geschützte Markenrecht durch die Umkennzeichnung
  154. der parallelimportierten Arzneimittel als auch den Bekanntheitsgrad und den
  155. Ruf des verletzten Kennzeichens sowie den Marktanteil des Originalpräparats
  156. der Klägerin im Verhältnis zum Vertrieb von Generika in revisionsrechtlich nicht
  157. zu beanstandender Weise berücksichtigt.
  158. 20
  159. 3. Danach begegnet es aus Rechtsgründen auch keinen Bedenken, dass
  160. das Berufungsgericht der Klägerin gemäß § 14 Abs. 6 MarkenG a.F. den Ersatz
  161. von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 1.430,50 € nebst Zinsen zugesprochen hat.
  162. 21
  163. III. Die Revisionen der Klägerin und der Beklagten sind danach zurückzuweisen. Da die Berechnung des der Klägerin vom Berufungsgericht nach I 1
  164. des Tenors des angefochtenen Urteils zugesprochenen Betrags in Höhe von
  165. 264.446,75 € ausweislich der Entscheidungsgründe des Berufungsurteils unter
  166. -9-
  167. B II auf einem Rechen- oder Schreibfehler des Berufungsgerichts beruht
  168. (262.584,84 € zuzüglich 1.879,91 €), ist der Urteilsausspruch gemäß § 319
  169. Abs. 1 ZPO auf den Betrag von 264.464,75 € zu berichtigen. Die Berichtigung
  170. kann jederzeit, auch durch das Rechtsmittelgericht, erfolgen (vgl. BGH, Urteil
  171. vom 3. Juli 1996 - VIII ZR 221/95, BGHZ 133, 184, 191).
  172. 22
  173. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
  174. Bornkamm
  175. Pokrant
  176. Bergmann
  177. Schaffert
  178. Koch
  179. Vorinstanzen:
  180. LG Hamburg, Entscheidung vom 23.12.2005 - 312 O 126/05 OLG Hamburg, Entscheidung vom 05.03.2009 - 3 U 23/06 -