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380 lines
21 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. I ZR 205/11
  5. Verkündet am:
  6. 31. Oktober 2012
  7. Führinger
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. Preisrätselgewinnauslobung V
  19. UWG § 4 Nr. 3
  20. Ein in einer Zeitschrift abgedruckter Beitrag, der mit „Preisrätsel“ überschrieben
  21. ist und sowohl redaktionelle als auch werbliche Elemente enthält, verstößt gegen das Verschleierungsverbot des § 4 Nr. 3 UWG, wenn der werbliche Charakter der Veröffentlichung für einen durchschnittlich informierten und situationsadäquat aufmerksamen Leser nicht bereits auf den ersten Blick, sondern
  22. erst nach einer analysierenden Lektüre des Beitrags erkennbar wird.
  23. BGH, Urteil vom 31. Oktober 2012 - I ZR 205/11 - OLG Karlsruhe
  24. LG Freiburg
  25. -2-
  26. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 31. Oktober 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
  27. und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Dr. Koch und Dr. Löffler
  28. für Recht erkannt:
  29. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 4. Zivilsenats des
  30. Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 20. Oktober 2011 aufgehoben.
  31. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 2. Kammer für
  32. Handelssachen des Landgerichts Freiburg vom 18. August 2010
  33. wird zurückgewiesen.
  34. Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens und des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 5/6 und die Beklagte 1/6. Die
  35. Kosten der Revision trägt die Beklagte.
  36. Von Rechts wegen
  37. Tatbestand:
  38. 1
  39. Die Beklagte ist Verlegerin der monatlich erscheinenden Zeitschrift „G.
  40. M.
  41. “. In der Ausgabe 12/2009 befand sich auf Seite 19 unter der
  42. Rubrik „Preisrätsel“ ein Gewinnspiel, bei dem die Teilnehmer nach richtiger Beantwortung der Preisfrage eines von drei ausgelobten Epiliergeräten der Marke
  43. Braun im Wert von 150 € gewinnen konnten.
  44. 2
  45. Unterhalb der Überschrift „Gewinnen Sie ein Epiliergerät von Braun“ war
  46. folgender Text abgedruckt:
  47. Der Winter setzt unserer Haut mächtig zu: Trockene Heizungsluft drinnen, klirrende Kälte draußen und der Wechsel zwischen beiden lässt die Haut leiden.
  48. Bei frostigen Temperaturen ist das körpereigene Kreatin weniger flexibel, mit
  49. der Folge, dass die Haut schnell spannt. Darüber hinaus trocknet Kälte sie zusätzlich aus, was zu Irritationen und Juckreiz führen kann. So kommt der Wasserhaushalt aus der Balance und verlangsamt den natürlichen Erneuerungspro-
  50. -3-
  51. zess der Haut. Ein Grund, warum Experten im Winter eine äußerst sanfte Haarentfernungsmethode empfehlen. Der Silk-épil Xpressive Wet&Dry von Braun ist
  52. dafür ideal, denn er bietet die sanfteste und hautschonendste Epilation, die es
  53. je von Braun gab. Sein Geheimnis ist die Anwendung unter Wasser, denn warmes Wasser wirkt entspannend und beruhigend, das Gefühl auf der Haut wird
  54. besser und das Zupfempfinden nimmt merklich ab.
  55. 3
  56. Die darunter abgedruckte Preisfrage lautete:
  57. Was ist das Geheimnis des Silk-épil Xpressive Wet&Dry?
  58. 4
  59. In den in einem separaten Kasten abgedruckten Teilnahmebedingungen
  60. war in den untersten beiden Zeilen der Hinweis enthalten, dass die Gewinne
  61. vom Hersteller kostenlos zur Verfügung gestellt würden.
  62. 5
  63. Optisch war der Beitrag wie nachfolgend abgebildet gestaltet:
  64. -4-
  65. 6
  66. Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, ist
  67. der Ansicht, das Preisrätsel sei - neben fünf anderen in derselben Ausgabe abgedruckten Beiträgen, die nicht mehr in Streit stehen - wegen Verstoßes gegen
  68. § 4 Nr. 3 UWG wettbewerbsrechtlich unzulässig, weil der Werbecharakter des
  69. Beitrags verschleiert werde. Es handele sich zudem um eine als Information
  70. getarnte Werbung nach Nr. 11 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG, die auch im
  71. Widerspruch zum presserechtlichen Trennungsgebot nach § 10 Landespressegesetz Baden-Württemberg (LPresseG BW) stehe und daher gegen § 4 Nr. 11
  72. UWG verstoße. Die Klägerin hat ursprünglich die Veröffentlichung von sechs
  73. Beiträgen in der Zeitschrift „G.
  74. M.
  75. “ (Ausgabe 12/2009) beanstandet
  76. und deren Unterlassung begehrt. Darüber hinaus hat sie die Erstattung von Abmahnkosten verlangt. Die Beklagte ist dem entgegengetreten.
  77. 7
  78. Das Landgericht hat die Unterlassungsklage lediglich in Bezug auf drei
  79. Veröffentlichungen für begründet erachtet und sie im Übrigen abgewiesen (dazu
  80. -5-
  81. Kloth, LG Freiburg, GRUR-Prax 2011, 480). In der Berufungsinstanz hat die
  82. Klägerin ihr Unterlassungsbegehren hinsichtlich der auf den Seiten 38 und 39
  83. veröffentlichten Beiträge („Komplex TriProtect“ und „Dr. Hauschka Med“) zurückgenommen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die
  84. Klage mit dem von der Klägerin allein noch weiterverfolgten Unterlassungsantrag hinsichtlich des auf Seite 19 veröffentlichten Beitrags „Preisrätsel“ sowie
  85. mit dem Begehren auf Erstattung von Abmahnkosten abgewiesen (OLG Karlsruhe, WRP 2012, 991).
  86. 8
  87. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des
  88. erstinstanzlichen Urteils in dem noch rechtshängigen Umfang.
  89. Entscheidungsgründe:
  90. 9
  91. I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die von der Klägerin allein
  92. noch beanstandete Veröffentlichung verschleiere nicht den Werbecharakter des
  93. Beitrags im Sinne des § 4 Nr. 3 UWG, weil der Verkehr dessen werbliche Zielsetzung erkenne. Ein Verstoß gegen Nr. 11 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG
  94. scheide aus gleichen Gründen aus. Die Vorschrift des § 4 Nr. 11 UWG sei ebenfalls nicht verletzt, weil die Beklagte kein Entgelt für die Veröffentlichung erhalten
  95. habe und der Beitrag daher nicht gegen das Trennungsgebot des § 10
  96. LPresseG BW verstoße.
  97. 10
  98. II. Die dagegen gerichtete Revision der Klägerin hat Erfolg. Sie führt zur
  99. Aufhebung des Berufungsurteils und in dem noch rechtshängigen Umfang zur
  100. Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
  101. -6-
  102. 11
  103. 1. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht einen Verstoß der Beklagten gegen § 4 Nr. 3 UWG verneint.
  104. 12
  105. a) Die Veröffentlichung des streitgegenständlichen Preisrätsels stellt, wie
  106. das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, eine geschäftliche Handlung
  107. im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar. Mit Recht ist das Berufungsgericht ferner davon ausgegangen, dass der beanstandete Beitrag einen werblichen Charakter hat, der über eine bloße Eigenwerbung hinausgeht. Beides wird von der
  108. Revisionserwiderung auch nicht in Zweifel gezogen.
  109. 13
  110. b) Das Berufungsgericht hat des Weiteren angenommen, der Werbecharakter des Preisrätsels werde bei der konkreten Art der Aufmachung nicht verschleiert. Zwar gehöre der Beitrag formal zum redaktionellen Teil der Zeitschrift.
  111. Die Gefahr einer Irreführung über den Werbecharakter von Preisrätseln sei jedoch nur dann gegeben, wenn der durchschnittliche, situationsadäquat aufmerksame und verständige Leser der Fehlvorstellung unterliege, dass die Redaktion
  112. das Produkt nach eigenem Belieben und aufgrund ihrer objektiv fundierten
  113. Wertschätzung ausgesucht habe. Die Gefahr einer solchen Fehlvorstellung sei
  114. vorliegend nicht gegeben, weil der Leser darauf hingewiesen werde, dass die
  115. ausgelobten Geräte vom Hersteller kostenlos zur Verfügung gestellt worden seien, und der spielerisch-unterhaltende Charakter aufgrund der banalen Preisfrage nahezu vollständig in den Hintergrund trete. Der Leser, der Inhalt und Gestaltung des Beitrags zur Kenntnis nehme, erkenne, dass er auf das als attraktiv
  116. dargestellte Produkt aufmerksam gemacht werden solle. Da es sich um ein Gesundheitsmagazin handele, das teilweise durch Anzeigen finanziert werde und
  117. sich unter anderem der Vorstellung von Gesundheits-, Wellness- und Schönheitsprodukten widme, werde der Leser auch eine allgemeine Abhängigkeit des
  118. Herausgebers der Zeitschrift erwarten. Der Leser rechne unter diesen Umstän-
  119. -7-
  120. den nicht damit, dass das ausgelobte Produkt nach objektiven Gesichtspunkten
  121. als Gewinn ausgewählt worden sei.
  122. 14
  123. c) Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision mit Erfolg.
  124. 15
  125. aa) Nach § 4 Nr. 3 UWG handelt unlauter, wer den werblichen Charakter
  126. einer geschäftlichen Handlung verschleiert. Mit der genannten Vorschrift soll das
  127. medienrechtliche Verbot der Schleichwerbung auf alle Formen der Werbung
  128. ausgedehnt werden (Begründung zum Entwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BT-Drucks. 15/1487, S. 17). Die Bestimmung des § 4
  129. Nr. 3 UWG bezweckt damit den Schutz der Verbraucher vor einer Täuschung
  130. über den kommerziellen Hintergrund geschäftlicher Maßnahmen. Insofern dient
  131. sie auch der Umsetzung des Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken (BGH, Urteil vom 1. Juli 2010 - I ZR 161/09, GRUR
  132. 2011, 163 Rn. 21 = WRP 2011, 747 - Flappe). Eine Verschleierung liegt danach
  133. vor, wenn die Handlung so vorgenommen wird, dass der Werbecharakter nicht
  134. klar und eindeutig zu erkennen ist (Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl.,
  135. § 4 Rn. 3.11).
  136. 16
  137. Grundlage des in § 4 Nr. 3 UWG - ebenso wie in Nr. 11 des Anhangs zu
  138. § 3 Abs. 3 UWG - enthaltenen Verbots redaktioneller Werbung ist die damit regelmäßig einhergehende Irreführung des Lesers, der dem Beitrag aufgrund seines redaktionellen Charakters unkritischer gegenübertritt und ihm auch größere
  139. Bedeutung und Beachtung bemisst (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 1981
  140. - I ZR 96/79, BGHZ 81, 247, 250 f. = GRUR 1981, 835 - Getarnte Werbung I;
  141. Urteil vom 7. Juli 1994 - I ZR 104/93, GRUR 1994, 821, 822 = WRP 1994, 814
  142. - Preisrätselgewinnauslobung I, jeweils zu § 1 UWG aF). Wird in einer Zeitschrift der redaktionelle Teil mit Werbung vermischt, ist im Allgemeinen eine
  143. Irreführung anzunehmen (BGH, Urteil vom 20. Februar 1997 - I ZR 12/95,
  144. -8-
  145. GRUR 1997, 907, 909 = WRP 1997, 843 - Emil-Grünbär-Klub; Urteil vom
  146. 30. April 1997 - I ZR 154/95, GRUR 1997, 914, 916 = WRP 1997, 1051 - Die
  147. Besten II). Dies gilt unabhängig davon, ob der Beitrag gegen Entgelt oder im
  148. Zusammenhang mit einer Anzeigenwerbung geschaltet wurde (BGH, GRUR
  149. 1994, 821, 822 - Preisrätselgewinnauslobung I). Voraussetzung dafür ist jedoch,
  150. dass der redaktionelle Beitrag das Produkt über das durch eine sachliche Information bedingte Maß hinaus werbend darstellt. Dabei sind alle Umstände des
  151. Einzelfalls, insbesondere der Inhalt des Berichts, dessen Anlass und Aufmachung sowie die Gestaltung und Zielsetzung des Presseorgans, zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 18. Februar 1993 - I ZR 219/91, GRUR 1993, 565, 566 =
  152. WRP 1993, 478 - Faltenglätter).
  153. 17
  154. bb) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass Preisrätsel zwar grundsätzlich dem redaktionell gestalteten und zu verantwortenden
  155. Bereich einer Zeitschrift im weiteren Sinne zuzuordnen sind, dass jedoch für die
  156. wettbewerbsrechtliche Beurteilung solcher Beiträge und der darin enthaltenen
  157. Präsentation der ausgelobten Produkte andere Maßstäbe gelten als für den engeren redaktionellen Bereich, der der Unterrichtung und der Meinungsbildung
  158. der Leser dient (BGH, Urteil vom 11. Juli 1996 - I ZR 79/94, GRUR 1996, 804,
  159. 806 = WRP 1996, 1034 - Preisrätselgewinnauslobung III). Dies folgt daraus,
  160. dass der durchschnittliche, situationsadäquat aufmerksame Leser in dem Gewinnspiel regelmäßig auch eine Form der Eigenwerbung des Verlages für die
  161. Zeitschrift erkennt und sie daher anders beurteilt als solche Beiträge, die zum
  162. engeren redaktionellen Bereich zählen. Der Leser wird regelmäßig erwarten,
  163. dass ihm attraktive Gewinne präsentiert und diese auch positiv dargestellt werden. Aus diesem Grund ist eine Präsentation der ausgelobten Produkte in der
  164. Regel wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn sie die Grenzen des
  165. Normalen und seriöserweise Üblichen nicht überschreitet (BGH, GRUR 1994,
  166. 821, 822 - Preisrätselgewinnauslobung I). Umgekehrt kann eine Darstellung der
  167. -9-
  168. Preise wettbewerbsrechtlich unzulässig sein, wenn die werbliche Herausstellung
  169. der ausgelobten Produkte deutlich im Vordergrund steht und dabei dem Verkehr
  170. der Eindruck vermittelt wird, die Redaktion habe in einem objektiven Auswahlverfahren ein nicht nur als Preis attraktives, sondern wegen seiner Eigenschaften auch sonst besonders empfehlenswertes Produkt ausgesucht (BGH, GRUR
  171. 1996, 804, 806 - Preisrätselgewinnauslobung III, mwN; kritisch dazu Köhler in
  172. Köhler/Bornkamm aaO § 4 Rn. 3.26; Frank in Harte/Henning, UWG, 2. Aufl., § 4
  173. Rn. 44; Hoeren in Fezer, UWG, 2. Aufl., § 4-3 Rn. 40).
  174. 18
  175. cc) Das Berufungsgericht hat die Besonderheit des vorliegenden Falls bei
  176. der Ermittlung der maßgeblichen Verkehrserwartung nicht hinreichend beachtet.
  177. Der dargestellte großzügigere Maßstab bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung redaktioneller Gewinnspiele kommt dann nicht zum Tragen, wenn - wie
  178. vorliegend - die Werbung für das ausgelobte Produkt selbst Teil des redaktionell verantworteten Gewinnspiels ist und dieses zudem mit Elementen redaktioneller Berichterstattung angereichert ist, so dass werbliche und redaktionelle
  179. Ebenen ineinander übergehen und der Leser zwischen diesen Ebenen nicht
  180. mehr unterscheiden kann.
  181. 19
  182. In solchen Fällen mag der Verkehr zwar ohne weiteres erkennen, dass
  183. ein Gewinnspiel im redaktionellen Teil einer Zeitschrift (auch) der Eigenwerbung
  184. dient, weil die Unterhaltung ebenso wie die Gewinnchance einen Anreiz für den
  185. Kauf der Zeitschrift bietet (BGH, Urteil vom 7. Juli 1994 - I ZR 162/92, GRUR
  186. 1994, 823, 824 = WRP 1994, 816 - Preisrätselgewinnauslobung II). Doch der
  187. Verkehr stellt dabei nicht von vornherein in Rechnung, dass die in redaktioneller
  188. Form dargebotene und mit sachlichen Informationen angereicherte Unterhaltung der Förderung des Wettbewerbs eines Dritten dient. Vielmehr wird er davon ausgehen, dass dieser Beitrag - auch wenn er unter der Rubrik Preisrätsel
  189. geführt wird - von der Redaktion objektiv und unabhängig von wirtschaftlichen
  190. - 10 -
  191. Interessen Dritter gestaltet worden ist. Jedenfalls insoweit wird er auch den in
  192. diesem Teil des Beitrags enthaltenen Informationen größere Bedeutung und
  193. Beachtung beimessen und ihm auch unkritischer gegenüberstehen als entsprechenden, ohne weiteres als Werbung erkennbaren Angaben des Werbenden
  194. selbst.
  195. 20
  196. dd) Zudem kann entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht
  197. davon ausgegangen werden, dass die Leser einer Zeitschrift, die sich nur zum
  198. Teil aus Anzeigen finanziert, generell davon ausgehen, der Herausgeber sei
  199. auch im Rahmen der redaktionellen Gestaltung von Werbenden abhängig. Eine
  200. solche Verkehrserwartung erweist sich als erfahrungswidrig und kann daher keinen Bestand haben. Solange eine Zeitschrift selbst zwischen redaktionellem
  201. Inhalt und Werbung differenziert, wird der durchschnittlich informierte Leser dem
  202. redaktionellen Teil jedenfalls ein Mindestmaß an Vertrauen im Hinblick auf Objektivität und Neutralität der Beiträge entgegenbringen. Das gilt auch dann, wenn
  203. sich - wie im vorliegenden Fall - im redaktionellen Teil der Zeitschrift allgemeine
  204. Informationen über Gesundheitsthemen neben der Vorstellung von Gesundheits-, Wellness- oder Schönheitsprodukten befinden.
  205. 21
  206. ee) Das Berufungsgericht hat auch zu geringe Anforderungen an die Erkennbarkeit des werblichen Charakters der streitgegenständlichen Veröffentlichung gestellt. Es hat insoweit nicht genügend beachtet, dass es bei der Beurteilung von redaktioneller Werbung am Maßstab des § 4 Nr. 3 UWG nicht allein
  207. darauf ankommt, ob der durchschnittliche Leser erst nach einer - analysierenden
  208. - Lektüre des Beitrags die werbliche Wirkung des Beitrags erkennt. Dies schließt
  209. es nämlich nicht aus, dass der Leser aufgrund der Zuordnung des Beitrags zum
  210. redaktionellen Teil einer Zeitschrift diesem überhaupt erst eine eingehendere
  211. Beachtung schenkt, weil er der irrigen Annahme unterliegt, es handele sich um
  212. eine unabhängige Äußerung der Redaktion. Aus diesem Grund muss für den
  213. - 11 -
  214. Leser bereits auf den ersten Blick und ohne jeden Zweifel erkennbar sein, dass
  215. es sich der Sache nach um Werbung für den Hersteller des ausgelobten Produkts handelt. In diesem Zusammenhang genügt es nicht, dass der Verkehr die
  216. äußerst positive Beschreibung des Produkts erkennt. Er muss vielmehr sofort
  217. und zweifelsfrei erkennen, dass diese Beschreibung der Bewerbung des Produkts dient und nicht von der Redaktion verantwortet wird. Insofern hat das Berufungsgericht, wie die Revision zutreffend rügt, im Streitfall auch nicht berücksichtigt, dass die Beklagte selbst vorgetragen hat, sie habe den Beitrag nicht
  218. redaktionell recherchiert oder aufbereitet.
  219. 22
  220. Vor diesem Hintergrund genügt auch der Hinweis darauf, dass der Hersteller des Produkts die ausgelobten Gewinne kostenlos zur Verfügung gestellt
  221. hat, nicht, um hinreichend deutlich zu machen, dass das gesamte Gewinnspiel
  222. einschließlich der redaktionellen Inhalte der Werbung für das ausgelobte Produkt dient. Es kommt hinzu, dass sich der Hinweis in vergleichsweise kleiner
  223. Schrift erst ganz am Ende des Beitrags innerhalb der Teilnahmebedingungen
  224. befindet. Ein ausreichender Hinweis auf den werblichen Charakter kann auch
  225. nicht daraus entnommen werden, dass es - worauf deutlich hingewiesen wird um ein Preisrätsel geht, bei dem ein Produkt der Marke Braun zu gewinnen ist.
  226. Denn dieser Hinweis lässt zunächst nur erkennen, dass es sich um einen unterhaltenden Beitrag handelt, bei dem Preise zum Zweck der Eigenwerbung ausgelobt werden. Dass es sich um eine Werbung zugunsten des Herstellers des
  227. ausgelobten Produkts handelt, ergibt sich daraus nicht ohne weiteres, zumal
  228. wenn das Preisrätsel unter einer eigenen redaktionellen Rubrik erscheint und
  229. darüber hinaus mit redaktionellen Inhalten angereichert ist, so dass zunächst
  230. der Eindruck entsteht, die Redaktion und nicht der Unternehmer verantworte
  231. den Inhalt des in Rede stehenden Beitrags.
  232. - 12 -
  233. 23
  234. d) Die Beklagte verschleiert mit der angegriffenen Veröffentlichung den
  235. werblichen Charakter des Beitrags. Da sie sich an das allgemeine Publikum
  236. richtet und das Berufungsgericht seine Würdigung auf die allgemeine Lebenserfahrung gestützt hat, kann der Senat selbst abschließend beurteilen, welche
  237. Erwartungen der Verkehr bei der Lektüre des streitgegenständlichen Beitrags
  238. hat und ob der Verkehr den werblichen Charakter des Beitrags hinreichend deutlich erkennen kann (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 2012 - I ZR 104/10, GRUR
  239. 2012, 942 Rn. 18 = WRP 2012, 1094 - Neurologisch/Vaskuläres Zentrum).
  240. 24
  241. Nach den vorstehend dargestellten Grundsätzen geht der durchschnittlich
  242. informierte, situationsadäquat aufmerksame Leser davon aus, die Redaktion
  243. habe in einem objektiven Auswahlverfahren ein als Preis attraktives und wegen
  244. seiner Eigenschaften auch sonst besonders empfehlenswertes Produkt ausgesucht. Aufgrund der Verbindung von redaktioneller Berichterstattung und unterhaltendem Inhalt wird er auch annehmen, dass dieser Beitrag - soweit er sachlich informiert und unterhält - von der Redaktion objektiv und unabhängig von
  245. wirtschaftlichen Interessen Dritter gestaltet worden ist. Insoweit wird der Leser
  246. angesichts des Abdrucks im redaktionellen Teil der Zeitschrift den in diesem Teil
  247. des Beitrags enthaltenen Informationen, einschließlich der besonders lobenden
  248. Produktbeschreibung, größere Bedeutung und Beachtung beimessen und ihm
  249. auch unkritischer gegenüberstehen als entsprechenden, ohne weiteres als Werbung erkennbaren Angaben des Herstellers selbst.
  250. 25
  251. Dieser Verkehrserwartung trägt die Beklagte nicht hinreichend Rechnung,
  252. weil aufgrund des Inhalts und der Gestaltung des Beitrags für den durchschnittlich informierten, verständigen und situationsadäquat aufmerksamen Leser der
  253. werbliche Charakter des Beitrags nicht eindeutig, unmissverständlich und auf
  254. den ersten Blick als solcher hervortritt. Der Umstand, dass der Beitrag eindeutig
  255. als Preisrätsel gekennzeichnet ist und einen Hinweis darauf enthält, dass der
  256. - 13 -
  257. Hersteller der ausgelobten Produkte diese unentgeltlich zur Verfügung gestellt
  258. hat, steht dem nach den vorstehenden Erwägungen nicht entgegen.
  259. 26
  260. e) Die Werbung hat auch wettbewerbliche Relevanz, weil sie geeignet ist,
  261. das Marktverhalten der angesprochenen Verkehrskreise zu beeinflussen. Aufgrund der mangelnden Kennzeichnung als Werbung werden die Leser zunächst
  262. veranlasst, dem Beitrag überhaupt Beachtung zu schenken und sodann den
  263. darin enthaltenen Informationen angesichts des Abdrucks im redaktionellen Teil
  264. eine größere Bedeutung beimessen als einem hinreichend als Werbung gekennzeichneten Beitrag. Aufgrund dieses Beitrags können sich die angesprochenen Leser sodann veranlasst sehen, das Produkt zu erwerben.
  265. 27
  266. 2. Unter diesen Umständen kann offenbleiben, ob die angegriffene Veröffentlichung darüber hinaus gegen Nr. 11 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG oder
  267. gegen § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 10 LPresseG BW verstößt, insbesondere, ob der Beitrag aufgrund der zur Verfügung gestellten Preise als finanziert gilt.
  268. 28
  269. 3. Der Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten folgt in der geltend
  270. gemachten Höhe aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG.
  271. 29
  272. III. Das angegriffene Urteil kann danach keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil keine weiteren tatsächlichen
  273. Feststellungen zu erwarten sind und der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif
  274. ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Das Berufungsurteil ist auf die Revision der Klägerin auf-
  275. - 14 -
  276. zuheben. Die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil ist zurückzuweisen.
  277. 30
  278. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 92 Abs. 1 Satz 1, § 97
  279. Abs. 1, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.
  280. Bornkamm
  281. Pokrant
  282. Koch
  283. Büscher
  284. Löffler
  285. Vorinstanzen:
  286. LG Freiburg, Entscheidung vom 18.08.2010 - 12 O 38/10 OLG Karlsruhe in Freiburg, Entscheidung vom 20.10.2011 - 4 U 160/10 -