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27 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. I ZR 164/09
  5. Verkündet am:
  6. 10. Februar 2011
  7. Führinger,
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. BGHZ:
  14. BGHR:
  15. ja
  16. nein
  17. ja
  18. Double-opt-in-Verfahren
  19. UWG § 7 Abs. 2 Nr. 2
  20. a) Die Regelung des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG, wonach Telefonwerbung gegenüber Verbrauchern generell nur nach deren vorheriger ausdrücklicher Einwilligung zulässig ist (sog. "opt-in"), steht mit dem Unionsrecht im Einklang.
  21. b) Für den Nachweis des Einverständnisses ist es erforderlich, dass der Werbende die konkrete Einverständniserklärung jedes einzelnen Verbrauchers
  22. vollständig dokumentiert, was im Fall einer elektronisch übermittelten Einverständniserklärung deren Speicherung und die jederzeitige Möglichkeit eines
  23. Ausdrucks voraussetzt.
  24. c) Durch eine Bestätigungsmail im elektronischen Double-opt-in-Verfahren wird
  25. weder ein Einverständnis des Verbrauchers mit Werbeanrufen belegt, noch
  26. führt sie für sich allein zu einer Beweiserleichterung zugunsten des Werbenden.
  27. d) Will sich der Verbraucher auch nach Bestätigung seiner E-Mail-Adresse im
  28. Double-opt-in-Verfahren darauf berufen, dass er die unter dieser Adresse
  29. abgesandte Einwilligung in E-Mail-Werbung nicht abgegeben hat, trägt er dafür die Darlegungslast.
  30. e) Kann der Verbraucher darlegen, dass die per E-Mail übermittelte Bestätigung
  31. nicht von ihm stammt, war die Werbezusendung auch dann wettbewerbswidrig, wenn die E-Mail-Adresse im Double-opt-in-Verfahren gewonnen wurde
  32. (im Anschluss an BGH, Urteil vom 11. März 2004 - I ZR 81/01, GRUR 2004,
  33. 517 - E-Mail-Werbung I).
  34. BGH, Urteil vom 10. Februar 2011 - I ZR 164/09 - OLG Dresden
  35. LG Dresden
  36. -2-
  37. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. Februar 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
  38. und die Richter Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff und Dr. Koch
  39. für Recht erkannt:
  40. Die Revision gegen das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 22. September 2009 wird zurückgewiesen.
  41. Die Kosten der Revision trägt die Beklagte mit Ausnahme der Kosten der Streithilfe, die die Streithelferin trägt.
  42. Von Rechts wegen
  43. Tatbestand:
  44. 1
  45. Die Klägerin, die Verbraucherzentrale Sa.
  46. e.V., begehrt von der be-
  47. klagten Krankenversicherung Zahlung einer Vertragsstrafe und Unterlassung
  48. wegen unzulässiger Telefonwerbung gegenüber Verbrauchern.
  49. 2
  50. Die Klägerin forderte die beklagte Krankenkasse mit Schreiben vom
  51. 3. April 2003 auf, es strafbewehrt zu unterlassen, Mitglieder anderer Krankenkassen ohne deren ausdrückliches Einverständnis zu Werbezwecken anzurufen. Die Beklagte gab die Unterlassungserklärung unter dem Vorbehalt ab, "so-
  52. -3-
  53. fern für derartige Anrufe kein den Anforderungen der jeweils aktuellen Rechtsprechung zur Telefonwerbung entsprechendes Einverständnis vorliegt". Unter
  54. dem 28. April 2003 erklärte die Klägerin die Annahme der Unterlassungserklärung unter Berücksichtigung ihrer Rechtsausführungen in dem Annahmeschreiben.
  55. 3
  56. Im Rahmen einer Telefonaktion zur Gewinnung neuer Mitglieder für die
  57. Beklagte, die diese durch ein beauftragtes Unternehmen durchführen ließ, wurde im November 2007 auch die Justitiarin der Klägerin, Rechtsanwältin D., angerufen. Nachdem die Beklagte auf die daraufhin erfolgte Abmahnung die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und die Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 5.100 € abgelehnt hatte, hat die Klägerin Zahlungs- und
  58. Unterlassungsklage erhoben.
  59. 4
  60. Nach Rechtshängigkeit hat am 9. September 2008 ein Telefondienstleistungsunternehmen im Auftrag der Beklagten bei Herrn Michael S. angerufen,
  61. um ihn zu einem Versicherungswechsel zur Beklagten zu bewegen.
  62. 5
  63. Die Beklagte hatte die Kontaktdaten von Frau D. und Herrn S. von ihrer
  64. Streithelferin erhalten. Diese erlangt Angaben zu Adresse, E-Mail-Anschrift,
  65. Telefonnummer und Geburtsdatum von Verbrauchern im Rahmen von OnlineGewinnspielen. So konnte auf einem Gewinnspielformular der Internetseite
  66. www.<...>.be
  67. ein
  68. Feld
  69. markiert werden,
  70. dem
  71. die
  72. Formulierung folg-
  73. te:
  74. Ich erkläre mich damit einverstanden, dass meine Angaben für Marketingzwecke verwendet werden dürfen und ich per Post, Telefon, SMS oder E-Mail von
  75. <...>.be oder von Dritten interessante Informationen erhalte.
  76. -4-
  77. 6
  78. Auf
  79. der
  80. Internetseite
  81. www.<...>.com
  82. lautete
  83. die
  84. entsprechende
  85. Formulierung des Gewinnspielformulars:
  86. Ich akzeptiere die AGB und bin damit einverstanden, von S. und deren
  87. Partnern (u.a. A.
  88. ) telefonisch, postalisch und per E-Mail interessante Informationen (zu) erhalten (u.a. Telekommunikation, Energie [Strom/Gas] und
  89. Gesundheit).
  90. 7
  91. Die Klägerin hat beantragt,
  92. die Beklagte zu verurteilen,
  93. 1. an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 10.350 € zuzüglich Zinsen zu zahlen;
  94. 2. es unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu unterlassen, im
  95. geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Verbraucher zu Werbezwecken ohne deren Einverständnis zum Zwecke der Kundenakquise anzurufen.
  96. 8
  97. Die Beklagte hat behauptet, die Einwilligung von Frau D. und Herrn S. in
  98. die Werbeanrufe in einem "Double-opt-in-Verfahren" erhalten zu haben. Frau D.
  99. habe
  100. am
  101. www.<...>.be
  102. 23. November
  103. teilgenommen
  104. 2006
  105. und
  106. an
  107. dem
  108. unter
  109. Gewinnspiel
  110. anderem
  111. ihre
  112. "Wein"
  113. unter
  114. Telefonnum-
  115. mer angegeben. Außerdem habe sie das nicht vorbelegte Feld mit der Einverständniserklärung sowie das Feld "teilnehmen" markiert. Darauf sei ihr unter der
  116. angegebenen Adresse eine E-Mail mit einem Link zur Bestätigung zugegangen,
  117. dass sie sich für das Gewinnspiel eingetragen habe. Frau D. habe diese Bestätigung durch Markieren des Links abgegeben. Bei Herrn S., der am
  118. 22. Dezember 2007 an dem Gewinnspiel "Musica" unter www.<...>.com
  119. teilgenommen habe, verhalte es sich entsprechend.
  120. 9
  121. Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die Berufung
  122. der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Re-
  123. -5-
  124. vision begehrt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage. Die Klägerin
  125. beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
  126. Entscheidungsgründe:
  127. 10
  128. I. Das Berufungsgericht hat die Klage für begründet erachtet, weil die Beklagte ihre Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der erforderlichen Einwilligung der Verbraucher in die Werbeanrufe nicht erfüllt habe. Dazu hat es ausgeführt:
  129. 11
  130. Der Unterlassungsantrag sei ausreichend bestimmt. Die Klägerin habe
  131. hinreichend deutlich gemacht, dass sie sich mit ihrem Unterlassungsbegehren
  132. an der konkreten Verletzungshandlung orientiere.
  133. 12
  134. Das Double-opt-in-Verfahren sei zwar durchaus geeignet, Darlegung und
  135. Nachweis einer Einwilligung in den Empfang von Werbemails zu erleichtern.
  136. Die Beklagte habe aber nicht nachvollziehbar aufgezeigt, dass bei den Angerufenen überhaupt ein wirksames Double-opt-in-Verfahren durchgeführt worden
  137. sei. Die von ihr vorgelegten Unterlagen und angebotenen Beweise ermöglichten
  138. keine Zuordnung einer Einverständniserklärung zu den angerufenen Verbrauchern. Zudem werde beim Double-opt-in-Verfahren nur die Identität von Empfängerkonto und Senderkonto geprüft. Diese Sicherheitssperre erlaube es dem
  139. Inhaber einer E-Mail-Adresse, die Zusendung von Werbemails zu verhindern,
  140. wenn seine Adresse missbräuchlich in einem Formular eingetragen worden sei.
  141. Die Richtigkeit der eingetragenen Telefonnummer werde mit der Bestätigungsmail ("Check-Mail") aber nicht überprüft.
  142. -6-
  143. 13
  144. Unabhängig davon seien die verwendeten formularmäßigen Einverständniserklärungen als Allgemeine Geschäftsbedingungen unzulässig, da sie
  145. gegen das Transparenzgebot verstießen und die Verbraucher unangemessen
  146. benachteiligten.
  147. 14
  148. Zwischen den Parteien sei auch ein vertragsstrafebewehrter Unterlassungsvertrag zustande gekommen. Aufgrund der Telefonanrufe bei Frau D. und
  149. Herrn S. habe die Beklagte zwei Vertragsstrafen verwirkt. Sie habe nach § 278
  150. BGB für das schuldhafte Verhalten ihrer Erfüllungsgehilfen einzustehen.
  151. 15
  152. II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision ist unbegründet. Das
  153. Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Klägerin der geltend
  154. gemachte Unterlassungs- und Zahlungsanspruch gegen die Beklagte aus § 8
  155. Abs. 1 und 3 Nr. 2, § 7 Abs. 1 und 2 Nr. 2 UWG sowie aus dem mit der Beklagten abgeschlossenen Unterlassungsvertrag zusteht.
  156. 16
  157. 1. Der Unterlassungsantrag der gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugten Klägerin und die entsprechende Urteilsformel der angefochtenen Entscheidung sind hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2, § 313 Abs. 1 Nr. 4
  158. ZPO). Diese Frage ist auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfen
  159. (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 2000 - I ZR 28/98, BGHZ 144, 255, 263
  160. - Abgasemissionen; Urteil vom 16. November 2006 - I ZR 191/03, GRUR 2007,
  161. 607 Rn. 15 = WRP 2007, 775 - Telefonwerbung für "Individualverträge").
  162. 17
  163. a) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Verbotsantrag nicht derart undeutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der
  164. Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, dem Vollstreckungsgericht
  165. -7-
  166. überlassen bleibt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2003 - I ZR 259/00,
  167. BGHZ 156, 1, 8 f. - Paperboy; Urteil vom 24. Februar 2005 - I ZR 128/02,
  168. GRUR 2005, 604, 605 = WRP 2005, 739 - Fördermittelberatung; BGH, GRUR
  169. 2007, 607 Rn. 16 - Telefonwerbung für "Individualverträge"). Aus diesem Grund
  170. sind insbesondere Unterlassungsanträge, die lediglich den Wortlaut eines Gesetzes wiederholen, grundsätzlich als zu unbestimmt und damit unzulässig anzusehen (vgl. BGH, Urteil vom 24. November 1999 - I ZR 189/97, GRUR 2000,
  171. 438, 440 = WRP 2000, 389 - Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge;
  172. Urteil vom 12. Juli 2001 - I ZR 261/98, GRUR 2002, 77, 78 = WRP 2002, 85
  173. - Rechenzentrum; BGH, GRUR 2007, 607 Rn. 16 - Telefonwerbung für "Individualverträge"). Abweichendes kann dann gelten, wenn entweder bereits der
  174. gesetzliche Verbotstatbestand selbst entsprechend eindeutig und konkret gefasst oder der Anwendungsbereich einer Rechtsnorm durch eine gefestigte
  175. Auslegung geklärt ist, sowie auch dann, wenn der Kläger hinreichend deutlich
  176. macht, dass er nicht ein Verbot im Umfang des Gesetzeswortlauts beansprucht,
  177. sondern sich mit seinem Unterlassungsbegehren an der konkreten Verletzungshandlung orientiert. Die Bejahung der Bestimmtheit setzt in solchen Fällen allerdings grundsätzlich voraus, dass zwischen den Parteien kein Streit besteht, dass das beanstandete Verhalten das fragliche Tatbestandsmerkmal erfüllt.
  178. 18
  179. b) Der Bundesgerichtshof hat bisher offengelassen, ob der in § 7 Abs. 2
  180. Nr. 2 Altern. 1 UWG geregelte Fall unlauteren Verhaltens schon selbst als hinreichend eindeutig und konkret gefasst angesehen werden kann, um ohne weitere Konkretisierung in den Antrag übernommen zu werden (BGH, GRUR 2007,
  181. 607 Rn. 17 - Telefonwerbung für "Individualverträge"; BGH, Urteil vom
  182. 5. Oktober 2010 - I ZR 46/09, GRUR 2011, 433, Rn. 13 = WRP 2011, 576
  183. - Verbotsantrag bei Telefonwerbung; für eine hinreichende Bestimmtheit der
  184. Norm: OLG Hamm, MMR 2007, 54; Urteil vom 30. Juni 2009 - 4 U 54/09, juris
  185. -8-
  186. Rn. 34; Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., § 12 Rn. 2.40; Mankowski
  187. in Fezer, UWG, 2. Aufl., § 7 Rn. 222). Diese Frage bedarf auch im Streitfall keiner Entscheidung.
  188. 19
  189. Der Unterlassungsantrag der Klägerin lehnt sich zwar mit der Formulierung "Verbraucher zu Werbezwecken ohne deren Einverständnis … anzurufen"
  190. an den Text des § 7 Abs. 2 Nr. 2 Fall 1 UWG 2004 an. Er ist gegenüber dem
  191. Gesetzeswortlaut aber dadurch konkretisiert, dass er mit den Worten "zum
  192. Zwecke der Kundenakquise" auf die beanstandete Verletzungsform Bezug
  193. nimmt, bei der es der Beklagten um die Gewinnung neuer Kunden geht. Die
  194. Klägerin macht geltend, dass sich die angerufenen Verbraucher nicht mit den
  195. Werbeanrufen einverstanden erklärt hätten,
  196. weil sie
  197. an
  198. den
  199. Online-
  200. Gewinnspielen nicht teilgenommen und daher auch keine Bestätigungsmails
  201. erhalten oder abgesandt hätten. Die aus der für die Fassung des Klageantrags
  202. maßgeblichen Sicht der Klägerin charakteristische Verletzungsform ist daher
  203. ein Werbeanruf bei Verbrauchern zur Kundenakquise ohne deren Einverständnis nicht dagegen die Erlangung der Kontaktdaten in einem - jedenfalls für die
  204. Gewinnung von Telefonnummern - von der Klägerin für unzulässig gehaltenen
  205. Double-opt-in-Verfahren. Dementsprechend ist es der Klägerin nicht möglich,
  206. die Verletzungsform durch Aufnahme weiterer Merkmale der Verletzungshandlung in den Klageantrag näher zu konkretisieren. Gegen den Unterlassungsantrag bestehen unter diesen Umständen keine Bedenken.
  207. 20
  208. 2. Auf den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch sind die
  209. zum Zeitpunkt der Entscheidung maßgeblichen Bestimmungen des Gesetzes
  210. gegen den unlauteren Wettbewerb anzuwenden. Der auf Wiederholungsgefahr
  211. gestützte Unterlassungsanspruch besteht allerdings nur, wenn die beanstandete Verhaltensweise auch schon zum Zeitpunkt ihrer Begehung wettbewerbswid-
  212. -9-
  213. rig war (BGH, Urteil vom 29. April 2010 - I ZR 23/08, GRUR 2010, 652 Rn. 10
  214. = WRP 2010, 872 - Costa del Sol).
  215. 21
  216. a) Der Kläger hat sein Unterlassungsbegehren auf nicht erbetene Anrufe
  217. gestützt, die Mitte November 2007 und Anfang September 2008 erfolgten. Zu
  218. diesem Zeitpunkt beurteilte sich die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit von
  219. Werbung gegenüber Verbrauchern durch Telefonate nach § 7 Abs. 2 Nr. 2
  220. Fall 1 UWG in der am 8. Juli 2004 in Kraft getretenen Fassung des Gesetzes
  221. gegen den unlauteren Wettbewerb vom 3. Juli 2004 (UWG 2004). Durch die
  222. UWG-Novelle 2008 wurde § 7 Abs. 2 UWG 2004 dahingehend geändert, dass
  223. die dort aufgeführten Beispielsfälle stets eine unzumutbare Belästigung darstellen. Darüber hinaus wurde das in § 7 Abs. 2 Nr. 2 Fall 1 UWG enthaltene Erfordernis der Einwilligung mit Wirkung am 4. August 2009 durch das Gesetz vom
  224. 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2413) durch das der vorherigen ausdrücklichen Einwilligung ersetzt.
  225. 22
  226. b) Die genannten Gesetzesänderungen wirken sich im Streitfall nicht aus.
  227. Durch die Bestimmung in § 7 Abs. 2 UWG 2008, der zufolge die in dieser Vorschrift aufgeführten Beispielsfälle "stets" eine unzumutbare Belästigung darstellen, wird klargestellt, dass die Bagatellklausel des § 3 UWG nicht anwendbar
  228. ist. Nach der Rechtsprechung des Senats schloss eine unzumutbare Belästigung im Sinne des § 7 Abs. 2 UWG 2004 einen Bagatellverstoß von vornherein
  229. aus (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2010 - I ZR 27/08, GRUR 2010, 939 Rn. 18
  230. = WRP 2010, 1249 - Telefonwerbung nach Unternehmenswechsel). Die mit
  231. Wirkung ab 4. August 2009 eingetretene Gesetzesänderung, wonach nur eine
  232. ausdrückliche Einwilligung ausreicht, ist im Streitfall ohne Belang, weil der Begriff der Einwilligung als solcher keine Änderung erfahren hat und eine konkludente Einwilligung nicht in Rede steht.
  233. - 10 -
  234. 23
  235. 3. Entgegen der Ansicht der Revision steht § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG mit
  236. dem Unionsrecht im Einklang.
  237. 24
  238. a) Art. 13 Abs. 3 der Richtlinie 2002/58/EG (Datenschutzrichtlinie für
  239. elektronische Kommunikation) erlaubt ausdrücklich mitgliedstaatliche Regelungen, nach denen Telefonwerbung ohne Einwilligung des betroffenen Teilnehmers nicht gestattet ist (sog. "opt-in"). Von dieser Regelungsmöglichkeit hat der
  240. deutsche Gesetzgeber Gebrauch gemacht (vgl. Begründung des ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb,
  241. BT-Drucks. 16/1045, S. 29). § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG verstößt auch nicht gegen
  242. die Richtlinie 2005/29/EG (Köhler in Köhler/Bornkamm aaO § 7 Rn. 124;
  243. Mankowski in Fezer aaO § 7 Rn. 25; Seichter/Witzmann, WRP 2007, 699, 701;
  244. Tonner/Reich, VuR 95, 97; aA Bernreuther, WRP 2009, 390, 398; Engels/Brunn, GRUR 2010, 886, 888 ff.).
  245. 25
  246. b) Allerdings wurden die Regeln über unlautere Geschäftspraktiken von
  247. Unternehmen gegenüber Verbrauchern mit der Richtlinie 2005/29/EG auf Gemeinschaftsebene vollständig harmonisiert. Dabei stellt Anhang I der Richtlinie
  248. eine erschöpfende Liste der Geschäftspraktiken auf, die nach ihrem Art. 5
  249. Abs. 5 "unter allen Umständen" als unlauter anzusehen sind. Nur diese Geschäftspraktiken können daher ohne eine Beurteilung des Einzelfalls anhand
  250. der Bestimmungen der Art. 5 bis 9 der Richtlinie 2005/29/EG als unlauter gelten
  251. (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Januar 2010 - C-304/08, GRUR 2010, 244 Rn. 41,
  252. 45 = WRP 2010, 232 - Plus Warenhandelsgesellschaft; Urteil vom 9. November
  253. 2010 - C-540/08, GRUR 2011, 76 Rn. 30, 34 ff. = WRP 2011, 45 - Mediaprint),
  254. weil das Merkmal der Unlauterkeit bereits in ihrem Tatbestand enthalten ist.
  255. Nach dem ersten Satz der Nummer 26 des Anhangs I der Richtlinie ist allein
  256. das hartnäckige und unerwünschte Ansprechen von Kunden über Telefon, Fax,
  257. - 11 -
  258. E-Mail oder sonstige für den Fernabsatz geeignete Medien unter allen Umständen unlauter.
  259. 26
  260. c) Dies gilt gemäß Satz 2 dieser Bestimmung jedoch "unbeschadet des
  261. Artikels 10 der Richtlinie 97/7/EG sowie der Richtlinien 95/46/EG und
  262. 2002/58/EG". Dadurch wird insoweit nicht etwa ein Vorrang der Richtlinie
  263. 2005/29/EG angeordnet (aA Engels/Brunn, GRUR 2010, 886, 888). Die genannten Vorschriften - und damit insbesondere auch Art. 13 Abs. 3 der Richtlinie 2002/58/EG - behalten vielmehr ohne Einschränkung durch die Richtlinie
  264. 2005/29 EG weiterhin Gültigkeit. Diese schon nach dem Wortlaut gebotene
  265. Auslegung wird durch die beiden letzten Sätze des Erwägungsgrunds 14 dieser
  266. Richtlinie bestätigt. Danach sollte die Richtlinie 2005/29/EG
  267. das bestehende Gemeinschaftsrecht unberührt lassen, das den Mitgliedstaaten
  268. ausdrücklich die Wahl zwischen mehreren Regelungsoptionen für den Verbraucherschutz auf dem Gebiet der Geschäftspraktiken lässt. Die vorliegende Richtlinie sollte insbesondere Artikel 13 Absatz 3 der Richtlinie 2002/58/EG … unberührt lassen.
  269. 27
  270. Die Regelung in Nr. 26 des Anhangs I der Richtlinie 2005/29/EG wird bei
  271. weiterer Zulässigkeit der "Opt-in"-Lösung im Recht der Mitgliedstaaten keineswegs überflüssig. Sie behält ihren Anwendungsbereich für die Mitgliedstaaten,
  272. in denen in Anwendung der zweiten Regelungsoption des Art. 13 Abs. 3 der
  273. Richtlinie 2002/58/EG Telefonwerbung nur dann unzulässig ist, wenn sie sich
  274. an Teilnehmer richtet, die ihr widersprochen haben ("Opt-out"-Lösung).
  275. 28
  276. d) Das Auslegungsergebnis einer Fortgeltung des Art. 13 Abs. 3 der
  277. Richtlinie 2002/58/EG ist nach Wortlaut, Systematik und Zweck der maßgeblichen unionsrechtlichen Vorschriften so eindeutig, dass es keiner Vorlage an
  278. den Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung nach Art. 267
  279. AEUV bedarf.
  280. - 12 -
  281. 29
  282. 4. Die Beklagte hat unstreitig bei Frau D. und Herrn S. zu Werbezwecken
  283. anrufen lassen. Das Berufungsgericht ist ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass die dafür erforderliche Einwilligung von diesen Verbrauchern nicht
  284. erteilt worden ist.
  285. 30
  286. a) Für die Einwilligung trägt die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast
  287. (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2004 - I ZR 81/01, GRUR 2004, 517, 519 =
  288. WRP 2004, 731 - E-Mail-Werbung I). Sie muss jeweils konkret in der Person
  289. des Angerufenen vorliegen. Das Berufungsgericht hat deshalb mit Recht angenommen, dass es nicht genügt, dass die Beklagte nach ihrer Darstellung allgemein Werbeanrufe nicht unverlangt durchführen lässt.
  290. 31
  291. Für den Nachweis des Einverständnisses ist es erforderlich, dass der
  292. Werbende die konkrete Einverständniserklärung jedes einzelnen Verbrauchers
  293. vollständig dokumentiert. Im Fall einer elektronisch übermittelten Einverständniserklärung setzt das deren Speicherung und die jederzeitige Möglichkeit voraus, sie auszudrucken. Die Speicherung ist dem Werbenden ohne weiteres
  294. möglich und zumutbar. Verfahren, bei denen unklar ist, ob eine Einverständniserklärung tatsächlich von dem angerufenen Verbraucher stammt, sind für den
  295. erforderlichen Nachweis ungeeignet.
  296. 32
  297. b) Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass Frau D. oder Herr S. überhaupt
  298. an den Online-Gewinnspielen "Wein" bzw. "Musica" teilgenommen haben, bei
  299. denen sie ihr Einverständnis mit Werbeanrufen erklärt haben sollen. Die Vorlage des Ausdrucks eines Online-Gewinnspielformulars ohne Eintragungen und
  300. des an "Frau Mustermann" adressierten Musters einer Bestätigungsmail hat
  301. das Berufungsgericht zutreffend als unergiebig angesehen. Dasselbe gilt für die
  302. Auflistung der angeblich eingetragenen Daten, die auch eine IP-Nummer ent-
  303. - 13 -
  304. hält. Denn weder lässt sich die IP-Nummer den angerufenen Verbrauchern zuordnen, noch ist ersichtlich, dass die übrigen Daten von diesen angegeben
  305. wurden. Insbesondere haben die Beklagte und ihre Streithelferin keinen Ausdruck einer Bestätigungsmail vorgelegt, die unter der E-Mail-Adresse von Frau
  306. D. oder Herrn S. abgesandt wurde. Erst recht ergibt sich aus den von der Beklagten eingereichten Unterlagen nicht, dass sich die beiden Verbraucher durch
  307. Ankreuzen des entsprechenden Feldes in dem Gewinnspielformular mit Telefonwerbung einverstanden erklärt haben.
  308. 33
  309. In diesem Zusammenhang hat das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler
  310. davon abgesehen, den Zeugen C.
  311. R.
  312. zu hören. Die Beklagte konnte
  313. den ihr obliegenden Nachweis des Einverständnisses durch diesen Zeugen
  314. nicht führen. Der Zeuge R.
  315. war allein für die ordnungsgemäße Durchführung
  316. des Double-opt-in-Verfahrens benannt. Konkrete Angaben dazu, ob Frau D.
  317. oder Herr S. überhaupt an den Online-Gewinnspielen "Wein" bzw. "Musica"
  318. teilgenommen und dabei ihr Einverständnis mit Werbeanrufen erklärt haben,
  319. waren dem Zeugen von vornherein nicht möglich. Die Angabe, über welche IPNummer an dem Gewinnspiel teilgenommen wurde, ist dafür unergiebig. Die
  320. Aussage des Zeugen konnte die erforderliche konkrete Dokumentation des Einverständnisses deshalb nicht ersetzen.
  321. 34
  322. c) Unerheblich ist, ob die Beklagte oder die für sie tätigen Dienstleister
  323. überhaupt Angaben über die Zuordnung einer konkreten IP-Nummer zu einem
  324. bestimmten Computer für einen bestimmten Zeitpunkt erhalten können. Ohne
  325. Bedeutung ist auch, dass eine solche Zuordnung jedenfalls nach sechs Monaten nicht mehr möglich ist, weil die entsprechenden Daten nach Ablauf bestimmter Fristen gelöscht werden. Es ist Sache der Beklagten, für eine ausreichende Dokumentation des Einverständnisses von Verbrauchern mit Werbeanrufen Sorge zu tragen. Verwendet sie für Werbeanrufe Adressdaten, für die ein
  326. - 14 -
  327. Einverständnis der Verbraucher nicht oder nicht ausreichend dokumentiert ist,
  328. hat sie die sich daraus ergebenden rechtlichen Folgen zu tragen.
  329. 35
  330. d) Unter diesen Umständen stellt sich von vornherein nicht die von der
  331. Revision aufgeworfene Frage, ob es zu einer Umkehrung der Darlegungs- und
  332. Beweislast oder jedenfalls einer Beweiserleichterung entsprechend den
  333. Grundsätzen der sekundären Darlegungslast führen kann, wenn die Einwilligung eines Verbrauchers in Telefonanrufe zu Werbezwecken in einem Doubleopt-in-Verfahren eingeholt wurde.
  334. 36
  335. 5. Im Übrigen kann ein elektronisch durchgeführtes Double-opt-inVerfahren ein tatsächlich fehlendes Einverständnis von Verbrauchern mit Werbeanrufen nicht ersetzen.
  336. 37
  337. a) Geht ein Teilnahmeantrag elektronisch ein, so kann dessen Absender
  338. durch eine E-Mail um Bestätigung seines Teilnahmewunsches gebeten werden.
  339. Nach Eingang der erbetenen Bestätigung kann angenommen werden, dass der
  340. Antrag tatsächlich von der angegebenen E-Mail-Adresse stammt. Hat der Verbraucher durch Setzen eines Häkchens in dem Teilnahmeformular bestätigt,
  341. dass er mit der Übersendung von Werbung einverstanden ist, ist grundsätzlich
  342. hinreichend dokumentiert, dass er in E-Mail-Werbung an diese E-Mail-Adresse
  343. ausdrücklich eingewilligt hat (vgl. LG Berlin, K & R 2007, 430, 431; LG Essen,
  344. GRUR 2009, 353, 354 mit zustimmender Anmerkung Klinger; LG München I,
  345. K & R 2009, 824). Nach der Rechtsprechung des Senats hat der Werbende mit
  346. einem solchen Verfahren ausreichend sichergestellt, dass es nicht aufgrund
  347. von Falscheingaben zu einer Versendung von E-Mail-Werbung kommt (vgl.
  348. BGH, GRUR 2004, 517, 519 - E-Mail-Werbung I).
  349. - 15 -
  350. 38
  351. Das schließt es aber nicht aus, dass sich der Verbraucher auch nach Bestätigung seiner E-Mail-Adresse im Double-opt-in-Verfahren noch darauf berufen kann, dass er die unter dieser Adresse abgesandte Einwilligung in E-MailWerbung nicht abgegeben hat - etwa mit der Begründung, bei der E-MailAdresse, unter der die Bestätigung versandt worden sei, handele es sich nicht
  352. um die seine; er habe auch keinen Zugang zu dieser Adresse. Dafür trägt er
  353. allerdings die Darlegungslast. Kann der Verbraucher darlegen, dass die Bestätigung nicht von ihm stammt, war die Werbezusendung auch dann wettbewerbswidrig, wenn die E-Mail-Adresse im Double-opt-in-Verfahren gewonnen
  354. wurde.
  355. 39
  356. b) Um die Bedeutung einer Bestätigungsmail im elektronischen Doubleopt-in-Verfahren für das Einverständnis des Verbrauchers mit Werbeanrufen zu
  357. bestimmen, ist demgegenüber zu berücksichtigen, dass kein notwendiger Zusammenhang zwischen der E-Mail-Adresse, unter der der Teilnahmeantrag abgesandt wurde, und der in ihm angegebenen Telefonnummer besteht. So kann
  358. es zahlreiche Gründe dafür geben, dass eine falsche Telefonnummer in ein Online-Teilnahmeformular eingetragen wird. Sie reichen von der versehentlichen
  359. Falscheingabe über den vermeintlich guten Dienst, eine andere Person für ein
  360. Gewinnspiel anzumelden, bis zur Angabe der elterlichen Telefonnummer durch
  361. Minderjährige. Nicht auszuschließen ist ferner die bewusste Falscheingabe in
  362. Belästigungs- und Schädigungsabsicht oder sogar durch den tatsächlichen Inhaber der E-Mail-Adresse, um gerade nicht selbst zu Werbezwecken angerufen
  363. zu werden. Insgesamt liegt eine fehlerhafte Angabe einer Telefonnummer bei
  364. derartigen Online-Formularen keinesfalls fern.
  365. 40
  366. Der durch den Absender elektronisch bestätigte Eingang eines OnlineFormulars mit Angabe einer Telefonnummer reicht unter diesen Umständen als
  367. Nachweis eines Einverständnisses in Werbeanrufe nicht aus. Er kann auch bei
  368. - 16 -
  369. Telefonwerbung, anders als bei E-Mail-Werbung, für sich allein keine Beweiserleichterung zugunsten des Werbenden begründen. Vielmehr trägt der Werbende auch die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Telefonanschluss der
  370. E-Mail-Adresse, unter der die Bestätigung abgesandt wurde, zuzuordnen ist. Ist
  371. das allerdings der Fall, obliegt es wieder dem Verbraucher darzulegen, dass er
  372. dennoch kein Einverständnis mit Werbeanrufen erklärt hat.
  373. 41
  374. Unter Berücksichtigung der vom Gesetzgeber anerkannten besonderen
  375. Lästigkeit der Telefonwerbung für Verbraucher werden die Werbemöglichkeiten
  376. durch diese Anforderungen an ein wirksames Einverständnis nicht unverhältnismäßig eingeschränkt.
  377. 42
  378. 6. Die Annahme des Berufungsgerichts, zwischen den Parteien sei ein
  379. wirksamer vertragsstrafebewehrter Unterlassungsvertrag abgeschlossen worden, lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Die Revision erhebt insoweit auch
  380. keine Rügen.
  381. - 17 -
  382. 43
  383. III. Danach ist die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97
  384. Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
  385. Bornkamm
  386. Büscher
  387. Kirchhoff
  388. Schaffert
  389. Koch
  390. Vorinstanzen:
  391. LG Dresden, Entscheidung vom 08.04.2009 - 42 HKO 42/08 OLG Dresden, Entscheidung vom 22.09.2009 - 14 U 721/09 -