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771 lines
36 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. I ZR 42/06
  5. Verkündet am:
  6. 26. März 2009
  7. Führinger
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. -2-
  13. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom
  14. 30. Oktober 2008 durch die Richter Dr. Bergmann, Pokrant, Prof. Dr. Büscher,
  15. Dr. Schaffert und Dr. Koch
  16. für Recht erkannt:
  17. Auf die Revision der Parteien wird das Urteil des 3. Zivilsenats des
  18. Oberlandesgerichts Nürnberg vom 24. Februar 2006 aufgehoben
  19. und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
  20. über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht
  21. zurückverwiesen.
  22. Von Rechts wegen
  23. Tatbestand:
  24. 1
  25. Die Klägerin ist Inhaberin der ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte an der Flash-Präsentation „Nahrungsergänzung“. Für die Erteilung
  26. von Lizenzen zur Nutzung dieser Präsentation hat sie ein dreistufiges Gebührenmodell entwickelt: Lizenznehmer, die für sie im Rahmen der Präsentation
  27. werben, zahlen einmalig 39 € sowie monatlich 36 € (erste Stufe). Lizenzverträge, die keine Verpflichtung zur Werbung für sie enthalten, haben eine Laufzeit
  28. von 24 Monaten und einen Pauschalpreis von 2.900 € (zweite Stufe). Die sogenannten Resellerverträge, bei denen der Lizenznehmer nicht für sie werben
  29. -3-
  30. muss und bis zu 150 Unterlizenzen erteilen darf, laufen 24 Monate und kosten
  31. 36.000 €; bei ihnen ist für jede weitere Unterlizenz eine Lizenzgebühr von 10 €
  32. pro Monat zu entrichten (dritte Stufe).
  33. 2
  34. Der
  35. Beklagte
  36. war
  37. Inhaber
  38. der
  39. Internet-Adresse
  40. „www.<...>.de“,
  41. über die er Nahrungsergänzungsmittel des Unternehmens Herbalife vertrieb.
  42. Von seiner Webseite konnten über die Schaltfläche „Wellness-Flash-Info“ im
  43. März 2003 die Präsentation „Nahrungsergänzung“ und Ende 2003 eine im wesentlichen gleiche Präsentation von einem fremden Server abgerufen werden.
  44. Die Verknüpfung von der Internet-Seite des Beklagten zu dieser Flash-Präsentation hatte das Unternehmen A.
  45. -S.
  46. hergestellt. Die A.
  47. -S.
  48. betätigte
  49. sich als Zwischenhändler der Nahrungsergänzungsmittel von Herbalife und hate für mehr als 200 weitere Endverkäufer dieser Nahrungsergänzungsmittel derartige Verknüpfungen zu dieser Flash-Präsentation eingerichtet. Die A.
  50. -S.
  51. hat der Klägerin wegen der Verletzung der Nutzungsrechte an der Flash-Präsentation 15.510 € gezahlt.
  52. 3
  53. Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen der Verletzung ihrer Nutzungsrechte an der Flash-Präsentation „Nahrungsergänzung“ - soweit in der Revisionsinstanz noch von Bedeutung - auf Schadensersatz in Höhe von 2.900 € sowie auf Zahlung von Abmahnkosten von 1.035,50 € - jeweils nebst Zinsen - in
  54. Anspruch.
  55. 4
  56. Das Landgericht hat der Klage - mit Ausnahme eines Teils des Zinsantrags - stattgegeben und den Beklagten zu Zahlung von insgesamt 3.935,50 €
  57. verurteilt. Auf die dagegen eingelegte Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht den Anspruch auf Schadensersatz um 400 € sowie die Zinsen teilweise herabgesetzt und den Beklagten zur Zahlung von insgesamt 3.535,50 €
  58. verurteilt. Der Beklagte erstrebt mit der vom Berufungsgericht zugelassenen
  59. -4-
  60. Revision die vollständige Abweisung der Klage. Die Revision der Klägerin wendet sich dagegen, dass das Berufungsgericht den vom Landgericht zuerkannten
  61. Schadensersatzanspruch um 400 € gekürzt hat. Die Klägerin beantragt, die Revision des Beklagten hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs als unbegründet zurückzuweisen und als unzulässig zu verwerfen, soweit sie sich gegen die
  62. Zuerkennung von Abmahnkosten richtet. Der Beklagte beantragt, die Revision
  63. der Klägerin zurückzuweisen.
  64. Entscheidungsgründe:
  65. I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klägerin habe gegen den
  66. 5
  67. Beklagten nach § 97 Abs. 1 UrhG (a.F.) einen Anspruch auf Schadensersatz in
  68. Höhe von 2.500 €. Darüber hinaus könne die Klägerin von dem Beklagten Abmahnkosten von 1.035,50 € verlangen. Hierzu hat das Berufungsgericht ausgeführt:
  69. 6
  70. Der Beklagte sei der Klägerin dem Grunde nach zum Schadensersatz
  71. verpflichtet, weil er deren Nutzungsrechte an der Flash-Präsentation „Nahrungsergänzung“ fahrlässig verletzt habe. Die Schätzung des nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie zu berechnenden Schadens könne sich an dem
  72. dreistufigen Vergütungsmodell der Klägerin orientieren. Auf den Beklagten sei
  73. die zweite Stufe dieses Modells anzuwenden, wonach für Lizenzverträge mit
  74. einer Laufzeit von 24 Monaten eine Pauschalgebühr von 2.900 € geschuldet
  75. sei. Da die Klägerin derartige Lizenzverträge nicht nur zu einer Lizenzgebühr
  76. von 2.900 € zuzüglich Mehrwertsteuer, sondern auch zu einer Lizenzgebühr
  77. von 2.900 € einschließlich Mehrwertsteuer geschlossen habe und auf die in diesem Betrag enthaltene Mehrwertsteuer von 400 € kein Anspruch bestehe, habe
  78. der Beklagte allerdings nur 2.500 € zu ersetzen. Die von der A.
  79. -S. an die
  80. -5-
  81. Klägerin geleistete Zahlung von 15.510 € könne den Beklagten nicht von seiner
  82. Schadensersatzpflicht befreien.
  83. 7
  84. Zudem bestehe ein Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten von
  85. 1.035,50 €. Der vom Klägervertreter geltend gemachte Streitwert von 110.000 €
  86. sei gemäß § 3 ZPO angemessen. Gleiches gelte für die 7,5/10 Mittelgebühr
  87. nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO.
  88. II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision des Beklagten hat Er-
  89. 8
  90. folg.
  91. 9
  92. 1. Die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht begründet hat, dass
  93. die Klägerin von dem Beklagten wegen der unberechtigten Nutzung der FlashPräsentation „Nahrungsergänzung“ gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG a.F. Schadensersatz in Höhe von 2.500 € beanspruchen könne, halten der rechtlichen
  94. Nachprüfung nicht stand.
  95. 10
  96. a) Der Anspruch auf Schadensersatz wegen einer Urheberrechtsverletzung ist durch das am 1. September 2008 in Kraft getretene Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums vom 7. Juli
  97. 2008 (BGBl. I, S. 1191) neu geregelt worden (§ 97 Abs. 2 UrhG). Für die Beurteilung der Schadensersatzpflicht kommt es aber allein auf die Rechtslage zum
  98. Zeitpunkt der behaupteten Rechtsverletzung an (vgl. BGH, Urt. v. 18.12.2008
  99. - I ZR 63/06, juris Tz. 22 - Motorradreiniger). Da es im Streitfall um angebliche
  100. Rechtsverletzungen in den Jahren 2003 und 2004 geht, ist daher die alte
  101. Rechtslage maßgeblich (§ 97 Abs. 1 UrhG a.F.).
  102. 11
  103. b) Die Revision des Beklagten hat die Beurteilung des Berufungsgerichts
  104. hingenommen, dass der Beklagte der Klägerin dem Grunde nach gemäß § 97
  105. -6-
  106. Abs. 1 UrhG a.F. zum Schadensersatz verpflichtet sei, weil er deren urheberrechtliche Nutzungsrechte an den Flash-Präsentationen „Nahrungsergänzung“
  107. und „Nebenjob“ fahrlässig verletzt habe.
  108. 12
  109. c) Dem Gläubiger des Schadensersatzanspruchs aus § 97 Abs. 1 UrhG
  110. a.F. stehen - nach seiner Wahl - drei verschiedene Berechnungsarten zur Verfügung: die konkrete Schadensberechnung, die den entgangenen Gewinn einschließt, die Herausgabe des Verletzergewinns (§ 97 Abs. 1 Satz 2 UrhG a.F.)
  111. und die Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr (BGH, Urt. v. 22.9.1999
  112. - I ZR 48/97, GRUR 2000, 226, 227 = WRP 2000, 101 - Planungsmappe,
  113. m.w.N.). Bei der - von der Klägerin gewählten - Schadensberechnung nach den
  114. Grundsätzen der Lizenzanalogie ist zu fragen, was vernünftige Vertragspartner
  115. bei Abschluss eines Lizenzvertrages als Vergütung für die Benutzungshandlung
  116. des Verletzers vereinbart hätten. Hierfür ist der objektive Wert der angemaßten
  117. Benutzungsberechtigung zu ermitteln. Dieser besteht in der angemessenen und
  118. üblichen Lizenzgebühr (BGH, Urt. v. 29.5.1962 - I ZR 132/60, GRUR 1962, 509,
  119. 513 - Dia-Rähmchen II; Urt. v. 6.10.2005 - I ZR 266/02, GRUR 2006, 136 Tz. 23
  120. = WRP 2006, 274 - Pressefotos). Von diesen Grundsätzen ist auch das Berufungsgericht ausgegangen.
  121. 13
  122. d) Die Höhe der danach als Schadensersatz zu zahlenden Lizenzgebühr
  123. ist vom Tatrichter gemäß § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls nach seiner freien Überzeugung zu bemessen. Vom Revisionsgericht ist
  124. nur zu prüfen, ob die Schadensschätzung auf grundsätzlich falschen oder offenbar unsachlichen Überlegungen beruht oder ob wesentliche Tatsachen außer Acht gelassen worden sind, insbesondere, ob schätzungsbegründende Tatsachen, die von den Parteien vorgebracht worden sind oder sich aus der Natur
  125. der Sache ergeben, nicht gewürdigt worden sind (BGH GRUR 1962, 509, 513
  126. -7-
  127. - Dia-Rähmchen II; GRUR 2006, 136 Tz. 24 - Pressefotos). Einer solchen
  128. Nachprüfung hält das Berufungsurteil nicht stand.
  129. 14
  130. aa) Die Revision des Beklagten beanstandet allerdings ohne Erfolg, das
  131. Berufungsgericht habe seiner Schadensschätzung unzutreffende Maßstäbe
  132. zugrunde gelegt, weil es davon ausgegangen sei, dass an Art und Umfang der
  133. vom Geschädigten beizubringenden Schätzungsgrundlagen im Hinblick auf die
  134. Beweisschwierigkeiten im Urheberrecht nur geringe Anforderungen zu stellen
  135. seien. Steht - wie im Streitfall - fest, dass ein Schaden entstanden ist, und lässt
  136. sich dieser aus Gründen, die nicht im Verantwortungsbereich des Geschädigten, sondern in der Natur der Sache liegen, nicht verlässlich bestimmen, so hat
  137. das Gericht den Schaden zu schätzen, sofern hierfür nicht ausnahmsweise jegliche Anhaltspunkte fehlen (vgl. BGHZ 119, 20, 30 f. - Tchibo/Rolex II, zur Schadensschätzung im Wettbewerbsrecht).
  138. 15
  139. bb) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Schadensschätzung
  140. könne sich an dem von der Klägerin vorgelegten dreistufigen Vergütungsmodell
  141. orientieren, weil sich den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen - den Verträgen der Klägerin, dem Vertrag des Unternehmens J.
  142. und dem Gutachten
  143. der IHK Koblenz - ausreichende Anhaltspunkte für die Branchenüblichkeit und
  144. Angemessenheit des Lizenzierungsmodells der Klägerin entnehmen ließen. Die
  145. Revision des Beklagten rügt insoweit mit Recht, dass die von der Klägerin dargestellten Gesichtspunkte entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keine
  146. hinreichende Grundlage für eine Schadensschätzung bieten. Auch wenn an Art
  147. und Umfang der vom Geschädigten beizubringenden Schätzungsgrundlagen
  148. nur geringe Anforderungen zu stellen sind, muss der Tatrichter für die Schadensschätzung gesicherte Grundlagen haben. Die Vorschrift des § 287 ZPO
  149. zielt zwar auf eine Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens ab und
  150. nimmt in Kauf, dass die richterliche Schätzung unter Umständen nicht mit der
  151. -8-
  152. Wirklichkeit übereinstimmt; sie rechtfertigt es aber nicht, in einer für die Streitentscheidung zentralen Frage auf nach Sachlage unerlässliche Erkenntnisse zu
  153. verzichten (BGH GRUR 2006, 136 Tz. 28 - Pressefotos, m.w.N.).
  154. 16
  155. (1) Die Revision des Beklagten beanstandet mit Recht, dass das Berufungsgericht seiner Schadensschätzung die von der Klägerin vorgelegten Lizenzverträge zugrunde gelegt hat, ohne zu prüfen, ob diese überhaupt jemals
  156. abgeschlossen worden sind. Der Beklagte hat dies in den Vorinstanzen stets
  157. bestritten. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts handelte es sich dabei
  158. nicht um ersichtlich ins Blaue hinein aufgestellte Behauptungen des Beklagten,
  159. die keine weitere Erklärungspflicht der Klägerin begründeten. Der Beklagte hatte von dem behaupteten Abschluss der Lizenzverträge keine eigene Kenntnis;
  160. er durfte ihn daher in zulässiger Weise mit Nichtwissen bestreiten (§ 138 Abs. 4
  161. ZPO). Das gilt, wie die Revision des Beklagten mit Recht geltend macht, umso
  162. mehr, als die Namen der Vertragspartner in den vorgelegten Fotokopien der
  163. Lizenzverträge abgedeckt oder geschwärzt sind. Der Beklagte konnte die Behauptung der Klägerin, sie habe die vorgelegten Lizenzverträge tatsächlich abgeschlossen, unter diesen Umständen nicht einmal ansatzweise überprüfen.
  164. 17
  165. (2) Die Revision des Beklagten rügt weiter mit Erfolg, dass das Berufungsgericht die Bestellung der Programmierung eines Flash-Trailers bei dem
  166. Unternehmen J.
  167. Concept für eine Schätzung herangezogen hat. Den
  168. Feststellungen der Vorinstanzen und der Bestellung der Programmierung ist zu
  169. entnehmen, dass dem Kunden zum fest vereinbarten Preis von 2.300 € zuzüglich Mehrwertsteuer das Recht zum Einsatz der Flash-Präsentation „auf einer
  170. Domain und den entsprechenden zugeordneten Subdomains“ eingeräumt wurde. Der Beklagte hat unter Beweisantritt vorgetragen, dass dieser Vertrag im
  171. Lizenzierungsmodell der Klägerin daher nicht einer Lizenz der zweiten Stufe
  172. (2.900 €), sondern einer Lizenz der dritten Stufe (36.000 €) entspreche, die den
  173. -9-
  174. Lizenznehmer zur Erteilung von Unterlizenzen berechtige. Das Berufungsgericht durfte in der Rechnung des Unternehmens J.
  175. deshalb nicht ohne wei-
  176. teres einen Anhaltspunkt für die Marktüblichkeit der von der Klägerin vorgesehenen Lizenzverträge der zweiten Stufe sehen.
  177. 18
  178. (3) Die Revision des Beklagten macht schließlich mit Recht geltend, dass
  179. auch das von der Klägerin vorgelegte Parteigutachten des von der IHK Koblenz
  180. öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen Sch.
  181. vom 6. Oktober
  182. 2004 keine ausreichende Schätzungsgrundlage bietet, weil es sich in entscheidenden Punkten auf ungeprüfte Angaben der Klägerin stützt. So hat der Sachverständige aus den Behauptungen der Klägerin zur Höhe des Umsatzes und
  183. der Zahl der Kunden auf die Marktüblichkeit der Lizenzverträge und der Lizenzgebühren geschlossen, ohne selbst festzustellen, ob die Behauptungen der
  184. Klägerin überhaupt zutreffen und derartige Lizenzverträge tatsächlich abgeschlossen worden sind. Die Schlussfolgerung des Sachverständigen, die Lizenzierungsmodelle der Klägerin seien marktfähig und verkehrsüblich, weil es die
  185. Lizenzverträge der Klägerin beim vorhandenen Konkurrenzdruck auf dem Multimedia-Markt nicht gäbe, wenn die von der Klägerin und den Lizenznehmern
  186. ausgehandelten Lizenzgebühren nicht marktfähig und verkehrsüblich wären,
  187. entbehrt daher einer tragfähigen Grundlage.
  188. 19
  189. 2. Die Revision des Beklagten ist, soweit sie sich gegen die Verurteilung
  190. zur Zahlung von Abmahnkosten von 1.035,50 € wendet, gleichfalls zulässig und
  191. begründet.
  192. 20
  193. a) Das Berufungsgericht hat die Revision entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung der Klägerin auch insoweit zugelassen. Zwar kann die Zulassung der Revision auf einen Teil des Streitgegenstands beschränkt werden, der
  194. - wie hier der Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten - Gegenstand eines
  195. - 10 -
  196. Teil- oder Zwischenurteils sein könnte. Dabei kann sich eine Beschränkung der
  197. Revisionszulassung auch aus der Begründung für die Zulassung der Revision
  198. ergeben. Eine Zulassungsbeschränkung kann in einem solchen Fall aber nur
  199. angenommen werden, wenn aus der Begründung ausreichend deutlich hervorgeht, dass das Berufungsgericht die Möglichkeit einer Nachprüfung im Revisionsverfahren nur wegen eines Teils des Streitgegenstandes eröffnen wollte
  200. (BGH, Urt. v. 12.7.2000 - XII ZR 159/98, NJW-RR 2001, 485, 486; Urt. v.
  201. 3.3.2005
  202. - IX ZR 45/04,
  203. NJW-RR
  204. 2005,
  205. 715,
  206. 716;
  207. Urt.
  208. v.
  209. 8.11.2007
  210. - III ZR 102/07, NJW 2008, 140 Tz. 6 m.w.N.). Dies ist hier nicht der Fall. Das
  211. Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision damit begründet, dass die
  212. Frage der Lizenzanalogie bei Resellerverträgen klärungsbedürftig sei. Diese
  213. Begründung lässt nicht hinreichend deutlich erkennen, ob das Berufungsgericht
  214. damit lediglich eine Begründung für die Zulassung der Revision gegeben hat
  215. oder ob es die Zulassung der Revision auf den von dieser Rechtsfrage betroffenen Teil des Streitgegenstands hat beschränken wollen.
  216. 21
  217. b) Die Revision des Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. Sie richtet
  218. sich nicht gegen die Annahme des Berufungsgerichts, dass der Klägerin dem
  219. Grunde nach ein Anspruch auf Erstattung des ihm aus der berechtigten Abmahnung entstandenen Kosten zusteht, sondern wendet sich allein gegen die
  220. Höhe der zuerkannten Abmahnkosten. Damit hat sie zumindest vorläufig Erfolg.
  221. Die Beurteilung der Angemessenheit von Abmahnkosten liegt im Ermessen des
  222. Tatrichters (BGH, Urt. v. 16.3.2000 - I ZR 229/97, GRUR 2002, 187, 190 =
  223. WRP 2000, 1131 - Lieferstörung). Sie kann vom Revisionsgericht daher nur
  224. eingeschränkt darauf überprüft werden, ob der Tatrichter von seinem Ermessen
  225. einen rechtsfehlerfreien Gebrauch gemacht hat. Einer solchen Überprüfung hält
  226. das Berufungsurteil nicht stand. Das Berufungsgericht hat zur Höhe der Abmahnkosten lediglich ausgeführt, der vom Klägervertreter geltend gemachte
  227. Streitwert von 110.000 € sei gemäß § 3 ZPO angemessen, gleiches gelte für
  228. - 11 -
  229. die vom Klägervertreter angesetzte Mittelgebühr von 7,5/10 aus dem Gebührenrahmen des § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO. Diese Ausführungen erschöpfen
  230. sich in einer nicht näher begründeten Behauptung der Angemessenheit der für
  231. die Bemessung der Abmahnkosten maßgeblichen Berechnungsgrößen und
  232. lassen daher nicht erkennen, ob das Berufungsgericht von dem ihm eingeräumten Ermessen einen sachgerechten Gebrauch gemacht hat.
  233. 22
  234. III. Die Revision der Klägerin hat ebenfalls Erfolg. Sie beanstandet mit
  235. Recht, dass das Berufungsgericht der Klägerin wegen der Verletzung ihrer Nutzungsrechte lediglich einen Schadensersatzanspruch in Höhe einer Lizenzgebühr von 2.900 € abzüglich 400 € Mehrwertsteuer zuerkannt hat.
  236. 23
  237. 1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass auch
  238. ein Schadensersatzanspruch, der nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie
  239. berechnet wird, nicht die Umsatzsteuer umfasst, die nach den der Schadensschätzung zugrunde gelegten Lizenzverträgen auf die Lizenzgebühren zu zahlen ist. Schadensersatzzahlungen sind kein Entgelt im Sinne des § 1 Abs. 1
  240. Nr. 1 Satz 1 UStG und unterliegen daher nicht der Umsatzsteuer, wenn die
  241. Zahlung - wie hier - nicht für eine Lieferung oder sonstige Leistung an den Zahlenden erfolgt, sondern deshalb, weil dieser nach Gesetz oder Vertrag für einen
  242. Schaden und dessen Folgen einzustehen hat (BFH, Urt. v. 10.12.1998
  243. - V R 58/97, juris Tz. 17 f.; KG NJW-RR 2000, 123, 124). Die Revision der Klägerin hat insoweit auch keine Rügen erhoben.
  244. 24
  245. 2. Das Berufungsgericht hat gemeint, die Klägerin müsse sich daran
  246. festhalten lassen, dass sie selbst Verträge mit einer Lizenzgebühr von 2.900 €
  247. einschließlich Mehrwertsteuer schließe. Da auf die in diesem Betrag enthaltene
  248. Mehrwertsteuer von 400 € kein Anspruch bestehe, seien lediglich 2.500 € zu
  249. ersetzen. Die Revision der Klägerin rügt mit Erfolg, das Berufungsgericht habe
  250. - 12 -
  251. damit ihr Vorbringen nicht hinreichend berücksichtigt, die Mehrzahl der Lizenzverträge der zweiten Stufe im Vertragsmodell der Klägerin seien über eine Lizenzgebühr von 2.900 € zuzüglich Mehrwertsteuer abgeschlossen worden. Mit
  252. Rücksicht auf dieses Vorbringen der Klägerin - das mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts in der Revisionsinstanz zugunsten der Klägerin als zutreffend zu unterstellen ist - kann die von der Klägerin geforderte Lizenzgebühr von 2.900 € zuzüglich Mehrwertsteuer nicht als unangemessen
  253. angesehen und die Klägerin nicht daran festgehalten werden, dass sie einige
  254. Verträge mit einer Lizenzgebühr über 2.900 € einschließlich Mehrwertsteuer
  255. abgeschlossen hat.
  256. 25
  257. IV. Auf die Revisionen der Parteien ist danach das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
  258. 26
  259. Für das weitere Verfahren wird hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs auf Folgendes hingewiesen:
  260. 27
  261. 1. Kann das Berufungsgericht sich - gegebenenfalls nach weiterem
  262. Sachvortrag und Beweisantritt der Klägerin - davon überzeugen, dass eine ausreichende Zahl von Lizenzverträgen nach dem Vergütungsmodell der Klägerin
  263. abgeschlossen wurde, kommt es entgegen der Ansicht der Revision des Beklagten grundsätzlich nicht darauf an, ob die in den Lizenzverträgen aufgeführten Lizenzsätze und sonstigen Konditionen für derartige Flash-Präsentationen
  264. allgemein üblich und objektiv angemessen sind. Soweit die Klägerin die in ihrem dreistufigen Lizenzmodell vorgesehenen Lizenzgebühren verlangt und erhält, rechtfertigt dieser Umstand die Feststellung, dass vernünftige Vertragsparteien bei vertraglicher Lizenzeinräumung eine entsprechende Vergütung vereinbart hätten (vgl. BGH, Urt. v. 3.7.1986 - I ZR 159/84, GRUR 1987, 36, 37
  265. - 13 -
  266. - Liedtextwiedergabe II). Werden die vom Verletzten geforderten Lizenzsätze
  267. für die eingeräumten Nutzungsrechte auf dem Markt gezahlt, können sie einer
  268. Schadensberechnung im Wege der Lizenzanalogie auch dann zugrunde gelegt
  269. werden, wenn sie über dem Durchschnitt vergleichbarer Vergütungen liegen
  270. (vgl. Dreier in Dreier/Schulze, UrhG, 3. Aufl., § 97 UrhG Rdn. 64; vgl. auch
  271. BGH, Urt. v. 14.3.2000 - X ZR 115/98, GRUR 2000, 685, 686 = WRP 2000, 766
  272. - Formunwirksamer Lizenzvertrag, m.w.N.). Ansonsten wird das Berufungsgericht - soweit erforderlich durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu klären haben, welche Lizenzgebühren für derartige Benutzungshandlungen
  273. üblich und angemessen sind.
  274. 2. Kann das Lizenzierungsmodell der Klägerin der Schadensschätzung
  275. 28
  276. zugrunde gelegt werden, ist es nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht die Benutzungshandlung des Beklagten - wie geschehen - der zweiten
  277. Stufe des Vergütungsmodells der Klägerin zuordnet. Die Revision des Beklagten macht ohne Erfolg geltend, bei einer Bemessung der Schadenslizenz nach
  278. dem Vertragsmodell der Klägerin müsse der Abschluss eines Resellervertrages
  279. nach der dritten Stufe des Vergütungsmodells der Klägerin zugrunde gelegt
  280. werden.
  281. a) Die Revision des Beklagten trägt hierzu vor, die Flash-Präsentationen
  282. 29
  283. der Klägerin seien in einer Weise benutzt worden, die dem Resellervertrag der
  284. Klägerin entsprochen habe. Der Beklagte und etwa 200 weitere Personen hätten als Vertriebspartner der A.
  285. -S.
  286. in direktem Kontakt mit den Kunden
  287. Nahrungsergänzungsmittel des Unternehmens Herbalife verkaufen sollen. Die
  288. A.
  289. -S.
  290. habe zu diesem Zweck auf ihrem Server für jeden Vertriebspartner
  291. ein Unterverzeichnis angelegt und die Internet-Seiten ihrer Vertriebspartner so
  292. eingerichtet, dass ein Kunde die auf ihrem Server abgelegten Flash-Präsentationen habe aufrufen können. Der Resellervertrag der Klägerin sei auf ein
  293. - 14 -
  294. derartiges System zugeschnitten, da der Lizenznehmer danach gegen eine
  295. Pauschalgebühr von 36.000 € für eine Grundlaufzeit von zwei Jahren eine Lizenz an den Präsentationen der Klägerin erwerbe, die ihn dazu berechtige, bis
  296. zu 150 Unterlizenzen und gegen eine Lizenzgebühr von jeweils 10 € pro Monat
  297. weitere Unterlizenzen zu erteilen. Unter vernünftigen Vertragspartnern wären
  298. daher nicht mehr als 200 Einzellizenzverträge zwischen der Klägerin und den
  299. Vertriebspartnern der A.
  300. -S.
  301. geschlossen worden; vielmehr wäre ein Re-
  302. sellervertrag zwischen der Klägerin und der A.
  303. -S.
  304. geschlossen worden,
  305. der auch den Vertriebspartnern das Recht zur Nutzung der Flash-Präsentationen eingeräumt hätte. Denn bei einer Nutzung durch zahlreiche Vertriebspartner sei die Lizenzgebühr nach dem Resellervertrag um ein Vielfaches geringer als die zusammengerechneten Lizenzgebühren nach den Einzelverträgen. Daher bildeten die Lizenzgebühren, die die Klägerin bei Abschluss eines
  306. Resellervertrages mit der A.
  307. der A.
  308. -S.
  309. -S.
  310. erzielt hätte, die Obergrenze eines von
  311. und ihren Vertriebspartnern zu zahlenden Schadensersatzes
  312. und seien die Lizenzanteile der Vertriebspartner nach den Lizenzgebühren der
  313. A.
  314. 30
  315. -S. zu bemessen.
  316. b) Diesen Erwägungen der Revision des Beklagten kann nicht zuge-
  317. stimmt werden. Die Klägerin nimmt in diesem Rechtsstreit nicht die A.
  318. -S.
  319. als Zwischenhändler, sondern den Beklagten als Endverkäufer wegen einer
  320. Verletzung ihrer ausschließlichen Nutzungsrechte an den Flash-Präsentionen in
  321. Anspruch. Sie hat sich dabei in zulässiger Weise für eine Berechnung des
  322. Schadens nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie entschieden. Danach
  323. kommt es, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, allein darauf
  324. an, welche Lizenzgebühren der Beklagte der Klägerin bei Abschluss eines Lizenzvertrages für eine Nutzung der Flash-Präsentationen „Nahrungsergänzung“
  325. und „Nebenjob“ hätte zahlen müssen. Für die Berechnung des vom Beklagten
  326. zu zahlenden Schadensersatzes ist es hingegen nicht von Bedeutung, welche
  327. - 15 -
  328. Lizenzgebühren die A.
  329. -S.
  330. der Klägerin bei Abschluss eines Reseller-
  331. vertrages zu entrichten gehabt hätte. Bei Abschluss eines Lizenzvertrages, der
  332. weder zur Werbung verpflichtet noch zur Erteilung von Unterlizenzen berechtigt,
  333. hätte der Beklagte der Klägerin nach der zweiten Stufe des Vertragsmodells der
  334. Klägerin für eine Laufzeit von 24 Monaten einen Pauschalpreis von 2.900 €
  335. (einschließlich oder zuzüglich Mehrwertsteuer) zahlen müssen.
  336. 31
  337. aa) Die Revision des Beklagten macht demgegenüber ohne Erfolg geltend, der Beklagte habe nur beabsichtigt, sich mit geringen Mitteln einen kleinen Nebenerwerb mit einem geringen Zusatzverdienst aufzubauen und hätte
  338. mit der Klägerin daher niemals unmittelbar einen Lizenzvertrag nach der zweiten Stufe des Vergütungsmodells der Klägerin geschlossen. Der Verletzer kann
  339. sich nicht darauf berufen, er wäre nicht dazu bereit gewesen, die für seine Benutzungshandlung normalerweise vom Verletzten geforderte und von dessen
  340. Lizenznehmern gezahlte Vergütung zu entrichten (vgl. BGH GRUR 2006, 136
  341. Tz. 23 - Pressefotos).
  342. 32
  343. bb) Die Revision des Beklagten beruft sich ferner ohne Erfolg darauf,
  344. dass nach der Rechtsprechung des Senats in Fällen, in denen mehrere Tarifsysteme mit unterschiedlichen Konditionen bestünden, die sich als üblich
  345. durchgesetzt hätten, und in denen kein Tarifsystem richtig passe, grundsätzlich
  346. von dem Tarif auszugehen sei, der nach seinen Merkmalen der im Einzelfall
  347. vorliegenden Art und Weise und dem Umfang der Nutzung möglichst nahe
  348. komme (vgl. dazu BGH, Urt. v. 23.5.1975 - I ZR 51/74, GRUR 1976, 35, 36
  349. - Bar-Filmmusik; Urt. v. 1.6.1983 - I ZR 98/81, GRUR 1983, 565, 567 - Tarifüberprüfung II; BGHZ 97, 37, 48 - Filmmusik). Die von der Revision des Beklagten herangezogenen Grundsätze sind im Streitfall schon deshalb nicht anwendbar, weil die Benutzungshandlung des Beklagten ohne weiteres der zweiten
  350. Stufe im Vergütungsmodell der Klägerin zuzuordnen ist.
  351. - 16 -
  352. 33
  353. cc) Die Revision des Beklagten macht schließlich ohne Erfolg geltend,
  354. die der Klägerin aus einem Resellervertrag mit der A.
  355. -S.
  356. Lizenzgebühren bildeten die Obergrenze eines von der A.
  357. zustehenden
  358. -S.
  359. und deren
  360. Vertriebspartnern insgesamt zu zahlenden Schadensersatzes. Hierzu hat die
  361. Revision des Beklagten ausgeführt: Im Verhältnis zwischen der Klägerin und
  362. der A.
  363. -S.
  364. müsse für die Schadensberechnung nach der Lizenzanalogie
  365. auf jeden Fall der Resellervertrag zugrunde gelegt werden. Ferner gehe die
  366. Klägerin davon aus, dass den Vertriebspartnern Regressansprüche gegen die
  367. A.
  368. -S.
  369. zustünden, soweit die Klägerin die Vertriebspartner auf Schadens-
  370. ersatz in Anspruch nehme. Würden der Klägerin gegen die einzelnen Vertriebspartner der A.
  371. -S.
  372. insgesamt höhere Schadensersatzansprüche zuge-
  373. sprochen, als sich aus einem Resellervertrag mit der A.
  374. -S.
  375. ergäben,
  376. könnte die Klägerin demnach auf dem Umweg über die Inanspruchnahme der
  377. Vertriebspartner weitaus höhere Schadensersatzansprüche gegen die A.
  378. -
  379. S. durchsetzen, als ihr nach der Lizenzanalogie tatsächlich zustünden. Damit
  380. hat die Revision des Beklagten keinen Erfolg.
  381. 34
  382. Die Frage, ob bei der Schadensberechnung in Form der Herausgabe des
  383. Verletzergewinns Schadensersatzleistungen, die der Verletzer seinen Abnehmern wegen deren Inanspruchnahme durch den Verletzten erbringt, abzuziehen sind, da diese den Gewinn des Verletzers mindern, stellt sich nicht, wenn
  384. der Verletzte - wie im Streitfall - Schadensersatz nach den Grundsätzen der
  385. Lizenzanalogie beansprucht. Für die Höhe der danach zu zahlenden angemessenen und üblichen Lizenzgebühr ist es nicht von Bedeutung, inwieweit der
  386. Verletzer seinen Vertragspartnern wegen deren Inanspruchnahme durch den
  387. Verletzten Schadensersatz leistet. Sollte die Klägerin von der A.
  388. -S. einen
  389. ihr nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie zustehenden Schadensersatz
  390. - 17 -
  391. fordern, könnte die A.
  392. -S.
  393. der Klägerin Schadensersatzzahlungen an ihre
  394. Vertriebspartner nicht entgegenhalten.
  395. 35
  396. 3. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Schadensersatzanspruch
  397. der Klägerin gegen den Beklagten sei nicht dadurch (teilweise) erloschen, dass
  398. die A.
  399. -S.
  400. der Klägerin 15.510 € gezahlt habe, ist dagegen nicht frei von
  401. Rechtsfehlern.
  402. 36
  403. a) Entgegen der Ansicht der Revision des Beklagten kommt es insoweit
  404. allerdings nicht darauf an, ob und inwieweit Schadensersatzleistungen eines
  405. Verletzers auf Schadensersatzansprüche anderer Verletzer innerhalb einer Verletzerkette bzw. Vertriebskette anzurechnen sind. Diese Frage stellt sich im
  406. Streitfall nicht, da die A.
  407. -S.
  408. und ihre Vertriebspartner nicht mehrere Ver-
  409. letzungshandlungen auf unterschiedlichen Vertriebsstufen begangen haben und
  410. daher keine Verletzerkette bzw. Vertriebskette besteht.
  411. 37
  412. Die Revision des Beklagten weist zutreffend auf den nicht bestrittenen
  413. Vortrag des Beklagten hin, die A.
  414. -S.
  415. habe das Original bzw. die Nachbil-
  416. dung der Flash-Präsentationen der Klägerin auf ihrem Server abgespeichert
  417. und anschließend ihren zahlreichen Vertriebspartnern jeweils ein Unterverzeichnis auf ihrem Server anlegen und deren Internet-Seiten so einrichten lassen, dass die Flash-Präsentationen über diese Internet-Seiten unmittelbar auf
  418. ihrem Server hätten abgerufen werden können. Die A.
  419. -S.
  420. hat die auf ih-
  421. rem Server abgespeicherten Originale bzw. Nachahmungen der Flash-Präsentationen der Klägerin nach diesem Vorbringen im Zusammenwirken mit ihren
  422. jeweiligen Vertriebspartnern über deren Internet-Seiten öffentlich zugänglich
  423. gemacht und damit gegen § 15 Abs. 2 UrhG a.F. (jetzt § 19a UrhG) verstoßen.
  424. Es mag sein, dass die A.
  425. -S.
  426. darüber hinaus, wie das Berufungsgericht
  427. angenommen hat, durch die Herstellung einer Nachahmung der Flash-Präsen-
  428. - 18 -
  429. tation der Klägerin eine weitere eigenständige Urheberrechtsverletzung begangen hat. Das ändert aber nichts daran, dass die A.
  430. -S. und ihre Vertriebs-
  431. partner den hier in Rede stehenden Schaden durch dieselbe Verletzungshandlung verursacht haben.
  432. 38
  433. b) Die von der A.
  434. -S. an die Klägerin geleistete Zahlung könnte den
  435. Beklagten jedoch entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts gemäß § 422
  436. Abs. 1 BGB (teilweise) von seiner Schadensersatzpflicht gegenüber der Klägerin befreit haben, weil zwischen der A.
  437. -S.
  438. und dem Beklagten ein Ge-
  439. samtschuldverhältnis besteht. Allerdings ist keine gesamtschuldnerische Haftung nach § 830 BGB gegeben. Da der Beklagte die Urheberrechtsverletzung
  440. nach den Feststellungen des Berufungsgerichts fahrlässig begangen hat, fehlt
  441. es an dem von § 830 Abs. 1 BGB vorausgesetzten bewussten und gewollten
  442. Zusammenwirken der A.
  443. -S.
  444. und des Beklagten als Mittäter bzw. an der
  445. nach § 830 Abs. 2 BGB erforderlichen Vorsatztat des Beklagten, die die A.
  446. -
  447. S. als Anstifter oder Gehilfe hätte fördern können (vgl. Palandt/Sprau, BGB,
  448. 68. Aufl., § 830 Rdn. 3 f.). Die A.
  449. -S.
  450. und ihre Vertriebspartner - wie der
  451. Beklagte - haften für den durch das öffentliche Zugänglichmachen der FlashPräsentationen der Klägerin entstandenen Schaden jedoch nach § 840 Abs. 1
  452. BGB als Gesamtschuldner. Sie sind für diesen Schaden, den der Beklagte fahrlässig verursacht hat, nebeneinander verantwortlich. Anders als das Berufungsgericht meint, haben sie bei der Klägerin auch denselben Schaden verursacht,
  453. da dieser Schaden - wie unter IV 3 a ausgeführt - auf derselben Verletzungshandlung beruht.
  454. 39
  455. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist es insoweit nicht von
  456. Bedeutung, dass sich die von der A.
  457. -S. und dem Beklagten verursachten
  458. Schadensbeträge der Höhe nach nicht decken. Allerdings schuldet der Beklagte
  459. der Klägerin Schadensersatz in Höhe einer angemessenen Lizenzgebühr, die
  460. - 19 -
  461. im Streitfall - soweit das Vergütungsmodell der Klägerin zur Schadensschätzung heranzuziehen ist - nach der zweiten Stufe des Vergütungsmodells der
  462. Klägerin mit jeweils 2.900 € (einschließlich oder zuzüglich Mehrwertsteuer) zu
  463. bemessen ist. Hingegen wäre ein von der A.
  464. -S.
  465. zu zahlender Schadens-
  466. ersatz - wenn die Klägerin ihn gleichfalls auf der Grundlage der Lizenzanalogie
  467. berechnete - nach der dritten Stufe des Vergütungsmodells der Klägerin mit der
  468. wesentlich höheren Vergütung für Resellerverträge zu bemessen. Ein Gesamtschuldverhältnis besteht jedoch auch dann, wenn der Haftungsumfang mehrerer Verantwortlicher unterschiedlich hoch ist; das Gesamtschuldverhältnis besteht dann bis zum geringeren Betrag (vgl. BGHZ 12, 213, 220).
  469. 40
  470. c) Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht bislang getroffenen
  471. Feststellungen kann nicht abschließend beurteilt werden, inwieweit die Schadensersatzleistung der A.
  472. -S.
  473. auf den Schadensersatzanspruch der Klä-
  474. gerin gegen den Beklagten anzurechnen ist. Nach § 422 Abs. 1 Satz 1 BGB
  475. wirkt die Erfüllung durch einen Gesamtschuldner auch für die übrigen Schuldner. Im Streitfall besteht die Besonderheit, dass die A.
  476. -S.
  477. und jeder ein-
  478. zelne ihrer Vertriebspartner der Klägerin jeweils als Gesamtschuldner haften,
  479. die Vertriebspartner der A.
  480. -S.
  481. aber nicht untereinander Gesamtschuldner
  482. der Klägerin sind. Da die Zahlung der A.
  483. -S. nicht ausreicht, um sämtliche
  484. Schulden zu tilgen, ist die Zahlung der A.
  485. -S.
  486. entsprechend § 366 BGB
  487. auf die Schulden der Vertriebspartner anzurechnen. Die Regelung des § 366
  488. BGB gilt unmittelbar für den Fall, dass ein Schuldner dem Gläubiger aus mehreren Schuldverhältnissen zu gleichartigen Leistungen verpflichtet ist und das von
  489. ihm Geleistete nicht zur Tilgung sämtlicher Schulden ausreicht. Die Interessenlage ist jedoch die gleiche, wenn - wie dies hier der Fall ist - mehrere Schuldner
  490. (die Vertriebspartner der A.
  491. -S. ) dem Gläubiger zu gleichartigen Leistun-
  492. gen verpflichtet sind und ein anderer Schuldner (die A.
  493. -S. ) dem Gläubiger
  494. für diese Leistungen jeweils mithaftet und das von diesem Schuldner Geleistete
  495. - 20 -
  496. nicht zur Tilgung sämtlicher Schulden ausreicht (vgl. BGHZ 134, 224, 227 ff.
  497. m.w.N.).
  498. 41
  499. Gemäß § 366 Abs. 1 BGB wird diejenige Schuld getilgt, die der Zahlende
  500. bei der Leistung bestimmt. Es kann dahinstehen, ob sich dem - insoweit allein
  501. in Betracht kommenden - Anwaltsschreiben der A.
  502. vom 5. Juli 2004 eine Tilgungsbestimmung der A.
  503. -S.
  504. -S.
  505. an die Klägerin
  506. zugunsten des Be-
  507. klagten entnehmen lässt. Denn dieses Schreiben ging, wie die Klägerin zutreffend geltend macht, erst einen Tag nach Zahlungseingang beim vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin ein. Eine Tilgungsbestimmung im
  508. Sinne von § 366 Abs. 1 BGB muss aber grundsätzlich - spätestens - „bei der
  509. Leistung“ getroffen werden. Eine nachträgliche Tilgungsbestimmung ist unwirksam, wenn sie - wie hier - nicht ausdrücklich oder konkludent vorbehalten war
  510. (Bamberger/Roth/Dennhardt, BGB, 2. Aufl., § 366 Rdn. 7; Palandt/Grüneberg
  511. aaO § 366 Rdn. 4a; MünchKomm.BGB/Wenzel, 5. Aufl., § 366 Rdn. 9). Entgegen der Ansicht der Revision des Beklagten kann das Tatbestandsmerkmal „bei
  512. der Leistung“ in § 366 BGB schon aus Gründen der Rechtssicherheit nicht gegen seinen Wortlaut dahin ausgelegt werden, dass eine Tilgungsbestimmung in
  513. Fällen wie dem vorliegenden auch noch nach der Leistung zulässig ist. Für eine
  514. solche Auslegung lässt sich auch dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom
  515. 2. Dezember 1968 in der Sache II ZR 144/67 (BGHZ 51,157) nichts entnehmen.
  516. Auf die Frage, ob ein am Tag nach der Übergabe eines Schecks eingegangener Brief noch als „Tilgungsbestimmung bei der Leistung“ gewertet werden
  517. kann, kam es in jener Entscheidung nicht an, weil das dortige Schreiben bereits
  518. keine Leistungsbestimmung erkennen ließ (BGH WM 1969, 270, 271; insoweit
  519. - 21 -
  520. nicht in BGHZ 51,157 abgedruckt). Nach § 366 Abs. 2 BGB kommt eine verhältnismäßige Tilgung der Schuld des Beklagten erst in Betracht, wenn sämtliche vorgehenden Anrechnungen in der gesetzlichen Tilgungsreihenfolge ausscheiden. Hierzu hat das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - bislang keine Feststellungen getroffen.
  521. Bergmann
  522. Pokrant
  523. Schaffert
  524. Büscher
  525. Koch
  526. Vorinstanzen:
  527. LG Nürnberg-Fürth, Entscheidung vom 03.08.2005 - 3 O 5635/04 OLG Nürnberg, Entscheidung vom 14.02.2006 - 3 U 1943/05 -