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422 lines
26 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. I ZR 177/13
  5. Verkündet am:
  6. 17. November 2014
  7. Führinger
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. BGHZ:
  14. BGHR:
  15. ja
  16. nein
  17. ja
  18. Möbelkatalog
  19. UrhG § 57
  20. a) Die Schutzschranke gemäß § 57 UrhG erfasst auch das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung im
  21. Sinne von § 19a UrhG.
  22. b) Die Prüfung, ob ein Werk gemäß § 57 UrhG unwesentliches Beiwerk neben dem eigentlichen Gegenstand der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe ist, setzt zunächst die Bestimmung dieses Hauptgegenstandes voraus. Wird ein Gemälde zusammen mit zum Verkauf stehenden
  23. Möbeln in einer Fotografie und diese Fotografie im Verkaufskatalog des Möbelherstellers und auf seiner Internetseite abgebildet, ist der Hauptgegenstand im Regelfall nicht der gesamte Möbelkatalog oder der gesamte Internetauftritt des Anbieters, sondern die konkrete Fotografie.
  24. c) Ein Werk ist im Verhältnis zum Hauptgegenstand unwesentlich im Sinne von § 57 UrhG, wenn das
  25. Werk weggelassen oder ausgetauscht werden kann, ohne dass dies dem durchschnittlichen Betrachter
  26. auffällt oder ohne dass die Gesamtwirkung des Hauptgegenstandes in irgendeiner Weise beeinflusst
  27. wird.
  28. d) Darüber hinaus ist ein Werk als unwesentliches Beiwerk im Sinne von § 57 UrhG anzusehen, wenn ihm
  29. nach den Umständen des Einzelfalls keine auch noch so geringfügige inhaltliche Beziehung zum
  30. Hauptgegenstand der Verwertung zuzubilligen ist, sondern es durch seine Zufälligkeit und Beliebigkeit
  31. für diesen ohne jede Bedeutung ist. Eine derart nebensächliche Bedeutung kann dem mitverwerteten
  32. Werk regelmäßig nicht mehr zugewiesen werden, sobald es erkennbar stil- oder stimmungsbildend
  33. oder eine bestimmte Wirkung oder Aussage unterstreichend in das Hauptwerk oder den eigentlichen
  34. Gegenstand der Verwertung einbezogen wird, einen dramaturgischen Zweck erfüllt oder sonst - etwa
  35. für eine Film- oder Theaterszene - charakteristisch ist.
  36. BGH, Urteil vom 17. November 2014 - I ZR 177/13 - OLG Köln
  37. LG Köln
  38. -2-
  39. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  40. vom 17. November 2014 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die
  41. Richter Prof. Dr. Schaffert, Dr. Koch, Dr. Löffler und die Richterin Dr. Schwonke
  42. für Recht erkannt:
  43. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 6. Zivilsenats des
  44. Oberlandesgerichts Köln vom 23. August 2013 aufgehoben.
  45. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
  46. über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  47. Von Rechts wegen
  48. Tatbestand:
  49. 1
  50. Der Kläger ist Urheber des Gemäldes "ohne Titel 2002/08", Mischtechnik
  51. auf Leinwand. Die Beklagte produziert und vertreibt Büromöbel. Im Jahre 2008
  52. kamen die Parteien überein, mehrere Werke des Klägers auszustellen. Dazu
  53. zählte auch das Gemälde "ohne Titel 2002/08", das der Kläger der Beklagten
  54. im August 2008 zu diesem Zweck zur Verfügung stellte.
  55. 2
  56. Nach Rückgabe des Gemäldes bemerkte der Kläger, dass im Katalog der
  57. Beklagten wie nachfolgend wiedergegeben eine Fotografie veröffentlicht wor-
  58. -3-
  59. den war, auf der neben den in der Verkaufsausstellung der Beklagten präsentierten Möbeln auch sein Gemälde zu sehen war.
  60. 3
  61. Diese Fotografie war zudem auf der Internetseite der Beklagten abrufbar.
  62. Ein Hinweis auf den Kläger als Urheber des Gemäldes fehlte jeweils.
  63. 4
  64. Der Kläger sieht in dem Verhalten der Beklagten eine Verletzung seines
  65. Urheberrechts. Auf seine Abmahnung hin hat die Beklagte eine Unterlassungserklärung abgegeben, eine ebenfalls verlangte Auskunftserteilung aber verweigert. Der Kläger hat im Wege der Stufenklage zuletzt beantragt, die Beklagte zu
  66. verurteilen,
  67. -4-
  68. 1. Auskunft zu erteilen über den Zeitraum, währenddessen das nachfolgend wiedergegebene Werk des Klägers ohne Titel 2002/08, Mischtechnik auf Leinwand; Archiv Nr. B_04/099; Maße 220 cm x 190 cm, auf der Website der Beklagten www.w...-bueromoebel.de öffentlich zugänglich gemacht wurde:
  69. 2. Auskunft zu erteilen, an welcher sonstigen Stelle im Internet einschließlich sozialer Netzwerke und/oder offline, etwa in Katalogen, das unter 1. näher beschriebene Werk zugänglich gemacht wurde, und zwar ganz oder teilweise,
  70. selbst oder durch Dritte, jeweils mit dem jeweiligen Veröffentlichungszeitraum.
  71. 5
  72. Der Kläger hat zudem angekündigt, die Beklagte nach erteilter Auskunft
  73. auf Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr in Anspruch zu nehmen.
  74. 6
  75. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat behauptet, die vom
  76. Kläger beanstandete Nutzung des streitbefangenen Werkes sei mit seiner Zustimmung erfolgt. Außerdem stelle die Abbildung des Gemäldes des Klägers in
  77. einer Lichtbildaufnahme der in den Verkaufsräumen ausgestellten Möbel ledig-
  78. -5-
  79. lich unwesentliches Beiwerk der Produktpräsentation dar und sei daher ohne
  80. weiteres zulässig gewesen.
  81. 7
  82. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die
  83. hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen (OLG Köln,
  84. GRUR-RR 2014, 58 = WRP 2013, 1662). Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt der
  85. Kläger die Auskunftsanträge weiter. Hinsichtlich des in der zweiten Stufe geltend gemachten noch unbezifferten Schadensersatzanspruchs begehrt er die
  86. Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
  87. Entscheidungsgründe:
  88. 8
  89. A. Das Berufungsgericht hat die Klage insgesamt als unbegründet angesehen. Es hat angenommen, dem Kläger stehe weder ein Anspruch auf Schadensersatz noch auf Erteilung der zur Bezifferung desselben erforderlichen
  90. Auskünfte zu, da es bereits an einer Verletzung eines Urheberrechts des Klägers fehle.
  91. 9
  92. Das im Katalog und im Internetauftritt der Beklagten abgebildete Gemälde
  93. des Klägers sei als unwesentliches Beiwerk im Sinne von § 57 UrhG anzusehen, so dass seine Vervielfältigung und öffentliche Wiedergabe in diesem Rahmen ohne weiteres zulässig gewesen sei. "Eigentlicher Gegenstand" der Vervielfältigung und öffentlichen Wiedergabe im Sinne von § 57 UrhG, neben dem
  94. das Gemälde des Klägers als unwesentliches Beiwerk anzusehen sei, sei nicht
  95. die einzelne Fotografie, auf der das Werk des Klägers abgebildet sei. Abzustel-
  96. -6-
  97. len sei vielmehr auf den gesamten Möbelkatalog und den vollständigen Internetauftritt der Beklagten. Bei den im Katalog der Beklagten enthaltenen Abbildungen stünden die Möbel der Beklagten, deren Absatz gefördert werden solle,
  98. eindeutig im Vordergrund. Soweit auf den Katalogabbildungen Kunstgegenstände erkennbar seien, seien diese reine Staffage und ohne weiteres austauschbar. Nichts anderes gelte hinsichtlich der - jedenfalls zu einem früheren
  99. Zeitpunkt - in den Internetauftritt der Beklagten eingebundenen Fotografie. Diese sei dort nur als eine von insgesamt sechs Fotografien eingeblendet gewesen. Zudem sei darauf das Gemälde des Klägers nur derart klein und vergröbert wiedergegeben worden, dass Einzelheiten nicht mehr erkennbar gewesen
  100. seien.
  101. 10
  102. B. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision des Klägers hat Erfolg.
  103. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der
  104. Sache an das Berufungsgericht.
  105. 11
  106. I. Der vom Kläger geltend gemachte Auskunftsanspruch kann mit der vom
  107. Berufungsgericht gegebenen Begründung, zugunsten der Beklagten greife die
  108. Schutzschranke des § 57 UrhG ein, nicht verneint werden.
  109. 12
  110. 1. Der aus § 97 UrhG in Verbindung mit § 242 BGB abgeleitete unselbständige Anspruch auf Auskunftserteilung zur Vorbereitung der Berechnung des
  111. Schadensersatzanspruchs setzt voraus, dass der Beklagte widerrechtlich und
  112. schuldhaft ein dem Kläger nach dem Urheberrechtsgesetz zustehendes Recht
  113. verletzt hat, dem Kläger aufgrund dieser Rechtsverletzung ein Schadensersatzanspruch zusteht, zu dessen Berechnung die Auskunft erforderlich ist und der
  114. Kläger in entschuldbarer Weise über den Umfang des Anspruchs im Unklaren
  115. ist, während der Beklagte unschwer Auskunft erteilen kann (vgl. BGH, Urteil
  116. -7-
  117. vom 16. August 2012 - I ZR 96/09, ZUM 2013, 406 Rn. 15 - Einzelbild; Urteil
  118. vom 24. September 2014 - I ZR 35/11, GRUR 2015, 264 Rn. 28 = WRP 2015,
  119. 347 - Hi Hotel II).
  120. 13
  121. Mangels abweichender Feststellungen des Berufungsgerichts ist für die
  122. revisionsrechtliche Prüfung davon auszugehen, dass das vom Kläger geschaffene Gemälde "ohne Titel 2002/08" gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG als Werk der
  123. bildenden Kunst urheberrechtlichen Schutz genießt und die Beklagte durch die
  124. Abbildung des Gemäldes im Katalog und auf der Internetseite - vorbehaltlich
  125. des Eingreifens einer Bestimmung über die Schranken des Urheberrechts - widerrechtlich und schuldhaft in das ausschließliche Recht des Klägers zur Vervielfältigung (§ 15 Abs. 1 Nr. 1, § 16 UrhG) und der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 15 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, § 19a UrhG) eingegriffen hat. Für die Revisionsinstanz ist ferner aus dem gleichen Grund zu unterstellen, dass auch die
  126. weiteren Voraussetzungen eines aus § 242 BGB abgeleiteten unselbständigen
  127. Auskunftsanspruchs gegeben sind.
  128. 14
  129. 2. Nicht frei von Rechtsfehlern ist die Annahme des Berufungsgerichts,
  130. dem geltend gemachten Auskunftsanspruch des Klägers stehe die Schutzschranke des § 57 UrhG entgegen.
  131. 15
  132. a) Nach § 57 UrhG ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche
  133. Wiedergabe von Werken zulässig, wenn sie als unwesentliches Beiwerk neben
  134. dem eigentlichen Gegenstand der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe anzusehen sind. Die Bestimmung erfasst auch das Recht der
  135. öffentlichen Zugänglichmachung im Sinne von § 19a UrhG (Vogel in Schricker/
  136. Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl., § 57 UrhG Rn. 2; Dreier in Dreier/Schulze,
  137. -8-
  138. UrhG, 4. Aufl., § 57 Rn. 1; Grübler in Möhring/Nicolini, Urheberrecht, 3. Aufl.,
  139. § 57 UrhG Rn. 4).
  140. 16
  141. b) Die Prüfung, ob ein Werk unwesentliches Beiwerk neben dem eigentlichen Gegenstand der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe ist, setzt zunächst die Bestimmung dieses Hauptgegenstands voraus. Davon
  142. ist zutreffend auch das Berufungsgericht ausgegangen. Die Revision rügt allerdings mit Erfolg, dass die vom Berufungsgericht insoweit vorgenommene Beurteilung der rechtlichen Nachprüfung nicht standhält.
  143. 17
  144. aa) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass Gegenstand der
  145. Prüfung der Schutzschranke des § 57 UrhG nicht die beanstandete Fotografie
  146. ist, sondern der vollständige Katalog der Beklagten und der gesamte Inhalt ihrer
  147. Internetseite. Auf dieser Grundlage hat es angenommen, das Gemälde des
  148. Klägers sei auf der beanstandeten Fotografie im Gesamtzusammenhang des
  149. Katalogs der Beklagten als unwesentliches Beiwerk im Sinne des § 57 UrhG
  150. anzusehen. Deshalb sei es unerheblich, dass das Gemälde auf der beanstandeten Fotografie, wenn diese für sich betrachtet werde, einen deutlichen kontrastierenden Farbakzent setze. Dies führe nicht dazu, dass das Gemälde im
  151. Gesamtzusammenhang des Katalogs besonders hervortrete. Auch auf der Internetseite der Beklagten trete das Gemälde nicht in den Vordergrund. Es handele sich nur um eines in einer Reihe von insgesamt sechs Fotos, das sogar in
  152. einem etwas kleineren Format wiedergegeben sei als die anderen Abbildungen.
  153. Jedenfalls in dem vom Kläger vorgelegten Ausdruck werde dabei das Gemälde
  154. des Klägers so klein und vergröbert wiedergegeben, dass Einzelheiten nicht
  155. mehr erkennbar seien.
  156. -9-
  157. 18
  158. bb) Diese Beurteilung ist nicht frei von Rechtsfehlern. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts ist im Streitfall bei der Prüfung der Frage, ob das
  159. Gemälde des Klägers im Katalog und im Internetauftritt der Beklagten als unwesentliches Beiwerk im Sinne von § 57 UrhG anzusehen ist, nicht auf den gesamten Katalog oder den gesamten Internetauftritt der Beklagten als eigentlichen Gegenstand der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe im Sinne von § 57 UrhG abzustellen.
  160. 19
  161. (1) Die vom Berufungsgericht vertretene extensive Bestimmung des eigentlichen Gegenstands der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen
  162. Wiedergabe führt dazu, dass der Schutz eines urheberrechtlich geschützten
  163. Werkes umso geringer wird, je umfangreicher der vom potentiellen Verletzer
  164. gewählte Veröffentlichungskontext ist. Dies steht im Widerspruch zu dem
  165. Grundsatz, dass die Bestimmung des § 57 UrhG wie alle gesetzlichen Schranken des Urheberrechts gemäß §§ 44a ff. UrhG generell in dem Sinne eng auszulegen ist, dass der Urheber an der wirtschaftlichen Nutzung seiner Werke
  166. tunlichst angemessen zu beteiligen ist und die ihm hinsichtlich der Werkverwertung zustehenden Ausschließlichkeitsrechte daher nicht übermäßig beschränkt
  167. werden dürfen (BGH, Urteil vom 24. Januar 2002 - I ZR 102/99, BGHZ 150, 6, 8
  168. - Verhüllter Reichstag; Urteil vom 29. April 2010 - I ZR 69/08, BGHZ 185, 291
  169. Rn. 27 - Vorschaubilder I; Urteil vom 30. November 2011 - I ZR 212/10, GRUR
  170. 2012, 819 Rn. 28 = WRP 2012, 1418 - Blühende Landschaften; Dreier in
  171. Dreier/Schulze aaO § 57 Rn. 2; Obergfell in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 3. Aufl., § 57 UrhG Rn. 1; Kirchmaier in Mestmäcker/Schulze, Urheberrecht, Stand Juni 2004, § 57 UrhG Rn. 1;
  172. Nordemann-Schiffel in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 11. Aufl., § 57 UrhG
  173. Rn. 2).
  174. - 10 -
  175. 20
  176. Das Erfordernis einer in diesem Sinne engen Auslegung ergibt sich auch
  177. aus dem Gebot der unionsrechtskonformen Auslegung. Die Reichweite der
  178. Schrankenregelung des § 57 UrhG ist mit Blick auf Art. 5 Abs. 3 Buchst. i der
  179. Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft zu bestimmen. Danach können die Mitgliedstaaten eine Schrankenregelung für die
  180. beiläufige Einbeziehung eines Werkes oder sonstigen Schutzgegenstands in
  181. anderes Material vorsehen. Nach Erwägungsgrund 44 dürfen Ausnahmen und
  182. Beschränkungen im Sinne der Richtlinie nicht auf eine Weise angewandt werden, in der die berechtigten Interessen der Rechtsinhaber verletzt werden oder
  183. die normale Verwertung ihrer Werke oder sonstiger Schutzgegenstände beeinträchtigt wird. Dementsprechend geht auch der Gerichtshof der Europäischen
  184. Union davon aus, dass Ausnahmeregelungen, die von den dem Urheber in der
  185. Richtlinie 2001/29/EG allgemein vorbehaltenen Verbietungsrechten abweichen,
  186. eng auszulegen sind (EuGH, Urteil vom 16. Juli 2009 - C-5/08, Slg. 2009,
  187. I-6569 = GRUR 2009, 1041 Rn. 56 - Infopaq International/Danske Dagblades
  188. Forening).
  189. 21
  190. (2) Das Berufungsgericht berücksichtigt bei seiner Beurteilung zudem
  191. nicht hinreichend, dass die Frage, ob ein urheberrechtlich geschütztes Werk
  192. gemäß § 57 UrhG lediglich als unwesentliches Beiwerk in Bezug auf den eigentlichen Nutzungsgegenstand anzusehen ist, unter Berücksichtigung aller
  193. Umstände des Einzelfalles aus der Sicht eines objektiven Durchschnittsbetrachters zu beantworten ist (vgl. Dreier in Dreier/Schulze aaO § 57 Rn. 3; Lüft in
  194. Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 4. Aufl., § 57 UrhG Rn. 2; Grübler in Möhring/Nicolini aaO § 57 UrhG Rn. 7; Nordemann-Schiffel in Fromm/Nordemann
  195. aaO § 57 UrhG Rn. 3; Obergfell in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO § 57 UrhG
  196. - 11 -
  197. Rn. 2; Vogel in Schricker/Loewenheim aaO § 57 UrhG Rn. 8 ff.; Dreyer in Dreyer/Kotthoff/Meckel, Urheberrecht, 3. Aufl., § 57 UrhG Rn. 4; Kirchmaier in
  198. Mestmäcker/Schulze aaO § 57 UrhG Rn. 9).
  199. 22
  200. Daraus ergibt sich, dass für die Qualifizierung eines Werkes als unwesentliches Beiwerk im Sinne von § 57 UrhG der Äußerungszusammenhang maßgeblich ist, der vom Durchschnittsbetrachter nach den Umständen unschwer als
  201. Ganzes wahrgenommen und beurteilt werden kann. Dabei sind die Besonderheiten des Mediums zu berücksichtigen, in dem das urheberrechtlich geschützte Werk benutzt wird (vgl. Dreier in Dreier/Schulze aaO § 57 Rn. 2; Vogel in
  202. Schricker/Loewenheim aaO § 57 UrhG Rn. 9; Grübler in Möhring/Nicolini aaO
  203. § 57 UrhG Rn. 6; Hahn/Glückstein, ZUM 2014, 380, 385; Maaßen, ZUM 2003,
  204. 830, 837 f.). Da die Bewertung als unwesentliches Beiwerk im Sinne von § 57
  205. UrhG die Beurteilung des inhaltlichen Zusammenhangs zwischen dem Werk
  206. und dem Hauptgegenstand voraussetzt (vgl. OLG München, ZUM-RD 2008,
  207. 554; Vogel in Schricker/Loewenheim aaO § 57 UrhG Rn. 6; Dreier in Dreier/
  208. Schulze aaO § 57 Rn. 3; Obergfell in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO § 57 UrhG
  209. Rn. 2; Hahn/Glückstein, ZUM 2014, 380, 385), hängt der Umfang des Gegenstands einer einheitlichen Beurteilung des Durchschnittsbetrachters außerdem
  210. davon ab, ob und inwieweit im Einzelfall inhaltliche Bezüge den Aussagegehalt
  211. des Gegenstands der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe bestimmen.
  212. 23
  213. (3) Aus diesen Grundsätzen folgt, dass im Streitfall weder auf den gesamten Katalog noch den gesamten Internetauftritt der Beklagten abzustellen ist.
  214. Prüfungsgegenstand ist vielmehr die vom Kläger beanstandete konkrete Fotografie sowie der sich aus dem Kontext der Veröffentlichung ergebende Um-
  215. - 12 -
  216. stand, dass die Beklagte auf diesem Foto zu Werbezwecken einige von ihr vertriebene Möbelstücke in bestimmter Weise arrangiert hat, um dem Kunden so
  217. eine mögliche Verwendungssituation und die sich daraus ergebende ästhetische Wirkung dieser Möbel vor Augen zu führen. Hierdurch wird der eigentliche
  218. Gegenstand der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe auf
  219. die konkrete Fotografie und die einzelne Abbildung der Internetseite beschränkt.
  220. 24
  221. c) Mit Erfolg macht die Revision ferner geltend, das Berufungsgericht habe
  222. seiner Beurteilung des Merkmals des unwesentlichen Beiwerks im Sinne von
  223. § 57 UrhG unzutreffende Maßstäbe zugrunde gelegt.
  224. 25
  225. aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, die primäre Aufgabe des Katalogs sei die Förderung des Absatzes der Möbel der Beklagten. Die Möbel
  226. stünden in den Abbildungen des Katalogs eindeutig im Vordergrund. Soweit auf
  227. den Katalogabbildungen Kunstgegenstände erschienen, seien diese reine Staffage. Auch bei der Verwendung des Fotos auf der Internetseite trete das Gemälde des Klägers nicht in den Vordergrund. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
  228. 26
  229. (1) Für die Bejahung der Schutzschranke des § 57 UrhG reicht es nicht
  230. aus, dass das urheberrechtlich geschützte Werk aus Sicht des objektiven Betrachters in Bezug auf den Hauptgegenstand der Verwertung im Hintergrund
  231. steht. Nach dem Wortlaut der Schrankenbestimmung ist vielmehr weitergehend
  232. erforderlich, dass das Werk im Verhältnis zum Hauptgegenstand der Wiedergabe unwesentlich ist.
  233. - 13 -
  234. 27
  235. Von einer Unwesentlichkeit in diesem Sinn ist auszugehen, wenn das
  236. Werk weggelassen oder ausgetauscht werden könnte, ohne dass dies dem
  237. durchschnittlichen Betrachter auffiele (vgl. Nordemann-Schiffel in Fromm/
  238. Nordemann aaO § 57 UrhG Rn. 2; Dreier in Dreier/Schulze aaO § 57 Rn. 2;
  239. Vogel in Schricker/Loewenheim aaO § 57 UrhG Rn. 8; Lüft in Wandtke/Bullinger
  240. aaO § 57 UrhG Rn. 2; Loewenheim/Götting, Handbuch des Urheberrechts,
  241. 2. Aufl., § 31 Rn. 229) oder ohne dass die Gesamtwirkung des Hauptgegenstandes in irgendeiner Weise beeinflusst wird (OLG München, ZUM-RD 2008,
  242. 554; Loewenheim/Götting aaO § 31 Rn. 229; Lüft in Wandtke/Bullinger aaO
  243. § 57 UrhG Rn. 2; Obergfell in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO § 57 UrhG Rn. 2;
  244. krit. Dreier in Dreier/Schulze aaO § 57 Rn. 2). Aber auch ein bei der Betrachtung des Hauptgegenstands der Verwertung vom Betrachter als solches tatsächlich wahrgenommenes Werk kann als unwesentliches Beiwerk anzusehen
  245. sein, wenn ihm nach den Umständen des Einzelfalls keine noch so geringfügige
  246. inhaltliche Beziehung zum Hauptgegenstand der Verwertung zuzubilligen ist,
  247. sondern es durch seine Zufälligkeit und Beliebigkeit für diesen ohne jede Bedeutung ist (vgl. Dreier in Dreier/Schulze aaO § 57 Rn. 2; Nordemann-Schiffel
  248. in Fromm/Nordemann aaO § 57 UrhG Rn. 2; Vogel in Schricker/Loewenheim
  249. aaO § 57 UrhG Rn. 8; Obergfell in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO § 57 UrhG
  250. Rn. 2). Hierzu reicht eine bloß untergeordnete Beziehung nicht aus. Bei der gebotenen engen Auslegung der Schrankenbestimmung ist unwesentlich im Sinne
  251. von § 57 UrhG vielmehr nur ein Werk, das neben dem Gegenstand der eigentlichen Verwertung selbst eine geringe oder nebensächliche Bedeutung nicht erreicht (Vogel in Schricker/Loewenheim aaO § 57 UrhG Rn. 7; Grübler in
  252. Möhring/Nicolini aaO § 57 UrhG Rn. 6). Eine derart untergeordnete Bedeutung
  253. kann dem mitverwerteten Werk regelmäßig nicht mehr zugewiesen werden, sobald es erkennbar stil- oder stimmungsbildend (Obergfell in Büscher/Dittmer/
  254. - 14 -
  255. Schiwy aaO § 57 UrhG Rn. 2) oder eine bestimmte Wirkung oder Aussage unterstreichend (Dreyer in Dreyer/Kotthoff/Meckel aaO § 57 UrhG Rn. 4) in den
  256. eigentlichen Gegenstand der Verwertung einbezogen wird, einen dramaturgischen Zweck erfüllt (Grübler in Möhring/Nicolini aaO § 57 UrhG Rn. 6) oder
  257. sonst charakteristisch ist (Vogel in Schricker/Loewenheim aaO § 57 UrhG
  258. Rn. 7 f.).
  259. 28
  260. (2) Nach diesen Maßstäben kann auf der Grundlage der im Streit getroffenen Feststellungen nicht angenommen werden, das Gemälde des Klägers sei
  261. auf der maßgeblichen Fotografie im Verhältnis zu den ebenfalls abgebildeten
  262. Möbelstücken lediglich unwesentliches Beiwerk. Das Berufungsgericht hat festgestellt, das Gemälde des Klägers setze auf der beanstandeten Fotografie einen deutlichen kontrastierenden Farbakzent. Das deckt sich mit den Feststellungen des Landgerichts, das angenommen hat, die verwendeten Grundfarben
  263. (Rot, Gelb und Blau) des Gemäldes des Klägers ließen es im Gegensatz zur
  264. schlichten Dramaturgie der schwarz-weißen Büroelemente der Beklagten als
  265. bunt und heiter erscheinen. Darauf, dass das Landgericht in diesem Zusammenhang eine Harmonie zwischen der schwarz-weißen Bürokombination und
  266. dem bunten Bild des Klägers vermisst hat, kommt es für die Bestimmung der
  267. Unwesentlichkeit nicht an. Daraus ergibt sich, dass dem Werk des Klägers bei
  268. der werblichen Darstellung der Beklagten eine nicht unwesentliche ästhetische
  269. Bedeutung zukommt, indem es einen Kontrast zu den Möbeln bietet und deren
  270. Wirkung auf den Betrachter beeinflusst. Nichts anderes gilt für die Verwendung
  271. der beanstandeten Fotografie im Internet. Auch auf dem vom Berufungsgericht
  272. in Bezug genommenen "Screenshot" ist der festgestellte farbliche Kontrast hinreichend deutlich zu erkennen. Die vom Berufungsgericht in diesem Zusam-
  273. - 15 -
  274. menhang verneinte Erkennbarkeit von Einzelheiten des Gemäldes des Klägers
  275. ist ohne Bedeutung.
  276. 29
  277. bb) Das Berufungsgericht hat bei seiner Prüfung der Unwesentlichkeit im
  278. Sinne des § 57 UrhG ferner den Gesichtspunkt der Austauschbarkeit des im
  279. Rahmen des Hauptgegenstandes verwendeten Werks unzutreffend berücksichtigt.
  280. 30
  281. (1) Das Berufungsgericht hat angenommen, die im Katalog der Beklagten
  282. abgebildeten Kunstgegenstände seien ohne weiteres austauschbare Staffage.
  283. Für ihre Auswahl sei noch nicht einmal die Kunstrichtung maßgeblich. Dies zeige eine weitere Abbildung auf der Katalogseite vor derjenigen mit der beanstandeten Fotografie. Auf dieser würden Möbel derselben Serie zusammen mit
  284. künstlerisch gestalteten Farbfotografien, also Kunstwerken einer völlig anderen
  285. Stilrichtung als das Gemälde des Klägers, präsentiert. Auf einer weiteren Seite
  286. würden diese Möbel sogar im Zusammenhang mit barock gestalteten Elementen (Spiegel und Kristallleuchter) dargestellt. Dies zeige hinreichend deutlich,
  287. dass die auf den Bildern abgebildeten Kunstgegenstände untereinander austauschbar seien. Aus der Sicht des Möbelinteressenten, an den sich der Katalog richte, stellten die abgebildeten Kunstgenstände deshalb zufällige Gestaltungselemente dar, die für ihn ohne Bedeutung seien. Dieser Beurteilung kann
  288. nicht zugestimmt werden.
  289. 31
  290. (2) Das Kriterium der Austauschbarkeit ist allerdings insoweit für die Prüfung der Schutzschranke des § 57 UrhG von Bedeutung, als es für die Annahme der Unwesentlichkeit des Werkes spricht, wenn der durchschnittliche Betrachter des Hauptgegenstandes dieses schon nicht wahrnimmt, weil es beliebig ausgetauscht oder ganz weggelassen werden kann (vgl. Dreier in Dreier/
  291. - 16 -
  292. Schulze aaO § 57 Rn. 2; Vogel in Schricker/Loewenheim aaO § 57 UrhG Rn. 8,
  293. Lüft in Wandtke/Bullinger aaO § 57 UrhG Rn. 2; Loewenheim/Götting aaO § 31
  294. Rn. 229; Nordemann-Schiffel in Fromm/Nordemann aaO § 57 UrhG Rn. 2).
  295. Wird das Beiwerk jedoch - wovon auch das Berufungsgericht der Sache nach
  296. ausgegangen ist - vom Betrachter als zum Gesamtkonzept gehörig wahrgenommen, kommt es auf den Gesichtspunkt der (ästhetischen oder stilistischen)
  297. Austauschbarkeit eines urheberrechtlich geschützten Werkes mit einem anderen - ggf. ebenfalls urheberrechtlich geschützten - Werk nicht mehr an.
  298. 32
  299. II. Im Streitfall ist keine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union veranlasst. Nach den vorstehenden Ausführungen bestehen hinsichtlich der
  300. Auslegung der in Rede stehenden Bestimmung der Richtlinie 2001/29/EG keine
  301. vernünftigen Zweifel (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - 283/81, Slg.
  302. 1982, 3415 = NJW 1983, 1257, 1258 - C.I.L.F.I.T.).
  303. 33
  304. III. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Dies gilt
  305. auch, soweit das Berufungsgericht die Berufung des Klägers im Hinblick auf
  306. den in zweiter Stufe geltend gemachten Schadensersatzanspruch nach § 97
  307. Abs. 2 UrhG zurückgewiesen hat. Der Senat kann in der Sache nicht selbst
  308. entscheiden, da sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das
  309. Berufungsgericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - bislang
  310. keine Feststellungen zum Vorliegen einer Urheberrechtsverletzung getroffen.
  311. - 17 -
  312. Hierzu rechnet, ob der Kläger - wie von der Beklagten geltend gemacht worden
  313. ist - der beanstandeten Nutzung seines Werkes ohne Namensnennung in Katalog und Internetauftritt zugestimmt hat und es deswegen an einer Widerrechtlichkeit fehlt.
  314. Büscher
  315. Schaffert
  316. RiBGH Dr. Koch befindet sich
  317. im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben.
  318. Büscher
  319. Löffler
  320. Schwonke
  321. Vorinstanzen:
  322. LG Köln, Entscheidung vom 24.01.2013 - 14 O 409/12 OLG Köln, Entscheidung vom 23.08.2013 - 6 U 17/13 -