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9.6 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. I ZR 265/15
  4. vom
  5. 23. Januar 2017
  6. in dem Rechtsstreit
  7. ECLI:DE:BGH:2017:230117BIZR265.15.0
  8. -2-
  9. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Januar 2017 durch
  10. den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die Richter Prof. Dr. Schaffert,
  11. Dr. Kirchhoff, Prof. Dr. Koch und Feddersen
  12. beschlossen:
  13. Der Beklagte wird darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, seine zugelassene Revision gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 11. November 2015
  14. gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
  15. Gründe:
  16. 1
  17. I. Die Klägerin ist Inhaberin der ausschließlichen Verwertungsrechte an
  18. dem Film "N.
  19. -
  20. ". Dieser Film wurde am 11. November
  21. 2009 über eine dem Internetanschluss des Beklagten zugeordnete IP-Adresse
  22. über eine Internettauschbörse zum Herunterladen angeboten. Die außergerichtliche Abmahnung des Beklagten führte nicht zur Streitbeilegung.
  23. 2
  24. Mit Mahnbescheid vom 9. Dezember 2013, der dem Beklagten am
  25. 12. Dezember 2013 zugestellt worden ist, hat die Klägerin einen Anspruch auf
  26. Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 400 € nebst Zinsen geltend gemacht.
  27. Darüber hinaus hat die Klägerin einen nach einem Gegenstandswert in Höhe
  28. von 7.500 € und unter Zugrundelegung einer 1,3-Geschäftsgebühr berechneten
  29. Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von 555,60 € zuzüglich
  30. Zinsen geltend gemacht.
  31. -3-
  32. 3
  33. Nach Abgabe der Sache an das Gericht des Streitverfahrens hat die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen,
  34. an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 955,60 € nebst Zinsen in Höhe von
  35. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. August 2014 zu zahlen.
  36. Das Amtsgericht hat den Beklagten zunächst im Wege des Versäumnis-
  37. 4
  38. urteils dem Klageantrag entsprechend verurteilt. Hiergegen hat der Beklagte
  39. Einspruch mit der Begründung eingelegt, die Klageforderung sei verjährt. Daraufhin hat das Amtsgericht das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage
  40. abgewiesen. Das Landgericht hat auf die Berufung der Klägerin der Klage antragsgemäß stattgegeben. Mit seiner vom Landgericht zugelassenen Revision,
  41. deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
  42. 5
  43. II. Der Senat beabsichtigt, die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Beklagten durch einstimmigen Beschluss gemäß § 552a Satz 1 ZPO
  44. zurückzuweisen. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen
  45. nicht vor (dazu II 1). Die Revision hat zudem keine Aussicht auf Erfolg (dazu
  46. II 2).
  47. 6
  48. 1. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
  49. Insbesondere erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
  50. (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) keine Entscheidung des Revisionsgerichts.
  51. 7
  52. a) Der Bundesgerichtshof hat die Frage, ob im Falle der Urheberrechtsverletzung durch öffentliche Zugänglichmachung im Wege des Filesharings der
  53. Restschadensersatzanspruch gemäß § 102 Satz 2 UrhG, § 852 BGB verlangt
  54. werden kann und wie dieser Anspruch zu berechnen ist, durch sein nach Abschluss des vorliegenden Berufungsverfahrens ergangenes Urteil vom 12. Mai
  55. 2016 (I ZR 48/15, GRUR 2016, 1280 = WRP 2017, 79 - Everytime we touch)
  56. geklärt. Danach kann der Restschadensersatzanspruch aus § 102 Satz 2 UrhG,
  57. -4-
  58. § 852 BGB, der sich auf die Herausgabe des durch den rechtswidrigen Eingriff
  59. Erlangten erstreckt, in Fällen des widerrechtlichen öffentlichen Zugänglichmachens eines urheberrechtlich geschützten Werks über eine Internettauschbörse
  60. mittels einer fiktiven Lizenz berechnet werden (BGH, GRUR 2016, 1280
  61. Rn. 95 ff. - Everytime we touch).
  62. 8
  63. b) Die Zulassung der Revision ist ferner nicht wegen divergierender Ansätze zur Schadensberechnung in der Instanzrechtsprechung erforderlich. In
  64. der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist geklärt, dass für die Schadensberechnung in Fällen der vorliegenden Art die Lizenzanalogie herangezogen werden kann (BGH, GRUR 2016, 1280 Rn. 95 ff. - Everytime we touch).
  65. Die Höhe der zu zahlenden Lizenzgebühr hat der Tatrichter gemäß § 287 ZPO
  66. unter Würdigung der besonderen Umstände des Einzelfalls nach seiner freien
  67. Überzeugung zu bemessen. Im Revisionsverfahren ist nur zu prüfen, ob die
  68. tatrichterliche Schätzung auf grundsätzlich falschen oder offenbar unsachlichen
  69. Erwägungen beruht oder ob der Tatrichter wesentliche, die Entscheidung bedingende Tatsachen außer Acht gelassen hat und insbesondere schätzungsbegründende Tatsachen nicht gewürdigt hat, die die Parteien vorgebracht haben
  70. oder sich aus der Natur der Sache ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 6. Oktober
  71. 2005 - I ZR 266/02, GRUR 2006, 136 Rn. 24 = WRP 2006, 274 - Pressefotos;
  72. Urteil vom 2. Oktober 2008 - I ZR 6/06, GRUR 2009, 407 Rn. 23 = WRP 2009,
  73. 319 - Whistling for a train; Urteil vom 29. April 2010 - I ZR 68/08, GRUR 2010,
  74. 623 Rn. 33 = WRP 2010, 927 - Restwertbörse I).
  75. 9
  76. 2. Die Revision hat zudem keine Aussicht auf Erfolg.
  77. 10
  78. a) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass der Klägerin ein Restschadensersatzanspruch gemäß § 102 Satz 2 UrhG, § 852 BGB
  79. zusteht, der sich nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie auf 400 € beläuft.
  80. Die Revision vermag Mängel der tatrichterlichen Schätzung der Schadenshöhe
  81. nicht aufzuzeigen.
  82. -5-
  83. 11
  84. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Schadensersatzforderung sei
  85. nicht verjährt, ist ebenfalls frei von Rechtsfehlern. Der Anspruch aus § 102
  86. Satz 2 UrhG, § 852 BGB verjährt gemäß § 852 Satz 2 BGB in zehn Jahren von
  87. seiner Entstehung an, ohne Rücksicht auf seine Entstehung in 30 Jahren von
  88. der Begehung der Verletzungshandlung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an (vgl. BGH, Urteil vom 15. Januar 2015 - I ZR 148/13,
  89. GRUR 2015, 780 Rn. 28 = WRP 2015, 972 - Motorradteile). Diese Verjährungsfrist war im Zeitpunkt der gerichtlichen Geltendmachung durch die Klägerin
  90. noch nicht abgelaufen.
  91. 12
  92. b) Das Berufungsgericht hat die Abmahnkostenforderung ebenfalls
  93. rechtsfehlerfrei zuerkannt.
  94. 13
  95. aa) Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Bestimmung des
  96. Gegenstandswerts für die Abmahnung. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist das für die Bestimmung des Gegenstandswerts eines urheberrechtlichen Unterlassungsanspruchs maßgebliche Interesse des Rechtsinhabers an der Unterlassung weiterer urheberrechtlicher Verstöße pauschalierend
  97. unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu bewerten und wird
  98. maßgeblich durch die Art des Verstoßes, insbesondere seine Gefährlichkeit und
  99. Schädlichkeit für den Rechtsinhaber bestimmt. Anhaltspunkte hierfür sind der
  100. wirtschaftliche Wert des verletzten Rechts sowie die Intensität und der Umfang
  101. der Rechtsverletzung. Zu den bei der Bemessung des Gegenstandswerts zu
  102. berücksichtigenden Umständen zählen die Aktualität und Popularität des betroffenen Werks und der Umfang der vom Rechtsinhaber bereits vorgenommenen Auswertung. Wird ein durchschnittlich erfolgreicher Spielfilm nicht allzu lange nach seinem Erscheinungstermin widerrechtlich öffentlich zugänglich gemacht, so ist regelmäßig ein Gegenstandswert des Unterlassungsanspruchs
  103. von nicht unter 10.000 € angemessen. Liegt die Verletzungshandlung noch vor
  104. dem Beginn der Auswertung mittels DVD, kann auch ein höherer Gegen-
  105. -6-
  106. standswert anzunehmen sein (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 - I ZR 1/15,
  107. GRUR 2016, 1275 Rn. 33, 59 = WRP 2016, 1525 - Tannöd). Danach ist der
  108. vom Berufungsgericht angenommene Gegenstandswert der Abmahnung jedenfalls nicht überhöht. Die Revision vermag auch im Übrigen keine Rechtsfehler
  109. der tatrichterlichen Würdigung aufzuzeigen.
  110. 14
  111. bb) Das Berufungsgericht hat weiter rechtsfehlerfrei angenommen, dass
  112. die Abmahnkostenforderung nicht verjährt sei.
  113. 15
  114. (1) Die Revision wendet sich nicht gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, es sei weder dargetan noch ersichtlich, dass der Anspruch vor
  115. dem Jahr 2010 entstanden sei. Die weitere Annahme des Berufungsgerichts,
  116. die Verjährung des Erstattungsanspruchs sei im Jahr 2010 angelaufen, ist danach nicht zu beanstanden. Die Revision streitet erfolglos für eine Anwendung
  117. des § 199 Abs. 5 BGB auf den Abmahnkostenerstattungsanspruch. Diese Vorschrift führt im Falle des Unterlassungsanspruchs zu einer Verlagerung des
  118. Verjährungsbeginns auf den Zeitpunkt der Zuwiderhandlung, weil der Gläubiger
  119. zuvor weder Anlass noch Möglichkeit hat, gegen den Unterlassungsschuldner
  120. vorzugehen (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juni 1972 - I ZR 154/70, BGHZ 59, 72,
  121. 74 f. - Kaffeewerbung). Eine Anwendung dieser Vorschrift auf den Anspruch auf
  122. Abmahnkostenerstattung kommt nicht in Betracht. Die Verjährung des Erstattungsanspruchs kann nicht vor seiner Entstehung beginnen.
  123. 16
  124. (2) Die durch Zustellung des Mahnbescheids am 12. Dezember 2013
  125. gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB bewirkte Hemmung der Verjährung endete gemäß § 204 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB sechs Monate nach Vornahme der letzten
  126. Verfahrenshandlung des Gerichts in Gestalt der an die Klägerin gerichteten Aufforderung vom 20. Dezember 2013, den Kostenvorschuss für das streitige Verfahren einzuzahlen. Die am 25. Juni 2014 vorgenommene Einzahlung des Kostenvorschusses erfolgte zwar nach Ablauf der sechsmonatigen Hemmung, je-
  127. -7-
  128. doch mit Blick auf die im Zeitpunkt der Hemmung bis zum Ende des Jahres
  129. 2013 verbliebene Restlaufzeit der Verjährung in unverjährter Zeit.
  130. 17
  131. 3. Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von
  132. drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
  133. Büscher
  134. Schaffert
  135. Koch
  136. Kirchhoff
  137. Feddersen
  138. Hinweis:
  139. Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.
  140. Vorinstanzen:
  141. AG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 19.01.2015 - 31 C 2480/14 (96) LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 11.11.2015 - 2-6 S 14/15 -