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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. I ZR 241/99
  4. URTEIL
  5. Verkündet am:
  6. 17. Januar 2002
  7. Führinger
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk: ja
  13. BGHZ: ja
  14. BGHR: ja
  15. Mißbräuchliche Mehrfachabmahnung
  16. UWG § 13 Abs. 5
  17. a) Gehen mehrere durch denselben Rechtsanwalt vertretene Konzernunternehmen wegen eines Wettbewerbsverstoßes in der Weise vor, daß sie den Beklagten gleichzeitig in jeweils getrennten Anwaltsschreiben abmahnen, kann
  18. darin eine mißbräuchliche Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs liegen, wenn keine vernünftigen Gründe für dieses Vorgehen ersichtlich sind. Den
  19. Konzernunternehmen ist es in einem solchen Fall zuzumuten, ihr Vorgehen in
  20. der Weise zu koordinieren, daß die Abmahnung entweder nur von einem Konzernunternehmen oder gemeinsam ausgesprochen wird.
  21. b) Der Unterlassungsanspruch, der Gegenstand einer nach § 13 Abs. 5 UWG
  22. mißbräuchlichen Abmahnung war, kann auch gerichtlich nicht mehr geltend
  23. gemacht werden.
  24. BGH, Urt. v. 17. Januar 2002 – I ZR 241/99 – Kammergericht
  25. -2-
  26. LG Berlin
  27. -3-
  28. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 20. Dezember 2001 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann
  29. und die Richter Starck, Prof. Dr. Bornkamm, Dr. Büscher und Dr. Schaffert
  30. für Recht erkannt:
  31. Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Kammergerichts
  32. vom 13. Juli 1999 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
  33. Von Rechts wegen
  34. Tatbestand:
  35. Die Parteien sind in Berlin Wettbewerber im Einzelhandel mit Geräten der
  36. Unterhaltungselektronik.
  37. Die Beklagte warb in der “Berliner Zeitung” vom 27. November 1996 für ein
  38. Autoradio mit CD-Wechsler zum Preis von 748 DM und dem Zusatz “Ehemaliger
  39. P. Markt-Preis 888 DM”. Bereits am 10. Oktober 1996 hatte die Beklagte das
  40. gleiche Modell zu einem Preis von 777 DM und mit dem Zusatz “Ehemaliger P.
  41. Markt-Preis 899 DM” beworben.
  42. -4-
  43. Mit Schreiben vom 8. Dezember 1996 mahnte die Klägerin, vertreten durch
  44. ihren Hamburger Rechtsanwalt, die Beklagte wegen dieser Werbung ab. Mit
  45. gleichlautendem Schreiben vom selben Tag mahnte ein zum selben Konzern wie
  46. die Klägerin gehörendes Berliner Media-Markt-Unternehmen die Beklagte ebenfalls ab, wobei es durch denselben Hamburger Rechtsanwalt vertreten wurde.
  47. In beiden Abmahnschreiben wurde der Beklagten für den Fall, daß sie bis
  48. 11. Dezember 1996 die geforderte Unterwerfungserklärung nicht abgebe, die
  49. Einleitung eines Verfügungsverfahrens und die gleichzeitige Erhebung der
  50. Hauptsacheklage angedroht. Diese Ankündigung machte nur die Klägerin und
  51. zunächst nur durch Einleitung eines Verfügungsverfahrens wahr. Nachdem das
  52. Kammergericht in der mündlichen Verhandlung über die Berufung der Beklagten
  53. darauf hingewiesen hatte, daß das Vorgehen der Klägerin möglicherweise als
  54. mißbräuchlich anzusehen sei, nahm die Klägerin den Verfügungsantrag zurück
  55. und erhob einige Zeit später die Hauptsacheklage.
  56. Die Klägerin hat beantragt,
  57. der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verbieten, im
  58. geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken mit dem Hinweis zu
  59. werben: “Ehemaliger P. Markt-Preis ...”, soweit dieser Preis nicht bis
  60. vier Wochen vor Erscheinen der Werbung verlangt und ausnahmslos
  61. bezahlt worden ist, insbesondere zu werben wie (es folgt ein Hinweis
  62. auf die beanstandeten Anzeigen).
  63. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
  64. Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Das Kammergericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
  65. -5-
  66. Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie ihren Klageantrag weiterverfolgt. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
  67. Entscheidungsgründe:
  68. I.
  69. Das Berufungsgericht hat das Verhalten der Klägerin als rechtsmiß-
  70. bräuchlich nach § 13 Abs. 5 UWG angesehen und die Abweisung der Klage daher bestätigt. Zur Begründung hat es ausgeführt:
  71. Das Mißbrauchsverbot des § 13 Abs. 5 UWG gelte nicht allein für die nach
  72. § 13 Abs. 2 UWG Klagebefugten, sondern auch für die unmittelbar betroffenen
  73. Mitbewerber. Die Mißbräuchlichkeit des Vorgehens der Klägerin ergebe sich daraus, daß das mit der Klägerin im selben Konzern verbundene Berliner MediaMarkt-Unternehmen eine zeit-, inhalts- und wortgleiche Abmahnung an die Beklagte gesandt habe. Von einem Mißbrauch könne immer dann ausgegangen
  74. werden, wenn Mitkonkurrenten, die denselben Rechtsverstoß verfolgten, gesellschaftsrechtlich miteinander verbunden seien oder von demselben Rechtsanwalt
  75. vertreten würden; denn unter diesen Voraussetzungen sei anzunehmen, daß die
  76. parallel abmahnenden Mitbewerber voneinander Kenntnis hätten. Weitere Voraussetzung eines Mißbrauchs sei dabei stets, daß ein vernünftiger Grund für die
  77. Mehrfachverfolgung nicht ersichtlich sei. So verhalte es sich im Streitfall: Die Klägerin und das zweite abmahnende Unternehmen seien als Konzernschwestern
  78. auf demselben räumlichen und sachlichen Markt tätig. Im Bereich des Wettbewerbsrechts würden ihre gerichtlichen und außergerichtlichen Aktivitäten von ein
  79. und demselben Hamburger Rechtsanwalt vertreten. Dabei bestehe eine Direktive
  80. für alle zum selben Konzern wie die Klägerin gehörenden Unternehmen, nach der
  81. -6-
  82. es dem fraglichen Hamburger Rechtsanwalt obliege, alle Verfahren gegen die
  83. Beklagte zu führen und zu koordinieren.
  84. Da die Mehrfachabmahnung rechtsmißbräuchlich sei, entfalle der Unterlassungsanspruch bei allen Abmahnenden und könne nicht mehr klageweise geltend
  85. gemacht werden. Denn es sei die erkennbare Tendenz des Gesetzgebers, Mißbräuchen so früh wie möglich einen Riegel vorzuschieben mit der Folge, daß bereits die mißbräuchliche Abmahnung unzulässig sei.
  86. II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben
  87. keinen Erfolg. Mit Recht haben Landgericht und Berufungsgericht das Vorgehen
  88. der Klägerin als mißbräuchlich angesehen und die Klage als unzulässig abgewiesen.
  89. 1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß die Klägerin unabhängig davon, ob sie ihren Anspruch auf § 13 Abs. 2 Nr. 1 i.V. mit § 3
  90. UWG oder als betroffene Mitbewerberin unmittelbar auf § 3 UWG stützt, Adressatin der Mißbrauchsregelung in § 13 Abs. 5 UWG ist. Diese Bestimmung findet
  91. nicht nur in den Fällen Anwendung, in denen sich die Anspruchsberechtigung des
  92. Gläubigers aus § 13 Abs. 2 UWG ergibt, sondern auch dann, wenn der Gläubiger
  93. als betroffener Wettbewerber unmittelbar aus der verletzten Norm vorgehen kann
  94. (BGHZ 144, 165, 168 ff. – Mißbräuchliche Mehrfachverfolgung).
  95. 2. Die Abmahnung der Beklagten durch die Klägerin war – wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat – rechtsmißbräuchlich (§ 13 Abs. 5
  96. UWG). Denn der Umstand, daß die Beklagte gleichzeitig von einem zum selben
  97. Konzern wie die Klägerin gehörenden, auf demselben Markt tätigen und von demselben Rechtsanwalt vertretenen Unternehmen abgemahnt worden ist, deutet im
  98. -7-
  99. Streitfall darauf hin, daß bei der Abmahnung sachfremde Ziele – etwa das Interesse, den Gegner mit möglichst hohen Kosten zu belasten – maßgeblich waren.
  100. Zwar ist es nicht auszuschließen, daß aus der Sicht des abmahnenden Unte rnehmens auch bei einer solchen Konstellation eine gleichzeitige Abmahnung
  101. durch mehrere Konzernunternehmen erforderlich erscheint. Solche vernünftigen
  102. Gründe, die im Einzelfall den Vorwurf des Rechtsmißbrauchs ausschließen kö nnen, sind im Streitfall jedoch nicht ersichtlich.
  103. a) Die Bestimmung des § 13 Abs. 5 UWG bezieht sich – wovon das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen ist – nicht nur auf die gerichtliche Geltendmachung eines wettbewerbsrechtlichen Anspruchs. Dies wird schon vom Wortlaut
  104. nahegelegt, der nicht auf ein Gerichtsverfahren, sondern generell auf die Geltendmachung des Anspruchs abstellt. Das Gesetz nennt im übrigen als Regelbeispiel einer mißbräuchlichen Geltendmachung den Fall, daß das Interesse des
  105. Gläubigers in erster Linie darauf gerichtet ist, gegen den Schuldner einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen entstehen zu lassen. Damit spricht das Gesetz gerade die vorgerichtliche Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs an.
  106. b) In der Senatsrechtsprechung ist anerkannt, daß die mehrfache gerichtliche Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs durch miteinander konzernmäßig verbundene Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen einen
  107. Rechtsmißbrauch darstellen kann (BGHZ 144, 165, 170 ff. – Mißbräuchliche
  108. Mehrfachverfolgung; BGH, Urt. v. 6.4.2000 – I ZR 67/98, GRUR 2001, 82 = WRP
  109. 2000, 1263; Urt. v. 6.4.2000 – I ZR 114/98, GRUR 2001, 84 = WRP 2000, 1266
  110. – Neu in Bielefeld I und II; Urt. v. 24.5.2000 – I ZR 222/97, GRUR 2001, 78 =
  111. WRP 2000, 1402 – Falsche Herstellerpreisempfehlung; Urt. v. 20.12.2001 –
  112. I ZR 15/98 – Zeitlich versetzte Mehrfachverfolgung; Urt. v. 20.12.2001 –
  113. I ZR 215/98 – Scanner-Werbung). Dem Gläubiger wird in derartigen Fällen das
  114. -8-
  115. Recht abgeschnitten, einen bestehenden Unterlassungsanspruch durchzusetzen.
  116. Maßgeblich für diese im Gesetz angelegte, gleichwohl weitreichende und einschneidende Begrenzung der Gläubigerbefugnisse ist nicht allein der Schutz des
  117. Schuldners, sondern vor allem auch die Erwägung, daß die extensive Mehrfachverfolgung das an sich bewährte System des deutschen Wettbewerbsrechts zu
  118. sprengen droht, wonach die auch im Allgemeininteresse liegende Durchsetzung
  119. der wettbewerbsrechtlichen Normen einer Vielzahl von Anspruchsberechtigten
  120. anvertraut ist, die im Eigeninteresse solche Verstöße verfolgen und damit eine
  121. Verwaltungsbehörde, die – wie in anderen Ländern – die Einhaltung wettbewerbsrechtlicher Gebote und Verbote überwacht, überflüssig machen.
  122. Die extensive Mehrfachabmahnung stellt einen Mißstand dar, der ähnlich
  123. wie die Mehrfachklage das beschriebene System der Rechtsdurchsetzung durch
  124. Mitbewerber und durch Verbände in Frage stellen kann. Eine wesentliche Komponente der effektiven zivilrechtlichen Durchsetzung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche liegt in der Möglichkeit, den Gläubiger auch ohne Prozeß klaglos zu
  125. stellen. Dies geschieht in einer Vielzahl von Fällen durch eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung, die aufgrund einer Abmahnung durch den
  126. Gläubiger abgegeben wird. Im Fall einer begründeten Abmahnung ist der Schuldner dann – abgesehen von möglichen weitergehenden Schadensersatzansprüchen – im allgemeinen nur mit den Abmahnkosten belastet, die er dem Gläubiger
  127. unter dem Gesichtspunkt einer Geschäftsführung ohne Auftrag (vgl. BGHZ 52,
  128. 393, 399 f. – Fotowettbewerb) oder als Schadensersatz (vgl. BGH, Urt. v.
  129. 4.3.1982
  130. – I ZR 19/80, GRUR 1982, 489 = WRP 1982, 518 – Korrekturflüssigkeit) schuldet.
  131. Indem der Schuldner eine Unterwerfungserklärung abgibt, begegnet er auch der
  132. Gefahr, von einer Vielzahl weiterer Gläubiger in Anspruch genommen zu werden,
  133. weil mit der Abgabe einer solchen Erklärung im allgemeinen die Wiederholungs-
  134. -9-
  135. gefahr auch im Verhältnis zu anderen Gläubigern entfällt (st. Rspr.; BGH, Urt. v.
  136. 2.12.1982 – I ZR 121/80, GRUR 1983, 186, 187 = WRP 1983, 264 – Wiederholte
  137. Unterwerfung I). Wird der Schuldner indessen gleichzeitig von einer Vielzahl von
  138. Gläubigern abgemahnt, die ihr Vorgehen jedenfalls insoweit koordinieren, als sie
  139. einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragen, ist dem
  140. Schuldner der Weg einer kostengünstigen außerprozessualen Erledigung verstellt. Unterwirft er sich, muß er damit rechnen, jedem Abmahner die Kosten der
  141. Abmahnung erstatten zu müssen. Denn in Fällen gleichzeitiger Abmahnung hilft
  142. auch die Erwägung nicht, daß eine Erstattung der Abmahnkosten aus dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag im allgemeinen nur hinsichtlich
  143. der ersten Abmahnung in Betracht kommt, weil nach der maßgeblichen objektiven
  144. Sicht – auf die Sicht des Abmahnenden kommt es nicht an (vgl. nur Teplitzky,
  145. Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Aufl., Kap. 41 Rdn. 86) – nur die erste Abmahnung dem Interesse und dem mutmaßlichen Willen des Abgemahnten entspricht. Durch die aus sachfremden Erwägungen erfolgende Mehrfachabmahnung
  146. wird dem Abgemahnten daher – abgesehen von der unangemessenen, das System der zivilrechtlichen Durchsetzung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche diskreditierenden Belastung – auch der kostengünstige Weg aus dem Konflikt verstellt.
  147. c) Im Streitfall war die gleichzeitige Abmahnung der Beklagten durch die
  148. Klägerin und ihre Konzernschwester mißbräuchlich nach § 13 Abs. 5 UWG. Vernünftige Gründe, weswegen die Beklagte von beiden Konzerngesellschaften abgemahnt werden mußte, bestanden nicht.
  149. aa) Der vorliegende Fall ist – ähnlich wie die Fälle der mißbräuchlichen
  150. Mehrfachklage, die den Senatsentscheidungen vom 6. April 2000 zugrunde lagen
  151. (BGHZ 144, 165 – Mißbräuchliche Mehrfachverfolgung; BGH GRUR 2001, 82;
  152. GRUR 2001, 84 – Neu in Bielefeld I und II) – dadurch gekennzeichnet, daß die
  153. - 10 -
  154. Klägerin und das zum selben Konzern gehörende Media-Markt-Unternehmen von
  155. demselben Rechtsanwalt vertreten waren. Dieser Umstand ist für die Frage des
  156. Mißbrauchs deshalb von Bedeutung, weil sich dadurch, daß die Vertretung me hrerer Gläubiger in einer Hand liegt, die Möglichkeit eines koordinierten Vorgehens
  157. ergibt, und zwar die Möglichkeit sowohl zu einer für den Schuldner nachteiligen
  158. Koordinierung durch gleichzeitige Abmahnung (wodurch dem Schuldner die Möglichkeit genommen wird, sich aufgrund einer ersten Abmahnung zu unterwerfen
  159. und damit die Wiederholungsgefahr auch im Verhältnis zu anderen Gläubigern
  160. entfallen zu lassen) als auch zu einer für den Schuldner günstigen Koordinierung
  161. (die unter gleichwertigen Vorgehensweisen die für den Schuldner schonendste
  162. wählt).
  163. Dabei geht der Senat davon aus, daß die Gesellschaften des Media-Markt/
  164. Saturn-Konzerns nicht zufällig denselben Hamburger Rechtsanwalt beauftragt
  165. haben, sondern die Mandatierung zumindest im Bewußtsein erfolgte, daß dieser
  166. Anwalt auch andere Konzernunternehmen vertritt. Auf die vom Berufungsgericht
  167. festgestellte weitergehende Koordinierung des gerichtlichen und außergerichtlichen Vorgehens aller Konzernunternehmen durch diesen Rechtsanwalt, kommt
  168. es im Streitfall nicht an. Daher gehen auch die Rügen der Revision ins Leere, mit
  169. denen sie sich gegen diese Feststellung wendet.
  170. Die Maßstäbe, die der Senat in den erwähnten Entscheidungen vom 6. April
  171. 2000 für Mehrfachklagen angelegt hat, lassen sich allerdings nicht ohne weiteres
  172. auf die Mehrfachabmahnung übertragen. Denn in diesen Entscheidungen ist zwar
  173. darauf hingewiesen worden, daß auch ein Konzernunternehmen, das nicht selbst
  174. klagt, seine berechtigten Interessen wahren kann. Der Senat hat jedoch betont,
  175. daß die Möglichkeit einer gerichtlichen Geltendmachung des bestehenden materiell-rechtlichen Anspruchs nicht generell abgeschnitten ist (BGHZ 144, 165, 171,
  176. - 11 -
  177. 177 – Mißbräuchliche Mehrfachverfolgung). Eine Abmahnung kann daher nicht
  178. als mißbräuchlich angesehen werden, soweit sie für eine solche – notfalls im Wege der Streitgenossenschaft – zu erhebende Klage erforderlich ist, um im Falle
  179. eines sofortigen Anerkenntnisses (§ 93 ZPO) Kostennachteile zu vermeiden (dazu bb). Im übrigen muß auch in Fällen, in denen sich der Abgemahnte unterwirft,
  180. gewährleistet sein, daß das Konzernunternehmen, das auf eine eigene Abmahnung verzichtet hat, hinreichend gesichert ist (dazu cc). Schließlich dürfen mit
  181. dem Verzicht auf die Abmahnung auch keine weiteren unzumutbaren Nachteile
  182. verbunden sein (dazu dd).
  183. bb) Das berechtigte Interesse der Klägerin und ihrer Konzernschwester, die
  184. Beklagte wegen des in Rede stehenden Wettbewerbsverstoßes gerichtlich in Anspruch zu nehmen, wäre nicht dadurch beeinträchtigt worden, daß nur eine der
  185. beiden Gesellschaften eine Abmahnung ausspricht. Unterwirft sich der Schuldner
  186. nicht und wird er dann streitgenossenschaftlich nicht nur von dem Unternehmen,
  187. das die Abmahnung ausgesprochen hat, sondern auch von einer Konzernschwester in Anspruch genommen, drohen dieser im Falle des sofortigen Anerkenntnisses keine Nachteile. Denn der Schuldner hat in einem solchen Fall dadurch, daß
  188. er sich trotz Abmahnung nicht unterworfen hat, auch im Verhältnis zu anderen,
  189. demselben Konzern angehörigen Gläubigern hinreichenden Anlaß zur Klage gegeben. Zwar sehen Rechtsprechung und Schrifttum in der erfolglosen Abmahnung eines Dritten nicht notwendig einen Grund, die Abmahnung für entbehrlich
  190. zu halten. Eine Abmahnung ist aber jedenfalls dann nicht geboten, wenn die erste
  191. Abmahnung von einem zum selben Konzern gehörenden Unternehmen ausgesprochen wurde und daher abzusehen ist, daß eine zweite Abmahnung ebensowenig Erfolg haben wird wie die erste (vgl. OLG Saarbrücken WRP 1990, 548,
  192. 549; ferner Teplitzky aaO Kap. 41 Rdn. 27; Melullis, Handbuch des Wettbewerbsprozesses, 3. Aufl., Rdn. 761, jeweils m.w.N.).
  193. - 12 -
  194. cc) Auch wenn sich die Beklagte auf die Abmahnung eines der beiden Konzernunternehmen unterworfen hätte, wären damit keine beachtlichen Nachteile für
  195. das andere Konzernunternehmen verbunden gewesen.
  196. Dies gilt im Streitfall schon deswegen, weil die beiden als Gläubiger eines
  197. Unterlassungsanspruchs auftretenden Konzernunternehmen auf
  198. demselben
  199. sachlichen wie räumlichen Markt, nämlich im Berliner Einzelhandel mit Geräten
  200. der Unterhaltungselektronik, tätig sind. Es ist daher ohne weiteres davon auszugehen, daß die Konzernschwester, die Gläubigerin des Strafversprechens ist, zukünftige gleichartige Verstöße verfolgen wird. Wäre die Beklagte nur von der
  201. Konzernschwester abgemahnt worden und hätte sie sich dieser gegenüber unterworfen, wäre die Wiederholungsgefahr daher jedenfalls bezogen auf den Tätigkeitsbereich der Klägerin entfallen. Dies muß sich die Klägerin entgegenhalten
  202. lassen.
  203. Aber auch wenn die anspruchsberechtigten Konzernunternehmen an verschiedenen Orten tätig sind, besteht nicht ohne weiteres ein berechtigtes Interesse an einer Mehrfachabmahnung. Denn auch dann, wenn die Unterwerfungserklärung gegenüber einem räumlich begrenzt tätigen Mitbewerber abgegeben wird,
  204. wird häufig kein Anlaß bestehen, an der Ernsthaftigkeit der Unterwerfungserklärung zu zweifeln mit der Folge, daß die Wiederholungsgefahr im gesamten Bundesgebiet entfällt (vgl. OLG Karlsruhe WRP 1998, 902, 904 f.; Teplitzky, WRP
  205. 1995, 359 f.). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Gläubiger der Unterwerfungserklärung mit anderen Wettbewerbern des Schuldners in einem Konzern verbunden
  206. ist und der Schuldner daher damit rechnen muß, daß der Gläubiger – wenn nicht
  207. im eigenen, so doch im Interesse der anderen Konzernunternehmen – Zuwiderhandlungen verfolgen wird, selbst wenn sie außerhalb seines räumlichen Tätigkeitsbereichs begangen worden sind (OLG Karlsruhe WRP 1998, 902, 905). Um
  208. - 13 -
  209. jeden Zweifel auszuräumen, kann der von einem Konzernunternehmen Abgemahnte sich im übrigen in der Weise unterwerfen, daß er – als Angebot zum Abschluß eines echten Vertrags zugunsten Dritter – für jeden Fall der Zuwiderhandlung die Zahlung einer Vertragsstrafe verspricht, die von jedem Konzernunternehmen verlangt werden kann (vgl. Teplitzky, WRP 1995, 359, 360 f.).
  210. dd) Ein berechtigtes Interesse an der Abmahnung durch alle Konzernunternehmen läßt sich schließlich auch nicht daraus ableiten, daß das Konzernunte rnehmen, das auf die Abmahnung verzichtet, die entstandenen Anwaltskosten
  211. nicht mehr unter dem Gesichtspunkt einer Geschäftsführung ohne Auftrag geltend
  212. machen kann. Denn eine Abmahnung, die allein dem Zweck dient, einen Anspruch auf Kostenerstattung zu erlangen, entspricht in keinem Fall dem Interesse
  213. und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Abgemahnten.
  214. d) Ungeachtet der im Streitfall bestehenden zumutbaren Möglichkeit, die
  215. Beklagte nur durch ein Konzernunternehmen abzumahnen, hätten die Klägerin
  216. und ihre Konzernschwester die Beklagte auch gemeinsam abmahnen können,
  217. ohne sich dem Vorwurf des Mißbrauchs auszusetzen. Eine solche gemeinsame
  218. Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs hätte deutlich geringere Kosten
  219. verursacht, weil sich die Anwaltskosten bei einer gemeinsamen Geltendmachung
  220. nicht verdoppeln, sondern – sei es nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO (OLG Karlsruhe Rpfleger 2000, 184, 185; Traub, WRP 1999, 79 ff.; a.A. OLG Düsseldorf
  221. GRUR 2000, 825, jeweils für den Fall der Streitgenossenschaft auf der Passivseite), sei es durch eine Berücksichtigung bei der Streitwertbemessung (vgl. Teplitzky aaO Kap. 49 Rdn. 24; KG NJW-RR 2000, 285; OLG Stuttgart WRP 1988,
  222. 632) – nur in verhältnismäßig geringem Umfang erhöhen.
  223. - 14 -
  224. 3. Ist die außergerichtliche Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs
  225. durch die Klägerin als mißbräuchlich anzusehen, führt dies entgegen der Ansicht
  226. der Revision dazu, daß der fragliche Anspruch klageweise nicht mehr geltend
  227. gemacht werden kann. Die erhobene Klage ist – wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat – unzulässig (vgl. zur Rechtsnatur von § 13 Abs. 5
  228. UWG Großkomm.UWG/Erdmann, § 13 Rdn. 125; Teplitzky aaO Kap. 13 Rdn. 50;
  229. BGH, Urt. v. 10.12.1998 – I ZR 141/96, GRUR 1999, 509, 510 = WRP 1999, 421
  230. – Vorratslücken, m.w.N.). Im Falle des Rechtsmißbrauchs nach § 13 Abs. 5 UWG
  231. kann der in Rede stehende Unterlassungsanspruch nicht mehr geltend gemacht
  232. werden. Es ist dem Gläubiger daher verwehrt, für die Durchsetzung seiner Ansprüche gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, und zwar unabhängig davon,
  233. ob ein Rechtsmißbrauch nur in der außergerichtlichen Geltendmachung zu sehen
  234. ist oder ob auch die Klageerhebung für sich genommen die Voraussetzungen des
  235. Rechtsmißbrauchs erfüllt (so bereits KG NJWE-WettbR 1998, 160, 161). Die von
  236. Köhler (in Köhler/Piper, UWG, 2. Aufl., § 13 Rdn. 56) vertretene Gegenansicht,
  237. nach der eine mißbräuchliche Abmahnung zwar unwirksam und damit unbeachtlich ist – so daß an sie keine für den Abgemahnten negativen Rechtsfolgen geknüpft werden können –, aber nicht daran hindert, den Unterlassungsanspruch
  238. gerichtlich geltend zu machen, wird durch den Gesetzeswortlaut nicht nahegelegt.
  239. Für den Fall des Mißbrauchs sieht § 13 Abs. 5 UWG eine Sanktion vor: “Der Anspruch auf Unterlassung kann nicht geltend gemacht werden ...”. Damit ist gerade
  240. auch die gerichtliche Geltendmachung gemeint. Denn es wäre wenig sinnvoll, als
  241. Rechtsfolge eines Mißbrauchs vorzusehen, daß ein Anspruch nicht mehr auße rgerichtlich, wohl aber gerichtlich geltend gemacht werden kann. Abgesehen von
  242. diesem aus dem Gesetzeswortlaut abgeleiteten Argument ist die strengere
  243. Rechtsfolge im Hinblick auf die mit der mißbräuchlichen Mehrfachabmahnung
  244. verbundenen Gefahren auch angemessen.
  245. - 15 -
  246. III. Die Revision der Klägerin ist danach mit der Kostenfolge aus § 97
  247. Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
  248. Erdmann
  249. Starck
  250. Büscher
  251. Bornkamm
  252. Schaffert