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452 lines
24 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. I ZR 234/15
  5. Verkündet am:
  6. 21. September 2016
  7. Führinger
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. Quecksilberhaltige Leuchtstofflampen
  19. UWG § 3a; ElektroG aF § 5 Abs. 1 und 2; ElektroStoffV § 3 Abs. 1 Nr. 1 Abs. 3
  20. Satz 1, § 4 Abs. 1; Richtlinie 2002/95/EG Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit
  21. dem Anhang; Richtlinie 2011/65/EU Art. 4 Abs. 1 und 6 in Verbindung mit Anhang III; ZPO § 308 Abs. 1; Entscheidung 2002/747/EG der Kommission
  22. a) Die in § 5 Abs. 1 Satz 1 ElektroG aF und in § 4 Abs. 1 in Verbindung mit § 3
  23. Abs. 1 Nr. 1 ElektroStoffV enthaltenen Stoffverbote stellen, soweit sie neben
  24. abfallwirtschaftlichen Zielen auch dem Gesundheits- und Verbraucherschutz
  25. dienen, Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG, § 4 Nr. 11
  26. UWG aF dar.
  27. b) An den Nachweis eines bei "Ausreißern" in Betracht kommenden Bagatellverstoßes wegen der Überschreitung der Grenzwerte für Quecksilber nach
  28. § 5 ElektroG aF und § 3 ElektroStoffV sind strenge Anforderungen zu stellen.
  29. BGH, Urteil vom 21. September 2016 - I ZR 234/15 - OLG Celle
  30. LG Stade
  31. ECLI:DE:BGH:2016:210916UIZR234.15.0
  32. -2-
  33. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  34. vom
  35. 21. September
  36. 2016
  37. durch
  38. den
  39. Vorsitzenden
  40. Richter
  41. Prof. Dr. Büscher, die Richter Prof. Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff, Dr. Löffler und
  42. die Richterin Dr. Schwonke
  43. für Recht erkannt:
  44. Die Revision gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 8. Oktober 2015 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
  45. Von Rechts wegen
  46. Tatbestand:
  47. 1
  48. Die Beklagte lässt Kompaktleuchtstofflampen (sogenannte Energiesparlampen) herstellen, die Quecksilber enthalten, und vertreibt diese Lampen in
  49. Deutschland.
  50. 2
  51. Die Klägerin ist die in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4
  52. UKlaG eingetragene Deutsche Umwelthilfe e.V. Sie ließ im Jahr 2012 jeweils
  53. drei Kompaktleuchtstofflampen aus zwei verschiedenen Serien des Sortiments
  54. der Beklagten überprüfen. Das von der Klägerin beauftragte Labor stellte bei
  55. einem Prüfkörper der einen Serie einen Quecksilbergehalt von 13 mg und bei
  56. einem Prüfkörper der anderen Serie einen Quecksilbergehalt von 7,8 mg fest.
  57. 3
  58. Die Klägerin ist der Ansicht, die Energiesparlampen der Beklagten enthielten mit einem Gehalt von 7,8 mg und 13 mg mehr Quecksilber als gesetzlich
  59. -3-
  60. zulässig. Sie nimmt die Beklagte nach erfolgloser Abmahnung auf Unterlassung
  61. und Ersatz ihrer Abmahnkosten in Anspruch.
  62. 4
  63. Die Klägerin hat vor dem Landgericht beantragt,
  64. die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs
  65. einseitig gesockelte Kompaktleuchtstofflampen mit einer Leistung von bis zu
  66. 30 Watt mit einer Menge von mehr als 5 mg Quecksilber je Lampe zu vertreiben.
  67. 5
  68. Darüber hinaus hat sie die Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von
  69. 121,71 € zuzüglich Zinsen begehrt.
  70. 6
  71. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.
  72. 7
  73. In der Berufungsinstanz hat die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag
  74. weiterverfolgt. Die Klägerin hat beantragt, die Berufung der Beklagten mit der
  75. Maßgabe zurückzuweisen, dass es am Ende des Unterlassungsausspruchs
  76. anstatt "zu vertreiben" heißt "in Verkehr zu bringen".
  77. 8
  78. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe
  79. zurückgewiesen, dass es an den vom Landgericht ausgeurteilten und entsprechend dem Antrag, den die Klägerin in zweiter Instanz gestellt hat, geänderten
  80. Unterlassungstenor die Wendung ", soweit das in flüssiger oder fester Form in
  81. die Leuchtstofflampen eingebrachte Quecksilber oder die QuecksilberAmalgam-Verbindung (homogener Werkstoff) mehr als 0,1 Gewichtsprozent
  82. Quecksilber enthält" angefügt hat (OLG Celle, GRUR-RR 2016, 245 = WRP
  83. 2016, 119).
  84. 9
  85. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
  86. -4-
  87. Entscheidungsgründe:
  88. 10
  89. I. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten nur zu einem geringen Teil als begründet angesehen. Dazu hat es ausgeführt:
  90. 11
  91. Das im Streitfall in Rede stehende Verbot folge aus § 8 Abs. 1 und 3
  92. Nr. 3, § 4 Nr. 11 UWG (aF) in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Satz 1 ElektroG aF
  93. und seit dem 9. Mai 2013 aus der inhaltlich damit übereinstimmenden Vorschrift
  94. des § 4 Abs. 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Nr. 1 ElektroStoffV. Die in § 5
  95. Abs. 2 ElektroG aF und in § 3 Abs. 3 Satz 1 ElektroStoffV enthaltenen Regelungen statuierten lediglich eine Ausnahme von dem im jeweils vorangehenden
  96. Absatz 1 bestimmten Verbot. Die Ergänzung des Unterlassungstenors verstoße
  97. nicht gegen § 308 Abs. 1 ZPO, weil damit nicht über einen anderen Streitgegenstand entschieden, sondern lediglich der von der Klägerin bestimmte Streitgegenstand eingeschränkt worden sei. Mit der in der Berufungsinstanz geänderten Fassung ihres Unterlassungsantrags habe die Klägerin dem Umstand
  98. Rechnung getragen, dass das Inverkehrbringen nicht stoffverbotskonformer
  99. Elektro- und Elektronikgeräte nach § 5 Abs. 1 Satz 1 ElektroG aF und § 4
  100. Abs. 1 ElektroStoffV verboten sei.
  101. 12
  102. Das früher in § 5 Abs. 1 Satz 1 ElektroG aF und nunmehr in § 4 Abs. 1 in
  103. Verbindung mit § 3 Abs. 1 Nr. 1 ElektroStoffV enthaltene produktbezogene Absatzverbot stelle eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG
  104. (aF) dar, die neben abfallwirtschaftlichen Zielen ausdrücklich auch dem Schutz
  105. der Verbraucher vor schädlichen Stoffen diene. Gegen diese Marktverhaltensvorschriften habe die Beklagte durch den Vertrieb der zwei Energiesparlampen
  106. mit dem Quecksilbergehalt von 7,8 mg und 13 mg verstoßen.
  107. 13
  108. Nach dem Ergebnis der im Berufungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme seien die sechs Energiesparlampen, die das von der Klägerin beauftragte Labor geprüft habe, von der Beklagten in Verkehr gebracht worden, hät-
  109. -5-
  110. ten die in ihnen enthaltenen Leuchtstoffkörper mehr als 0,1 Gewichtsprozent
  111. Quecksilber je homogenem Werkstoff aufgewiesen und habe einer dieser
  112. Leuchtstoffkörper 13 mg Quecksilber und ein weiterer 7,8 mg Quecksilber enthalten. Unerheblich sei, dass das Labor bei dieser Prüfung nicht das in der Entscheidung 2002/747/EG der Kommission vorgeschriebene Prüfverfahren mit
  113. der Ermittlung des arithmetischen Mittels aus zehn Prüfkörpern unter Streichung des höchsten und des niedrigsten Werts durchgeführt, sondern jeweils
  114. nur drei Prüfkörper untersucht habe, weil es hier nicht um eine Zulassung zum
  115. Vertrieb gegangen sei, sondern um die Feststellung des Quecksilbergehalts der
  116. einzelnen Leuchtstoffkörper. Das Verhalten der Beklagten sei spürbar im Sinne
  117. von § 3 Abs. 1 UWG (aF). Dem stehe nicht entgegen, dass es sich nach dem
  118. Vortrag der Beklagten bei den beiden Lampen mit den zu hohen Quecksilbergehaltswerten um "Ausreißer" gehandelt habe. Die in dieser Hinsicht darlegungs- und beweisbelastete Beklagte habe dazu keinen ausreichend substantiierten Vortrag gehalten. Von einem Ausreißer sei zudem nicht auszugehen, weil
  119. nach den Prüfberichten zwei der sechs geprüften Lampen einen zu hohen
  120. Quecksilbergehalt aufgewiesen hätten.
  121. 14
  122. II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Beklagten ist
  123. zwar uneingeschränkt zulässig (dazu unter II 1), hat aber in der Sache keinen
  124. Erfolg (dazu unter II 2 und 3).
  125. 15
  126. 1. Die Revision ist uneingeschränkt zulässig (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
  127. Die Formel des Berufungsurteils enthält keine Beschränkung der Zulassung des
  128. Rechtsmittels. Eine entsprechende Beschränkung kann sich zwar auch aus den
  129. Gründen der Entscheidung ergeben. Das muss jedoch zweifelsfrei geschehen;
  130. die bloße Angabe des Grundes für die Zulassung der Revision reicht nicht, um
  131. von einer nur beschränkten Zulassung des Rechtsmittels auszugehen (BGH,
  132. Urteil vom 18. März 2010 - I ZR 158/07, BGHZ 185, 11 Rn. 17 - Modulgerüst II;
  133. Urteil vom 15. Mai 2014 - III ZR 368/13, NJW 2014, 2857 Rn. 11; Urteil vom
  134. 16. Dezember 2014 - EnZR 81/13, RdE 2015, 189 Rn. 9 = NVwZ-RR 2015, 331
  135. -6-
  136. - KWKG-Belastungsausgleich, jeweils mwN). Von einer nur beschränkten Revisionszulassung ist danach vorliegend nicht auszugehen. Eine Beschränkung
  137. der Zulassung ist nur wirksam, wenn sie sich nicht - wie hier - auf eine bestimmte Rechtsfrage, sondern auf einen eindeutig abgrenzbaren Teil des Streitstoffs
  138. bezieht, der gegebenenfalls einem Teilurteil (§ 301 ZPO), einem Grundurteil
  139. (§ 304 ZPO) oder einem sonstigen Zwischenurteil (§ 303 ZPO) zugänglich ist
  140. (vgl. BGH, Urteil vom 31. März 2016 - I ZR 86/13, GRUR 2016, 741 Rn. 7
  141. = WRP 2016, 1004 - Himalaya Salz, mwN).
  142. 16
  143. 2. Der Klägerin steht der begehrte Unterlassungsanspruch in dem vom
  144. Berufungsgericht zuerkannten Umfang zu. Das Berufungsgericht hat mit der
  145. Ergänzung des Unterlassungstenors nicht die durch § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO
  146. gezogene Grenze überschritten (dazu II 2 a). Die Beklagte hat mit dem Vertrieb
  147. der zwei Energiesparlampen mit einem Quecksilbergehalt von 7,8 mg und
  148. 13 mg gegen § 5 ElektroG aF und § 4 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3
  149. Satz 1 ElektroStoffV verstoßen und durfte diese daher nicht in Verkehr bringen
  150. (dazu II 2 b). Die Bestimmungen sind Marktverhaltensregelungen im Sinne von
  151. § 4 Nr. 11 UWG aF und § 3a UWG, deren Verletzung einen Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG begründet (dazu II 2 c).
  152. 17
  153. a) Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe durch die Anfügung der
  154. Wendung "…, soweit das in flüssiger oder fester Form in die Leuchtstofflampen
  155. eingebrachte Quecksilber oder die Quecksilber-Amalgam-Verbindung (homogener Werkstoff) mehr als 0,1 Gewichtsprozent Quecksilber enthält" den Unterlassungstenor gegenüber dem Klagebegehren erweitert und deshalb gegen
  156. § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen. Das trifft nicht zu. Das Berufungsgericht hat den
  157. Verbotstenor nicht erweitert, sondern eingeschränkt. Die Klägerin hat das Verbot von der Überschreitung der absoluten Grenze des Quecksilbergehalts von
  158. 5 mg je Lampe abhängig gemacht. Durch den vom Berufungsgericht in den Unterlassungstenor aufgenommenen Zusatz ist das Verbot neben der Überschreitung der absoluten Grenze von 5 mg Quecksilber zusätzlich von der Über-
  159. -7-
  160. schreitung einer relativen Grenze von mehr als 0,1 Gewichtsprozent Quecksilber abhängig.
  161. 18
  162. b) Die Beklagte hat mit dem Vertrieb der zwei Energiesparlampen mit einem Quecksilbergehalt von 7,8 mg und 13 mg gegen die zu diesem Zeitpunkt
  163. geltende Bestimmung des § 5 ElektroG aF verstoßen. Da der Unterlassungsanspruch in die Zukunft gerichtet ist, muss das beanstandete Verhalten auch nach
  164. dem zum Zeitpunkt der Revisionsentscheidung geltenden Recht noch wettbewerbswidrig sein (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 21. Juli 2016 - I ZR 26/15,
  165. GRUR 2016, 1076 Rn. 18 = WRP 2016, 1221 - LGA tested, mwN). Das ist vorliegend der Fall. Der Vertrieb von Energiesparlampen mit dem in Rede stehenden Quecksilbergehalt verstößt gegen die am 9. Mai 2013 in Kraft getretenen
  166. Vorschriften des § 4 Abs. 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 und 3 ElektroStoffV.
  167. 19
  168. aa) Sowohl nach § 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 ElektroG aF als auch nach
  169. § 4 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 und 3 ElektroStoffV dürfen Kompaktleuchtstofflampen
  170. 5 mg Quecksilbergehalt nicht überschreiten.
  171. 20
  172. (1) Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 ElektroG aF war es verboten, neue Elektround Elektronikgeräte in Verkehr zu bringen, die mehr als 0,1 Gewichtsprozent
  173. Quecksilber je homogenem Werkstoff enthielten. Gemäß § 5 Abs. 2 galt Abs. 1
  174. nicht für die im Anhang der Richtlinie 2002/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 2003 zur Beschränkung der Verwendung
  175. bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten in der jeweils
  176. geltenden Fassung aufgeführten Verwendungszwecke. § 5 ElektroG aF diente
  177. der Umsetzung der Richtlinie 2002/95/EG (vgl. Begründung der Bundesregierung zur Verordnung zur Beschränkung der Verwendung gefährlicher Stoffe in
  178. Elektro- und Elektronikgeräten, BT-Drucks. 17/11836, S. 12) und ist daher richtlinienkonform auszulegen.
  179. 21
  180. Nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2002/95/EG stellen die Mitgliedstaaten
  181. sicher, dass ab dem 1. Juli 2006 neu in Verkehr gebrachte Elektro- und Elekt-
  182. -8-
  183. ronikgeräte kein Quecksilber enthalten. Nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie gilt
  184. Abs. 1 nicht für die im Anhang aufgeführten Verwendungszwecke. Der Anhang
  185. sieht in Nummer 1 die Verwendung von Quecksilber in Kompaktleuchtstofflampen vor. Nach Nummer 1 des Anhangs der Richtlinie 2002/95/EG sind von den
  186. Anforderungen des Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie ausgenommen Quecksilber in
  187. Kompaktleuchtstofflampen in einer Höchstmenge von 5 mg je Lampe. Danach
  188. sind von dem grundsätzlichen Verbot der Verwendung von Quecksilber in Elektro- und Elektronikgeräten nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2002/95/EG Kompaktleuchtstofflampen mit einem Quecksilbergehalt bis 5 mg je Lampe ausgenommen. Entsprechend ist § 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 ElektroG aF richtlinienkonform auszulegen. Danach gilt das in § 5 Abs. 1 Satz 1 ElektroG aF aufgeführte Verbot nicht für die Verwendung von Quecksilber in Kompaktleuchtstofflampen in einer Höchstmenge von 5 mg je Lampe. Wird dieser Grenzwert
  189. überschritten, ist das Produkt nicht mehr durch Art. 4 Abs. 2 vom Anwendungsbereich des Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2002/95/EG ausgenommen.
  190. 22
  191. Die richtlinienkonforme Auslegung des § 5 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung
  192. mit Abs. 2 ElektroG aF hat daher zur Folge, dass für Kompaktleuchtstofflampen
  193. an die Stelle des relativen Grenzwerts von 0,1 Gewichtsprozent die absolute
  194. Grenze des Quecksilbergehalts von 5 mg je Lampe tritt, bei deren Überschreitung das Verbot des § 5 Abs. 1 Satz 1 ElektroG aF greift.
  195. 23
  196. (2) Nach § 4 Abs. 1 ElektroStoffV darf der Hersteller nur Elektro- und
  197. Elektronikgeräte in Verkehr bringen, die die Anforderungen des § 3 Abs. 1 der
  198. Verordnung erfüllen. Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ElektroStoffV dürfen
  199. Elektro- und Elektronikgeräte einschließlich Kabeln und Ersatzteilen nur in Verkehr gebracht werden, wenn die zulässigen Höchstkonzentrationen von
  200. 0,1 Gewichtsprozent je homogenem Werkstoff bei Quecksilber nicht überschritten werden. Gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 gilt Abs. 1 nicht für Verwendungszwecke,
  201. die im Anhang III der Richtlinie 2011/65/EU des Europäischen Parlaments und
  202. des Rates vom 8. Juni 2011 zur Beschränkung der Verwendung bestimmter
  203. -9-
  204. gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten festgelegt sind. Die Vorschrift des § 3 ElektroStoffV dient der Umsetzung der Richtlinie 2011/65/EU
  205. (vgl. Begründung der Bundesregierung zur Verordnung zur Beschränkung der
  206. Verwendung gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten, BT-Drucks.
  207. 17/11836, S. 12). Die Bestimmungen des § 3 Abs. 1 und 3 Satz 1 ElektroStoffV
  208. sind daher ebenfalls richtlinienkonform auszulegen.
  209. 24
  210. Nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2011/65/EU stellen die Mitgliedstaaten
  211. sicher, dass in Verkehr gebrachte Elektro- und Elektronikgeräte einschließlich
  212. Kabeln und Ersatzteilen für die Reparatur, die Wiederverwendung, die Aktualisierung von Funktionen oder die Erweiterung des Leistungsvermögens keine
  213. der in Anhang II aufgeführten Stoffe enthalten. In Anhang II der Richtlinie ist für
  214. Quecksilber eine Höchstkonzentration von 0,1 Gewichtsprozent in homogenen
  215. Werkstoffen vorgesehen. Davon sieht Art. 4 Abs. 6 der Richtlinie eine Ausnahme vor. Danach gilt Art. 4 Abs. 1 nicht für die im Anhang III aufgeführten Verwendungszwecke. Verwendungszweck in diesem Sinn ist die Verwendung von
  216. Quecksilber in Leuchtstofflampen. Nach Anhang III Nr. 1 Buchst. a der Richtlinie sind von ihrem Art. 4 Abs. 1 ausgenommen Verwendungen von Quecksilber
  217. in einseitig gesockelten (Kompakt-)Leuchtstofflampen für allgemeine Beleuchtungszwecke bis 30 Watt bis zum 31. Dezember 2011 mit einem Gehalt von
  218. 5 mg. Danach wurden der Gehalt bis zum 31. Dezember 2012 auf 3,5 mg und
  219. nach dem 31. Dezember 2012 auf 2,5 mg Quecksilber je Brennstelle abgesenkt. Danach gilt für die Verwendung von Quecksilber in den näher bezeichneten Leuchtstofflampen der absolute Wert nach Art. 4 Abs. 6 in Verbindung mit
  220. Anhang III. Wird dieser Wert überschritten, dürfen die Produkte nicht in Verkehr
  221. gebracht werden. Entsprechend ist § 4 Abs. 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 und
  222. 3 ElektroStoffV richtlinienkonform auszulegen.
  223. 25
  224. (3) Dass das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft zusätzlich auf die Grenze
  225. von 0,1 Gewichtsprozent abgestellt hat, verhilft der Revision nicht zum Erfolg.
  226. Durch die damit verbundene Einschränkung des Verbotsumfangs wird die Be-
  227. - 10 -
  228. klagte nicht beschwert. Auf die in diesem Zusammenhang zwischen den Parteien unterschiedlich beurteilte Frage, was bei Kompaktleuchtstofflampen homogene Werkstoffe sind, kommt es danach nicht an.
  229. 26
  230. bb) Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Feststellungen des
  231. Berufungsgerichts, zwei der geprüften Leuchtstofflampen hätten einen 5 mg
  232. übersteigenden Quecksilbergehalt aufgewiesen. Sie rügt, die Prüfung sei nicht
  233. nach dem in der Entscheidung 2002/747/EG der Kommission vorgeschriebenen
  234. Verfahren durch Prüfung von zehn Produkten, Streichung des höchsten und
  235. niedrigsten Werts und Bildung des arithmetischen Mittels erfolgt. Das war auch
  236. nicht erforderlich. Das Verfahren ist für die Feststellung der Einhaltung des
  237. höchst zulässigen Quecksilbergehalts von Leuchtstofflampen nach den Richtlinien 2002/95/EG und 2011/65/EU nicht einschlägig. Die Entscheidung der
  238. Kommission gilt für die Vergabe des EG-Umweltzeichens für Lampen. Nach
  239. Art. 1 der Entscheidung der Kommission erhalten Lampen im Sinne des Art. 2
  240. der Entscheidung das Umweltzeichen der Union, wenn sie den Umweltkriterien
  241. im Anhang der Entscheidung entsprechen. Deshalb kommt es auch nicht darauf
  242. an, dass im Streitfall nur jeweils drei Energiesparlampen und nicht jeweils zehn
  243. Lampen der zwei verschiedenen Serien untersucht worden sind.
  244. 27
  245. c) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Beklagte
  246. mit dem von der Klägerin beanstandeten Verhalten wettbewerbswidrig im Sinne
  247. von §§ 3, 3a UWG (§ 4 Nr. 11 UWG aF) in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Satz 1
  248. und Abs. 2 ElektroG aF, § 4 Abs. 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Nr. 1 und
  249. Abs. 3 ElektroStoffV gehandelt hat und dass die insoweit gemäß § 8 Abs. 3
  250. Nr. 3 UWG klage- und anspruchsbefugte Klägerin die Beklagte daher gemäß
  251. § 8 Abs. 1 UWG auf Unterlassung in Anspruch nehmen kann.
  252. 28
  253. aa) Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass die in
  254. § 5 Abs. 1 Satz 1 ElektroG aF und nunmehr in § 4 Abs. 1 in Verbindung mit § 3
  255. Abs. 1 Nr. 1 ElektroStoffV enthaltenen Stoffverbote Marktverhaltensregelungen
  256. im Sinne von § 3a UWG, § 4 Nr. 11 UWG aF darstellen, weil sie neben abfall-
  257. - 11 -
  258. wirtschaftlichen Zielen auch dem Gesundheits- und Verbraucherschutz dienen
  259. (vgl. Art. 1 der Richtlinie 2002/95/EG; Art. 1 der Richtlinie 2011/65/EU; Begründung
  260. des
  261. Regierungsentwurfs
  262. der
  263. Elektro-
  264. und
  265. Elektronikgeräte-Stoff-
  266. Verordnung, BT-Drucks. 17/11836 S. 12; OLG Karlsruhe, BeckRS 2015, 03117
  267. Rn. 59 bis 61; OLG Karlsruhe, GRUR-RR 2015, 244 f.; MünchKomm.UWG/
  268. Schaffert, 2. Aufl., § 4 Nr. 11 Rn. 303; Lustermann, NJW 2006, 3097, 3101;
  269. Huppertz/Nusser, CR 2009, 625, 630 mwN; im Ergebnis ebenso Prelle in Prelle/
  270. Thärichen/Versteyl, ElektroG, 2008, § 5 Rn. 35; aA Giesberts in Giesberts/Hilf,
  271. ElektroG, 2. Aufl., § 5 Rn. 14a aE). Von Energiesparlampen, die Quecksilber
  272. enthalten, gehen nicht nur im Zusammenhang mit deren Entsorgung, sondern
  273. auch dann erhebliche Gesundheitsgefahren aus, wenn sie zerbrechen. Die Revision trägt selbst vor, dass nach Stichproben des Umweltbundesamts beim
  274. Zerbrechen einer Energiesparlampe die Quecksilberbelastung um das Zwanzigfache des Richtwerts überschritten wird. Daraus folgt, dass von Energiesparlampen mit Quecksilber Gesundheitsgefahren ausgehen können. Entgegen der
  275. Ansicht der Revision werden Qualität und Sicherheit der Leuchtstofflampen
  276. aber nicht nur durch Regelungen gewährleistet, die auf deren Bruchsicherheit
  277. und Lebensdauer abzielen, sondern auch dadurch, dass für die Verwendung
  278. von Quecksilber für entsprechende Zwecke niedrige Grenzwerte eingeführt und
  279. durch die Hersteller auch eingehalten werden. Es liegt auf der Hand, dass die
  280. Gesundheit des Verbrauchers beim Zerbrechen einer quecksilberhaltigen
  281. Leuchtstofflampe gefährdet und möglicherweise auch beeinträchtigt wird und
  282. diese Gefahr umso höher ist, je höher der Quecksilbergehalt der Lampe ist.
  283. 29
  284. bb) Das im Streitfall maßgebliche Recht ist nach der als wettbewerbswidrig beanstandeten Verhaltensweise der Beklagten durch das Zweite Gesetz zur
  285. Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb geändert worden.
  286. Danach ist die Vorschrift des § 4 Nr. 11 UWG aF nunmehr inhaltsgleich in § 3a
  287. UWG enthalten und ist diese neue Bestimmung um die Spürbarkeitsschwelle
  288. nach § 3 Abs. 1 und 2 Satz 1 UWG aF ergänzt worden, ohne dass sich für den
  289. Tatbestand des Rechtsbruchs dadurch in der Sache etwas geändert hat (vgl.
  290. - 12 -
  291. BGH, Urteil vom 14. Januar 2016 - I ZR 61/14, GRUR 2016, 516 Rn. 11 = WRP
  292. 2016, 581 - Wir helfen im Trauerfall).
  293. 30
  294. cc) Der Anwendung der § 3a UWG, § 4 Nr. 11 UWG aF steht im Streitfall
  295. nicht entgegen, dass die Richtlinie 2005/29/EG, die nach ihrem Artikel 4 in ihrem Anwendungsbereich zu einer vollständigen Harmonisierung des Lauterkeitsrechts geführt hat, keinen diesen nationalen Bestimmungen vergleichbaren
  296. Unlauterkeitstatbestand kennt. Nach Art. 3 Abs. 3 und Erwägungsgrund 9
  297. Satz 2 und 3 der Richtlinie 2005/29/EG lässt diese Richtlinie die Vorschriften
  298. der Europäischen Union und der Mitgliedstaaten in Bezug auf Gesundheits- und
  299. Sicherheitsaspekte von Produkten unberührt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom
  300. 18. Juni 2015 - I ZR 26/14, GRUR 2016, 213 Rn. 20 = WRP 2016, 193
  301. - Zuweisung von Verschreibungen, mwN). Bei den im Streitfall in Rede stehenden Bestimmungen des Elektro- und Elektronikgesetzes aF, der Elektro- und
  302. Elektronikgeräte-Stoff-Verordnung und den diesen Bestimmungen zugrunde
  303. liegenden Richtlinienbestimmungen handelt es sich um entsprechende Regelungen.
  304. 31
  305. dd) Das Berufungsgericht ist weiterhin mit Recht davon ausgegangen,
  306. dass der Tatbestand des § 4 Nr. 11 UWG aF (§ 3 UWG) auch dann erfüllt wäre,
  307. wenn es sich bei den zwei Lampen mit dem zu hohen Quecksilbergehalt um
  308. "Ausreißer" handeln würde (vgl. BGH, Urteil vom 20. Oktober 2005 - I ZR 10/03,
  309. GRUR 2006, 82 Rn. 22 = WRP 2006, 79 - Betonstahl). An den Nachweis eines
  310. daher allenfalls in Betracht zu ziehenden Bagatellverstoßes, für das der Verletzer die Darlegungs- und Beweislast trägt, sind strenge Anforderungen zu stellen
  311. (vgl. MünchKomm.UWG/Sosnitza aaO § 3 Rn. 103 und 107; Großkomm.UWG/
  312. Peukert, 2. Aufl., § 3 Rn. 447, jeweils mwN). Dies gilt umso mehr deshalb, weil
  313. Verstöße gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 ElektroG aF und § 4 Abs. 1 in Verbindung mit
  314. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ElektroStoffV wegen des mit diesen Bestimmungen bezweckten Schutzes der Gesundheit der Verbraucher regelmäßig geeignet sind, die
  315. Interessen der Verbraucher spürbar zu beeinträchtigen (vgl. BGH, GRUR 2016,
  316. - 13 -
  317. 213 Rn. 20 - Zuweisung von Verschreibungen, mwN). Das Berufungsgericht hat
  318. den Vortrag der Beklagten daher in dieser Hinsicht mit Recht als nicht hinreichend substantiiert angesehen.
  319. 32
  320. 3. Der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten folgt aus § 12 Abs. 1
  321. Satz 2 UWG.
  322. 33
  323. III. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach
  324. Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober
  325. 1982 - 283/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 21 = NJW 1983, 1257 - C.I.L.F.I.T.; Urteil
  326. vom 1. Oktober 2015 - C-452/14, GRUR Int. 2015, 1152 Rn. 43 - Doc Generici,
  327. mwN). Im Streitfall stellt sich keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung des Unionsrechts, die nicht zweifelsfrei zu beantworten ist.
  328. - 14 -
  329. 34
  330. IV. Danach ist die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97
  331. Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
  332. Büscher
  333. Schaffert
  334. Löffler
  335. Kirchhoff
  336. Schwonke
  337. Vorinstanzen:
  338. LG Stade, Entscheidung vom 13.12.2012 - 8 O 112/12 OLG Celle, Entscheidung vom 08.10.2015 - 13 U 15/13 -