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449 lines
26 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. I ZR 153/06
  5. Verkündet am:
  6. 26. März 2009
  7. Führinger
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. ja
  16. BGHR:
  17. ja
  18. Reifen Progressiv
  19. UrhG §§ 35, 41
  20. Ein einfaches Nutzungsrecht, das sich von einem ausschließlichen Nutzungsrecht ableitet, erlischt nicht, wenn das ausschließliche Nutzungsrecht aufgrund
  21. eines wirksamen Rückrufs wegen Nichtausübung (§ 41 UrhG) erlischt.
  22. BGH, Urteil vom 26. März 2009 - I ZR 153/06 - OLG Köln
  23. LG Köln
  24. -2-
  25. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. März 2009 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
  26. und die Richter Pokrant, Dr. Schaffert, Dr. Bergmann und Dr. Koch
  27. für Recht erkannt:
  28. Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 14. Juli 2006 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
  29. Von Rechts wegen
  30. Tatbestand:
  31. Der Kläger ist Programmierer. Er hat behauptet, alleiniger Urheber des
  32. 1
  33. für Reifenhändler bestimmten Computerprogramms „Reifen Progressiv“ zu sein,
  34. an dessen Erstellung er jedenfalls maßgeblich beteiligt gewesen ist. Die A.
  35. GmbH
  36. besaß
  37. das
  38. ausschließliche
  39. Nutzungsrecht
  40. an
  41. diesem Programm einschließlich der Berechtigung, es zu verändern und weiterzuentwickeln. Sie räumte der Beklagten, einer Reifenhändlerin, mit Vertrag
  42. vom 24. September 1997 gegen einmalige Zahlung eines bestimmten Betrages
  43. -3-
  44. ein einfaches Nutzungsrecht an der Software ein und schloss mit ihr am
  45. 31. Oktober 1997 einen Programmwartungsvertrag, in dem sie sich verpflichtete, der Beklagten gegen Zahlung einer jährlichen Gebühr die jeweils neueste
  46. Version des Programms zur Verfügung zu stellen. Nachdem die A. GmbH
  47. ihren Geschäftsbetrieb im September 2001 eingestellt und später Insolvenzantrag gestellt hatte, erklärte der Kläger gegenüber der A. GmbH mit Schreiben
  48. vom 22. Juli 2003 gemäß § 41 UrhG den Rückruf des dieser eingeräumten ausschließlichen Nutzungsrechts.
  49. 2
  50. Die
  51. A.
  52. GmbH
  53. mit
  54. hatte
  55. dem
  56. im
  57. Vertrieb
  58. Jahre
  59. des
  60. 2001
  61. die
  62. P.
  63. Computerprogramms
  64. AG
  65. betraut.
  66. Das Berufungsgericht hat der P. AG in einem Vorprozess die Verwendung
  67. des Programms mit der Begründung untersagt, der Kläger sei zumindest dessen Miturheber und habe einer Übertragung der Nutzungsrechte auf die P.
  68. AG nicht zugestimmt.
  69. 3
  70. Der Kläger ist der Auffassung, mit dem wirksamen Rückruf des ausschließlichen Nutzungsrechts der A. GmbH sei auch das einfache Nutzungsrecht der Beklagten erloschen, so dass diese das Programm seitdem unbefugt
  71. nutze. Zudem verwende die Beklagte eine ohne seine Zustimmung durch die
  72. P. AG veränderte Version des Programms und verletze auch dadurch sein
  73. Urheberrecht. Er nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Schadensersatz
  74. bzw. Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung in Höhe eines in das
  75. Ermessen des Gerichts gestellten Betrages in Anspruch.
  76. 4
  77. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen (LG Köln GRUR-RR 2006,
  78. 357). Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben (OLG Köln GRUR-RR 2007, 33).
  79. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung
  80. die Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.
  81. -4-
  82. Entscheidungsgründe:
  83. 5
  84. I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche seien nicht nach § 97 Abs. 1 UrhG begründet. Die Beklagte
  85. habe ein Urheberrecht des Klägers nicht dadurch verletzt, dass sie das Programm nach dem Rückruf weiter genutzt habe; das Nutzungsrecht der Beklagten sei infolge des Rückrufs nicht erloschen. Veränderungen des Programms
  86. und seiner Versionen bei der Beklagten hätten gleichfalls nicht zu einer Verletzung von Urheberrechten des Klägers geführt. Zu den Auswirkungen des Rückrufs auf das Nutzungsrecht der Beklagten hat das Berufungsgericht ausgeführt:
  87. 6
  88. Das einfache Nutzungsrecht der Beklagten am Programm sei selbst
  89. dann nicht erloschen, wenn - was zu Gunsten des Klägers unterstellt werden
  90. könne - der Kläger dessen alleiniger Urheber sei und das ausschließliche Nutzungsrecht der A. GmbH wirksam zurückgerufen habe. Nach § 41 Abs. 5
  91. UrhG erlösche das ausschließliche Nutzungsrecht, das der Urheber einem Anderen eingeräumt habe, mit Wirksamwerden des Rückrufs. Das Schicksal der
  92. Nutzungsrechte, die dieser Andere seinerseits Dritten eingeräumt habe, sei in
  93. § 41 UrhG nicht geregelt. Grundsätzlich sei zwar anzunehmen, dass bei einem
  94. Rechtsverlust des Lizenzgebers auch die Rechte des Lizenznehmers untergingen und ohne weiteres an den Urheber zurückfielen. Bei einem Rückruf wegen
  95. Nichtausübung des Nutzungsrechts werde diese Lösung jedoch den Interessen
  96. der Beteiligten nicht gerecht. Es wäre widersprüchlich, die vom Inhaber eines
  97. ausschließlichen Nutzungsrechts in ordnungsgemäßer Ausübung dieses
  98. Rechts verliehenen einfachen Nutzungsrechte nur deshalb entfallen zu lassen,
  99. weil er nicht weitere einfache Nutzungsrechte vergeben habe. Aus der Sicht
  100. des einfachen Lizenznehmers wäre dies nicht plausibel zu begründen. Dem
  101. Interesse des Urhebers sei bereits dadurch genügt, dass er infolge des Rück-
  102. -5-
  103. rufs die ausschließlichen Nutzungsrechte wieder selbst anstelle des untätigen
  104. vormaligen Inhabers verwerten könne.
  105. 7
  106. II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung und Schadensersatz (§ 97 Abs. 1 UrhG) bzw. Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB) sind nicht begründet, weil die Beklagte ein Urheberecht des Klägers nicht verletzt hat.
  107. 8
  108. 1. Die Beklagte hat ein Urheberrecht des Klägers nicht dadurch verletzt,
  109. dass sie das Computerprogramm nach dem Rückruf des Nutzungsrechts der
  110. A. GmbH durch den Kläger weiter genutzt hat. Das Berufungsgericht hat zu
  111. Gunsten des Klägers unterstellt, dass der Kläger alleiniger Urheber des Computerprogramms ist und das ausschließliche Nutzungsrecht der A. GmbH wirksam nach § 41 UrhG zurückgerufen hat. Davon ist auch für die Revisionsinstanz auszugehen. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass mit
  112. dem Wirksamwerden dieses Rückrufs zwar das ausschließliche Nutzungsrecht
  113. der A. GmbH, nicht aber das einfache Nutzungsrecht der Beklagten erloschen wäre, so dass die Beklagte auch nach dem Rückruf zur Nutzung des
  114. Programms berechtigt war.
  115. 9
  116. a) Die Frage, ob beim Erlöschen eines vom Urheberrecht (dem „Mutterrecht“) abgespaltenen ausschließlichen oder einfachen Nutzungsrechts (des
  117. „Tochterrechts“) die davon abgeleiteten ausschließlichen oder einfachen Nutzungsrechte (die „Enkelrechte“) gleichfalls erlöschen oder bestehen bleiben, ist
  118. umstritten. Der Gesetzgeber hat für den Fall, dass der Inhaber des Rechts, der
  119. das Nutzungsrecht eingeräumt hat, auf sein Recht verzichtet, mit der durch das
  120. Gesetz zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und ausübenden
  121. Künstlern vom 22. März 2002 (BGBl. I, S. 1155) eingefügten Regelung des § 33
  122. -6-
  123. Satz 2 UrhG bestimmt, dass die von ihm eingeräumten ausschließlichen und
  124. einfachen Nutzungsrechte wirksam bleiben. Dem Vorschlag des sogenannten
  125. Professorenentwurfs, darüber hinaus in § 33 Satz 3 UrhG zu regeln, dass im
  126. Übrigen die Nutzungsrechte erlöschen, wenn das Recht, aufgrund dessen sie
  127. eingeräumt worden sind, wegfällt (GRUR 2000, 765, 766 und 775), hat der Gesetzgeber nicht entsprochen. Die Streitfrage, ob Nutzungsrechte späterer Stufe
  128. bestehen bleiben, wenn das Nutzungsrecht früherer Stufe erlischt, solle nicht
  129. präjudiziert werden, sondern der Rechtsprechung zur Klärung überlassen bleiben (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drucks. 14/6433, S. 16). In der
  130. Rechtsprechung und im Schrifttum werden zu dieser Frage gegensätzliche Auffassungen vertreten:
  131. 10
  132. aa) Nach einer Ansicht erlöschen mit dem Tochterrecht auch die Enkelrechte (OLG München in Schulze RzU OLGZ 248, 1, 3 ff. m. Anm. W. Nordemann; OLG München FuR 1983, 605, 606 ff.; OLG Hamburg GRUR Int. 1998,
  133. 431, 435; GRUR 2002, 335, 336 f., dazu zustimmend Wandtke, EWiR 2001,
  134. 645 f.; LG Hamburg ZUM 1999, 858, 60, dazu zustimmend Schricker, EWiR
  135. 1999, 275 f.; Schulze in Dreier/Schulze, UrhG, 3. Aufl., § 33 Rdn. 10, § 35
  136. Rdn. 16, § 41 Rdn. 37; Kotthoff in Dreyer/Kotthoff/Meckel, Urheberrecht,
  137. 2. Aufl., § 35 UrhG Rdn. 8; J.B. Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 10. Aufl., § 31 UrhG Rdn. 34, § 41 UrhG Rdn. 40; Möhring/Nicolini/
  138. Spautz, UrhG, 2. Aufl., § 35 Rdn. 6; Schricker/Schricker, Urheberrecht, 3. Aufl.,
  139. § 33 UrhG Rdn. 16, § 35 Rdn. 11; Schricker, Verlagsrecht, 3. Aufl., § 28 VerlG
  140. Rdn. 27; J.B. Nordemann in Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts, § 26
  141. Rdn. 31; Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 4. Aufl., § 16 Rdn. 556;
  142. Scheuermann, Urheber- und vertragsrechtliche Probleme der Videoauswertung
  143. von Filmen [1990], S. 160 ff.; Lößl, Rechtsnachfolge in Verlagsverträge [1997],
  144. S. 173 ff.; W. Nordemann, GRUR 1970, 174 ff.; Platho, FuR 1984, 135, 138;
  145. vgl. auch OLG Stuttgart FuR 1983, 393, 397; Wandtke/Grunert in Wandtke/
  146. -7-
  147. Bullinger, UrhR, 3. Aufl., § 35 UrhG Rdn. 7 ff.; Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, 3. Aufl., S. 467 f.; vgl. weiter zum Patentrecht RGZ 142, 168, 170 f.; Ullmann in Benkard, PatG, 10. Aufl., § 15 Rdn. 107, m.w.N.). Diese Auffassung
  148. stützt sich vor allem auf folgende Erwägungen:
  149. 11
  150. (1) Der das Urheberrecht beherrschende und dem Urheberschutz dienende Zweckbindungsgedanke gebiete es, dass mit dem ausschließlichen Nutzungsrecht auch die abgeleiteten Nutzungsrechte an den Urheber zurückfielen.
  151. Nach diesem allgemein anerkannten Rechtsgedanken, der in der Übertragungszweckregel des § 31 Abs. 5 UrhG zum Ausdruck komme, hätten die urheberrechtlichen Befugnisse die Tendenz, so weit wie möglich beim Urheber zu
  152. verbleiben, damit dieser in angemessener Weise an den Erträgnissen seines
  153. Werkes beteiligt werde. Hieraus folge, dass der Urheber nicht mehr Rechte
  154. vergebe, als es dem Zweck des schuldrechtlichen Geschäfts entspreche, und
  155. dass bei einem Fortfall des schuldrechtlichen Geschäfts und Erlöschen der vergebenen Rechte auch die von diesen Rechten abgeleiteten Nutzungsrechte an
  156. den Urheber zurückfielen (OLG Hamburg GRUR 2002, 335, 336 f.).
  157. 12
  158. Ein Fortbestehen der abgeleiteten Nutzungsrechte würde - so wird geltend gemacht - die Rechte des Urhebers gegenüber den Rechten der Nutzungsberechtigten schwächen. So müsste der Urheber, der dem Lizenznehmer
  159. wegen Nichtzahlung der Lizenzgebühren gekündigt und dessen ausschließliches Lizenzrecht zum Erlöschen gebracht hätte, es hinnehmen, dass der Sublizenznehmer sein Werk weiter nutzte und der Lizenznehmer hierfür Lizenzgebühren erhielte; ihm bliebe nur die Möglichkeit, den Lizenznehmer auf Beendigung des Lizenzvertrages mit dem Sublizenznehmer, auf Abtretung der Rechte
  160. aus diesem Vertrag oder auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen. Er habe
  161. jedoch ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse, mit dem Sublizenznehmer
  162. gegebenenfalls selbst einen neuen Lizenzvertrag zu schließen (Schricker, Ver-
  163. -8-
  164. lagsrecht aaO). Zudem könnte der Urheber, der trotz des Rückfalls des ausschließlichen Nutzungsrechts den Fortbestand eines einfachen Nutzungsrechts
  165. zu dulden hätte, einem Dritten nur ein mit dem einfachen Nutzungsrecht belastetes ausschließliches Nutzungsrecht einräumen. Dies würde seine Möglichkeiten zur Verwertung seines Werkes wesentlich einschränken (Kotthoff in
  166. Dreyer/Kotthoff/Meckel aaO).
  167. (2) Ferner folge aus dem Grundsatz, dass niemand mehr Rechte verge-
  168. 13
  169. ben könne, als er selbst besitze, und dem Umstand, dass es im Urheberrecht
  170. keinen gutgläubigen Erwerb von Rechten gebe, dass mit der Berechtigung des
  171. Inhabers des ausschließlichen Nutzungsrechts auch die Berechtigung des Inhabers des abgeleiteten Nutzungsrechts ende. Da das Enkelrecht nur eine
  172. Teilbefugnis aus dem Tochterrecht sei, erlösche es gemeinsam mit diesem. Der
  173. Erwerber des Enkelrechts werde in seinem Glauben an das Fortbestehen des
  174. Tochterrechts
  175. nicht
  176. geschützt
  177. (Kotthoff
  178. in
  179. Dreyer/Kotthoff/Meckel
  180. aaO;
  181. Schricker, Verlagsrecht aaO; J.B. Nordemann in Loewenheim aaO; Schack
  182. aaO).
  183. 14
  184. (3) Der Sublizenznehmer werde durch einen Rückfall seiner Nutzungsrechte an den Urheber nicht unzumutbar benachteiligt. Da der Lizenzvertrag
  185. des Sublizenznehmers mit dem Lizenzgeber trotz des Entfallens des Lizenzrechts bestehen bleibe, könne der Sublizenznehmer dem Anspruch des Lizenzgebers auf Zahlung von Lizenzgebühren die Einrede des nichterfüllten Vertrags
  186. entgegenhalten und vom Lizenzgeber gegebenenfalls Schadensersatz wegen
  187. Nichterfüllung beanspruchen. Darüber hinaus sei es dem Sublizenznehmer unbenommen, sich durch Vereinbarungen mit dem Lizenzgeber oder dem Urheber gegen die Folgen eines vorzeitigen Fortfalls seines Lizenzrechts abzusichern (Möhring/Nicolini/Spautz aaO; Schricker, Verlagsrecht aaO; J.B. Nordemann in Loewenheim aaO). Schließlich sei es möglich, den Sublizenznehmer
  188. -9-
  189. durch vertragliche Regelungen zwischen dem Urheber und dem Lizenzgeber zu
  190. schützen (vgl. Schricker, Verlagsrecht aaO; Ulmer aaO; zur Vertragsgestaltung
  191. J.B. Nordemann in Fromm/Nordemann aaO § 31 UrhG Rdn. 36 ff.; Wente/
  192. Herle, GRUR 1997, 96, 99 ff.); beispielsweise könne vereinbart werden, dass
  193. bei einer Beendigung des Nutzungsrechts erster Stufe das Nutzungsrecht zweiter Stufe fortbestehe (vgl. BGH, Urt. v. 28.11.1985 - I ZR 89/83, ZUM 1986, 278
  194. - Alexis Sorbas, und § 2 Abs. 5 lit. c Halbsatz 2 des zwischen dem Verband
  195. deutscher Schriftsteller in der IG Medien und dem Börsenverein des Deutschen
  196. Buchhandels e.V. vereinbarten Normvertrags für den Abschluss von Verlagsverträgen vom 19. Oktober 1978 in der ab 1. April 1999 gültigen Fassung, wonach der Bestand bereits abgeschlossener Lizenzverträge vom Erlöschen des
  197. Verlagsrechts unberührt bleibt) oder der Urheber verpflichtet sei, dem Lizenznehmer die Nutzung zu den bisherigen Bedingungen für die vereinbarte Laufzeit zu gestatten (so § 2 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 1 der zwischen dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels und dem Deutschen Hochschulverband
  198. vereinbarten Musterverträge für wissenschaftliche Verlagswerke in der Fassung
  199. des Jahres 2000).
  200. 15
  201. bb) Nach anderer Ansicht bleiben jedenfalls bei einem vorzeitigen Fortfall
  202. des früheren Nutzungsrechts die späteren Nutzungsrechte bestehen. So soll
  203. zumindest bei einer außerordentlichen Beendigung des der Bestellung des Nutzungsrechts erster Stufe zugrunde liegenden schuldrechtlichen Vertrags - etwa
  204. durch einvernehmliche Aufhebung oder durch einseitige Lossagung in Form
  205. von Kündigung, Rücktritt oder Rückruf - und einem damit einhergehenden vorzeitigen Wegfall des Nutzungsrechts erster Stufe - sei es durch Erlöschen,
  206. Rückfall oder Rückeinräumung - das Nutzungsrecht zweiter Stufe bestehen
  207. bleiben (Haberstumpf in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz,
  208. Urheberrecht, Medienrecht, § 35 UrhG Rdn. 4; ders., Handbuch des Urheberrechts, 2. Aufl. Rdn. 418; ders. in Haberstumpf/Hintermeier, Einführung in das
  209. - 10 -
  210. Verlagsrecht [1985], § 22 IV 2 d; ders. in FS Hubmann [1985], S. 127, 140 ff.;
  211. Sieger, FuR 1983, 580, 585 ff.; Schwarz/Klingner, GRUR 1998, 103, 110 ff.;
  212. Beck, Der Lizenzvertrag im Verlagswesen [1961], S. 82 ff.; v. Hase, Der Musikverlagsvertrag [1961], S. 44 ff.; Karow, Die Rechtsstellung des Subverlegers im
  213. Musikverlagswesen [1970], S. 82 ff.; Lange, Der Lizenzvertrag im Verlagswesen [1979], S. 92 ff.; Wohlfahrt, Das Taschenbuchrecht [1991], S. 147 ff.; vgl.
  214. auch Wandtke/Grunert in Wandtke/Bullinger aaO § 35 UrhG Rdn. 9).
  215. 16
  216. Diese Ansicht stützt sich vor allem auf die Interessenlage, die einen
  217. Schutz des Sublizenznehmers gebiete. Der Sublizenznehmer werde durch ein
  218. vorzeitiges Erlöschen seines Nutzungsrechts regelmäßig empfindlich getroffen,
  219. weil er das Recht nicht bis zum vorgesehenen Ablauf der Nutzungsfrist verwerten könne. Er könne daher möglicherweise nicht einmal die Aufwendungen
  220. ausgleichen, die er für den Erwerb und zur Vorbereitung der Verwertung des
  221. Nutzungsrechts gehabt habe. Der Sublizenznehmer könne zudem die Ursache
  222. für die außerordentliche Auflösung des zwischen dem Urheber und dem Lizenznehmer geschlossenen Vertrags und die vorzeitige Beendigung des früheren Nutzungsrechts regelmäßig weder beeinflussen noch vorhersehen. Es wäre
  223. unbillig, wenn er aufgrund von Umständen, die er nicht zu verantworten habe
  224. und auf die er sich nicht einstellen könne, sein Nutzungsrecht verlöre und erhebliche wirtschaftliche Nachteile erlitte.
  225. 17
  226. b) Jedenfalls für den hier zu beurteilenden Fall des wirksamen Rückrufs
  227. eines ausschließlichen Nutzungsrechts nach § 41 UrhG teilt der Senat die auch
  228. vom Berufungsgericht vertretene zuletzt genannte Ansicht, dass die vom ausschließlichen Nutzungsrecht abgeleiteten einfachen Nutzungsrechte nicht an
  229. den Urheber zurückfallen (ebenso Haberstumpf in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO
  230. § 41 UrhG Rdn. 7; Kotthoff in Dreyer/Kotthoff/Meckel aaO § 41 UrhG Rdn. 17;
  231. a.A. Schulze in Dreier/Schulze aaO § 41 Rdn. 37; J.B. Nordemann in Fromm/
  232. - 11 -
  233. Nordemann aaO § 41 UrhG Rdn. 40; Wandtke in Wandtke/Bullinger aaO § 41
  234. UrhG Rdn. 28; Schack aaO § 16 Rdn. 556; vgl. zur Entscheidung des Berufungsgerichts auch die ablehnenden Anmerkungen von Scherenberg, CR 2007,
  235. 8 ff. und Haupt, jurisPR-WettbR 12/2006, Anm. 6).
  236. 18
  237. aa) Mit dem Gedanken der Zweckbindung der Nutzungsrechtseinräumung (vgl. etwa BGH, Urt. v. 22.1.1998 - I ZR 189/95, GRUR 1998, 680, 682
  238. - Comic-Übersetzungen, m.w.N.) lässt sich zwar begründen, weshalb das Erlöschen des zwischen dem Urheber und dem Nutzungsberechtigten geschlossenen Verpflichtungsgeschäfts zu einem Rückfall des auf dessen Grundlage eingeräumten Nutzungsrechts führt. Daraus ist aber nicht ohne weiteres zu schließen, dass zugleich die vom ersten Nutzungsberechtigten eingeräumten weiteren Nutzungsrechte an den Urheber zurückfallen. Die Einräumung dieser weiteren Nutzungsrechte hat ihre Grundlage nicht in der zwischen dem Urheber und
  239. dem ersten Nutzungsberechtigten, sondern in einer zwischen diesem und dem
  240. zweiten Nutzungsberechtigten geschlossenen Vereinbarung. Das Erlöschen
  241. des ersten Verpflichtungsgeschäfts hat grundsätzlich nicht das Erlöschen dieser
  242. weiteren Vereinbarung zur Folge.
  243. 19
  244. bb) Aus dem Grundsatz, dass niemand mehr Rechte vergeben kann, als
  245. er selbst besitzt, und dem Umstand, dass es im Urheberrecht keinen gutgläubigen Erwerb von Rechten gibt, lässt sich gleichfalls nicht herleiten, dass mit der
  246. Berechtigung des Inhabers eines Nutzungsrechts auch die Berechtigung des
  247. Inhabers eines davon abgeleiteten Nutzungsrechts endet. Vom Zeitpunkt der
  248. Beendigung des Vertrags und des Erlöschens des Nutzungsrechts an ist zwar
  249. der bis dahin Nutzungsberechtigte nicht mehr berechtigt, weitere Nutzungsrechte einzuräumen, und auch ein gutgläubiger Dritter nicht imstande, ein Nutzungsrecht von ihm zu erwerben. Dies steht jedoch der Annahme nicht entgegen,
  250. dass der spätere Wegfall der Berechtigung des Verfügenden die Wirksamkeit
  251. - 12 -
  252. seiner früheren Verfügungen unberührt lässt und die wirksam eingeräumten
  253. Enkelrechte rechtlich selbständig und vom Fortbestand des Tochterrechts unabhängig sind (vgl. Sieger aaO; Beck aaO S. 86 f.; v. Hase aaO S. 45; Karow
  254. aaO S. 85; Lange aaO S. 96). Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Regelung des § 33 Satz 2 UrhG, wonach die ausschließlichen und einfachen Nutzungsrechte wirksam bleiben, wenn der Inhaber des
  255. Rechts, der das Nutzungsrecht eingeräumt hat, auf sein Recht verzichtet, erkennen lässt, dass der Verlust eines Nutzungsrechts nach der Vorstellung des
  256. Gesetzgebers nicht zum Entfallen der daraus abgeleiteten Nutzungsrechte führen muss.
  257. 20
  258. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht nicht übersehen, dass im Streitfall die Nutzungsrechtsüberlassung Dauerleistungscharakter hat und der Lizenzgeber nach dem Erlöschen seines Nutzungsrechts nicht
  259. mehr die Rechtsmacht hat, seinem Lizenznehmer das Nutzungsrecht weiterhin
  260. zu vermitteln (vgl. W. Nordemann, GRUR 1970, 174, 175). Das einfache Nutzungsrecht hat - wie auch das ausschließliche Nutzungsrecht - keinen schuldrechtlichen, sondern dinglichen Charakter (Schricker/Schricker, Urheberrecht,
  261. vor §§ 28 ff. UrhG Rdn. 49 m.w.N. auch zur Gegenansicht). Der Lizenzgeber
  262. muss dem Lizenznehmer das Nutzungsrecht daher nicht während der Dauer
  263. des Lizenzverhältnisses fortwährend in seinem Bestand vermitteln, vielmehr ist
  264. das Enkelrecht nach seiner Abspaltung vom Tochterrecht von dessen Fortbestand unabhängig (vgl. Wohlfahrt aaO S. 151).
  265. 21
  266. cc) Bei der gebotenen Abwägung der - oben unter II 1 a dargestellten Interessen des Urhebers einerseits und des Sublizenznehmers andererseits ist
  267. im Falle eines - hier gegebenen - Rückrufs von Nutzungsrechten nach § 41
  268. UrhG die dieser Bestimmung zugrunde liegende Wertung zu berücksichtigen.
  269. Die Vorschrift des § 41 Abs. 5 UrhG regelt zwar allein, dass mit dem Wirksam-
  270. - 13 -
  271. werden eines Rückrufs das zurückgerufene Nutzungsrecht erlischt; ob die aus
  272. dem zurückgerufenen Nutzungsrecht abgeleiteten Nutzungsrechte erlöschen
  273. oder fortbestehen, ist in § 41 UrhG dagegen nicht ausdrücklich bestimmt. Die
  274. dieser Regelung zu entnehmende gesetzliche Wertung spricht jedoch dafür,
  275. dass beim wirksamen Rückruf eines ausschließlichen Nutzungsrechts wegen
  276. Nichtausübung die davon abgeleiteten einfachen Nutzungsrechte bestehen
  277. bleiben.
  278. 22
  279. Nach § 41 Abs. 1 Satz 1 UrhG kann der Urheber ein ausschließliches
  280. Nutzungsrecht zurückrufen, wenn dieses von seinem Inhaber nicht oder nur
  281. unzureichend ausgeübt wird und dadurch berechtigte Interessen des Urhebers
  282. erheblich verletzt werden. Da die Bestimmung nicht zwischen ausschließlichen
  283. Nutzungsrechten erster oder späterer Stufe unterscheidet, kommt es nicht darauf an, ob der Urheber selbst das ausschließliche Nutzungsrecht vergeben oder
  284. der Inhaber eines ausschließlichen Nutzungsrechts seinerseits das ausschließliche Nutzungsrecht als ein Recht zweiter oder späterer Stufe eingeräumt hat.
  285. Der Urheber kann den Rückruf daher auch gegenüber dem Inhaber eines abgeleiteten ausschließlichen Nutzungsrechts erklären. Mit dem Wirksamwerden
  286. des Rückrufs fällt ein solches ausschließliches Nutzungsrecht weiterer Stufe
  287. unmittelbar an den Urheber zurück (Schricker/Schricker, Urheberrecht aaO § 41
  288. UrhG Rdn. 11 m.w.N.).
  289. 23
  290. Gegenstand des Rückrufs kann nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck der
  291. Regelung allerdings stets nur ein ausschließliches Nutzungsrecht sein. Das
  292. Rückrufsrecht wegen Nichtausübung nach § 41 UrhG dient dem ideellen Interesse des Urhebers am Bekanntwerden seines Werkes (vgl. Begründung des
  293. Regierungsentwurfs, BT-Drucks. IV/270, S. 60) und seinem materiellen Interesse an dessen Verwertung (Schricker/Schricker, Urheberrecht aaO § 41 UrhG
  294. Rdn. 4 m.w.N. auch zur Gegenansicht, die § 41 UrhG allein dem Urheberper-
  295. - 14 -
  296. sönlichkeitsrecht zuordnet). Ein einfaches Nutzungsrecht versperrt dem Urheber nicht eine anderweitige Nutzung und steht daher einer Verwertung und einem Bekanntwerden seines Werkes nicht entgegen (Schricker/Schricker, Urheberrecht aaO § 41 UrhG Rdn. 11 m.w.N.).
  297. 24
  298. Der Urheber wird beim wirksamen Rückruf eines ausschließlichen Nutzungsrechts demnach nicht übermäßig in einer Nutzung seines Rechts beeinträchtigt, wenn die vom ausschließlich Nutzungsberechtigten erteilten einfachen
  299. Nutzungsrechte fortbestehen. Diese hindern ihn nicht daran, aufgrund des an
  300. ihn zurückgefallenen ausschließlichen Nutzungsrechts neue Nutzungsrechte zu
  301. vergeben. Da er der Erteilung weiterer Nutzungsrechte durch den Inhaber des
  302. ausschließlichen Nutzungsrechts zugestimmt hat (§ 35 Abs. 1 Satz 1 UrhG),
  303. muss er es hinnehmen, dass sein ausschließliches Nutzungsrecht beim Rückfall mit einfachen Nutzungsrechten belastet ist.
  304. 25
  305. 2. Die Revision macht weiterhin geltend, die Beklagte habe das Urheberrecht des Klägers dadurch verletzt, dass sie bearbeitete bzw. umgearbeitete
  306. Versionen der Software „Reifen Progressiv“ benutze, ohne dass diesen Bearbeitungen bzw. Umarbeitungen eine auf den Kläger als Berechtigten zurückzuführende Legitimationskette zugrunde liege. Die Vorinstanzen hätten den Vortrag des Klägers nicht zur Kenntnis genommen, dass in der Zeit von September
  307. 2001 bis Juli 2003 nicht die A. GmbH, sondern die hierzu auf keinen Fall befugte P. AG Änderungen an der Software bei der Beklagten vorgenommen
  308. habe. Damit hat die Revision ebenfalls keinen Erfolg.
  309. 26
  310. Das Landgericht, auf dessen Ausführungen das Berufungsgericht sich
  311. zur Begründung seiner Annahme, die Beklagte habe das Urheberrecht des Klägers auch nicht infolge von Veränderungen des Programms und seiner Versionen verletzt, bezogen hat, hat den von der Revision als übergangen gerügten
  312. - 15 -
  313. Vortrag des Klägers auf den Seiten 28 und 29 seines Schriftsatzes vom 11. Oktober 2005 nicht unberücksichtigt gelassen. Die Ausführungen, die der Kläger in
  314. diesem Schriftsatz - nach seiner dortigen Darstellung lediglich „colorandi causa“ - zu Veränderungen des Quellcodes durch „die Beklagte“ gemacht hat,
  315. betreffen, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, erkennbar nicht die
  316. Beklagte des vorliegenden Rechtsstreits, sondern die P. AG, gegen die der
  317. Kläger in einem Vorprozess ein Unterlassungsurteil erstritten und anschließend
  318. wegen eines Verstoßes gegen die Unterlassungsverpflichtung ein Ordnungsmittelverfahren eingeleitet hatte. Mit den vom Kläger in diesem Schriftsatz behaupteten Veränderungen am Quellcode, die der Zeuge N.
  319. im Auftrag „der
  320. Beklagten“ - also der P. AG - bei dem Unternehmen Reifen S.
  321. bis ein-
  322. schließlich September 2003 vorgenommen haben soll, hat die Beklagte demnach bereits nach dem eigenen Vorbringen des Klägers nichts zu tun.
  323. - 16 -
  324. 27
  325. III. Danach ist die Revision des Klägers mit der Kostenfolge aus § 97
  326. Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
  327. Bornkamm
  328. Pokrant
  329. Bergmann
  330. Schaffert
  331. Koch
  332. Vorinstanzen:
  333. LG Köln, Entscheidung vom 16.11.2005 - 28 O 349/05 OLG Köln, Entscheidung vom 14.07.2006 - 6 U 224/05 -