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365 lines
20 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. I ZR 44/07
  5. Verkündet am:
  6. 2. Dezember 2009
  7. Führinger
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. BGHZ:
  14. BGHR:
  15. ja
  16. nein
  17. ja
  18. OFFROAD
  19. MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 2
  20. a) Eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne kann vorliegen, wenn ein mit
  21. einer älteren Marke übereinstimmender Bestandteil identisch oder ähnlich in
  22. ein zusammengesetztes Zeichen aufgenommen wird, in dem er neben einem Serienzeichen eine selbstständig kennzeichnende Stellung behält.
  23. b) Einem Bestandteil eines zur Kennzeichnung einer Zeitschrift verwendeten
  24. Zeichens kommt eine solche selbstständig kennzeichnende Stellung nicht
  25. zu, wenn ihm - wie dem Bestandteil "automobil" - von Haus aus jegliche Unterscheidungskraft und somit auch die Eignung fehlt, als ein auf die Herkunft
  26. der so bezeichneten Zeitschriften aus einem bestimmten Unternehmen hinweisender Stammbestandteil einer Zeichenserie für die Titel einer Reihe
  27. von Automobilzeitschriften verwendet zu werden, und der Zeichenbestandteil auch nicht aufgrund seiner tatsächlichen Verwendung vom Verkehr als
  28. ein solcher Stammbestandteil einer bereits existierenden Zeichenserie verstanden wird.
  29. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2009 - I ZR 44/07 - OLG Hamburg
  30. LG Hamburg
  31. -2-
  32. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 2. Dezember 2009 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
  33. und die Richter Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert, Dr. Bergmann und Dr. Kirchhoff
  34. für Recht erkannt:
  35. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Hanseatischen
  36. Oberlandesgerichts Hamburg, 5. Zivilsenat, vom 31. Januar 2007
  37. aufgehoben.
  38. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts
  39. Hamburg, Kammer 07 für Handelssachen, vom 20. Dezember
  40. 2005 wird zurückgewiesen.
  41. Der Kläger trägt die Kosten der Rechtsmittel.
  42. Von Rechts wegen
  43. Tatbestand:
  44. 1
  45. Die Parteien geben Automobilzeitschriften heraus.
  46. 2
  47. Der Kläger ist als Rechtsnachfolger der AC Verlagsgesellschaft mbH Inhaber der am 22. Juli 1996 angemeldeten und am 21. November 1996 unter
  48. anderem für Druckerei- und Verlagserzeugnisse, insbesondere Bücher und
  49. Zeitschriften, eingetragenen deutschen Wort-/Bildmarke Nr. 39631911 "OFF
  50. ROAD":
  51. -3-
  52. 3
  53. Er verlegt unter Verwendung seiner Marke als Titel die Zeitschrift "OFF
  54. ROAD", die seit 1978 monatlich mit einer Auflage von rund 100.000 Exemplaren erscheint.
  55. 4
  56. Im Verlag des Beklagten, der zur Verlagsgruppe der Axel Springer AG
  57. gehört, erscheint die Zeitschrift "automobil TESTS". Seit Ende 2003 gibt der Beklagte ferner eine Zeitschrift unter dem Titel "automobil Extra 2005 OFFROAD"
  58. heraus. Bis zum Jahre 2004 benutzte er für die Titelgestaltung die aus der
  59. nachstehenden Schwarz-Weiß-Einblendung ersichtliche Aufmachung:
  60. 5
  61. Der Kläger beanstandete diese Gestaltung mit Schreiben vom
  62. 15. September 2004 als Verletzung seiner Marken- und Titelrechte. Der Beklagte änderte daraufhin im Jahre 2005 die Titelaufmachung seiner Zeitschrift wie
  63. aus der nachfolgenden Schwarz-Weiß-Einblendung ersichtlich ab:
  64. -4-
  65. 6
  66. Der Kläger ist der Auffassung, beide Aufmachungen der Zeitschrift des
  67. Beklagten verletzten seine Marken- und Titelrechte. Er hat den Beklagten daher
  68. auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Feststellung seiner Schadensersatzpflicht in Anspruch genommen.
  69. 7
  70. Das Berufungsgericht hat der im ersten Rechtszug erfolglosen Klage antragsgemäß stattgegeben (OLG Hamburg MarkenR 2007, 281). Mit seiner vom
  71. Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgt der Beklagte sein auf Klageabweisung gerichtetes Begehren weiter.
  72. Entscheidungsgründe:
  73. 8
  74. I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klageansprüche seien
  75. nach § 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5 und 6, § 19 MarkenG, § 242 BGB begründet.
  76. Hierzu hat es ausgeführt:
  77. 9
  78. Der Beklagte verwende die angegriffenen Ausführungsformen markenmäßig. Der Grad der Kennzeichnungskraft der Klagemarke sei knapp unterdurchschnittlich. Die Kennzeichnungskraft der von Haus aus für eine Automobilzeitschrift nicht glatt beschreibenden Klagemarke habe zwar durch die langjährige Benutzung als Zeitschriftentitel eine gewisse Stärkung erfahren. Gleichwohl sei der Grad der Kennzeichnungskraft nunmehr nur noch als knapp durch-
  79. -5-
  80. schnittlich einzustufen, weil inzwischen eine gewisse Gewöhnung des Verkehrs
  81. an die mittlerweile eingedeutsche englischsprachige Bezeichnung für alles eingetreten sei, was mit geländegängigen Fahrzeugen und damit zusammenhängenden sportlichen Aktivitäten jenseits befestigter Straßen zu tun habe. Es bestehe Warenidentität. Zwischen der Klagemarke und den angegriffenen Bezeichnungen des Beklagten sei eine unmittelbare Verwechslungsgefahr im engeren Sinne jedoch zu verneinen, weil die Zeichen nur eine schwache Ähnlichkeit in bildlicher und sprachlicher Hinsicht sowie eine etwas stärkere in Hinblick
  82. auf den Bedeutungsgehalt aufwiesen.
  83. 10
  84. Für die Bejahung der Verwechslungsgefahr reiche aber aus, dass das
  85. Publikum das Zeichen in dem Sinne mit der Marke gedanklich in Verbindung
  86. bringe, dass es trotz Auseinanderhaltens der Zeichen und der mit ihnen werbenden Unternehmen aufgrund der Zeichen- und Warenähnlichkeit von organisatorischen, vertraglichen oder sonstigen Verbindungen ausgehe. Dabei sei zu
  87. berücksichtigen, dass beide Teile des zusammengesetzten Titels des Beklagten eine selbstständig kennzeichnende Stellung in dem zusammengesetzten
  88. Zeichen behielten.
  89. 11
  90. Beide Bestandteile des Gesamtzeichens des Beklagten seien grafisch
  91. voneinander abgesetzt und gleichwohl aufeinander bezogen. Sie wiesen hierdurch auf ihre Gleichwertigkeit hin. Für die Annahme einer selbstständig kennzeichnenden Stellung beider Zeichenbestandteile sprächen auch die dem Verkehr bekannten Kennzeichnungsgewohnheiten auf dem maßgeblichen Zeitschriftenmarkt. So würden Sonderausgaben von Zeitschriften oder auf ein bestimmtes Thema hin ausgerichtete Zeitschriften unter dem eigentlichen
  92. (Dach-)Titel und einem weiteren, auf das spezielle Thema ausgerichteten weiteren Titelbestandteil herausgegeben. Ähnlich liege es hier. Zwar gebe der Beklagte kein "Mutterblatt" mit dem Titel "automobil" heraus. Unstreitig verfüge er
  93. -6-
  94. jedoch über eine weitere Zeitschrift "automobil TESTS", aus der auch Artikel für
  95. die streitgegenständliche Zeitschrift "automobil OFFROAD" entnommen würden. Bereits aus den Titeln dieser Zeitschriften ergebe sich, dass der Beklagte
  96. den Bestandteil "automobil" wie ein Serienzeichen oder Dachzeichen verwende
  97. und der Bestandteil "TESTS" oder "OFFROAD" auf den Verkehr wie ein Zweitzeichen wirke. Die Rechtssätze der Entscheidung "THOMSON LIFE" des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften seien auch dann anzuwenden,
  98. wenn die ältere Marke wie hier mit einem Serien- oder Dachzeichen zu einem
  99. Gesamtzeichen verbunden worden sei, um eine Produktreihe zu kennzeichnen.
  100. Zwar könne nur von einer schwachen bildlichen Ähnlichkeit zwischen der Klagemarke und dem Zeichenbestandteil "OFFROAD" der Verletzungsformen des
  101. Beklagten gesprochen werden. Es bestehe aber dem Klang und dem Bedeutungsgehalt nach Zeichenidentität, so dass unter Berücksichtigung einer knapp
  102. durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und der Produktidentität eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn zu bejahen sei.
  103. 12
  104. Der Kläger müsse es auch nicht nach § 23 Nr. 2 MarkenG hinnehmen,
  105. dass der Beklagte den Zeichenbestandteil "OFFROAD" in seinem Gesamtzeichen für einen Zeitschriftentitel benutze, weil diese Verwendung gegen die guten Sitten i.S. von § 23 MarkenG verstoße.
  106. 13
  107. II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben
  108. Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung des klageabweisenden landgerichtlichen Urteils. Dem Kläger stehen die
  109. geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht des Beklagten nicht zu.
  110. 14
  111. 1. Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Kläger könne nach § 14
  112. Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5 MarkenG beanspruchen, dass der Beklagte die beanstan-
  113. -7-
  114. dete Verwendung der Titel für eine Automobilzeitschrift unterlässt, hält der
  115. rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Feststellungen des Berufungsgerichts
  116. tragen nicht seine Annahme, im Streitfall bestehe zwischen den sich gegenüberstehenden Zeichen eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne.
  117. 15
  118. a) Das Berufungsgericht ist zwar mit Recht davon ausgegangen, dass
  119. eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne vorliegt, wenn ein mit einer älteren Marke übereinstimmender Bestandteil identisch oder ähnlich in ein zusammengesetztes Zeichen aufgenommen wird, in dem er neben einem Unternehmenskennzeichen oder einem Serienzeichen eine selbstständig kennzeichnende Stellung behält, und wenn wegen der Übereinstimmung dieses Bestandteils
  120. mit der älteren Marke bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck
  121. hervorgerufen wird, dass die so gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (vgl.
  122. EuGH, Urt. v. 6.10.2005 - C-120/04, Slg. 2005, I-8551 = GRUR 2005, 1042
  123. Tz. 30 ff. = WRP 2005, 1505 - THOMSON LIFE; BGHZ 167, 322 Tz. 18 - Malteserkreuz; BGH, Urt. v. 28.6.2007 - I ZR 132/04, GRUR 2008, 258 Tz. 33 = WRP
  124. 2008,
  125. 232
  126. - INTERCONNECT/T-Inter-Connect;
  127. Beschl.
  128. v.
  129. 29.5.2008
  130. - I ZB 54/05, GRUR 2008, 905 Tz. 37 = WRP 2008, 1349 - Pantohexal).
  131. 16
  132. b) Die Auffassung des Berufungsgerichts, in den zusammengesetzten Titeln des Beklagten behielten beide Teile - und damit auch der der Klagemarke
  133. ähnliche Bestandteil "OFFROAD" - eine selbstständig kennzeichnende Stellung, beruht aber, wie die Revision mit Recht beanstandet, auf rechtsfehlerhaften Erwägungen.
  134. 17
  135. aa) Eine Unternehmensbezeichnung enthalten die beanstandeten Titel
  136. des Beklagten neben dem Bestandteil "OFFROAD" nicht. Die Annahme des
  137. Berufungsgerichts, der Beklagte verwende den Bestandteil "automobil" in den
  138. -8-
  139. beanstandeten Titeln wie ein Serien- oder Dachzeichen, wird von den Feststellungen nicht getragen. Die Bezeichnung "automobil" ist als Bestandteil eines
  140. Titels für eine Automobilzeitschrift glatt beschreibend. Zur Kennzeichnung einer
  141. solchen Zeitschrift fehlt ihr daher von Haus aus jegliche Unterscheidungskraft
  142. und somit auch die Eignung, als ein auf die Herkunft der so bezeichneten Zeitschriften aus einem bestimmten Unternehmen hinweisender Stammbestandteil
  143. einer Zeichenserie für die Titel einer Reihe von Automobilzeitschriften verwendet zu werden. Auf eine solche Eignung kommt es zwar nicht an, wenn sich der
  144. Verkehr an einen - von Haus aus nicht unterscheidungskräftigen - Stammbestandteil einer bereits existierenden Zeichenserie gewöhnt hat (vgl. EuGH, Urt.
  145. v. 13.9.2007 - C-234/06, Slg. 2007, I-7333 = GRUR 2008, 343 Tz. 64 = WRP
  146. 2007, 1322 - Il Ponte Finanziaria [BAINBRIDGE]; BGH, Urt. v. 22.11.2001
  147. - I ZR 111/99, GRUR 2002, 542, 544 = WRP 2002, 534 - BIG). Allein dem Umstand, dass der Beklagte eine weitere Zeitschrift mit dem Titel "automobil
  148. TESTS" herausgibt, kann angesichts des glatt beschreibenden Charakters der
  149. Bezeichnung "automobil" für eine Automobilzeitschrift jedoch entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht entnommen werden, der Verkehr verstehe
  150. "automobil" als den auf die Herkunft hinweisenden Stammbestandteil einer Zeichenserie des Beklagten.
  151. 18
  152. bb) Die Hervorhebung eines Bestandteils durch die grafische Gestaltung
  153. oder durch seine Anordnung im Gesamtzeichen führt gleichfalls nicht bereits als
  154. solche zur Annahme seiner selbstständig kennzeichnenden Stellung, wenn der
  155. Verkehr gleichwohl von einem einheitlichen Kennzeichen ausgeht. Eine selbstständig kennzeichnende Stellung des Bestandteils "OFFROAD" der beanstandeten Bezeichnungen des Beklagten kann daher im Streitfall nicht daraus hergeleitet werden, dass der Bestandteil "automobil" nach den Feststellungen des
  156. Berufungsgerichts mit deutlich größeren Buchstaben geschrieben ist, am Anfang des Gesamtzeichens steht und beide Bestandteile grafisch voneinander
  157. -9-
  158. abgesetzt sind. Wie auch das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat,
  159. sind die einzelnen Bestandteile der zusammengesetzten Titel des Beklagten
  160. gleichwohl aufeinander bezogen und gleichwertig. Für die Einheitlichkeit der
  161. Betrachtung der kennzeichenrechtlichen Wirkung der einzelnen Zeichenbestandteile spricht dabei vor allem ihr inhaltlicher Bezug. Während der Bestandteil "automobil" allgemein den Inhalt der so bezeichneten Zeitschrift beschreibt,
  162. verengt der Bestandteil "OFFROAD", wovon auch das Berufungsgericht ausgegangen ist, die Thematik auf den Bereich der Geländefahrzeuge.
  163. 19
  164. 2. Kann folglich die Auffassung des Berufungsgerichts, in den angegriffenen Titeln des Beklagten behielten beide Teile - nämlich neben dem Bestandteil "OFFROAD" auch der Bestandteil "automobil" - eine selbstständig kennzeichnende Stellung, aus Rechtsgründen keinen Bestand haben, und versteht
  165. der Verkehr, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, die von
  166. dem Beklagten verwendeten Bezeichnungen als Gesamtzeichen, so hat es bei
  167. dem Grundsatz zu bleiben, dass der Verkehr im Normalfall eine Kennzeichnung
  168. als Ganzes wahrnimmt und daher für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr
  169. auf den Gesamteindruck abzustellen ist, den die sich gegenüberstehenden
  170. Kennzeichen
  171. hervorrufen
  172. (vgl.
  173. EuGH
  174. GRUR
  175. 2005,
  176. 1042
  177. Tz. 28,
  178. 30
  179. - THOMSON LIFE). Das Berufungsgericht hat angenommen, dass zwischen
  180. der Wort-/Bildmarke "OFF ROAD" des Klägers und dem Titel "automobil
  181. OFFROAD" des Beklagten nur eine schwache Zeichenähnlichkeit in bildlicher
  182. und sprachlicher Hinsicht sowie eine etwas stärkere in Hinblick auf den Bedeutungsgehalt besteht, weil der - für eine Zeitschrift über Geländefahrzeuge
  183. gleichfalls mit einer beschreibenden Bedeutung versehene - Bestandteil
  184. "OFFROAD" den Gesamteindruck des Zeichens des Beklagten gegenüber dem
  185. weiteren Bestandteil "automobil" nicht eindeutig dominiert. Danach reicht die
  186. Ähnlichkeit der beiden sich gegenüberstehenden Zeichen in ihrem Gesamteindruck nach den Feststellungen des Berufungsgerichts für die Annahme einer
  187. - 10 -
  188. Verwechslungsgefahr i.S. von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht aus. Diese Beurteilung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht ist
  189. bei der ihm als Tatrichter obliegenden Feststellung des Gesamteindrucks des
  190. Zeichens des Beklagten rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass auch ein
  191. Bestandteil, der - wie hier der Bestandteil "automobil" - eine beschreibende Angabe enthält, zum Gesamteindruck beitragen kann (vgl. BGH, Beschl. v.
  192. 13.12.2007 - I ZB 39/05, GRUR 2008, 719 Tz. 37 = WRP 2008, 1098 - idw Informationsdienst Wissenschaft, m.w.N.). Die Revisionserwiderung erhebt insoweit auch keine Rügen.
  193. 20
  194. 3. Mangels Verwechslungsgefahr fehlt es an einer Verletzung der Klagemarke, so dass dem Kläger die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht des Beklagten nicht aufgrund seiner Wort-/Bildmarke zustehen. Im Übrigen könnte sich
  195. der Beklagte gegenüber den Klageansprüchen, auch soweit sie auf eine Verletzung der Klagemarke gestützt worden sind, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts mit Erfolg auf die Schutzschranke des § 23 Nr. 2 MarkenG berufen (vgl. dazu unten unter III.).
  196. 21
  197. III. Das Berufungsurteil ist somit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der
  198. Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil sie zur Endentscheidung reif
  199. ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das Berufungsgericht hat zwar dahinstehen lassen, ob
  200. der Kläger sich für die Klageansprüche auch auf eine Verletzung seiner Werktitelrechte (§ 5 Abs. 3 MarkenG) berufen kann. Etwaigen Ansprüchen des Klägers nach § 5 Abs. 3, § 15 Abs. 2, 4 und 5 MarkenG stünde aber die Schutzschranke des § 23 Nr. 2 MarkenG entgegen. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Verwendung des Zeichenbestandteils "OFFROAD" durch den Beklagten verstoße gegen die guten Sitten i.S. von § 23 MarkenG, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
  201. - 11 -
  202. 22
  203. 1. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass sich
  204. "OFFROAD" als Bezeichnung für sportliche Aktivitäten abseits der Straße mit
  205. geländegängigen Fahrzeugen durchgesetzt hat und die Verwendung dieser
  206. Bezeichnung als Titel für eine Zeitschrift über Geländewagen und damit zusammenhängende Themen als Angabe über die Merkmale oder Eigenschaften
  207. der Zeitschrift i.S. von § 23 Nr. 2 MarkenG anzusehen ist. Es ist dabei weiter
  208. rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass es für die Beurteilung, ob ein Zeichen als beschreibende Angabe i.S. von § 23 Nr. 2 MarkenG benutzt wird und
  209. der Markeninhaber (oder der Inhaber eines Werktitelrechts an dem Zeichen)
  210. deshalb nicht das Recht hat, diese Benutzung zu untersagen, auf den Zeitpunkt
  211. des Schlusses der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz ankommt.
  212. Die Frage, ob jedenfalls für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch
  213. (auch) auf den Zeitraum ab Aufnahme der Benutzung der beanstandeten Bezeichnung abzustellen ist, kann dahinstehen. Denn den Ausführungen des Berufungsgerichts, das in diesem Zusammenhang auf eine frühere Entscheidung
  214. von August 2004 Bezug nimmt, kann entnommen werden, dass es auch schon
  215. für den insoweit in Rede stehenden Zeitraum ab November 2003 von der beschreibenden Bedeutung der Bezeichnung "OFFROAD" i.S. von § 23 Nr. 2
  216. MarkenG ausgegangen ist.
  217. 23
  218. 2. Der Anwendbarkeit der Schutzschranke des § 23 Nr. 2 MarkenG steht
  219. nicht entgegen, dass der Beklagte den Begriff "OFFROAD" kennzeichenmäßig
  220. verwendet; auch eine etwaige Gefahr der Verwechslung mit dem geschützten
  221. Zeichen schließt die Anwendung des § 23 Nr. 2 MarkenG nicht aus (vgl. BGHZ
  222. 181, 77 Tz. 27 - DAX; BGH, Urt. v. 5.6.2008 - I ZR 169/05, GRUR 2008, 798
  223. Tz. 17 = WRP 2008, 1202 - POST I). Sie begründete als solche allein auch
  224. noch keinen Verstoß gegen die guten Sitten (EuGH, Urt. v. 7.1.2004
  225. - C-100/02, Slg. 2004, I-691 = GRUR 2004, 234 Tz. 25 - Gerolsteiner Brunnen;
  226. BGH GRUR 2008, 798 Tz. 22 - POST I, m.w.N.).
  227. - 12 -
  228. 24
  229. 3. Von einem Verstoß gegen die guten Sitten i.S. des § 23 MarkenG ist
  230. auszugehen, wenn die Verwendung der angegriffenen Bezeichnung den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel nicht entspricht (vgl. Art. 6
  231. Abs. 1 MarkenRL). Dies erfordert eine Gesamtwürdigung der Interessen der
  232. Beteiligten unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls
  233. (BGHZ 181, 77 Tz. 29 - DAX, m.w.N.). Diese gebotene umfassende Beurteilung
  234. aller Umstände ergibt vorliegend, dass die Benutzung der Bezeichnung
  235. "OFFROAD" durch den Beklagten entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht unlauter ist.
  236. 25
  237. Dem Berufungsgericht kann bei seiner gegenteiligen Würdigung schon
  238. nicht darin gefolgt werden, dass der Beklagte die Bezeichnung "OFFROAD" so
  239. benutzt, dass die beschreibende Bedeutung hinter der kennzeichenmäßigen
  240. Verwendung zurücktritt. Durch die gemeinsame Verwendung mit dem weiteren
  241. Bestandteil "automobil" in einem vom Verkehr als Gesamtzeichen aufgefassten
  242. zusammengesetzten Zeitschriftentitel bleibt die beschreibende Bedeutung vielmehr im Gegenteil gerade erhalten, weil der Verkehr, wie auch das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang angenommen hat, die beiden Bestandteile
  243. als gleichwertig ansieht und in dem Sinne aufeinander bezieht, dass mit dem
  244. Titelbestandteil "OFFROAD" das speziellere Thema der so betitelten Zeitschrift
  245. bezeichnet ist. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kommt es bei § 23
  246. Nr. 2 MarkenG anders als bei der Schutzschranke des § 23 Nr. 3 MarkenG
  247. auch nicht darauf an, ob dem Beklagten andere Benutzungsalternativen zur
  248. Verfügung stehen (vgl. BGH, Urt. 2.4.2009 - I ZR 209/06, GRUR 2009, 678
  249. Tz. 30 = WRP 2009, 839 - POST/RegioPost ).
  250. 26
  251. Der Beklagte hat mit den angegriffenen Bezeichnungen einen hinreichenden Abstand zu den Klagezeichen gewahrt, um nicht gegen die anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel zu verstoßen. In bildlicher Hin-
  252. - 13 -
  253. sicht bestehen, wie auch das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen
  254. hat, bedeutsame Unterschiede zwischen den Klagezeichen und dem Zeichenbestandteil "OFFROAD" in den angegriffenen Titeln des Beklagten. Die bloße
  255. Übereinstimmung im Klang und im Bedeutungsgehalt kann demgegenüber einen Verstoß gegen die guten Sitten i.S. von § 23 Nr. 2 MarkenG nicht begründen, zumal der Beklagte sich durch die Aufnahme zusätzlicher Bestandteile in
  256. den Titel seiner Zeitschrift weiter vom Kläger abgegrenzt hat.
  257. 27
  258. 4. Dem Kläger stehen die Klageansprüche demnach auch nicht wegen
  259. Verletzung eines Werktitelrechts an dem Klagezeichen "OFFROAD" zu. Die
  260. Berufung des Klägers gegen die klageabweisende Entscheidung des Landgerichts ist daher zurückzuweisen.
  261. 28
  262. IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
  263. Bornkamm
  264. Büscher
  265. Bergmann
  266. Schaffert
  267. Kirchhoff
  268. Vorinstanzen:
  269. LG Hamburg, Entscheidung vom 20.12.2005 - 407 O 160/05 OLG Hamburg, Entscheidung vom 31.01.2007 - 5 U 110/06 -