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493 lines
25 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. I ZR 161/04
  5. Verkündet am:
  6. 18. Oktober 2007
  7. Führinger
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. -2-
  13. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. Oktober 2007 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
  14. und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert und
  15. Dr. Kirchhoff
  16. für Recht erkannt:
  17. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 20. Zivilsenats
  18. des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 12. Oktober 2004 aufgehoben.
  19. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
  20. über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  21. Von Rechts wegen
  22. -3-
  23. Tatbestand:
  24. 1
  25. Die Klägerin und die Beklagte zu 1 sind Wettbewerber bei der Herstellung und dem Vertrieb von Decksteinen aus Schiefer für Fassaden- und Dacheindeckungen. Der Beklagte zu 2 war Geschäftsführer der Beklagten zu 1.
  26. Die Klägerin ist Inhaberin der am 21. Juli 1998 angemeldeten und am
  27. 2
  28. 9. Dezember 1998 unter der Nr. 49807218 für "Fassaden- oder Dacheindeckungsplatten" eingetragenen und nachfolgend abgebildeten Geschmacksmuster
  29. F.1 7/98
  30. und
  31. -4-
  32. F.2 7/98
  33. 3
  34. Die Klägerin ist weiter Inhaberin der am 26. August 1998 angemeldeten
  35. und am 5. Januar 1999 unter der Nr. 49808495 für "Fassaden- oder Dacheindeckungsplatten" eingetragenen und nachfolgend abgebildeten Geschmacksmuster
  36. Flos 13.8/98
  37. und
  38. -5-
  39. Flos 16.8/98
  40. 4
  41. Seit Ende 1998/Anfang 1999 vertreibt die Klägerin im Inland mustergemäße Schieferplatten unter der eingetragenen Marke "WARIO".
  42. 5
  43. Es gibt verschiedene Arten, ein Dach mit Schiefer einzudecken, so die
  44. Altdeutsche Deckung, die Schuppenschablonendeckung und die Bogenschnittdeckung, jeweils mit zahlreichen Varianten. Dazu werden unterschiedlich gestaltete Decksteine verwendet. Vor der Anmeldung der Muster der Klägerin gab
  45. es u.a. die sog. Schuppenschablone
  46. (rechte Schuppe)
  47. und die sog. Bogenschnittschablone
  48. -6-
  49. (Bogenschnittschablone rechts)
  50. 6
  51. Bei der Bogenschnittschablone läuft eine der Seitenkanten in einem
  52. asymmetrischen Bogen, dem sog. Bogenschnitt, aus.
  53. 7
  54. Die Schuppenschablone wird seit etwa 1850, die Bogenschnittschablone
  55. seit etwa 1980 (aus Asbestzement seit 1950) verwendet. Bei der Deckung mit
  56. diesen Steinen werden für die Rechtsdeckung und die Linksdeckung unterschiedlich gestaltete Decksteine benötigt und zwar jeweils in einer auf diese
  57. Deckrichtung ausgerichteten Gestaltung. Die mustergemäßen Decksteine können dagegen wegen ihrer symmetrischen Form sowohl für die Rechts- als auch
  58. für die Linksdeckung verwendet werden.
  59. 8
  60. Die Beklagten bringen Schieferplatten, die den Klagegeschmacksmustern ähnlich sind, unter der Bezeichnung "Multiform" in den Verkehr. Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagten dadurch ihre Rechte aus den eingetragenen Geschmacksmustern verletzt und wettbewerbswidrig gehandelt haben. Sie
  61. hat deshalb auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, Vernichtung und Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten geklagt. Vor
  62. dem Landgericht hat die Klägerin zudem Ansprüche wegen Verletzung eines
  63. international registrierten Geschmacksmusters in Spanien geltend gemacht.
  64. -7-
  65. 9
  66. Die Beklagten haben vorgetragen, die eingetragenen Muster seien am
  67. Tag ihrer Anmeldung nicht schutzfähig gewesen, da sie weder neu noch eigentümlich seien. Die von ihnen vertriebenen Decksteine seien zudem von den
  68. Decksteinen der Klägerin nicht nur in optischer, sondern auch in technischer
  69. Hinsicht vollkommen verschieden.
  70. 10
  71. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
  72. 11
  73. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin beantragt,
  74. I.
  75. die Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen,
  76. 1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu unterlassen,
  77. Schieferplatten, die nach Maßgabe nachfolgender Abbildungen
  78. folgende Gestaltungsmerkmale aufweisen:
  79. (1) die Schieferplatte weist im Wesentlichen die Grundform eines
  80. Vierecks auf;
  81. (2) diese Grundform ist als Quadrat (für die Deckung im Rundbogen-Format) oder als Rhombus (für die Deckung im Schablonen-Format) ausgebildet;
  82. (3) eine der Ecken des Vierecks ist mittig als die Rundung eines
  83. kreisförmigen Segments ausgebildet (Eckabrundung);
  84. (4) die Eckabrundung ist symmetrisch zu einer gedachten winkelhalbierenden Diagonalen angeordnet;
  85. a) vorzugsweise für die Schablonen-Deckung
  86. -8-
  87. (aa)
  88. und/oder
  89. (bb)
  90. und/oder
  91. -9-
  92. (cc)
  93. und/oder
  94. b) vorzugsweise für die Rundbogen-Deckung
  95. (aa)
  96. und/oder
  97. - 10 -
  98. (bb)
  99. und/oder
  100. - 11 -
  101. (cc)
  102. in Deutschland herzustellen oder herstellen zu lassen und/oder
  103. die in Deutschland hergestellten Schieferplatten zu bewerben,
  104. anzubieten oder in den Verkehr zu bringen oder bewerben, anbieten oder in den Verkehr bringen zu lassen;
  105. hilfsweise im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in Deutschland zu bewerben, anzubieten oder in den Verkehr zu bringen oder bewerben, anbieten oder in den Verkehr
  106. bringen zu lassen;
  107. - 12 -
  108. 2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagten die vorstehend unter Ziffer I 1 bezeichneten Handlungen seit dem 15. Februar 1999 begangen haben, und zwar unter Angabe
  109. a) der Herstellungsmengen und -zeiten, der in eigenen oder
  110. fremden Räumen gelagerten Mengen sowie - im Falle der Lieferung von Spanien nach Deutschland - der Mengen der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
  111. b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen (und ggf. Typenbezeichnungen, Qualitäten, Größen usw.) sowie den Namen und Anschriften der
  112. gewerblichen Abnehmer,
  113. c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen (und ggf. Typenbezeichnungen, Qualitäten, Größen usw.) sowie den Namen und Anschriften der
  114. Angebotsempfänger,
  115. d) der betriebenen Werbung (einschließlich Bemusterungen),
  116. aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, Auflagen und Stückzahlen
  117. pro Auflage pro Werbeträger, nach Verbreitungszeiten und
  118. Verbreitungsgebieten,
  119. e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten rein
  120. produktbezogenen Gestehungskosten und des erzielten Gewinns;
  121. 3. die im Eigentum oder im (auch mittelbaren) Besitz der Beklagten
  122. befindlichen, vorstehend unter Ziffer I 1 bezeichneten Erzeugnisse an einen von der Klägerin zu beauftragenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung herauszugeben;
  123. II. festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet
  124. sind, der Klägerin allen Schaden zu erstatten, welcher der Klägerin
  125. durch die vorstehend unter Ziffer I 1 bezeichneten, von den Beklagten seit dem 15. Februar 1999 begangenen Handlungen entstanden
  126. ist und/oder künftig noch entstehen wird.
  127. 12
  128. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
  129. - 13 -
  130. 13
  131. Mit ihrer (vom Senat zugelassenen) Revision, deren Zurückweisung die
  132. Beklagten beantragen, verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.
  133. Entscheidungsgründe:
  134. 14
  135. I. Das Berufungsgericht hat die Klage als unbegründet angesehen. Dazu
  136. hat es ausgeführt:
  137. 15
  138. Der Klägerin stünden keine Ansprüche aus Geschmacksmusterrecht zu,
  139. weil ihre Klagegeschmacksmuster nach dem insoweit noch anzuwendenden
  140. Geschmacksmustergesetz in dessen früherer Fassung nicht schutzfähig seien.
  141. Bei der Prüfung der Schutzfähigkeit der Muster sei auf das Erscheinungsbild
  142. der einzelnen Muster, also des einzelnen Decksteins, abzustellen. Es sei bereits fraglich, ob die symmetrische Gestaltungsform der Muster im Anmeldezeitpunkt neu gewesen sei. Jedenfalls fehle es den Mustern an der erforderlichen Eigentümlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 2 GeschmMG a.F. Die symmetrische Form der Decksteine habe gestalterisch auf der Hand gelegen. Die althergebrachten Decksteine wiesen traditionell und grundsätzlich asymmetrische
  143. Krümmungen auf, die seitlich ausgebildet seien und sich je nach Deckrichtung
  144. an der linken oder rechten Längsseite des Decksteins befänden. Dieser Bogenschnitt führe bei den einzelnen Decksteinen zu wenig ansprechenden, "gequält"
  145. wirkenden Formen, bei denen schon die zeichnerische Darstellung kompliziert
  146. sei. Das traditionelle Vorherrschen dieser in Bezug auf den einzelnen Stein ästhetisch unbefriedigenden Formen lasse sich nur dadurch erklären, dass sie als
  147. technisch notwendig angesehen worden seien, um bestimmte Verlegeergebnisse zu erreichen. Technische Erfordernisse, die sich etwa aus den Besonderheiten des Schiefergesteins ergeben haben könnten, seien aber jedenfalls seit
  148. - 14 -
  149. langem entfallen. Die herkömmlichen Gestaltungen provozierten geradezu die
  150. Frage, weshalb nicht einfach symmetrische Formen wie Quadrat oder Rhombus
  151. mit jeweils einer abgerundeten Ecke verwendet würden, wie sie die Klägerin
  152. "erfunden" haben wolle. Das gelte umso mehr, wenn ein symmetrischer Deckstein auch große technische Vorteile habe, weil er sich sowohl für die Linksdeckung als auch für die Rechtsdeckung und die Deckung "nach unten" eigne. Die
  153. R.
  154. KG,
  155. die
  156. Marktführerin
  157. sei,
  158. habe
  159. zudem
  160. schon im Jahr 1986 Schieferdecksteine in Form sog. Rechteck-Schablonen angeboten. Der gestalterische Schritt von einem solchen Rechteck zum Quadrat
  161. als Sonderform des Rechtecks wie bei den Klagegeschmacksmustern sei außerordentlich gering, zumal wenn dadurch auch technische Vorteile erzielt werden könnten. Der angegriffene "Multiform"-Stein entspreche zudem in seiner
  162. Gestaltung einem im Verhältnis zu den Klagegeschmacksmustern prioritätsjüngeren Gebrauchsmuster. Habe aber für die symmetrische Gestaltung der Decksteine wegen ihrer technischen Vorzüge ein technisches Schutzrecht erlangt
  163. werden können, dann liege sie auch aus technischen Gründen ausgesprochen
  164. nahe.
  165. 16
  166. Die Klägerin könne ihre Klage auch nicht auf Ansprüche aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz stützen.
  167. 17
  168. II. Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des Berufungsurteils
  169. und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Klagegeschmacksmuster nicht schutzfähig seien.
  170. 18
  171. 1. Die Schutzfähigkeit von Geschmacksmustern, die wie die Klagegeschmacksmuster vor dem 28. Oktober 2001 eingetragen worden sind, beurteilt
  172. sich noch nach dem Geschmacksmustergesetz in seiner vor dem Inkrafttreten
  173. - 15 -
  174. des Geschmacksmusterreformgesetzes vom 12. März 2004 (BGBl. I S. 390) am
  175. 1. Juni 2004 geltenden Fassung (§ 66 Abs. 2 Satz 1 GeschmMG; vgl. BGH, Urt.
  176. v. 24.3.2005 - I ZR 131/02, GRUR 2005, 600, 603 = WRP 2005, 878 - Handtuchklemmen).
  177. 19
  178. 2. Gegenstand der eingetragenen Muster der Klägerin ist jeweils die
  179. Gestaltung einzelner Decksteine als Fassaden- oder Dacheindeckungsplatten.
  180. Diese Gestaltungen sind geschmacksmusterfähig im Sinne des § 1 GeschmMG
  181. a.F., da sie sich auf selbständig verkehrsfähige Erzeugnisse beziehen, die bestimmt und geeignet sind, auf den Formen- und Farbensinn des Betrachters zu
  182. wirken (vgl. BGH, Urt. v. 16.10.1986 - I ZR 6/85, GRUR 1987, 518, 519 - Kotflügel). Die betreffenden Erzeugnisse sind nicht Zwischenfabrikate, sondern
  183. Endprodukte, die gerade auch im Hinblick auf ihre besondere Gestaltung erworben werden und im Verlegeverbund mit anderen in verschiedener Weise
  184. verwendet werden können. Der Umstand, dass die Fassaden- oder Dacheindeckungsplatten nicht bereits für sich allein auf den Geschmackssinn wirken, sondern ihre eigene ästhetische Wirkung in einem Verlegeverbund entfalten sollen,
  185. steht der Musterfähigkeit nicht entgegen (vgl. dazu auch BGH GRUR 1987,
  186. 518, 519 - Kotflügel; Eichmann in Eichmann/v. Falckenstein, Geschmacksmustergesetz, 2. Aufl. 1997, § 1 Rdn. 12).
  187. 20
  188. 3. Die Schutzfähigkeit der Muster ist allein danach zu beurteilen, welchen
  189. ästhetischen Gehalt die hinterlegten Abbildungen erkennbar machen (vgl. BGH,
  190. Urt. v. 18.4.1996 - I ZR 160/94, GRUR 1996, 767, 769 - Holzstühle; Eichmann
  191. in Eichmann/v. Falckenstein aaO § 1 Rdn. 20, jeweils m.w.N.). Auf die besonderen Verlegebilder, die durch Verlegung von mustergemäßen Decksteinen als
  192. Fassaden- oder Dacheindeckungsplatten erreicht werden können, kommt es für
  193. die Beurteilung der Schutzfähigkeit der Muster nicht an. Das entstehende Verlegebild hängt zudem nicht nur von der Form des Steins, sondern auch von der
  194. - 16 -
  195. jeweiligen Art der Verlegung ab. Aus dieser ergibt sich auch, ob und gegebenenfalls in welcher Weise Teile der mustergemäßen Decksteine verdeckt werden.
  196. 21
  197. 4. Für die Beurteilung, ob ein Muster neu im Sinne des § 1 Abs. 2
  198. GeschmMG a.F. ist, kommt es entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts
  199. nicht darauf an, ob seine Form als solche - etwa als geometrische Form - schon
  200. vor dem Anmeldezeitpunkt bekannt war. Entscheidend ist vielmehr, ob und welche Gestaltungen gerade auf dem in Rede stehenden Gebiet vorhanden gewesen sind (vgl. BGH, Urt. v. 16.4.1975 - I ZR 16/74, GRUR 1976, 261, 263 - Gemäldewand). Als vorbekannte Formen sind - entgegen der Ansicht der Revision -
  201. auch
  202. die
  203. in
  204. der
  205. Preisliste
  206. der
  207. R.
  208. KG
  209. aus dem Jahr 1986 angebotenen Decksteine für die "Spezial-Wabendeckung"
  210. und die sog. Rechteck-Schablonen zu berücksichtigen. Das Berufungsgericht
  211. ist zu Recht von dem entsprechenden Vorbringen der Beklagten ausgegangen,
  212. weil es unstreitig war (vgl. BGHZ 161, 138, 141 ff.). Diese Gestaltungen weichen aber erheblich von den Gestaltungen der Klagegeschmacksmuster ab.
  213. Die Beklagten haben nicht dargetan, dass jeweils die Kombination sämtlicher
  214. für den Gesamteindruck der Klagegeschmacksmuster bestimmender Gestaltungselemente auf dem Gebiet der Fassaden- und Dacheindeckungsplatten
  215. vorbekannt gewesen ist. Die Rügen der Revisionserwiderung, wonach das Berufungsgericht zu Unrecht vorbekannte Gestaltungen nicht berücksichtigt habe,
  216. hat der Senat geprüft und als nicht durchgreifend erachtet (§ 564 ZPO).
  217. 22
  218. 5. Die eingetragenen Muster haben entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch die erforderliche Eigentümlichkeit.
  219. 23
  220. a) Ein Muster oder Modell ist eigentümlich im Sinne des § 1 Abs. 2
  221. GeschmMG a.F., wenn es in den für die ästhetische Wirkung maßgebenden
  222. - 17 -
  223. Merkmalen als das Ergebnis einer eigenpersönlichen, form- oder farbenschöpferischen Tätigkeit erscheint, die über das Durchschnittskönnen eines Mustergestalters mit der Kenntnis des betreffenden Fachgebiets hinausgeht (vgl. BGH,
  224. Urt. v. 20.5.1974 - I ZR 136/72, GRUR 1975, 81, 83 - Dreifachkombinationsschalter; Urt. v. 21.1.1977 - I ZR 68/75, GRUR 1977, 547, 549 f. - Kettenkerze;
  225. vgl. weiter Eichmann in Eichmann/v. Falckenstein aaO § 1 Rdn. 32; Nirk/Kurtze,
  226. Geschmacksmustergesetz, 2. Aufl., § 1 Rdn. 159). Dabei kommt es nicht darauf
  227. an, ob der Gestaltung ein künstlerischer Wert zugesprochen werden kann (vgl.
  228. BGH, Urt. v. 15.2.2001 - I ZR 333/98, GRUR 2001, 503, 505 = WRP 2001, 946
  229. - Sitz-Liegemöbel).
  230. 24
  231. b) Die Prüfung der Eigentümlichkeit und ihres Grades ist - anders als die
  232. Prüfung der Neuheit - nicht durch einen Einzelvergleich des Klagemusters mit
  233. Entgegenhaltungen vorzunehmen, sondern durch einen Gesamtvergleich mit
  234. den vorbekannten Formgestaltungen (vgl. BGH GRUR 2001, 503, 505 - SitzLiegemöbel, m.w.N.). Nur durch einen solchen Vergleich mit der (gerade) auf
  235. dem betreffenden Gebiet geleisteten formgestalterischen Vorarbeit in ihrer Gesamtheit und in Verbindung mit den zur Verfügung stehenden freien Formen
  236. lässt sich feststellen, ob ein Muster einen schöpferischen Gehalt aufweist, wie
  237. er für den Geschmacksmusterschutz erforderlich ist, und welcher - den Schutzumfang bestimmender - Eigentümlichkeitsgrad erreicht ist (vgl. BGH GRUR
  238. 1996, 767, 769 - Holzstühle, m.w.N.). Der Gesamtvergleich muss ausgehen von
  239. der Feststellung des Gesamteindrucks des Musters und der Gestaltungsmerkmale, auf denen dieser Gesamteindruck beruht.
  240. 25
  241. c) Für die Beurteilung, welchen ästhetischen Gesamteindruck ein Muster
  242. oder Modell macht und durch welche Eigenschaften dieser Gesamteindruck
  243. bestimmt wird, ist die Auffassung des für geschmackliche und ästhetische Fragen aufgeschlossenen und mit ihnen einigermaßen vertrauten Durchschnitts-
  244. - 18 -
  245. betrachters maßgebend (vgl. BGH GRUR 2001, 503, 505 - Sitz-Liegemöbel,
  246. m.w.N.). Für den Vergleich des so ermittelten ästhetischen Gesamteindrucks
  247. des Musters oder Modells mit den vorbekannten Formgestaltungen kommt es
  248. jedoch nicht darauf an, welche Kenntnis ein Durchschnittsbetrachter von dem
  249. bereits vorhandenen Formenschatz besitzt. Entscheidend ist vielmehr - wie bei
  250. der Beurteilung der Frage der Neuheit des Musters oder Modells -, welche
  251. Formgestaltungen bei den inländischen Fachkreisen als bekannt anzusehen
  252. sind; denn von deren Durchschnittskönnen und Durchschnittswissen soll sich
  253. das Muster oder Modell durch seine schöpferische Eigentümlichkeit abheben
  254. (vgl. BGH GRUR 1977, 547, 550 - Kettenkerze).
  255. 26
  256. d) Der Senat kann im Streitfall die Frage der Eigentümlichkeit von sich
  257. aus beurteilen, da die Klagegeschmacksmuster und der (substantiiert) entgegengehaltene Formenschatz zum unstreitigen Sachverhalt gehören (vgl. BGH,
  258. Urt. v. 11.12.1997 - I ZR 134/95, GRUR 1998, 379, 381 = WRP 1998, 406 - Lunette, m.w.N.).
  259. 27
  260. e) Der ästhetische Gesamteindruck der Muster wird maßgeblich durch
  261. das Zusammenspiel von zwei Gestaltungselementen geprägt. Zum einen weisen die Steine die Grundform eines gleichseitigen Vierecks (in Form eines
  262. Rhombus bzw. Quadrats) auf, dessen eine Ecke abgerundet ist (sog. Eckabrundung). Zum anderen bilden diese Eckabrundungen den Ausschnitt eines
  263. Kreisbogens. Die Rundung verläuft dementsprechend symmetrisch zu einer
  264. gedachten eckhalbierenden Diagonalen (sog. symmetrische Eckabrundung).
  265. Die Kombination dieser Elemente verleiht dem Gesamtbild der Decksteine jeweils einen symmetrisch-gleichförmigen und damit harmonischen Eindruck.
  266. 28
  267. f) Der Gesamtvergleich der Muster mit den vorbekannten Decksteingestaltungen ergibt, dass der von Symmetrie geprägte Gesamteindruck der Mus-
  268. - 19 -
  269. ter eigentümlich ist. Die vorbekannten Decksteine weisen jeweils nur einzelne
  270. der Merkmale auf, die für den Gesamteindruck der Muster prägend sind. Sie
  271. haben, soweit sie nicht einfach die Form eines Quadrats oder Rhombus haben,
  272. durchweg gerade kein symmetrisches und zugleich ausgewogenes Erscheinungsbild. Dies gilt nicht nur für herkömmliche Decksteine wie die sog. Bogenschnittschablone, sondern auch für die in der Preisliste der R.
  273. KG aus dem Jahr 1986 angebotenen Decksteine. Die "Spezial-Wabendeckung", der eine quadratische Grundform zugrunde liegt, weist
  274. keine Eckabrundung auf, sondern nur eine "abgeschnittene" Ecke. Die beiden
  275. sog. Rechteck-Schablonen haben zwar (rechts bzw. links) eine Eckabrundung,
  276. aber die Form eines Rechtecks. Ihre Eckabrundung ist dementsprechend nicht
  277. symmetrisch zu einer winkelhalbierenden Diagonale ausgerichtet. Die Rechteck-Schablonen vermitteln daher nicht den symmetrischen und ausgewogenen
  278. Eindruck der Klagegeschmacksmuster.
  279. 29
  280. g) Der Umstand, dass die Gestaltung der Muster mit technischen Vorteilen verbunden ist, hindert nicht, den Mustern Eigentümlichkeit beizumessen.
  281. Die Schutzfähigkeit nach § 1 Abs. 2 GeschmMG a.F. ist nur ausgeschlossen,
  282. soweit es sich um Formgestaltungen handelt, die objektiv ausschließlich technisch bedingt sind. Der Geschmacksmusterfähigkeit steht bei einem Gebrauchszwecken dienenden Erzeugnis nicht entgegen, dass seine Gestaltung
  283. in dem maßgeblichen Merkmal zugleich oder sogar in erster Linie dem Gebrauchszweck dient und ihn fördert, der ästhetische Gehalt demnach in die ihrem Zweck gemäß gestaltete Gebrauchsform eingegangen ist (vgl. BGH, Urt.
  284. v. 1.10.1980 - I ZR 111/78, GRUR 1981, 269, 271 - Haushaltsschneidemaschine II, mit Anm. Gerstenberg; BGH GRUR 2005, 600, 603 - Handtuchklemmen,
  285. m.w.N.).
  286. - 20 -
  287. 30
  288. Die mustergemäßen Decksteine weisen gegenüber Decksteinen mit anderen Formen unstreitig den Vorteil der vielseitigen Verwendbarkeit auf. So
  289. werden z.B. bei der sog. Bogenschnittdeckung für die Rechtsdeckung und die
  290. Linksdeckung eines Daches zwei verschiedene Decksteine benötigt, rechte
  291. Decksteine mit dem Bogenschnitt an der linken Längsseite und linke Decksteine mit dem Bogenschnitt an der rechten Längsseite. Mustergemäße Decksteine
  292. können demgegenüber sowohl für die Rechtsdeckung als auch für die Linksdeckung und die Deckung "nach unten" verwendet werden. Diesen technischen
  293. Vorteil besitzen jedoch neben Decksteinen in der Form eines Quadrats oder
  294. Rhombus unstreitig auch Decksteine für die sog. Wabendeckung. Dies sind
  295. Decksteine mit einer quadratischen Grundform, bei der eine der vier Ecken unter einem Winkel von etwa 45° zu den angrenzenden Kanten abgeschnitten ist.
  296. Die mustergemäßen Decksteine besitzen allerdings den weiteren Vorteil, dass
  297. mit ihnen - wie mit den sog. Bogenschnittformen - ein Verlegebild erreicht werden kann, das sich durch eine geschwungene, "wellige" Linienführung auszeichnet. Dies ist aber kein technischer, sondern ein ästhetischer Vorteil beim
  298. Einsatz der mustergemäßen Decksteine.
  299. 31
  300. h) Aus der Sicht des für geschmackliche und ästhetische Fragen aufgeschlossenen und damit einigermaßen vertrauten Durchschnittsbetrachters weisen die Muster der Klägerin im Vergleich zu den auf dem Gebiet der Fassadenund Dacheindeckungsplatten vorbekannten Formen einen deutlich abweichenden Gesamteindruck auf. Bei nicht nur oberflächlicher Betrachtung fällt im Vergleich zu den vorbekannten Formen der symmetrisch-gleichförmige und damit
  301. harmonische Eindruck auf. Ein Durchschnittsbetrachter ohne Kenntnisse von
  302. dem besonderen Sachgebiet hätte allerdings kaum erkannt, dass diese Formen
  303. für Fassaden- und Dacheindeckungsplatten zur Zeit der Anmeldung ungewöhnlich waren. Dies ist jedoch für die Beurteilung der Eigentümlichkeit ohne Bedeutung, da es dabei - wie oben unter c) dargelegt - nicht auf die Kenntnis des
  304. - 21 -
  305. Durchschnittsbetrachters von dem bereits vorhandenen Formenschatz ankommt.
  306. 32
  307. i) Die Muster der Klägerin haben auch die notwendige Gestaltungshöhe.
  308. Dagegen spricht - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - nicht, dass die
  309. Muster jeweils geometrische Formen verwenden, die als solche vorbekannt waren. Entscheidend ist vielmehr, dass die Gestaltung der Muster für die Verwendung bei Fassaden- und Dacheindeckungsplatten im Gesamtvergleich mit den
  310. vorbekannten Decksteingestaltungen das Durchschnittskönnen eines Mustergestalters auf diesem Gebiet in schutzbegründender Weise übersteigt. Dabei ist
  311. zu berücksichtigen, dass bei der Gestaltung von Decksteinen funktionsbedingt
  312. (u.a. mit Rücksicht auf eine größtmögliche Materialausbeute und die Fachregel
  313. des Dachdeckerhandwerks) ein verhältnismäßig enger Gestaltungsspielraum
  314. besteht. Der Mustergestalter hat durch eine vom Herkömmlichen abweichende
  315. ästhetische Gestaltung der Decksteine die Aufgabe gelöst, mit einem vielseitig
  316. verwendbaren Stein Verlegebilder zu erzielen, die den vorbekannten Deckbildern mit einer "welligen" Linienführung entsprechen.
  317. 33
  318. Die geometrischen Formen der angegriffenen Muster hat deren Gestalter
  319. nicht geschaffen; es handelt sich um vorbekannte Formen. Seine gestalterische
  320. Leistung liegt in der Wahl dieser Formen als sinnvolle Formen von Fassadenund Dacheindeckungsplatten in der Beurteilung, dass auch solche symmetrisch-gleichförmigen Decksteine fachgerecht verlegt werden können. Bei einer
  321. solchen Nutzung schlichter geometrischer Formen dürfen allerdings die Anforderungen an die Gestaltungshöhe nicht zu niedrig angesetzt werden (vgl. dazu
  322. auch BGH GRUR 1975, 81, 83 - Dreifachkombinationsschalter). Im vorliegenden Fall ist jedoch eine gestalterische Leistung gegeben, die das Durchschnittskönnen eines Mustergestalters auf dem betreffenden Gebiet in einem
  323. für den Geschmacksmusterschutz hinreichenden Maß übersteigt, wie bereits
  324. - 22 -
  325. daraus ersichtlich ist, dass die technische Möglichkeit zur mustergemäßen Gestaltung nach den Feststellungen des Berufungsgerichts schon seit den fünfziger
  326. Jahren gegeben war, aber vor den angegriffenen Mustern nicht benutzt worden
  327. ist (vgl. dazu auch Eichmann in Eichmann/v. Falckenstein aaO § 1 Rdn. 44).
  328. Selbst
  329. die
  330. in
  331. der
  332. Preisliste
  333. der
  334. R.
  335. KG
  336. aus
  337. dem Jahr 1986 angebotenen Decksteine für die "Spezial-Wabendeckung" und
  338. die sog. Rechteck-Schablonen hatten keinen Anlass gegeben, Decksteine in
  339. dieser Form zu schaffen.
  340. - 23 -
  341. 34
  342. III. Auf die Revision der Klägerin ist danach das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die
  343. Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht wird nunmehr über die umstrittene Frage, ob der Nachbildungstatbestand gegeben ist, zu entscheiden haben.
  344. Bornkamm
  345. v. Ungern-Sternberg
  346. Schaffert
  347. Büscher
  348. Kirchhoff
  349. Vorinstanzen:
  350. LG Düsseldorf, Entscheidung vom 21.01.2004 - 34 O 105/03 OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 12.10.2004 - I-20 U 34/04 -