Search on legal documents using Tensorflow and a web_actix web interface
You can not select more than 25 topics Topics must start with a letter or number, can include dashes ('-') and can be up to 35 characters long.

202 lines
9.3 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. I ZR 212/00
  5. Verkündet am:
  6. 13. März 2003
  7. Walz
  8. Justizamtsinspektor
  9. als Urkundsbeamter
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ
  15. :
  16. nein
  17. BGHR
  18. :
  19. ja
  20. Umgekehrte Versteigerung II
  21. UWG § 1
  22. Die Werbung mit einer "umgekehrten Versteigerung" für den Verkauf eines Gebrauchtfahrzeugs verstößt nicht gegen § 1 UWG. Diese Werbemethode führt
  23. angesichts der im allgemeinen mit einem Gebrauchtwagenkauf verbundenen
  24. beträchtlichen Investition beim verständigen Verbraucher erfahrungsgemäß
  25. nicht dazu, daß er von einer Prüfung der Preiswürdigkeit des Angebots absieht
  26. und sich wegen des "Spiels" zu einem Kauf verleiten läßt.
  27. BGH, Urt. v. 13. März 2003 - I ZR 212/00 - OLG Düsseldorf
  28. LG Düsseldorf
  29. -2-
  30. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. März 2003 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann
  31. und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant und
  32. Dr. Schaffert
  33. für Recht erkannt:
  34. Die Revision gegen das Urteil des 27. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 23. August 2000 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
  35. Von Rechts wegen
  36. -3-
  37. Tatbestand:
  38. Die Beklagte betreibt einen Handel mit Kraftfahrzeugen. Sie bewarb am
  39. 1. September 1998 einen gebrauchten Pkw mit der nachfolgend wiedergegebenen Anzeige:
  40. Der klagende Verein gegen Unwesen in Handel und Gewerbe hält die
  41. Werbung für wettbewerbsrechtlich unzulässig, weil sie mit der Methode einer
  42. "umgekehrten Versteigerung" die Spiellust der angesprochenen Interessenten
  43. in übertriebener Weise zur Absatzförderung ausnutze. Überdies verbinde die
  44. Werbung in unlauterer Weise sogenannte aleatorische Elemente mit solchen
  45. -4-
  46. der Wertreklame. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch.
  47. Die Beklagte ist dem entgegengetreten.
  48. Das Landgericht hat die Beklagte unter Androhung bestimmter Ordnungsmittel verurteilt,
  49. 1. es zu unterlassen, in der an den Endverbraucher gerichteten
  50. Werbung, wie nachstehend wiedergegeben, beim Angebot eines
  51. Kraftfahrzeuges anzukündigen:
  52. "Autoversteigerung
  53. Dieses Auto kommt unter den 'Hammer'. In jeder Woche, in
  54. der das Auto nicht verkauft wird, fällt der Preis um 300,- DM.
  55. Aber warten sollten Sie nicht zu lange." (Es folgt die oben
  56. wiedergegebene Anzeige),
  57. 2. unter Abweisung der weitergehenden Klage vorgerichtliche Abmahnkosten in Höhe von 296,96 DM nebst Zinsen an den Kläger
  58. zu zahlen.
  59. Das Berufungsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen.
  60. Mit der (zugelassenen) Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
  61. -5-
  62. Entscheidungsgründe:
  63. I. Das Berufungsgericht hat in der beanstandeten Anzeige keine gegen
  64. § 1 UWG verstoßende Werbung erblickt. Dazu hat es ausgeführt:
  65. Die beanstandete Werbung gehe ihrem Charakter und Inhalt nach nicht
  66. über eine zulässige Aufmerksamkeitswerbung und über ein hinzunehmendes,
  67. jeder Werbung innewohnendes, Anlocken von Kaufinteressenten hinaus. Die
  68. Anzeige der Beklagten "teste" lediglich in besonders prononcierter Weise die
  69. Nachfragereaktion des Publikums, indem bei fehlender Resonanz der Preis für
  70. den angebotenen Gebrauchtwagen um wöchentlich 300 DM gesenkt werde, um
  71. auf diese Weise die Nachfrage von neuem anzuregen. So werde die Anzeige
  72. von einem durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen
  73. Durchschnittsverbraucher, von dem bei der rechtlichen Beurteilung auszugehen
  74. sei, auch verstanden. Die Spielleidenschaft werde durch die streitgegenständliche Werbung weder geweckt, noch für wettbewerbsfremde Zwecke ausgenutzt.
  75. Der Umstand, daß der beworbene Pkw im Falle eines zu langen Wartens mit
  76. der Kaufentscheidung bereits verkauft sein könnte, sei kein spezifisches
  77. "Glücks"- oder "Gewinnspiel"-Element. Dieses Risiko ergebe sich vielmehr allein daraus, daß sich das Angebot auf einen einzelnen Gegenstand beziehe.
  78. II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben
  79. keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, daß die
  80. angegriffene Werbung nicht gegen § 1 UWG verstößt.
  81. 1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß weder
  82. der Einsatz von Elementen der Wertreklame im Rahmen einer Werbeanzeige
  83. -6-
  84. noch der hiervon möglicherweise ausgehende sogenannte aleatorische Reiz für
  85. sich allein ausreichen, um eine Werbemaßnahme als unlauter i.S. von § 1 UWG
  86. erscheinen zu lassen. Es müssen vielmehr zusätzliche, besondere Umstände
  87. vorliegen, die den Vorwurf der Sittenwidrigkeit i.S. von § 1 UWG rechtfertigen
  88. (vgl. BGH, Urt. v. 17.2.2000 - I ZR 239/97, GRUR 2000, 820, 821 = WRP 2000,
  89. 724 - Space Fidelity Peep-Show). Wettbewerbswidrig ist die Werbung erst
  90. dann, wenn der Einsatz aleatorischer Reize dazu führt, die freie Entschließung
  91. der angesprochenen Verkehrskreise so nachhaltig zu beeinflussen, daß ein
  92. Kaufentschluß nicht mehr von sachlichen Gesichtspunkten, sondern maßgeblich durch das Streben nach der in Aussicht gestellten Gewinnchance bestimmt
  93. wird (vgl. BGH, Urt. v. 29.6.1989 - I ZR 180/87, GRUR 1989, 757 = WRP 1989,
  94. 799 - McBacon; Urt. v. 5.2.1998 - I ZR 151/95, GRUR 1998, 735, 736 = WRP
  95. 1998, 724 - Rubbelaktion; BGH GRUR 2000, 820, 821 - Space Fidelity PeepShow).
  96. 2. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen, daß die für ein Verbot der in Rede stehenden Werbemethode gemäß § 1 UWG erforderlichen besonderen Unlauterkeitsumstände
  97. nicht vorliegen.
  98. a) Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung zutreffend zugrunde
  99. gelegt, daß die beanstandete Werbeanzeige aleatorische Elemente enthält.
  100. Diese liegen darin, daß bei der angekündigten "umgekehrten Versteigerung"
  101. des gebrauchten Kraftfahrzeugs der Kaufpreis in zuvor bestimmten zeitlichen
  102. Abständen um einen ebenfalls vorher bestimmten Betrag sinkt und der Zuschlag demjenigen erteilt wird, der zuerst den aktuellen Preis akzeptiert. Im
  103. Streitfall bedeutet dies eine Verbilligung des Kaufpreises um 300 DM wöchentlich, so daß der von der Anzeige ausgehende Anreiz zur näheren Befassung
  104. -7-
  105. mit dem Angebot der Beklagten mit jeder ablaufenden Woche stärker wird und
  106. mit dem wöchentlichen Anstieg der "Gewinn"-Chance eine steigende suggestive Wirkung auf den Leser ausübt.
  107. b) Das Berufungsgericht hat in rechtsfehlerfreier tatrichterlicher Würdigung festgestellt, allein der Anreiz, daß durch Zuwarten mit der Kaufentscheidung ein noch höherer "Gewinn" erzielt werden könne, weil weniger gezahlt
  108. werden müsse, führe bei dem durchschnittlich informierten, aufmerksamen und
  109. verständigen Verbraucher nicht dazu, von einer Prüfung der Preiswürdigkeit
  110. des Angebots der Beklagten abzusehen und sich zu einem Erwerb vorrangig
  111. wegen des "Spiels" verleiten zu lassen. Das Werbeangebot der Beklagten
  112. "reizt" nicht minder als ein Angebot zu einem festen Preis dazu, mit anderen
  113. Gebrauchtwagenangeboten verglichen zu werden, um zu prüfen, ob es lohnenswert ist, sich mit dem von der Beklagten beworbenen Gebrauchtwagen
  114. näher zu befassen und sich zu überlegen, ab welchem Preis das Angebot attraktiv werden wird.
  115. Soweit sich aus dem Senatsurteil vom 20. März 1986 (I ZR 228/83,
  116. GRUR 1986, 622 = WRP 1986, 381 - Umgekehrte Versteigerung I) etwas anderes ergeben sollte, wird daran nicht festgehalten.
  117. Der Annahme einer unsachlichen Beeinflussung des Kaufentschlusses
  118. durch die beworbene wöchentliche Preisreduzierung steht vor allem entgegen,
  119. daß die Anschaffungskosten für den angebotenen Gebrauchtwagen eine beträchtliche Investition darstellen. Der angesprochene durchschnittlich informierte, situationsadäquat aufmerksame und verständige Verbraucher, der sich
  120. mit dem Erwerb des beworbenen Pkws befaßt, wird von dem Angebot erfahrungsgemäß nur nach reiflicher Überlegung und Prüfung von Vergleichsange-
  121. -8-
  122. boten, die im allgemeinen in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen und
  123. unschwer zugänglich sind, Gebrauch machen (vgl. BGH, Urt. v. 26.3.1998
  124. - I ZR 222/95, GRUR 1999, 256, 257 = WRP 1998, 857 - 1.000,-- DM UmweltBonus).
  125. Die bloße Befürchtung eines potentiellen Kunden, daß ein anderer Kaufinteressent ihm bei einem weiteren Abwarten mit der Kaufentscheidung zuvor
  126. kommen könnte, gehört - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen
  127. hat - zum Wesen des Angebots eines bestimmten Gegenstandes.
  128. Der Gewerbetreibende ist in seiner Preisgestaltung grundsätzlich frei. Er
  129. kann seine allgemein angekündigten Preise zu jedem ihm sinnvoll erscheinenden Zeitpunkt nach Belieben erhöhen oder senken, sofern nicht Preisvorschriften entgegenstehen oder unlautere Begleitumstände, wie beispielsweise das
  130. systematische Herauf- und Heruntersetzen von Preisen zur Verschleierung von
  131. "Mondpreisen" (Preisschaukelei), gegeben sind (vgl. Baumbach/Hefermehl,
  132. Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., § 3 UWG Rdn. 292 f.; Piper in: Köhler/Piper, UWG,
  133. 3. Aufl., § 1 Rdn. 280). Dabei spielt es keine Rolle, ob der jeweils geforderte
  134. Preis einem objektiven Marktwert entspricht.
  135. c) Die angegriffene Werbemethode ist als solche nicht unlauter. Es sind
  136. keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß sie in ihrer Häufung zu schädlichen,
  137. rechtlich zu mißbilligenden Auswüchsen im Wettbewerb führen könnte und
  138. deshalb vorbeugend unterbunden werden müßte.
  139. -9-
  140. III. Danach war die Revision des Klägers mit der Kostenfolge aus § 97
  141. Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
  142. Ullmann
  143. v. Ungern-Sternberg
  144. Pokrant
  145. Bornkamm
  146. Schaffert