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23 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. I ZR 34/04
  5. Verkündet am:
  6. 14. Dezember 2006
  7. Führinger
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. BGHZ
  14. :
  15. BGHR
  16. :
  17. ja
  18. nein
  19. ja
  20. Archivfotos
  21. BGB § 929 Satz 1, § 985;
  22. UrhG § 31 Abs. 5
  23. Übernimmt ein Verlag von einem Fotografen zugesandte Fotos in sein Archiv,
  24. folgt daraus ohne besondere Anhaltspunkte nicht, dass die Parteien einen
  25. Kaufvertrag geschlossen und das Eigentum an den Abzügen übertragen haben,
  26. auch wenn die Zahlung einer Archivgebühr vereinbart wird.
  27. BGH, Urt. v. 14. Dezember 2006 - I ZR 34/04 - OLG München
  28. LG München II
  29. -2-
  30. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. Dezember 2006 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
  31. und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Pokrant, Dr. Büscher und Dr. Bergmann
  32. für Recht erkannt:
  33. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 29. Zivilsenats
  34. des Oberlandesgerichts München vom 12. Februar 2004 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht auf die Berufung der Beklagten die
  35. Klage in dem vom Landgericht zuerkannten Umfang abgewiesen
  36. hat.
  37. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
  38. und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  39. Von Rechts wegen
  40. Tatbestand:
  41. 1
  42. Der Kläger ist Berufsfotograf. Die Beklagte verlegt die Zeitungen W.
  43. und H.
  44. .
  45. -3-
  46. 2
  47. Die Parteien standen seit 1971 in Geschäftsverbindung. Der Kläger
  48. übersandte den Redaktionen der W.
  49. und des H.
  50. zum
  51. Teil auf deren Ersuchen, im Übrigen auf eigene Veranlassung bis in die 90er
  52. Jahre Schwarz/Weiß-Abzüge seiner Fotografien. Die auf kartonstarkem Barytpapier in den Formaten 24 cm x 30 cm oder 30 cm x 40 cm hergestellten Abzüge waren auf der Rückseite in jedenfalls nahezu allen Fällen mit dem Namen
  53. und der Adresse des Klägers versehen und wiesen in den meisten Fällen auch
  54. den Stempelaufdruck "Foto nur leihweise" auf. In den den Sendungen der Fotos
  55. beigefügten Lieferscheinen fand sich regelmäßig der Vermerk "zur Archivauswahl", zum Teil auch der Hinweis "leihweise zur Auswahl".
  56. 3
  57. Aus dem vom Kläger übersandten Material suchten die Redaktionen Fotos heraus, die sie in ihre Bildarchive nahmen, und sandten die übrigen Fotos
  58. an den Kläger zurück. Honorarzahlungen erhielt der Kläger, wenn die Fotos
  59. veröffentlicht wurden. Von den Redaktionen nach der Veröffentlichung nicht
  60. mehr benötigte Fotos sandte die Beklagte an den Kläger zurück.
  61. 4
  62. Ab dem Jahr 1975 waren auf der Rückseite der Lieferscheine des Klägers seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen abgedruckt, die u.a. die Klausel
  63. enthielten, dass die Zusendung des Bildmaterials leihweise erfolge.
  64. 5
  65. Seit 1975 berechnete der Kläger der Beklagten für einbehaltene Abzüge
  66. eine Archivgebühr, die zunächst 10 DM und später 15 DM betrug.
  67. 6
  68. Seit Ende der 90er Jahre entwickelte sich ein Sammlermarkt für Pressefotografien. Inzwischen werden für zeitnah nach den Aufnahmen vom Fotografen selbst hergestellte Abzüge (sog. "Vintage Prints") auf Auktionen und bei
  69. Verkäufen nicht unerhebliche Preise erzielt.
  70. -4-
  71. 7
  72. 1998 und 1999 schenkte die Beklagte dem Deutschen Historischen Museum in Berlin Fotos aus ihrem Archiv, unter denen sich auch zwei Fotos des
  73. Klägers befanden, die er zwischenzeitlich zurückerhalten hat.
  74. 8
  75. Nachdem die Beklagte mehr als zehn Jahre keine Fotos des Klägers
  76. mehr veröffentlicht hatte, forderte er seine Fotos von der Beklagten zurück. Auf
  77. dieses Verlangen schickte die Beklagte dem Kläger ohne Anerkenntnis einer
  78. Rechtspflicht die in den 90er Jahren übersandten Fotos sowie weitere 63 Abzüge, die im Rahmen der normalen Archivarbeiten aufgefunden worden waren.
  79. Die Übersendung weiterer Fotos machte die Beklagte von der Zahlung eines
  80. Stundensatzes von 300 DM zuzüglich Umsatzsteuer für das Heraussuchen der
  81. Fotos des Klägers aus dem Gesamtbestand von 600.000 Schwarz/Weiß-Fotos
  82. ihres Bildarchivs abhängig, in dem die Archive der W.
  83. H.
  84. 9
  85. und des
  86. zusammengefasst sind.
  87. Der Kläger hat geltend gemacht, die Fotos habe er der Beklagten nur
  88. leihweise überlassen. Die Archivgebühr habe nicht einmal die Materialkosten
  89. für die Barytabzüge gedeckt.
  90. 10
  91. Der Kläger hat beantragt,
  92. die Beklagte zu verurteilen, sämtliche, mindestens 437, Schwarz/
  93. Weiß-Barytabzüge von Fotos des Klägers im Format DIN A4 und
  94. größer bis 30/40 cm, die dadurch gekennzeichnet sind, dass auf
  95. der Rückseite jedes Abzugs u.a. der vollständige Name des Klägers (K.
  96. ) angegeben ist, wie es in der Anlage K 4
  97. beispielhaft der Fall ist, und die ferner dadurch gekennzeichnet
  98. sind, dass sie folgenden Themen zugeordnet werden können, auf
  99. -5-
  100. der Rückseite jedes Fotos die nachfolgend jeweils angegebene
  101. Lieferscheinnummer des Klägers tragen und dass sie ebenfalls auf
  102. der Rückseite jedes Fotos eine Negativnummer aufweisen, die in
  103. den jeweils dazugehörigen Bereich der nachfolgend angegebenen
  104. Negativnummern fällt, nämlich:
  105. (es folgt eine Liste mit Angaben zu den Themen der herausverlangten Fotos mit der jeweiligen Zahl der Fotos, zu den auf der
  106. Rückseite der Fotos aufgedruckten Lieferscheinnummern, zu den
  107. Lieferscheinen und zu dem Bereich der auf der Rückseite der Fotos angegebenen Negativnummern.)
  108. herauszusuchen und an den Kläger herauszugeben.
  109. 11
  110. Mit einem Hilfsantrag hat der Kläger eine Stufenklage erhoben, mit der er
  111. Auskunft über die Fotos und deren Herausgabe begehrt.
  112. 12
  113. Die Beklagte, die der Klage entgegengetreten ist, hat die Ansicht vertreten, der Klageantrag sei nicht hinreichend bestimmt. Sie habe die einbehaltenen Fotos mit Zahlung der Archivgebühr vom Kläger gekauft und zu Eigentum
  114. erworben. Das Bildmaterial habe ihr der Kläger unverlangt übersandt. Es sei ihr
  115. wegen des unverhältnismäßigen Aufwands nicht zuzumuten, die Fotografien
  116. aus ihrem Archiv herauszusuchen.
  117. 13
  118. Das Landgericht hat die Beklagte zur Herausgabe von 437 Abzügen verurteilt und die weitergehende Klage abgewiesen.
  119. -6-
  120. 14
  121. Unter Zurückweisung der Anschlussberufung des Klägers hat das Berufungsgericht auf die Berufung der Beklagten die Klage insgesamt abgewiesen
  122. (OLG München GRUR-RR 2004, 220 = AfP 2004, 142).
  123. 15
  124. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vom Senat zugelassenen Revision. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
  125. Entscheidungsgründe:
  126. 16
  127. I. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Herausgabe der Abzüge verneint. Dazu hat es ausgeführt:
  128. 17
  129. Die Klage sei zulässig, aber nicht begründet. Der Klageantrag sei hinreichend bestimmt. Um den Erfordernissen der Bestimmtheit i.S. von § 253 Abs. 2
  130. Nr. 2 ZPO zu genügen, müssten die herausverlangten Gegenstände nicht in
  131. allen ihren Besonderheiten so genau wie irgend möglich beschrieben werden.
  132. Ausreichend sei eine Angabe, die es erlaube, zu entscheiden, ob der Gegenstand vom Herausgabeanspruch erfasst werde oder nicht. Es genüge deshalb,
  133. dass der Kläger die Anzahl der herausverlangten Abzüge angegeben habe und
  134. auf der Rückseite der Fotokopien Name und Anschrift des Klägers vermerkt
  135. seien, was nach den Feststellungen des Landgerichts für alle herausverlangten
  136. Abzüge zutreffe.
  137. 18
  138. Dem Kläger stehe jedoch kein Herausgabeanspruch nach § 985 BGB zu,
  139. weil er nicht mehr Eigentümer der in Rede stehenden Abzüge sei. Er habe sein
  140. Eigentum dadurch verloren, dass er die Abzüge der Beklagten zugesandt und
  141. diese ihm mitgeteilt habe, sie nehme die Fotografien in ihr Archiv auf. Die
  142. -7-
  143. rechtsgeschäftlich relevanten Handlungen der Parteien im Zusammenhang mit
  144. der Übersendung und der Auswahl der Abzüge seien auslegungsbedürftig. Ein
  145. eindeutiger Wille, wie der Umgang mit den Abzügen geregelt sein solle, könne
  146. dem Verhalten der Parteien nicht entnommen werden. Die Bezahlung einer
  147. Gebühr und der Umstand, dass die Abzüge regelmäßig dauerhaft im Archiv
  148. verblieben, lasse Zweifel aufkommen, ob die Parteien ein Leihverhältnis im
  149. Rechtssinne hätten begründen wollen. Die Auslegung der Erklärungen der Parteien habe dem Grundsatz einer beiderseits interessengerechten Interpretation
  150. zu folgen. Danach sei davon auszugehen, dass die ausgewählten Abzüge an
  151. die Beklagte übereignet worden seien.
  152. 19
  153. Der Interessenlage der Parteien werde am ehesten eine Auslegung dahin gerecht, dass beide Parteien die Übertragung des Eigentums auf die Beklagte wollten. Dem stehe eine Anwendung der Zweckübertragungstheorie nicht
  154. entgegen. Im vorliegenden Fall sei gerade die Übereignung an die Beklagte
  155. erforderlich gewesen, um ihr das von beiden Parteien gewollte langfristige Arbeiten mit den Abzügen ohne Gefahr von Ersatzansprüchen zu ermöglichen.
  156. Der Zweck des Rechtsgeschäfts habe die Übertragung des Eigentums geboten.
  157. Das anhand der Interessenlage gefundene Ergebnis stehe auch nicht in Widerspruch zum dokumentierten Willen der Parteien. Der auf der Rückseite der Fotos abgedruckte Vermerk "Foto nur leihweise" und die entsprechende Klausel in
  158. den Geschäftsbedingungen des Klägers behielten ihre Bedeutung für die der
  159. Übereignung vorgelagerte Übersendung der Fotos. Der Kläger habe ein Interesse daran gehabt, dass die Beklagte die Fotos, die sie nicht in ihr Archiv aufnehmen wollte, nicht wegwarf, sondern zurücksandte.
  160. 20
  161. Jede Übersendung der Bilder stelle ein Angebot des Klägers an die Beklagte zur Übereignung dar, das die Beklagte bei den einbehaltenen Abzügen
  162. angenommen habe.
  163. -8-
  164. 21
  165. Der Kläger könne das Herausgabeverlangen auch nicht auf andere Anspruchsgrundlagen stützen. Im Streitfall gebe es keine Veranlassung, anzunehmen, die Beklagte sei verpflichtet, unter bestimmten Umständen die Fotos
  166. wieder an den Kläger zurückzugeben. Ansprüche auf Herausgabe aus ungerechtfertigter Bereicherung nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB seien ebenfalls nicht
  167. gegeben, da über die einbehaltenen Fotos, soweit die Archivgebühr vereinbart
  168. worden sei, jeweils Kaufverträge zwischen den Parteien zustande gekommen
  169. seien und im Übrigen der Kläger der Beklagten die Fotos geschenkt habe.
  170. 22
  171. II. Die Revision hat überwiegend Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit das Berufungsgericht auf die Berufung der Beklagten die
  172. Klage in dem vom Landgericht zuerkannten Umfang abgewiesen hat. Im Übrigen hat die Revision keinen Erfolg.
  173. 23
  174. 1. Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen,
  175. dass der Klageantrag, soweit er auf Herausgabe der 437 Fotos gerichtet ist,
  176. hinreichend bestimmt ist (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Davon ist auszugehen,
  177. wenn der Antrag den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet, dadurch den
  178. Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) absteckt, Inhalt
  179. und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322
  180. ZPO) erkennen lässt, das Risiko eines Unterliegens des Klägers nicht durch
  181. vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abwälzt und schließlich eine
  182. Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im
  183. Zwangsvollstreckungsverfahren erwarten lässt (st. Rspr.; BGHZ 156, 1, 8
  184. - Paperboy). Bei den Anforderungen an die Konkretisierung des Klageantrags
  185. sind die Besonderheiten des anzuwendenden materiellen Rechts und die Umstände des Einzelfalls ebenfalls zu berücksichtigen. In die Beurteilung einzubeziehen sind nicht nur die Interessen des Beklagten, sich gegen die Klage er-
  186. -9-
  187. schöpfend verteidigen zu können, sondern auch die Belange des Klägers, dem
  188. ein wirksamer Rechtsschutz nicht verwehrt werden darf (BGHZ 153, 69, 75
  189. - P-Vermerk; 158, 174, 186 - Direktansprache am Arbeitsplatz I). Diesen Anforderungen genügt der Antrag des Klägers, soweit die Anzahl der Fotos und ihre
  190. Art und Kennzeichnung näher angegeben sind. Dies ist bei 437 Abzügen geschehen, zu denen der Kläger neben der Anzahl der Fotos ihre Beschaffenheit
  191. (Schwarz/Weiß-Foto, Barytabzug, Größe DIN A4-Format und größer bis
  192. 30/40 cm) und ihre Thematik sowie die genaue Kennzeichnung der Abzüge mit
  193. Namen und Anschrift des Klägers, seiner Lieferscheinnummer und einer näher
  194. eingegrenzten Negativnummer auf der Rückseite angegeben hat. Anhand dieser Merkmale kann der Gerichtsvollzieher als Vollstreckungsorgan eine Zuordnung des im Besitz der Beklagten befindlichen Bildmaterials zu den mit der Klage herausverlangten Fotografien ohne weiteres vornehmen.
  195. 24
  196. 2. Das Berufungsgericht hat die auf § 985 BGB gestützte Herausgabeklage mit der Begründung abgewiesen, über die in Rede stehenden Fotoabzüge seien zwischen den Parteien Kaufverträge zustande gekommen. Dementsprechend habe der Kläger das Eigentum an diesen Abzügen den Verträgen
  197. entsprechend auf die Beklagte übertragen. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
  198. 25
  199. a) Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts hat der Kläger der Beklagten an den von ihr zurückbehaltenen 437 Fotoabzügen kein Eigentum nach
  200. § 929 Satz 1 BGB übertragen.
  201. 26
  202. aa) Allerdings kann die Auslegung der Erklärungen der Parteien durch
  203. das Berufungsgericht vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden, ob
  204. gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt worden sind (BGH,
  205. - 10 -
  206. Urt. v. 7.6.2001 - I ZR 49/99, NJW-RR 2002, 20, 21). Diese Nachprüfung ergibt,
  207. dass die Auslegung der Erklärungen der Parteien durch das Berufungsgericht
  208. Auslegungsgrundsätze verletzt und deshalb rechtsfehlerhaft ist.
  209. 27
  210. Maßgebend für die Reichweite der Erklärungen der Parteien ist ihr wirklicher Wille (§§ 133, 157 BGB), zu dessen Auslegung neben dem Inhalt der Erklärungen auch die beiderseits bekannten Umstände, insbesondere die Art und
  211. Weise des Zustandekommens der Vereinbarung, ihr Zweck und die Interessenlage der Beteiligten heranzuziehen sind.
  212. 28
  213. bb) Mit Erfolg rügt die Revision, dass das Berufungsgericht den wirklichen Willen der Parteien nicht ermittelt, sondern in den Mittelpunkt seiner Auslegung die Frage gestellt hat, welche Regelung den beiderseitigen Interessen
  214. der Parteien am besten entsprochen hätte.
  215. 29
  216. (1) Der Wortlaut der Erklärungen des Klägers spricht dagegen, dass mit
  217. der Zusendung der Fotos ein Angebot zur Übertragung des Eigentums an die
  218. Beklagte nach § 929 Satz 1 BGB verbunden war. Nach den Feststellungen des
  219. Berufungsgerichts hat der Kläger regelmäßig auf der Rückseite der Abzüge den
  220. Vermerk "Foto nur leihweise" angebracht. Dieser Hinweis steht der Annahme
  221. des Berufungsgerichts entgegen, die Übersendung der Abzüge sei zugleich ein
  222. Angebot des Klägers zur Übertragung des Eigentums an den Abzügen auf die
  223. Beklagte. Für die vom Berufungsgericht vorgenommene Reduzierung des auf
  224. den Fotos angebrachten Vermerks des Klägers darauf, er habe nur auf Rückforderungsansprüche wegen der von der Beklagten nicht in ihr Archiv eingestellten Bilder hinweisen wollen, gibt der Wortsinn der Erklärung des Klägers
  225. nichts her.
  226. - 11 -
  227. (2) Eine vom Wortlaut abweichende Auslegung der Erklärungen des Klä-
  228. 30
  229. gers anhand der beiderseitigen Interessenlage scheidet im Streitfall ebenfalls
  230. aus.
  231. 31
  232. Bei der Frage, ob die Beklagte die Übersendung der Fotos, soweit sie sie
  233. in ihr Archiv stellte, auch als Angebot des Klägers zur Eigentumsübertragung
  234. auffassen durfte, ist der Grundgedanke der im Urheberrecht geltenden Zweckübertragungsregel (zur Zweckübertragungsregel: BGHZ 131, 8, 12 - Pauschale
  235. Rechtseinräumung; 148, 221, 228 - SPIEGEL-CD-ROM) heranzuziehen. Der
  236. Zweckübertragungsgedanke findet auch bei der Prüfung Anwendung, ob der
  237. Urheber dem Verwerter im Rahmen des Nutzungsvertrags an den Werkstücken
  238. eine sachenrechtliche Position in Form des Eigentums einräumen wollte (OLG
  239. München GRUR 1984, 516, 517; vgl. auch OLG Hamburg GRUR 1980, 909,
  240. 911; Schricker in Schricker, Urheberrecht, 3. Aufl., § 31 Rdn. 37; Hertin in
  241. Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 9. Aufl., §§ 31/32 Rdn. 28; Loewenheim/
  242. J. B. Nordemann, Handbuch des Urheberrechts, § 60 Rdn. 16; Kotthoff in HKUrhR, § 44 Rdn. 2; a.A. KG ZUM-RD 1998, 9, 10). Dies gilt ebenfalls bei der
  243. Übersendung von Fotoabzügen (Vogel in Schricker aaO § 44 Rdn. 17). Zwar
  244. kann sich aus der Überlassung von Fotoabzügen zu Archivzwecken ergeben,
  245. dass diese zum Kauf angeboten werden und bei Übernahme in das Archiv ein
  246. Eigentumserwerb stattfindet (OLG Hamburg GRUR 1989, 912, 914). Das setzt
  247. aber entsprechende Anhaltspunkte für den Abschluss eines Kaufvertrags und
  248. den Erwerb des Eigentums an den Abzügen durch den Verlag voraus. Allein
  249. aus der Überlassung der Fotos zu Archivzwecken kann dies regelmäßig nicht
  250. gefolgert werden (Vogel in Schricker aaO § 44 Rdn. 17; a.A. Wandtke in
  251. Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 2. Aufl., § 44 Rdn. 14). Daran ändert auch die
  252. Vereinbarung einer Archivgebühr, soweit sie den Wert der Fotos nicht erreicht,
  253. regelmäßig nichts. Denn durch die Vereinbarung einer Archivgebühr werden die
  254. Parteien häufig nur dem Umstand Rechnung tragen, dass der Fotograf mit der
  255. - 12 -
  256. Herstellung der Fotos Vorleistungen erbringt und die Überlassung der Fotos zu
  257. Archivzwecken auch im Interesse des Verwerters liegt (vgl. BGH, Urt. v.
  258. 19.9.2001 - I ZR 343/98, GRUR 2002, 282, 284 = WRP 2002, 105 - Bildagentur).
  259. 32
  260. (3) Die Revision weist zudem mit Recht darauf hin, dass das Berufungsgericht dem Verhalten der Beklagten bei der Abwicklung der Geschäftsverbindung für die Auslegung des von den Parteien Gewollten nicht die nötige Bedeutung beigemessen hat. Das nachträgliche Verhalten der Parteien kann zwar
  261. den objektiven Inhalt ihrer Erklärungen nicht mehr beeinflussen. Es hat aber
  262. Bedeutung für die Ermittlung des tatsächlichen Willens und für das Verständnis
  263. der
  264. an
  265. dem
  266. Rechtsgeschäft
  267. Beteiligten
  268. (BGH,
  269. Urt.
  270. v.
  271. 26.11.1997
  272. - XII ZR 308/95, NJW-RR 1998, 801, 803). Die Beklagte hat dem Kläger nach
  273. den Feststellungen des Berufungsgerichts wiederholt Fotos zurückgesandt und
  274. zwar unabhängig davon, ob sie eine Archivgebühr bezahlt hatte.
  275. 33
  276. b) Die Beklagte hat das Eigentum an den Fotos auch nicht durch Ersitzung nach § 937 BGB erworben. Ob die Beklagte bei Besitzerwerb Eigenbesitz
  277. i.S. von § 872 BGB begründet hat, kann offenbleiben. Im Streitfall ist eine Ersitzung nach § 937 Abs. 2 BGB ausgeschlossen. Die Beklagte war aufgrund der
  278. Erklärungen des Klägers über die nur leihweise Überlassung der Fotoabzüge
  279. bei einem Besitzerwerb jedenfalls nicht gutgläubig. Ihr war bekannt oder blieb
  280. infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt, dass sie bei Überlassung der Fotos
  281. kein Eigentum erwarb.
  282. 34
  283. c) Dem Herausgabeanspruch des Klägers kann die Beklagte kein Recht
  284. zum Besitz i.S. von § 986 Abs. 1 BGB entgegenhalten.
  285. - 13 -
  286. 35
  287. Zwischen den Parteien kamen in den Fällen, in denen sie keine Archivgebühr vereinbarten, Leihverträge nach §§ 598 ff. BGB zustande. Der Kläger
  288. überließ der Beklagten die Abzüge für ihr Archiv für eine bestimmte Zeit unentgeltlich. Dass die Überlassung nicht auf Dauer erfolgte, ergibt sich aus dem
  289. Wesen der Leihe (BGHZ 82, 354, 356 f.; MünchKomm.BGB/Kollhosser, 4. Aufl.,
  290. § 598 Rdn. 1).
  291. 36
  292. In den übrigen Fällen, in denen die Parteien die Zahlung einer Archivgebühr vereinbarten, kamen ebenfalls keine Kaufverträge, sondern aus miet- und
  293. leihvertraglichen Elementen bestehende gemischte Verträge zustande, die die
  294. zeitweise Überlassung der Fotos des Klägers für das Archiv der Beklagten gegen Zahlung der Archivgebühr zum Gegenstand hatten.
  295. 37
  296. Die bestehenden Verträge über die zeitweise Überlassung der Fotos hat
  297. der Kläger spätestens mit Erhebung der Klage gekündigt. Zu der Kündigung der
  298. Leihverträge war er nach § 604 Abs. 2 Satz 2 BGB berechtigt. Die mit der vorliegenden Klage herausverlangten Bilder hat die Beklagte in der Zeit vor 1987
  299. erhalten. Die Beklagte hatte mithin ausreichend Zeit, die Bilder zu veröffentlichen (§ 604 Abs. 2 Satz 2 BGB). Soweit es sich um gemischte Verträge mit
  300. leih- und mietvertraglichen Elementen handelt, war die Kündigung analog § 543
  301. Abs. 1 Satz 1, § 553 BGB a. F., § 604 Abs. 2 Satz 2 BGB auch ohne vorherige
  302. Abmahnung zulässig, weil die Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts seit mehr als zehn Jahren vor Klageerhebung keine Bilder mehr
  303. veröffentlicht und Fotos des Klägers an einen Dritten verschenkt hatte.
  304. 38
  305. d) Die Herausgabeansprüche des Klägers aus § 985 BGB sind nicht gemäß § 242 BGB verwirkt. Mit der Verwirkung soll die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten gegenüber dem Verpflichteten ausgeschlossen
  306. werden (BGHZ 25, 47, 51 f.). An einer illoyal verspäteten Geltendmachung der
  307. - 14 -
  308. Rechte durch den Kläger fehlt es vorliegend. Die Archivierung der nicht tagesaktuellen Fotos des Klägers war auf lange Zeiträume angelegt. Die Beklagte
  309. konnte deshalb auch mehr als zehn Jahre nach der letzten Veröffentlichung
  310. noch nicht darauf vertrauen, der Kläger werde auf seine Herausgabeansprüche
  311. nicht mehr zurückkommen.
  312. 39
  313. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist es ihr auch trotz des mit der
  314. Rückgabe verbundenen Aufwands zuzumuten, dem Kläger die Bilder herauszugeben. Der Herausgabeanspruch entfällt nicht deshalb nach Treu und Glauben gem. § 242 BGB, weil die Beklagte die Fotoabzüge in ihr umfangreiches
  315. Archiv eingestellt hat, ohne deren direktes Auffinden anhand des Namens des
  316. Klägers zu ermöglichen.
  317. 40
  318. 3. Ist der Kläger danach Eigentümer der in Rede stehenden Fotos geblieben und steht der Durchsetzung seiner Herausgabeansprüche weder ein
  319. Recht der Beklagten zum Besitz noch eine Verwirkung der Ansprüche entgegen, kommt es darauf an, ob der Kläger der Beklagten die 437 näher bezeichneten Fotos überlassen und diese die Fotos noch im Besitz hat (vgl. RGZ 143,
  320. 374, 376; BGH, Urt. v. 15.12.1975 - II ZR 49/74, WM 1976, 248, 250; Urt. v.
  321. 12.5.1982 - VIII ZR 132/81, WM 1982, 749, 750). Hierzu hat das Berufungsgericht von seinem Standpunkt aus folgerichtig keine Feststellungen getroffen.
  322. Diese wird es im wiedereröffneten Berufungsrechtszug nachzuholen haben.
  323. 41
  324. 4. Die Anschlussberufung des Klägers gegen das landgerichtliche Urteil
  325. ist dagegen unbegründet.
  326. 42
  327. Mit der Anschlussberufung hat der Kläger eine Verurteilung der Beklagten zur Herausgabe sämtlicher Schwarz/Weiß-Barytabzüge seiner Fotos begehrt und die Anzahl von 437 Fotos nur als Mindestzahl angegeben.
  328. - 15 -
  329. 43
  330. Wegen der 437 Abzüge übersteigenden Anzahl ist der Klageantrag teilweise unzulässig; im Übrigen ist er unbegründet.
  331. 44
  332. a) Der mit der Anschlussberufung verfolgte weitergehende Klageantrag
  333. ist zulässig, aber unbegründet, soweit der Kläger mit ihm von der Beklagten
  334. nach wie vor die Herausgabe der zwei Fotoabzüge begehrt, die die Beklagte
  335. dem Deutschen Historischen Museum in Berlin geschenkt und die das Museum
  336. an den Kläger herausgegeben hat. Da der Kläger unstreitig die Bilder zurückerhalten hat, ist der Herausgabeanspruch erloschen.
  337. 45
  338. b) Der weitergehende Klageantrag ist wegen fehlender Bestimmtheit unzulässig, weil der Kläger die über 439 Fotoabzüge (437 Fotos zuzüglich der
  339. - 16 -
  340. beiden an das Deutsche Historische Museum verschenkten Fotos) hinausgehende Anzahl der herausverlangten Fotos nicht näher konkretisiert hat.
  341. Bornkamm
  342. v. Ungern-Sternberg
  343. Büscher
  344. Pokrant
  345. Bergmann
  346. Vorinstanzen:
  347. LG München II, Entscheidung vom 30.04.2003 - 1 O 5650/00 OLG München, Entscheidung vom 12.02.2004 - 29 U 3316/03 -