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235 lines
12 KiB

  1. Berichtigt durch Beschluss
  2. vom 15. Mai 2014
  3. Führinger
  4. Justizangestellte
  5. als Urkundsbeamtin
  6. der Geschäftsstelle
  7. BUNDESGERICHTSHOF
  8. BESCHLUSS
  9. I ZR 120/09
  10. Verkündet am:
  11. 26. Februar 2014
  12. Führinger
  13. Justizangestellte
  14. als Urkundsbeamtin
  15. der Geschäftsstelle
  16. in dem Rechtsstreit
  17. -2-
  18. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 9. Oktober 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Dr. h.c. Bornkamm und die Richter Prof. Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff, Dr. Grabinski und
  19. Dr. Löffler
  20. beschlossen:
  21. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
  22. Gründe:
  23. 1
  24. I. Die Beklagte, eine niederländische Versandapotheke, bietet gesetzlich
  25. krankenversicherten Kunden in Deutschland, die bei ihr Privatrezepte über verschreibungspflichtige Arzneimittel einlösen, einen sogenannten Garantie-Bonus
  26. in Höhe von 3% des Preises des jeweiligen Medikaments, mindestens aber
  27. 2,50 € und höchstens 15 € an.
  28. 2
  29. Der Kläger, der Bayerische Apothekerverband e.V., in dem rund
  30. 2.700 selbständige Apotheker organisiert sind, sieht dieses Bonussystem als
  31. - wie er zuletzt klargestellt, in erster Linie - wegen Verstoßes gegen die arzneimittelrechtlichen Preisbindungsvorschriften, in zweiter Linie wegen unangemessener unsachlicher Beeinflussung der Verbraucher und höchst hilfsweise wegen Verstoßes gegen das heilmittelwerberechtliche Zuwendungsverbot unlauter
  32. und unzulässig an.
  33. 3
  34. Der Kläger hat beantragt, es der Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken
  35. des Wettbewerbs
  36. -3-
  37. a) gesetzlich versicherten Kunden in Deutschland, die nicht gemäß § 62 SGB V
  38. zuzahlungsbefreit sind, beim Erwerb eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels, das in Deutschland preisgebunden ist, einen Bonus in Höhe von
  39. 2,50 € bis 15 € anzubieten und/oder zu gewähren und/oder hierfür zu werben
  40. und/oder werben zu lassen und/oder
  41. b) gesetzlich Versicherten in Deutschland, die von der Zuzahlung gemäß § 62
  42. SGB V befreit sind, beim Erwerb eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels, das in Deutschland preisgebunden ist, einen Bonus in Höhe von 2,50 €
  43. bis 15 € anzubieten und/oder zu gewähren und/oder hierfür zu werben
  44. und/oder werben zu lassen und/oder
  45. c) gesetzlich Versicherten in Deutschland für jedes verschreibungspflichtige
  46. Medikament, das in Deutschland preisgebunden ist und nicht von der Krankenkasse übernommen wird, einen Bonus in Höhe von 10% und maximal
  47. 15 € anzubieten und/oder zu gewähren und/oder hierfür zu werben und/oder
  48. werben zu lassen.
  49. 4
  50. Darüber hinaus hat der Kläger ihm vorprozessual entstandene Abmahnkosten in Höhe von 1.379,80 € nebst Zinsen erstattet verlangt.
  51. 5
  52. Das Landgericht hat der Klage im vollen Umfang stattgegeben. Die von
  53. der Beklagten dagegen eingelegte Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer
  54. vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger
  55. beantragt hat, hat die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiterverfolgt.
  56. 6
  57. In der mündlichen Revisionsverhandlung hat die Beklagte erklärt, dass
  58. sie sich nach der Klärung der Streitfrage durch den Gesetzgeber, ob ihre Versandhandelstätigkeit in Deutschland unter die deutschen Preisbindungsvorschriften fällt, selbstverständlich an das deutsche Gesetz hält. Die Klägerin hat
  59. daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Beklagte
  60. hat der Erledigungserklärung zugestimmt.
  61. 7
  62. II. Nach der - auch im Revisionsverfahren noch möglichen (vgl. BGH,
  63. Beschluss vom 18. November 2010 - I ZR 86/09, GRUR-RR 2011, 291 Rn. 6
  64. mwN) - Erklärung der Klägerin, dass die Hauptsache erledigt sei, ist, nachdem
  65. die Beklagte der Erledigungserklärung zugestimmt hat, gemäß § 91a Abs. 1
  66. -4-
  67. Satz 1 ZPO über die Kosten des Rechtsstreits unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen durch Beschluss zu
  68. entscheiden. Dabei ist maßgeblich, ob die Revision Erfolg gehabt hätte, wenn
  69. es nicht zur Erledigung der Hauptsache gekommen wäre (BGH, GRUR-RR
  70. 2011, 291 Rn. 8 mwN). Da das Rechtsmittel der Beklagten in diesem Fall keinen Erfolg gehabt hätte, entspricht es billigem Ermessen, die Kosten des
  71. Rechtsstreits der Beklagten aufzuerlegen. Das Berufungsgericht hat zutreffend
  72. ein im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers verneint (dazu sogleich unter II 1). Mit Recht hat es ferner angenommen,
  73. dass das deutsche Arzneimittelpreisrecht bereits im Zeitpunkt seiner Entscheidung auch für im Wege des Versandhandels nach Deutschland eingeführte
  74. Arzneimittel galt (dazu unter II 2) und die weiteren Voraussetzungen für den
  75. Klageanspruch, soweit die Klägerin ihn auf §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3 AMG, § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 3 AMPreisV gestützt hatte, ebenfalls erfüllt waren (dazu unter II 3). Die Wiederholungsgefahr
  76. als materiell-rechtliche Voraussetzung für den in die Zukunft gerichteten klagegegenständlichen Verletzungsunterlassungsanspruch war auch nicht schon mit
  77. dem Inkrafttreten des § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG nF weggefallen (dazu unter II 4).
  78. 8
  79. 1. Das Berufungsgericht hat mit Recht ein im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG
  80. rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers verneint.
  81. 9
  82. a) Das Berufungsgericht hat ein Interesse des Klägers, das die gesonderte Inanspruchnahme der Beklagten im Blick auf privat krankenversicherte
  83. Personen einerseits und gesetzlich krankenversicherte Personen andererseits
  84. rechtfertigte und damit der Annahme eines Rechtsmissbrauchs gemäß § 8
  85. Abs. 4 UWG entgegenstand, darin gesehen, dass der Kläger im Zeitpunkt der
  86. Klageerhebung damit rechnen musste, dass die Beklagte im Blick auf ihr beanstandetes Verhalten gegenüber den gesetzlich krankenversicherten Personen
  87. die Zulässigkeit des Rechtswegs rügen würde. Die Rechtslage sei erst durch
  88. -5-
  89. den nach Erhebung der Klagen im vorliegenden Rechtsstreit einerseits und im
  90. wegen Bonuszahlungen an privat krankenversicherte Personen geführten
  91. Rechtsstreit andererseits durch die Senatsentscheidung "Treuebonus" geklärt
  92. worden, wo ausgesprochen worden sei, dass für einen Streit über die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit von Sonderzahlungen eines Apothekers an krankenversicherte Personen bei Einlösung von Rezepten auch insoweit, als die
  93. Gewährung von Bonuszahlung an gesetzlich versicherte Personen in Rede stehe, der Rechtsweg zu den Zivilgerichten nach § 13 GVG eröffnet sei (BGH, Beschluss vom 30. Januar 2008 - I ZB 8/07, GRUR 2008, 447 Rn. 12 ff., 16 bis 19
  94. = WRP 2008, 675).
  95. 10
  96. b) Diese Sichtweise entspricht der Senatsrechtsprechung, wonach ein
  97. sachlicher Grund für die Erhebung gesonderter Klagen sprechen und daher der
  98. Annahme eines Rechtsmissbrauchs gemäß § 8 Abs. 4 UWG entgegenstehen
  99. kann, wenn die rechtliche Beurteilung oder die Beweisbarkeit des jeweiligen
  100. Wettbewerbsverstoßes unterschiedlich sein kann (vgl. BGH, Urteil vom 22. April
  101. 2009 - I ZR 14/07, GRUR 2009, 1180 Rn. 20 - 0,00 Grundgebühr; Urteil vom
  102. 22. Oktober 2009 - I ZR 58/07, GRUR 2010, 454 Rn. 21 = WRP 2010, 640
  103. - Klassenlotterie). Ein Grund für die Erhebung gesonderter Klagen kann sich
  104. insbesondere daraus ergeben, dass sich die Rechtsdurchsetzung in der einen
  105. Hinsicht anders - und insbesondere zeitaufwendiger - gestalten kann als in der
  106. anderen Hinsicht und daher bei Erhebung einer einheitlichen Klage die - gerade
  107. bei in die Zukunft gerichteten Unterlassungsansprüchen relevante - Gefahr besteht, dass ein an sich ohne viel Aufwand durchsetzbarer Anspruch zunächst
  108. nicht ausgeurteilt wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Prozesstrennung
  109. gemäß § 145 ZPO zwar möglich ist, aber im nicht überprüfbaren und auch nicht
  110. mit Rechtsmitteln anfechtbaren Ermessen des Prozessgerichts liegt. Dies gilt im
  111. besonderen Maße, wenn die beklagte Partei die Zulässigkeit des Rechtswegs
  112. rügt (§ 17a Abs. 3 Satz 2 GVG) und diese Frage daher vorab - gegebenenfalls
  113. -6-
  114. durch drei Instanzen - geprüft werden muss (vgl. § 17a Abs. 3 Satz 1, Abs. 4
  115. GVG).
  116. 11
  117. 2. Der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes hat
  118. die ihm vom erkennenden Senat in der Sache "Sparen Sie beim Medikamenteneinkauf! I" (I ZR 72/08) mit Beschluss vom 9. September 2010 (GRUR 2010,
  119. 1130 = WRP 2010, 1485) vorgelegte Rechtsfrage, ob die deutschen Vorschriften für den Apothekenabgabepreis auch für verschreibungspflichtige Arzneimittel gelten, die Apotheken mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union im Wege des Versandhandels nach Deutschland an Endverbraucher abgeben, bejaht (GmS-OGB, Beschluss vom 22. August 2012 GmS-OGB 1/10, BGHZ 194, 354 Rn. 12 ff.). In Übereinstimmung damit hat der
  120. Gesetzgeber durch die mit Wirkung vom 26. Oktober 2012 in Kraft getretene
  121. Regelung des § 78 Abs. 1 Satz 3 AMG zusätzlich klargestellt, dass die aufgrund
  122. von § 78 Abs. 1 Satz 1 AMG erlassene Arzneimittelpreisverordnung auch für
  123. gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG in den Geltungsbereich dieses Gesetzes
  124. verbrachte Arzneimittel gilt.
  125. 12
  126. 3. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass auch die weiteren Voraussetzungen für den auf §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 78 Abs. 2
  127. Satz 2 und 3 AMG, § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 3 AMPreisV gestützten Klageanspruch
  128. erfüllt sind, entspricht der Senatsrechtsprechung (vgl. BGH, Urteil vom 9. September 2010 - I ZR 193/07, GRUR 2010, 1136 Rn. 16-22 = WRP 2010, 1482
  129. - UNSER DANKESCHÖN FÜR SIE) und wird auch von der Revision nicht beanstandet. Wie der Senat mittlerweile entschieden hat, ist ein Verstoß gegen
  130. die Bestimmungen des § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 3 Satz 1 AMG, § 1
  131. Abs. 1 und 4, § 3 AMPreisV geeignet, die Interessen von Mitbewerbern und
  132. sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen, wenn der Wert der für
  133. den Bezug eines Arzneimittels gewährten Werbegabe einen Euro übersteigt
  134. -7-
  135. (BGH, Urteil vom 8. Mai 2013 - I ZR 98/12, GRUR 2013, 1264 Rn. 18 ff., 20 =
  136. WRP 2013, 1587- RezeptBonus).
  137. 13
  138. 4. Die Begehungsgefahr - hier in Form der Wiederholungsgefahr - ist eine materiell-rechtliche Voraussetzung des Unterlassungsanspruchs (vgl. BGH,
  139. Urteil vom 29. Oktober 2009 - I ZR 180/07, GRUR 2010, 455 Rn. 16 = WRP
  140. 2010, 746 - Stumme Verkäufer II; Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG,
  141. 32. Aufl., § 8 Rn. 1.10, jeweils mwN). Die für den Verletzungsunterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr kann dabei auch ohne Abgabe einer
  142. hinreichend strafbewehrten Unterlassungserklärung dann wegfallen, wenn der
  143. Verstoß unter der Geltung einer zweifelhaften Rechtslage erfolgt ist, diese
  144. Zweifel aber durch eine Gesetzesänderung beseitigt sind und außer Frage
  145. steht, dass das beanstandete Verhalten verboten ist (vgl. BGH, Urteil vom
  146. 25. Oktober 2001 - I ZR 29/99, GRUR 2002, 717, 719 = WRP 2002, 679
  147. - Vertretung der Anwalts-GmbH; Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 8
  148. Rn. 1.43, jeweils mwN). Die zuletzt genannte Voraussetzung war im Streitfall
  149. erst dadurch erfüllt, dass die Beklagte in der mündlichen Revisionsverhandlung
  150. erklärt hat, dass sie sich nach der Klärung der Streitfrage durch den Gesetzgeber, ob ihre Versandhandelstätigkeit in Deutschland unter die deutschen Preisbindungsvorschriften fällt, selbstverständlich an das deutsche Gesetz hält. Zuvor hatte die Beklagte stets den Standpunkt vertreten, dass der Anwendung
  151. -8-
  152. dieser Vorschriften auf im Wege des Versandhandels aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nach Deutschland eingeführte Arzneimittel
  153. das primäre Unionsrecht entgegenstünde.
  154. Bornkamm
  155. Schaffert
  156. Grabinski
  157. Kirchhof
  158. Löffler
  159. Vorinstanzen:
  160. LG München I, Entscheidung vom 18.06.2008 - 1 HKO 20716/07 OLG München, Entscheidung vom 02.07.2009 - 29 U 3648/08 -
  161. BUNDESGERICHTSHOF
  162. BESCHLUSS
  163. I ZR 120/09
  164. vom
  165. 15. Mai 2014
  166. in dem Rechtsstreit
  167. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Mai 2014 durch die Richter
  168. Prof. Dr. Büscher, Pokrant, Prof. Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff und Dr. Koch
  169. beschlossen:
  170. Der Beschluss vom 26. Februar 2014 wird wegen offenbarer Unrichtigkeit gemäß § 319 Abs. 1 ZPO wie folgt berichtigt:
  171. In Rn. 11 in der 11. Zeile muss es heißen "§ 78 Abs. 1 Satz 4
  172. AMG" statt "§ 78 Abs. 1 Satz 3 AMG".
  173. Büscher
  174. Pokrant
  175. Kirchhoff
  176. Schaffert
  177. Koch
  178. Vorinstanzen:
  179. LG München I, Entscheidung vom 18.06.2008 - 1 HKO 20716/07 OLG München, Entscheidung vom 02.07.2009 - 29 U 3648/08 -