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671 lines
39 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. I ZR 316/98
  5. in dem Rechtsstreit
  6. Verkündet am:
  7. 6. Dezember 2001
  8. Walz
  9. Justizamtsinspektor
  10. als Urkundsbeamter
  11. der Geschäftsstelle
  12. Nachschlagewerk: ja
  13. BGHZ:
  14. nein
  15. BGHR:
  16. ja
  17. Bürgeranwalt
  18. UWG § 1; RBerG Art. 1 § 1 Abs. 1
  19. a) Erhalten die Beteiligten eines Streitfalls in einer Fernsehsendung die Möglichkeit, den Sachverhalt aus ihrer Sicht darzustellen, und versuchen die
  20. Reporter der Fernsehanstalt - ohne auf die rechtlichen Probleme des Falles
  21. näher einzugehen - durch die Darstellung gegenüber einer breiten Öffentlichkeit eine einverständliche Problemlösung herbeizuführen, liegt keine
  22. Rechtsbesorgung im Sinne des Rechtsberatungsgesetzes vor.
  23. -2-
  24. b) In dem Titel "Bürgeranwalt" einer Fernsehsendung und der Bezeichnung
  25. "Bürgeranwalt-Reporter" für die Reporter dieser Sendung liegt keine Ankündigung einer Rechtsbesorgung.
  26. BGH, Urt. v. 6. Dezember 2001 - I ZR 316/98 - OLG Düsseldorf
  27. LG Duisburg
  28. -3-
  29. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 6. Dezember 2001 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
  30. Dr. Erdmann und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Starck, Pokrant und
  31. Dr. Büscher
  32. für Recht erkannt:
  33. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 20. Zivilsenats
  34. des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 17. November 1998 aufgehoben.
  35. Auf die Anschlußberufung des Beklagten wird unter Zurückweisung
  36. der Berufung des Klägers das Urteil der 41. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Duisburg vom 18. Dezember 1997 teilweise abgeändert.
  37. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
  38. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
  39. Von Rechts wegen
  40. -4-
  41. Tatbestand:
  42. Der Beklagte, der als öffentlich-rechtliche Anstalt organisierte Bayerische Rundfunk, strahlte in seinem Programm am 19. März 1997 bundesweit
  43. eine Fernsehsendung mit dem Titel "Bürgeranwalt" aus. In der Sendung kamen
  44. verschiedene Bürger entsprechend den im Klageantrag zu 2 wiedergegebenen
  45. Beiträgen zu Wort, die sich nach der Darstellung in der Sendung durch das
  46. Verhalten einer Bank, eines Arbeitsamtes, einer Gemeindeverwaltung und eines Automobilherstellers beeinträchtigt fühlten.
  47. Der Kläger, der Rechtsanwalt in O. ist, hat in dem Verhalten
  48. des Beklagten einen Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz gesehen und
  49. dieses als wettbewerbswidrig beanstandet. Er macht geltend, der Beklagte berichte in der Sendung nicht nur über tatsächliche Streitfälle, sondern greife unmittelbar in anhängige Auseinandersetzungen ein und besorge dadurch fremde
  50. Rechtsangelegenheiten.
  51. Der Kläger hat beantragt,
  52. den Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des
  53. Wettbewerbs
  54. I.
  55. in der von ihm ausgestrahlten Sendereihe "Bürgeranwalt",
  56. 1. die Zuschauer wie folgt aufzufordern:
  57. -5-
  58. "Wenn Sie trotzdem 'mal reingefallen sein sollten, dann notieren
  59. Sie sich folgende Telefonnummer, die nachher eingeblendet wird.
  60. Unsere nächste Sendung ist am ... und da zeigen wir Ihnen wieder
  61. solche Fälle.
  62. Vielleicht sind Sie dabei.";
  63. "Wenn Sie sich um Ihr gutes Recht gebracht fühlen, von Behörden
  64. schikaniert oder beim Einkauf übervorteilt, das BürgeranwaltTeam geht der Sache nach.
  65. Sprechen Sie auf's Band.
  66. Telefon ... Rund um die Uhr";
  67. 2. dort über derartige Fälle zu berichten, in denen das "Bürgeranwalt-Team" Zuschauern geholfen hat, wenn dies geschieht wie in der am 19.3.1997 ausgestrahlten Sendung gemäß den nachstehend auszugsweise im Wortlaut wiedergegebenen Textbeiträgen:
  68. "Anmoderation D. G.
  69. Einen recht guten Abend, verehrte Zuschauer ...
  70. In unserer neuesten Ausgabe der Sendung ”Bürgeranwalt” werden
  71. wir wieder Fälle aufzeigen, in denen Behörden Bürger schikanieren, in denen Bürger über den Tisch gezogen werden, aber wir
  72. werden Ihnen auch Tips geben, denn manchmal ist es ja ganz
  73. wichtig, daß man sowas vermeidet, ist ja eigentlich der gescheitere Weg.
  74. In unserem ersten Fall geht es um ein Gepäckstück, das eine Dame kaputt zurückbekommen hat.
  75. Moderator G.: Vorher möcht‘ ich mal sagen, daß wir der Frau
  76. H. (phonetisch) helfen konnten, allein die Tatsache, daß wir
  77. recherchierten, bewirkte, daß sie einen Scheck für 400,-- DM und
  78. ein Entschuldigungsschreiben gekriegt hat, also ist ja auch was.
  79. Fall: W. ./. B. V.bank
  80. -6-
  81. Herr W.: Ich bin jetzt schon fast 20 Jahre Kunde bei der
  82. B. V.bank und bin darüber verwundert, daß ich für
  83. das Nichterbringen einer Leistung auch noch viel Geld bezahlen
  84. muß.
  85. Herr G.: Das wundert unserein natürlich auch. Aber wir haben
  86. den Vertreter der V.bank zu uns gebeten und den fragen wir
  87. das einfach. Wie gibt‘s denn des, daß man für‘s nix tun Geld
  88. kriegt?
  89. Vertreter der V.bank: Des ist ein besonderer Wunsch gewesen von Herrn W. bei der Eröffnung des Kontos, daß ihm
  90. keinerlei Post, keinerlei Nachricht von der Bank zugesandt wird.
  91. Das weicht von den Standardeinrichtungen ganz einfach ab.
  92. Herr G.: Aber beim Sparbuch gibt‘s doch sowieso keine Post,
  93. oder?
  94. Vertreter der V.bank: Des liegt im Ermessen des Sparbuchinhabers. Es gibt sehr wohl Kontoinhaber, die z. B. beim Finanzamt, bei der Steuerrückvergütung ihr Sparbuchnummer angeben und lassen des dorthin überweisen und dann kriegen sie
  95. auch von uns Post.
  96. Herr G.: Aber jetzt haben‘s Sie schon ein komplizierten Fall
  97. konstruiert. Also der Normalfall ist ja, daß man keine Post kriegt.
  98. Aber lassen wir‘s mal dabei. Selbst wenn man Post bekäme, ist es
  99. denn so wild, dem Computer den Befehl zu geben, der Herr kriegt
  100. kei Post und damit hat sich der Fall erledigt?
  101. Vertreter der V.bank: Es ist eine manuelle Bearbeitung und
  102. manuell heißt, daß Menschen eingesetzt werden müssen, und das
  103. kostet heute ganz einfach Geld. Dabei darf man nicht außer Acht
  104. lassen, daß - Herr W. hat‘s ja selber gesagt -‚ er ist fast
  105. 20 Jahre Kunde bei uns und diese Dienstleistung haben wir zehn
  106. Jahre lang kostenlos erbracht und dann ist es halt irgendwann kostenträchtig geworden.
  107. Herr G.: Ham‘s sie ihm des gesagt?
  108. Vertreter der V.bank: Das durften wir ihm nicht sagen.
  109. Herr G.: Warum denn nit?
  110. Vertreter der V.bank: Herr W. hat uns bei der Konto-
  111. -7-
  112. eröffnung explizit gesagt, bitte Ihr dürft mir nicht schreiben, und
  113. warum er das gesagt hat, das weiß die Bank nicht. Es war sein
  114. Auftrag und an den haben wir uns gehalten.
  115. Herr G.: Ja aber darf man denn als Bank Gebühren verlangen, ohne es mitzuteilen?
  116. Vertreter der V.bank: Im Grundsatz nein ...
  117. Herr G.: ... aber in Ihrem Fall ja.
  118. Vertreter der V.bank: Wenn er uns beauftragt, ja.
  119. Herr G.: Herr W., wie sehen sie denn des?
  120. Herr W.: Ja, ich wollte damit ja nur zum Ausdruck bringen,
  121. daß ich keine Werbepost und ähnliche Post erhalten sollte.
  122. Herr G.: Vielleicht haben Sie das Geld vor Ihrer Frau verstekken wollen.
  123. Herr W.: Das ist ganz bestimmt nicht der Fall. Das ist nur von
  124. Ihnen konstruiert, aber es ist für mich völlig unverständlich. Selbst
  125. wenn man mir hätte Post zuschicken wollen, oder hätte müssen,
  126. dann hätte man sie ja zumindestens aufbewahren müssen, aber
  127. es ist ja kein einziger Brief mir ausgehändigt worden oder vorgezeigt worden, den man für diese Gebühr zuerst von 20,00 DM und
  128. später von 30,00 DM jährlich berechnen wird.
  129. Herr G.: Wieviel haben‘s jetzt schon zahlt?
  130. Herr W.: Ich habe, 150,00 DM hat man mir abgezogen und
  131. auf meine Intervention hin hat die B. V.bank, in einem Schreiben haben sie selber zum Ausdruck gebracht, daß sie
  132. sich darüber verwundern und haben sie dann 75,00 DM zurücküberwiesen.
  133. Herr G.: Und wie ist es jetzt mit den restlichen 75,00 DM?
  134. Sein‘s da hart?
  135. Vertreter der V.bank: Ja, wir sehen eigentlich kein Verschulden unsererseits. Weil die Gründe ...
  136. Herr G.: Verschulden o nit. Aber getan haben Sie halt nix für
  137. die 75,00 DM.
  138. Vertreter der V.bank: Wir konnten ja bei der Beauftragung
  139. -8-
  140. nicht absehen, wieviel Post jetzt hier anfällt. Das steuert der Kontoinhaber. Der Sparbuchinhaber kann ...
  141. Herr G.: Also jetzt geben Sie ihr‘m Herzen einen Stoß. Jetzt
  142. warn‘s einmal kulant, seien Sie‘s nochmal.
  143. Vertreter der V.bank: Nein.
  144. Wir sehen hier ein Verschulden beiderseits. Man kann nicht einfach einer Bank 20 Jahre Geld geben, der Bank verbieten, Kontakt
  145. mit dem Kunden aufzunehmen und sich dann 10 Jahre lang nicht
  146. kümmern um die Sache.
  147. Herr G.: Also was lernen wir daraus? Sich die Post zuschikken lassen und die Post reich werden lassen, oder wie?
  148. Vertreter der V.bank: Nein. Wenn man der Bank sagt, sie
  149. soll einem nix schreiben, dann darf man sich über lange Strecken
  150. halt nicht um das Geld nicht kümmern. Da muß man halt ab und
  151. zu mal zur Bank gehen und fragen was Sache ist.
  152. Herr G.: Wir haben recherchiert bei anderen Banken, die verlangen für solche Bitten nichts.
  153. Vertreter der V.bank: Das kann ich nicht beurteilen.
  154. Fall: T. H. ./. Arbeitsamt
  155. Herr G.: Also meine Damen und Herren, Sie ham‘s wieder
  156. gehört, es rentiert sich immer, wenn man genau nachfragt, das tut
  157. der Bürgeranwalt, das tut er auch in unserem nächsten Fall. Da ist
  158. ein junger Mann, der eine gute Stelle hatte, diese Stelle aber gekündigt bekam, zum Arbeitsamt ging, sich umschulen ließ, aber
  159. dann dachte: 'Mein Gott, wenn die Umschulung nicht klappt und
  160. wenn ich dann wieder nix krieg, nimm ich doch lieber, wie‘s immer
  161. empfohlen wird, eine schlechter bezahlte Stelle und laß die Umschulung sein'. Das hat er getan, zumal er noch krank wurde. Aber
  162. dann wollte das Arbeitsamt Geld.
  163. Sprecher: Dienstschluß im Auslieferungslager des Schuhhauses
  164. P.. Hier ist die neue Arbeitsstätte von T. H.. Jahrelang
  165. war der gelernte Buchhändler ohne Arbeit. Dann begann er eine
  166. Umschulung. Doch nach drei Monaten brach er die vom Arbeitsamt finanzierte Fortbildung ab und nahm diese Stelle als Lagerarbeiter an. Für die letzten zwei Schulungswochen fordert das Arbeitsamt jetzt Geld zurück. Zu Unrecht?
  167. T. H.: Die zwei Wochen konnte ich nicht am Unterricht
  168. teilnehmen aus einfachen Gründen. Grund zum einen, ich war die
  169. -9-
  170. vorletzte Woche im August krank, auch vom Arzt krankgeschrieben, und die letzte Augustwoche hatte das C.-lnstitut, wo ich die
  171. Umschulung gemacht habe, Betriebsurlaub. Un dann kann ich
  172. natürlich nicht daran teilnehmen, wenn die Schule geschlossen
  173. hat.
  174. Reporter vor Ort: Das war ja letztes Jahr im August. Haben Sie
  175. denn dem Arbeitsamt diese Fakten nicht mitgeteilt?
  176. T. H.: Doch, das habe ich dem Arbeitsamt mitgeteilt alles
  177. und bei der C. auch. Man muß das ja immer doppelt machen. Sie
  178. müssen sich einmal im Institut krankmelden und beim Arbeitsamt
  179. und beides ist geschehen. Auf dem korrekten Wege.
  180. Sprecher: Immer wieder versuchte der 39-jährige T. H.
  181. wechselnd den Mitarbeitern des M. Arbeitsamtes sein
  182. Problem klar zu machen. Aber das Arbeitsamt beharrte auf der
  183. Rückzahlung.
  184. Reporter vor Ort: Was haben Sie dann getan?
  185. T. H.: Dann habe ich einen Anwalt in G. angerufen und hab ihm den Fall kurz geschildert und er hat gesagt, das
  186. ist eine ganz klare Geschichte, daß die keinen Anspruch auf das
  187. Geld haben das zurückzufordern. Un der Rechtsanwalt hat sich
  188. dann schriftlich an das Arbeitsamt M. gewendet.
  189. Reporter vor Ort: Und wie lange zieht sich dann die Angelegenheit jetzt schon hin?
  190. T. H.: Seit September des letzten Jahres.
  191. Reporter vor Ort: Und Sie müssen immer noch mit der Drohung
  192. leben, daß die 700,00 DM bezahlt werden müssen?
  193. T. H.: Ich habe vor zwei Wochen sogar eine, eine zweite
  194. Mahnung vom Arbeitsamt bekommen.
  195. M. O. (Untertitel: Bürgeranwalt-Reporter): Das Bürgeranwalt-Team hat das Arbeitsamt M. mit der Beschwerde
  196. von T. H. konfrontiert. Nachdem sich monatelang gar
  197. nichts tat, hat das Arbeitsamt uns eine Klärung in der Angelegenheit binnen weniger Tage zugesagt. Heute ist es soweit und wir
  198. gehen hinein und Sie hören, ob wir Erfolg hatten.
  199. Bürgeranwalt-Reporter: Sie haben die Angelegenheit
  200. H. überprüft. Was ist denn herausgekommen?
  201. T.
  202. - 10 -
  203. Mitarbeiter des Arbeitsamtes: Wir hatten Mitte November 1996
  204. den Betrag von 650,00 DM von Herrn H. zurückfordern
  205. müssen, weil uns nicht bekannt war, daß er in dem fragigen Zeitraum im August arbeitsunfähig erkrankt war. Herr H. hat uns
  206. zwischenzeitlich, nachdem wir ihn im Januar darum gebeten hatten, die Bescheinigung nachgereicht. Die Bescheinigung ist letzte
  207. Woche bei uns eingetroffen und selbstverständlich haben wir jetzt
  208. die Grundlage, daß wir von der Rückforderung absehen und der
  209. Betrag Herrn H. natürlich zu Recht zusteht. Die Kosten, die ihm
  210. dabei im außergerichtlichen Verfahren, d. h. die Anwaltskosten,
  211. entstanden sind, können wir in den Fällen ebenfalls übernehmen.
  212. Bürgeranwalt-Reporter: Also ein Sieg für Herrn H. auf der
  213. ganzen Linie.
  214. Mitarbeiter des Arbeitsamtes: Wir konnten Gott sei Dank Herrn
  215. H. im vollen Umfang stattgeben und die Eingabe war in jedem
  216. Fall berechtigt, weil er nachweislich in der Zeit arbeitsunfähig erkrankt war.
  217. Herr G. (im Studio): Na ja, bisserl a Rolle wird‘s schon die
  218. Tatsache gespielt haben, daß wir mit unserem Team dabei waren,
  219. daß es dann so schnell ging.
  220. Fall: Familie St. ./. Familie S.
  221. G. A. (Untertitel: Bürgeranwalt-Reporter): Im nördlichen Chiemgau scheint die bäuerliche Kulturlandschaft noch in
  222. Ordnung. Gäbe es da nicht einen Rechtsstreit zwischen einem
  223. Bauern und der Gemeinde, und das wegen einer Odelgruam, einer
  224. Jauchegrube. Die soll nämlich beseitigt werden, weil ein gemeindlicher Weg drübergeht. Und das soll dem Bauern an die
  225. 100.000,00 DM kosten, sagt er. Wir vom Bürgeranwalt-Team sind
  226. losgefahren und haben uns die Sach angeschaut.
  227. Sprecher: Eine Geschichte, wie es sie wohl oft gibt. Zwei über
  228. Generationen zerstrittene Bauern, und als Zankapfel ein alter öffentlich gewidmeter Weg mitten durch den Hof des einen. Dem
  229. paßt nicht, daß der andere durchfährt. Der andere muß natürlich
  230. erst recht durchfahren. Dem fällt auch noch ein, auf die Einsturzgefahr der alten Odelgrube hinzuweisen, über die ein Teil des
  231. Weges führt. Die Gemeinde wird mit ihrer Verkehrssicherheitspflicht vor den Karren gespannt, beschränkt die Zufahrt zunächst
  232. auf eine Tonne und klagt gleichzeitig auf Beseitigung des altersschwachen Betonbauwerkes. Die Gemeinde gewinnt den Prozeß
  233. und aus dem Schwank droht eine Tragödie zu werden. Die St., die
  234. den
  235. Hof
  236. im Nebenerwerb bewirtschaften, müssen die Odelgrube entfernen
  237. - 11 -
  238. und das bedroht ihre Existenz.
  239. Frau St.: Mir ham vorm Landgericht vorig‘s Jahr im Juni den
  240. Prozeß verloren und jetzt steht die Zwangsvollstreckung o. Also
  241. die Jauchegrube muß entfernt werden, also sie muß, der, des Teil
  242. wo auf‘m Weg ist, muß weg und des hat für uns eine ganz harte
  243. Sache, wenn mir jetzt dazu gezwungen sind, daß wir die Landwirtschaft aufgeben.
  244. G. A.: Ja wer fährt denn da überhaupt‘s drüber? Wenn
  245. nit Sie selber und der Nachbar.
  246. Herr St.: Unser Nachbar, wir fahren nicht drüber. Wir fahren
  247. mit anem Radl in unserem Privatgrund.
  248. G. A.: Und
  249. grund fahren?
  250. wieso
  251. kann
  252. der
  253. Nachbar
  254. nicht
  255. im
  256. Privat-
  257. Herr St.: Na, weil der hat in unserm Privatgrund nix verloren.
  258. Frau St.: Es befindet sich gegenüberliegend ein Weg, der eigentlich für ihn bestimmt ist, der breiter ist wie viel breiter und näher.
  259. Sprecher: Doch für die Nachbarn hat dieser Ausweg einen Haken.
  260. Das scharfe Eck nämlich, bei dem er jedesmal mühsam rangieren
  261. muß. Da hat er es durch den Hof der St. viel einfacher. Eine
  262. verfahrene Situation. Doch im Laufe der Recherchen des Bürgeranwalt-Teams zeichnet sich eine Lösung ab. Die Odelgrubenbesitzer sind unter Umständen bereit, die garche Kurve zu entschärfen. Auch für die Gemeinde ein akzeptabler Ausweg. Aber
  263. keiner traut dem anderen.
  264. Frau St.: Wir befürchten jetzt, wenn wir unterschreiben, daß
  265. der Bürgermeister von nix mehr was wissen will. Daß wir trotzdem
  266. die Zwangsvollstreckung am Hals haben.
  267. G. A.: Die St. sind
  268. Bürgermeister ist verbittert.
  269. mißtrauisch,
  270. aber
  271. auch
  272. der
  273. Bürgermeister: Die Zwangsvollstreckung ist mein letztes Wort,
  274. wenn die St. nicht kompromißbereit sind. Sie müssen eine
  275. Lösung für die Wendemöglichkeit anbieten und müssen vor allem
  276. auch die Unterschrift leisten. Das war eine Aussage auch des Gemeinderates, also klipp und klar hat der Bürgermeister den Auftrag, diesen Gemeinderatsbeschluß dann zu vollziehen. Es ist
  277. nicht nur auf meinem Mist gewachsen, sondern das war fast einhellige Meinung des Gemeinderates, weil mir einfach irgendwann
  278. - 12 -
  279. genug gehabt von den Streitereien.
  280. G. A.: Wenn die Familie St. einwilligen würde, wie
  281. kann einer garantieren, daß Sie als Gemeinde und der Nachbar
  282. mitziehen?
  283. Bürgermeister: Ich als Gemeinde muß dann einen Gemeinderatsbeschluß herbeiführen unter den geänderten Voraussetzungen. Wenn ich den Gemeinderat zahm hab, paßt mal auf, also die
  284. St., die san uns da entgegengekommen und ham zumindest
  285. ihren Willen erkennen lassen und haben unterschrieben, gleichzeitig haben sie da den Grunderwerb getätigt und bieten da e andere Lösung an, mit der laut telefonischer Auskunft auch der Herr
  286. S.
  287. schon Bereitschaft erkennen hat lassen, daß er dem zustimmt,
  288. dann sehe ich eigentlich die Problematik nicht zu groß.
  289. G. A.: Können Sie a‘ des jetzt hier vor der Kamera
  290. 100 %-ig garantieren, wenn sie unterschreiben und des mit der
  291. Wendemöglichkeit lösen, daß der Fall dann vom Tisch kommt?
  292. Bürgermeister: Also 100 % gibt‘s nie, weil ich den Gemeinderat
  293. immer abwarten muß, aber 99 % würde ich das so sehen.
  294. Sprecher: Ja, vermitteln kann der Bürgeranwalt schon, doch vor
  295. Optimismus wird gewarnt.
  296. G. A.: Wär das eine Lösung?
  297. Frau St.: Das wäre Lösung. Aber 99 % bleibt 1 % über.
  298. Herr G. (im Studio): Also, ich kann Ihnen sagen, daß es inzwischen 99,9 % sind. Denn wir haben vorhin nochmal telefoniert
  299. und eine Einigung scheint inzwischen fast ganz sicher, also fast
  300. ganz sicher.
  301. Fall: K. W. ./. O.
  302. Herr G.: Bei unserer letzten Bürgeranwalt-Sendung haben wir
  303. dafür gesorgt, daß eine Dame ihren O. neu lackiert bekommt,
  304. weil er dauernd rostete. Wir schauen natürlich nach, was aus all
  305. diesen Fällen geworden ist und jetzt schauen Sie mit mir, was aus
  306. der Dame und ihrem O. geworden ist.
  307. Sprecherin: Vor einem halben Jahr hat K. W. den Bürgeranwalt um Hilfe gebeten. Ihr neuer O. rostete an einigen Stellen immer wieder. Mehrere Lackierversuche durch den
  308. - 13 -
  309. Autohändler konnten das Problem nicht beheben. In unserer letzten Sendung hatten wir deshalb K. W. und den Marketingleiter der Firma O. zusammengebracht. Sein Angebot:
  310. Marketingleiter von O. (W. F.): Wir werden das Auto gerne
  311. instandsetzen, und zwar so wie es sich gehört, daß sich dieser
  312. Schaden nicht wiederholt. Und wenn ich sage, wir wollen Ihnen
  313. das in einen Zustand versetzen, wie es sich gehört, dann bedeutet
  314. das eine umfangreiche Reparatur und nicht nur ein Ausbessern,
  315. für die wir Ihnen natürlich auch wieder eine Garantie übernehmen.
  316. Sprecherin: Sechs Monate später fragen wir bei K. W.
  317. nach.
  318. Reporterin: Frau W., was hat denn O. unternommen wegen
  319. lhrm Auto seit Sie bei uns in der Sendung waren?
  320. Frau W.: Also, O. hat damals das Auto mitgenommen nach
  321. R. in die Werkstatt und hat es total lackiert, was halt zu
  322. lackieren war und repariert.
  323. Reporterin: Und wie sind Sie jetzt mit dem Ergebnis zufrieden:
  324. Frau W.: Also, ich war am Anfang war ich sehr zufrieden, wo
  325. das Auto wiedergekommen ist von der Werkstatt, weil es war wirklich alles lackiert und bestens. Bloß vor zwei Wochen habe ich halt
  326. leider wieder einen Rostfleck entdeckt an dem Auto ...
  327. Reporterin: ... an der gleichen Stelle wieder, ne?
  328. Frau W.: ... an der gleichen Stelle. Das ist natürlich irgendwo
  329. ein bißchen enttäuschend.
  330. Reporterin: Was hat denn O. jetzt gesagt, daß hier schon wieder ein neuer Rostfleck entstanden ist?
  331. Frau W.: Ja, sie haben mir vorgeschlagen, das Auto wieder
  332. auszubessern und die Rostflecken zu entfernen bzw. mir das Auto
  333. abzukaufen, das Auto zurückzunehmen.
  334. Reporterin: Und wofür werden Sie sich entscheiden?
  335. Frau W.: Ich werde mich dafür entscheiden, daß sie das Auto
  336. zurücknehmen.
  337. Herr G.: Also, obwohl es ein Montagsauto war, schlecht ist die
  338. Dame mit dieser Lösung nicht weggekommen.";
  339. - 14 -
  340. 3. gegenüber Dritten, insbesondere auf die auf seine Aufforderung hin erfolgten Telefonanrufe, zum Zwecke der Besorgung
  341. der Rechtsangelegenheiten einer bestimmten Person tätig zu
  342. werden, eine solche Tätigkeit anzukündigen und/oder hiermit
  343. zu werben,
  344. II. die Sendereihe mit dem Sendetitel "Bürgeranwalt" zu versehen
  345. und/oder ihre Reporter "Bürgeranwalt-Reporter" zu nennen.
  346. Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat sich darauf berufen,
  347. bei der Sendung "Bürgeranwalt" handele es sich um eine Verbrauchersendung,
  348. in der typische Situationen von Bürgern im Umgang mit Behörden und Unternehmen gezeigt würden und in der die Beteiligten zu Wort kämen. Eine Befassung mit rechtlichen Fragen erfolge nicht. Die für die einzelnen Verbraucher
  349. entfaltete Tätigkeit sei auf den publizistischen Bereich beschränkt.
  350. Das Landgericht hat den Beklagten nach dem Antrag zu II verurteilt und
  351. die weitergehende Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das
  352. Berufungsgericht den Beklagten unter Zurückweisung seiner Anschlußberufung auch nach den Klageanträgen zu I 1 bis 3 verurteilt.
  353. Mit der Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgt
  354. der Beklagte seinen Antrag weiter, die Klage abzuweisen.
  355. Entscheidungsgründe:
  356. - 15 -
  357. I. Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch aus § 1 UWG
  358. i.V. mit Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG bejaht, zur Begründung auf seine im vorausgegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren ergangene Entscheidung Bezug
  359. genommen und ergänzend ausgeführt:
  360. Der Klageantrag zu I 3 sei hinreichend bestimmt. Der Begriff der "Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten" sei nicht rechtstechnisch, sondern in
  361. dem durch den Antrag zu I 2 konkretisierten Sinn gemeint. Gegenstand des
  362. Klageverfahrens sei nicht allgemein die Berechtigung des Beklagten zu einer
  363. irgendwie gearteten rechtsbesorgenden Tätigkeit, sondern die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit der vier vom Kläger beanstandeten Beiträge in der Sendung vom 19. März 1997.
  364. Der Beklagte habe in den vier aufgeführten Fällen fremde Rechtsangelegenheiten besorgt und dadurch gegen das Verbot des Art. 1 § 1 Abs. 1
  365. RBerG verstoßen. Zugunsten des Beklagten könne davon ausgegangen werden, daß seine Redaktion die Rechtslage nicht prüfe, den Zuschauern keinen
  366. Rechtsrat erteile und die für die Berichterstattung ausgewählten Beteiligten
  367. darauf hingewiesen würden, die Befassung mit den Vorgängen durch den Beklagten könne eine rechtliche Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht ersetzen. Entscheidend sei, daß der Beklagte nicht nur über Rechtsfälle berichte,
  368. sondern einzelfallbezogen die Ansprüche Dritter aufgreife und mit dem Ziel
  369. ihrer Durchsetzung oder zumindest ihrer Förderung behandele. Das Verbot der
  370. rechtsbesorgenden Tätigkeit durch Fernsehanstalten sei sowohl geeignet als
  371. auch erforderlich, um das Ziel des Rechtsberatungsgesetzes zu verwirklichen,
  372. - 16 -
  373. die Rechtsuchenden vor ungeeigneten Beratern sowie die Rechtsanwaltschaft
  374. vor Wettbewerb von Personen zu schützen, die keinen standesrechtlichen, gebührenrechtlichen und sonstigen im Interesse der Rechtspflege gesetzten
  375. Schranken unterlägen. Die grundgesetzlich garantierte Pressefreiheit rechtfertige keine Sonderbehandlung der Medien.
  376. Der Beklagte habe bei der beanstandeten Sendung zu Zwecken des
  377. Wettbewerbs gehandelt. Er habe sich durch die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten in ein Wettbewerbsverhältnis zu den Angehörigen der rechtsberatenden Berufe gestellt, denen der Kläger angehöre. Die eigene Wettbewerbsförderung trete auch nicht völlig hinter anderen Beweggründen des Beklagten zurück und sei nicht eine mit der journalistischen Berichterstattung
  378. notwendigerweise einhergehende Begleiterscheinung. Der Beklagte habe einen Markt für Konfliktlösungen schaffen wollen.
  379. Die Sendebezeichnung "Bürgeranwalt" und die Bezeichnung der Reporter als "Bürgeranwalt-Reporter" sei eine unzulässige Ankündigung einer
  380. Rechtsbesorgung.
  381. II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben
  382. Erfolg. Sie führen unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Abweisung
  383. der Klage.
  384. 1. Die Rüge der Revision, das Berufungsurteil sei nicht mit einem Tatbestand versehen, bleibt ohne Erfolg.
  385. - 17 -
  386. Das Berufungsgericht, das den Wert der Beschwer des Beklagten auf
  387. 30.000,-- DM festgesetzt und die Revision nicht wegen rechtsgrundsätzlicher
  388. Bedeutung nach § 546 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO zugelassen hat, hat von der
  389. Darstellung des Tatbestandes und einer Bezugnahme auf das Urteil des Landgerichts abgesehen, weil es ersichtlich die Sache als nicht revisibel angesehen
  390. hat (§ 313a Abs. 1 ZPO). Diese Annahme ist unzutreffend, nachdem der Bundesgerichtshof die Beschwer des Beklagten auf einen 60.000,-- DM übersteigenden Betrag festgesetzt hat.
  391. Ein Berufungsurteil ist grundsätzlich aufzuheben, wenn es keinen Tatbestand enthält, weil dem Urteil in der Regel nicht entnommen werden kann,
  392. welchen Streitstoff das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt
  393. hat (vgl. BGHZ 73, 248, 250 ff.; BGH, Urt. v. 25.4.1991 - I ZR 232/89, NJW
  394. 1991, 3038 f.; Urt. v. 5.5.1998 - VI ZR 24/97, NJW 1998, 2368 f.). Von einer
  395. Aufhebung des Berufungsurteils allein wegen Fehlens des Tatbestandes kann
  396. nur ausnahmsweise abgesehen werden, wenn das Ziel des Revisionsverfahrens, die Anwendung des Rechts auf einen festgestellten Sachverhalt nachzuprüfen, im Einzelfall erreicht werden kann, weil sich der Sach- und Streitstand
  397. aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils in einem für die Beurteilung der Rechtsfragen ausreichenden Umfang ergibt (vgl. BGH NJW 1991,
  398. 3038, 3039; NJW 1998, 2368, 2369). Davon ist vorliegend ausnahmsweise
  399. auszugehen. Das Berufungsurteil enthält in Ziff. 2 der Urteilsformel (I 2 des
  400. vorstehend angeführten Klageantrags) eine wörtliche Wiedergabe der vom
  401. Kläger beanstandeten Teile der Sendung des Beklagten vom 19. März 1997.
  402. Die bundesweite Verbreitung der Sendereihe "Bürgeranwalt" folgt aus den
  403. Feststellungen in dem im einstweiligen Verfügungsverfahren zwischen den
  404. Parteien ergangenen Berufungsurteil vom 16. Dezember 1997, das das Beru-
  405. - 18 -
  406. fungsgericht in der angefochtenen Entscheidung in Bezug genommen hat. Der
  407. Senat kann daher auf der Grundlage des vom Berufungsgericht in den Entscheidungsgründen wiedergegebenen und in Bezug genommenen Sachverhalts die rechtlichen Erwägungen des Berufungsgerichts revisionsrechtlich
  408. nachprüfen. Davon geht auch die Revisionserwiderung aus.
  409. 2. Das Berufungsgericht hat auch mit Recht angenommen, daß der Klageantrag zu I 3 hinreichend bestimmt ist. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein
  410. Unterlassungsantrag nicht so undeutlich gefaßt sein, daß der Streitgegenstand
  411. und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht
  412. mehr klar umrissen sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung darüber überlassen bleibt, was dem Beklagten verboten ist (vgl. BGH, Urt. v.
  413. 24.11.1999 - I ZR 189/97, GRUR 2000, 438, 440 = WRP 2000, 389
  414. - Gesetzeswiederholende
  415. Unterlassungsanträge;
  416. BGHZ 144,
  417. 255,
  418. 263
  419. - Abgasemissionen; BGH, Urt. v. 26.10.2000 - I ZR 180/98, GRUR 2001, 453,
  420. 454 = WRP 2001, 400 - TCM-Zentrum; Urt. v. 9.11.2000 - I ZR 167/98, GRUR
  421. 2001, 529, 531 = WRP 2001, 531 - Herz-Kreislauf-Studie).
  422. Diesen Anforderungen genügt auch der Klageantrag zu I 3. Die Revision
  423. beruft sich ohne Erfolg darauf, mit dem Begriff "Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten" werde nur der Gesetzestext wiederholt (vgl. BGH GRUR 2000,
  424. 438, 440 - Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge). Der Antrag zu I 3
  425. ist nicht gegen jede Besorgung von Rechtsangelegenheiten, gegen deren Ankündigung und eine entsprechende Werbung gerichtet. Dieser wird durch den
  426. Antrag zu I 2, der die beanstandete Verletzungsform aufgreift, und das klägerische Vorbringen ausreichend konkretisiert (vgl. BGH, Urt. v. 9.10.1986
  427. - 19 -
  428. - I ZR 138/84,
  429. GRUR
  430. 1987,
  431. 172,
  432. 174
  433. = WRP
  434. 1987,
  435. 446
  436. - Unternehmensberatungsgesellschaft I, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 98,
  437. 330 ff.; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Aufl., Kap. 51 Rdn. 8).
  438. 3. Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch nach § 1
  439. UWG i.V. mit Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG bejaht. Das hält der revisionsrechtlichen
  440. Nachprüfung nicht stand.
  441. Es kann dahinstehen, ob die gegen die Annahme eines Handelns des
  442. Beklagten zu Zwecken des Wettbewerbs durch das Berufungsgericht gerichteten Angriffe der Revision durchgreifen. Denn es fehlt jedenfalls an einem
  443. Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz.
  444. a) Das Berufungsgericht hat angenommen, eine rechtsbesorgende Tätigkeit i.S. von Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG liege - auch wenn die Redaktion der
  445. Beklagten weder die Rechtslage prüfe noch Zuschauern Rechtsrat erteile - vor,
  446. weil in der Sendung des Beklagten einzelfallbezogen die Ansprüche Dritter
  447. aufgegriffen und mit dem Ziel ihrer Durchsetzung oder zumindest ihrer Förderung behandelt werden.
  448. Bei dieser Beurteilung ist das Berufungsgericht - rechtsfehlerhaft - von
  449. einem zu weiten Begriff der rechtsbesorgenden Tätigkeit ausgegangen.
  450. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist zur Abgrenzung
  451. erlaubnisfreier Geschäftsbesorgung von erlaubnispflichtiger Rechtsbesorgung
  452. auf den Kern und den Schwerpunkt der Tätigkeit abzustellen, weil eine Besorgung wirtschaftlicher Belange vielfach auch mit rechtlichen Vorgängen verknüpft ist. Eine - erlaubnispflichtige - Besorgung fremder Rechtsangelegen-
  453. - 20 -
  454. heiten i.S. des Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG liegt vor, wenn eine geschäftsmäßige
  455. Tätigkeit darauf gerichtet und geeignet ist, konkrete fremde Rechtsangelegenheiten zu verwirklichen oder konkrete fremde Rechtsverhältnisse zu gestalten.
  456. Es ist daher zu fragen, ob die Tätigkeit überwiegend auf wirtschaftlichem Gebiet liegt und die Wahrnehmung wirtschaftlicher Belange bezweckt oder ob die
  457. rechtliche Seite der Angelegenheit im Vordergrund steht und es wesentlich um
  458. die Klärung rechtlicher Verhältnisse geht. Für die Einstufung als erlaubnispflichtige Rechtsbesorgung kann in Anbetracht der Tatsache, daß nahezu alle
  459. Lebensbereiche rechtlich durchdrungen sind und kaum eine wirtschaftliche
  460. Betätigung ohne rechtsgeschäftliches Handeln möglich ist oder ohne rechtliche
  461. Wirkung bleibt, nicht allein auf die rechtlichen Formen und Auswirkungen des
  462. Verhaltens abgestellt werden. Es bedarf vielmehr einer abwägenden Beurteilung des jeweils beanstandeten Verhaltens danach, ob es sich hierbei um
  463. Rechtsbesorgung handelt, oder ob es um eine Tätigkeit geht, welche von anderen Dienstleistern erfüllt werden kann, ohne daß die Qualität der Dienstleistung
  464. oder die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege und die zu ihrer Aufrechterhaltung benötigten Rechtsberater beeinträchtigt werden (vgl. BGH, Urt. v.
  465. 25.6.1998
  466. - I ZR 62/96,
  467. GRUR 1998,
  468. 956,
  469. 957
  470. =
  471. WRP
  472. 1998,
  473. 976
  474. - Titelschutzanzeigen für Dritte; Urt. v. 30.3.2000 - I ZR 289/97, GRUR 2000,
  475. 729, 730 = WRP 2000, 727 - Sachverständigenbeauftragung, jeweils m.w.N.;
  476. vgl.
  477. auch
  478. Großkomm.UWG/
  479. Teplitzky § 1 Rdn. G 119).
  480. Diese Grundsätze sind auch bei der Beurteilung heranzuziehen, ob der
  481. Beklagte durch die konkrete Gestaltung der beanstandeten Fernsehsendung
  482. gegen das Rechtsberatungsgesetz verstoßen hat (vgl. hierzu auch: Rennen/
  483. Caliebe, Rechtsberatungsgesetz, 3. Aufl., Art. 1 § 1 Rdn. 23). In die Abwägung
  484. - 21 -
  485. sind dabei die das Rechtsberatungsgesetz tragenden Belange des Gemeinwohls einzubeziehen, den einzelnen und die Allgemeinheit vor ungeeigneten
  486. Rechtsberatern zu schützen und die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege nicht
  487. zu gefährden (vgl. BVerfGE 97, 12, 27; BVerfG NJW 2000, 1251). Dabei ist auf
  488. die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der rechtsberatenden Berufe Rücksicht zu nehmen.
  489. Weiter ist zu berücksichtigen, daß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG die Rundfunkfreiheit gewährleistet, die der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung dient (BVerfGE 90, 60, 87). Die sich aus allgemeinen Gesetzen
  490. ergebenden Grenzen des Grundrechts der Freiheit der Berichterstattung durch
  491. Presse und Rundfunk müssen im Licht dieses Grundrechts gesehen werden.
  492. Die allgemeinen Gesetze sind daher aus der Erkenntnis der Bedeutung dieses
  493. Grundrechts auszulegen und so in ihrer dieses Grundrecht beschränkenden
  494. Wirkung selbst wieder einzuschränken (vgl. BVerfGE 71, 206, 214). Die Einschränkung der Presse- und Rundfunkfreiheit muß zudem geeignet und erforderlich sein, den Schutz des allgemeinen Gesetzes - hier des Rechtsberatungsgesetzes - zu bewirken.
  495. Zu Recht rügt die Revision, das Berufungsgericht habe einen Verstoß
  496. gegen das Rechtsberatungsgesetz angenommen, obwohl der Beklagte sich
  497. nicht mit Rechtsangelegenheiten befasse und diese auch nicht fördere.
  498. Ob von einer Rechtsbesorgung im Sinne des Rechtsberatungsgesetzes
  499. grundsätzlich auszugehen ist, wenn sich Presse, Rundfunk und Fernsehen zur
  500. Durchsetzung von Ansprüchen in einem Einzelfall einschalten und dabei ausschließlich durch die Berichterstattung versuchen, Forderungen durchzuset-
  501. - 22 -
  502. zen, ist umstritten (bejahend: OLG Düsseldorf AfP 1998, 232, 234 u. WRP
  503. 1998, 1086, 1089; OLG Köln NJW 1999, 502, 503 f.; Hirtz, EWiR 1998, 853,
  504. 854; Henssler/Holthausen, EWiR 1999, 419, 420; Flechsig, ZUM 1999, 273,
  505. 277; Bürglen, WRP 2000, 846, 851 ff.; a.A. Rennen/Caliebe aaO Art. 1 § 1
  506. Rdn. 23; Bethge, AfP 1999, 309, 315 f.; Kleine-Cosack, NJW 2000, 1593,
  507. 1601; vgl. hierzu auch: Großkomm.UWG/Teplitzky § 1 Rdn. G 120 unter Hinweis auf den Nichtannahmebeschluß des Senats vom 11.2.1999 - I ZR 105/98,
  508. Umdr. S. 3 f.).
  509. Wird nur die von der Berichterstattung in Medien ausgehende Wirkung
  510. benutzt, um Forderungen aufgrund des öffentlichen Drucks durchzusetzen,
  511. ohne daß der Schwerpunkt der Hilfestellung im rechtlichen Bereich liegt, ist
  512. - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - nicht bereits von einer Rechtsbesorgung im Sinne des Rechtsberatungsgesetzes auszugehen. Denn der
  513. Handelnde muß unmittelbar auf rechtlichem Gebiet tätig werden (vgl. Altenhoff/
  514. Busch/Chemnitz, Rechtsberatungsgesetz, 10. Aufl., Rdn. 62; Henssler/Prütting,
  515. BRAO, Art. 1 § 1 RBerG Rdn. 13 m.w.N.; Rennen/Caliebe aaO Art. 1 § 1
  516. Rdn. 23 m.w.N.), woran es bei derartiger Berichterstattung fehlt. Diese berührt
  517. auch nicht den Schutzzweck des Rechtsberatungsgesetzes, den einzelnen und
  518. die Allgemeinheit vor ungeeigneten Rechtsberatern zu schützen und die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege nicht zu gefährden. Soweit diese Sendungen
  519. zur Folge haben, daß sich Zuschauer an Fernsehsender im Vertrauen darauf
  520. wenden, sie erhielten dort Hilfe, und dadurch Rechtsnachteile erleiden, weil sie
  521. nicht (rechtzeitig) einen Rechtsanwalt aufsuchen (vgl. zu dieser Befürchtung:
  522. Rennen/Caliebe aaO Art. 1 § 1 Rdn. 24; Hirtz, EWiR 1998, 853, 854), rechtfertigt dies nicht, das entsprechende Verhalten der Fernsehanstalt dem Rechtsberatungsgesetz zu unterwerfen. Dies ist vielmehr eine mögliche Konsequenz für
  523. - 23 -
  524. den Betroffenen, wenn er seine Rechte in nicht rechtsförmlicher Weise durchzusetzen versucht. Auch die Belange der Rechtsanwaltschaft sind nicht in relevanter Weise betroffen. Den Angehörigen der rechtsberatenden Berufe ist nicht
  525. jede Hilfeleistung vorbehalten, die sich rechtlich auswirken kann (vgl. BGH
  526. GRUR 1998, 956, 957 - Titelschutzanzeigen für Dritte). Das Rechtsberatungsgesetz sichert nicht, daß Streitigkeiten über die Durchsetzung von Forderungen und Verbraucherinteressen mit Schwerpunkt auf rechtlichem Gebiet und
  527. als Rechtsstreitigkeiten geführt werden. Auch eine etwaige mit den Sendungen
  528. verbundene Bloßstellung Beteiligter ist von den jeweils Betroffenen geltend zu
  529. machen; für die Anwendung des Rechtsberatungsgesetzes ist diese Beeinträchtigung ohne Belang.
  530. Im Streitfall ist ein Verstoß gegen Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG nicht gegeben. Dies vermag der Senat auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen über den Inhalt der beanstandeten Sendung des Beklagten selbst zu entscheiden. Der Schwerpunkt der Berichterstattung des Beklagten in der beanstandeten Sendung liegt nicht auf rechtlichem Gebiet.
  531. Rechtsfragen werden in den im Klageantrag zu I 2 aufgeführten Fällen nicht
  532. näher erörtert. Vielmehr erhalten die Beteiligten die Möglichkeit, den Sachverhalt aus ihrer Sicht darzulegen, ihren Standpunkt zu vertreten und die Reporter
  533. des Beklagten versuchen - ohne auf die rechtlichen Belange weiter einzugehen - eine einverständliche Problemlösung herbeizuführen, wobei die Darstellung gegenüber einer breiten Öffentlichkeit ersichtlich zur Konfliktlösung genutzt wird.
  534. b) Der im Klageantrag zu I 1 aufgeführten Textpassage und der im Klageantrag zu I 2 wiedergegebenen Einführung (Anmoderation) liegt, anders als
  535. - 24 -
  536. das Berufungsgericht angenommen hat, keine Ankündigung zugrunde, fremde
  537. Rechtsangelegenheiten im Sinne des Rechtsberatungsgesetzes zu besorgen.
  538. Dies gilt auch, soweit in der Sendung angekündigt wird, das BürgeranwaltTeam gehe der Sache nach, wenn sich Zuschauer um ihr "gutes Recht" gebracht fühlten. Die Zuschauer als angesprochene Verkehrskreise fassen auch
  539. diese Teile der Sendung nur als Angebot der tatsächlichen Hilfestellung auf.
  540. Dies entspricht dem Sendekonzept des Beklagten, der in der Sendung "Bürgeranwalt" vom 19. März 1997 in den beanstandeten vier Fällen nur eine Unterstützung bei der Konfliktlösung und keine Rechtsberatung anbietet. Dadurch
  541. unterscheidet sich der Streitfall auch von dem Sachverhalt, der der Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 26. März 1998 - 2 U 116/97 zugrunde lag. In dieser Entscheidung hatte das Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt, daß die Leser der Zeitschrift die Aufforderung der Redaktion als Ankündigung verstanden, der Verlag
  542. werde geltend gemachte Ansprüche von Lesern, die sich an den Verlag wendeten, auf ihre rechtliche Begründetheit überprüfen (vgl. hierzu: Großkomm.UWG/Teplitzky § 1 Rdn. G 120 und Bürglen, WRP 2000, 846, 853 unter
  543. Hinweis auf den Beschluß des Senats vom 11.2.1999 - I ZR 105/98 - über die
  544. Nichtannahme der Revision gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts
  545. Düsseldorf vom 26.3.1998 - 2 U 116/97).
  546. c) Das Berufungsgericht hat, auch wenn es die Urteilsformel des Landgerichts insgesamt neu gefaßt und die Verurteilung nach dem Klageantrag zu II
  547. nicht ausdrücklich in den Tenor aufgenommen hat, den Beklagten ebenfalls
  548. verurteilen wollen und verurteilt, es zu unterlassen, die Sendereihe "Bürgeranwalt" mit diesem Sendetitel zu versehen und/oder ihre Reporter "Bürgeranwalt-
  549. - 25 -
  550. Reporter" zu nennen. Es hat in diesen Angaben eine unzulässige Ankündigung
  551. einer Rechtsbesorgung gesehen. Dem kann nicht beigetreten werden.
  552. Die Bezeichnung "Bürgeranwalt" ist nicht mit der Berufsbezeichnung
  553. "Rechtsanwalt" gleichzusetzen und wird vom Verkehr nach der allgemeinen
  554. Lebenserfahrung auch nicht in diesem Sinne aufgefaßt. "Bürgeranwalt" bezeichnet vielmehr eine Person, die sich für die Belange des Bürgers einsetzt.
  555. Eine Schlußfolgerung darauf, dieser Einsatz erfolge mit rechtlichen Mitteln,
  556. ergibt sich aus der Bezeichnung "Bürgeranwalt" nicht. Erst recht gilt dies für die
  557. Bezeichnung "Bürgeranwalt-Reporter", die durch den Zusatz "Reporter" gerade
  558. von der Berufsbezeichnung "Rechtsanwalt" wegführt.
  559. - 26 -
  560. III. Danach war das angefochtene Urteil aufzuheben, auf die Anschlußberufung des Beklagten das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage
  561. mit der Kostenfolge des § 91 Abs. 1 ZPO abzuweisen.
  562. Erdmann
  563. v. Ungern-Sternberg
  564. Pokrant
  565. Starck
  566. Büscher