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239 lines
12 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. I ZB 4/98
  4. Verkündet am:
  5. 15. Juni 2000
  6. Führinger
  7. Justizangestellte
  8. als Urkundsbeamtin
  9. der Geschäftsstelle
  10. in der Rechtsbeschwerdesache
  11. betreffend die Markenanmeldung B 395 10 168.9/6
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ
  15. : nein
  16. BGHR
  17. :
  18. ja
  19. Buchstabe "K"
  20. MarkenG § 8 Abs. 2 Nr. 1
  21. Zur Frage der Unterscheidungskraft eines in üblicher Schreibweise als Wortmarke angemeldeten Einzelbuchstabens.
  22. BGH, Beschl. v. 15. Juni 2000 - I ZB 4/98 - Bundespatentgericht
  23. -2-
  24. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. Juni 2000 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann
  25. und die Richter Starck, Pokrant, Dr. Büscher und Raebel
  26. beschlossen:
  27. Auf die Rechtsbeschwerde der Anmelderin wird der Beschluß des
  28. 28. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts
  29. vom 20. August 1997 aufgehoben.
  30. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung
  31. an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.
  32. Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 DM
  33. festgesetzt.
  34. Gründe:
  35. I. Mit ihrer am 8. März 1995 eingereichten Anmeldung begehrt die Anmelderin die Eintragung des Buchstabens "K" für eine Vielzahl von Waren der
  36. Klassen 6, 17 und 19 (u.a. Türen und Fenster aus Metall; Schlosserwaren und
  37. Kleineisenwaren; Geldschränke; Fensterläden aus Metall; Fensterrollen; Metallgitter; Schlösser; Schlüssel; Dichtungen; Dichtungs-, Packungs- und Iso-
  38. -3-
  39. liermaterial; Fenster und Türen, nicht aus Metall; Briefkästen, nicht aus Metall)
  40. in das Markenregister.
  41. Die Markenstelle des Deutschen Patentamts hat der angemeldeten Marke die Eintragung wegen fehlender Unterscheidungskraft und Bestehens eines
  42. Freihaltungsbedürfnisses versagt.
  43. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Anmelderin ist erfolglos geblieben (BPatGE 39, 29 = GRUR 1998, 710 = Mitt. 1998, 229).
  44. Mit der (zugelassenen) Rechtsbeschwerde verfolgt die Anmelderin ihr
  45. Eintragungsbegehren weiter.
  46. II. Das Bundespatentgericht hat das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft für gegeben erachtet und dazu ausgeführt:
  47. Zwar liege die Annahme eines Freihaltungsbedürfnisses an dem angemeldeten Buchstaben "K" sehr nahe, weil Einzelbuchstaben häufig als Abkürzung für Qualitätskennzeichen oder als Kennzeichen für Preisgruppen (z.B. bei
  48. Kleineisenwaren oder Baumarktartikeln) dienten oder bestimmte Modellreihen
  49. eines Betriebes bezeichneten; ferner stünden Buchstaben in vielen technischen Gebieten als Statthalter für Werte, technische Begriffe oder Eigenschaften von Waren oder als technische Kennwerte. Jedoch setze die Verweigerung des Markenschutzes für eine lediglich aus einem Einzelbuchstaben
  50. bestehende Marke die Feststellung eines konkreten, auf die angemeldeten
  51. Waren bezogenen Freihaltungsbedürfnisses voraus, das im Streitfall im einzelnen für die angemeldeten Waren nicht nachgewiesen werden könne.
  52. -4-
  53. Sei der Buchstabe als Wortmarke angemeldet, werde das Schutzhindernis regelmäßig schon dann anzunehmen sein, wenn der betreffende Buchstabe
  54. als Abkürzung lexikalisch nachweisbar sei und die Sachangabe in der abgekürzten Form als solche zur Beschreibung der Waren ernsthaft in Betracht
  55. komme. Dies könne nicht ohne Einfluß auf die Beurteilung der Unterscheidungskraft bleiben, denn diese hänge insbesondere auch davon ab, in welchem Maße ein Interesse an einer Freihaltung des Zeichens bestehe, weshalb
  56. die Anforderungen an die Unterscheidungskraft jedenfalls nicht zu gering anzusetzen seien. Diesen Anforderungen werde die angemeldete Marke nicht
  57. gerecht.
  58. Die Anmelderin habe die Marke als Wortzeichen angemeldet. Es fehle
  59. nicht nur an jeglicher graphischen Ausgestaltung des Zeichens, der Buchstabe
  60. sei auch weder im Hinblick auf die konkret beanspruchten Einzelwaren eigentümlich ausgewählt noch sei er auf irgendeine Weise in seiner Darstellung verfremdet worden, etwa durch eine außergewöhnliche Stellung im Raum oder
  61. durch Festlegung einer bestimmten Minimalgröße gegenüber anderen Druckbuchstaben hervorgehoben. Bei dieser Darstellungsform bestehe für den Verkehr kein konkreter Anlaß, gerade diesen Buchstaben als betrieblichen Herkunftshinweis aufzufassen, wie dies etwa dann der Fall sein könne, wenn er
  62. sich als solcher für die Anmelderin durchgesetzt hätte. In der zum Markengesetz ergangenen "Füllkörper"-Entscheidung des Bundesgerichtshofes sei für
  63. die Annahme einer Unterscheidungskraft i.S. von Art. 6quinquies Abschn. B Nr. 2
  64. PVÜ eine augenfällige, von den üblichen Verkehrsgepflogenheiten abweichende Gestaltung einer Zahl für notwendig, aber auch ausreichend erachtet worden, um Unterscheidungskraft anzunehmen. Es bestehe keine Veranlassung,
  65. die Unterscheidungskraft von Buchstaben nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, der
  66. mit Art. 6quinquies Abschn. B Nr. 2 PVÜ inhaltlich übereinstimme, anders zu beur-
  67. -5-
  68. teilen. Das stehe auch - wenngleich das ohne Bindungswirkung für die nationale Eintragungspraxis sei - im Einklang mit den Prüfungsrichtlinien des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt, nach denen eine Gemeinschaftsmarke, die aus einem oder zwei Buchstaben oder Ziffern bestehe, als nicht unterscheidungskräftig zu erachten sei, sofern die Buchstaben oder Ziffern nicht in
  69. ungewöhnlicher Form wiedergegeben seien oder sonst besondere Umstände
  70. vorlägen.
  71. III. Die zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg. Die Beurteilung des Bundespatentgerichts, der angemeldeten Wortmarke fehle jede
  72. Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG), hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
  73. 1. Zutreffend hat das Bundespatentgericht die abstrakte Unterscheidungseignung der angemeldeten Marke nicht in Zweifel gezogen. Buchstaben
  74. sind nach der ausdrücklichen Bestimmung des § 3 Abs. 1 MarkenG als Marke
  75. schutzfähig.
  76. 2. Das Bundespatentgericht hat angenommen, daß bei der gewählten
  77. Markenform - die Marke "K" ist als Wortzeichen angemeldet - für den Verkehr
  78. kein konkreter Anlaß bestehe, gerade diesen Buchstaben als betrieblichen
  79. Herkunftshinweis aufzufassen. Diese Auffassung ist nicht frei von Rechtsfehlern.
  80. Unterscheidungskraft i.S. des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer
  81. Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die der Anmeldung zugrunde liegenden Waren eines Unternehmens
  82. gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden. Hierbei ist
  83. -6-
  84. grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen, d.h., jede auch
  85. noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu
  86. überwinden (vgl. Begr. zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 12/6581, S. 70 =
  87. BlPMZ 1994, Sonderheft, S. 64).
  88. Zu Unrecht ist das Bundespatentgericht davon ausgegangen, daß im
  89. Streitfall wegen eines allgemeinen - wenn auch nicht auf die konkret angemeldeten Waren bezogenen - Freihaltungsbedürfnisses an dem angemeldeten
  90. Buchstaben "K" die Anforderungen an die Unterscheidungskraft nicht zu gering
  91. anzusetzen seien. Die Eintragungshindernisse sind in der Vorschrift des § 8
  92. Abs. 2 MarkenG abschließend festgelegt und beruhen auf den entsprechenden
  93. Bestimmungen der Markenrechtsrichtlinie (Art. 3), die sich ihrerseits wiederum
  94. an der Regelung in Art. 6quinquies Abschn. B Nr. 2 PVÜ orientiert (vgl. MarkenRL
  95. Erwägungsgrund 12). Schon diese Vorschriften, des weiteren aber auch der in
  96. § 33 Abs. 2 MarkenG eigens festgelegte Eintragungsanspruch steht im Einzelfall der Aufstellung strengerer Anforderungen an die Unterscheidungskraft oder
  97. der Einführung weiterer, über die Regelung in § 8 Abs. 2 MarkenG hinausgehender
  98. Eintragungshindernisse
  99. entgegen
  100. (BGH,
  101. Beschl.
  102. v.
  103. 22.9.1999
  104. - I ZB 19/97, GRUR 2000, 231, 232 = WRP 2000, 95 - FÜNFER; Beschl. v.
  105. 24.2.2000 - I ZB 13/98, WRP 2000, 741, 742 - LOGO).
  106. Das Bundespatentgericht hat die Unterscheidungskraft verneint, weil für
  107. den Verkehr kein konkreter Anlaß bestehe, gerade den Buchstaben "K" als ein
  108. betriebliches Unterscheidungsmittel aufzufassen. Eine konkrete, auf die Waren
  109. des Verzeichnisses bezogene Begründung für diese Annahme hat das Bundespatentgericht nicht gegeben.
  110. -7-
  111. Es kann sich insoweit nicht auf einen allgemeinen Erfahrungssatz berufen. Ein solcher ergibt sich insbesondere nicht aus früheren Entscheidungen
  112. des Bundesgerichtshofes zu Art. 6quinquies Abschn. B Nr. 2 PVÜ, an dem die mit
  113. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG umgesetzte Bestimmung des Art. 3 MarkenRL sich
  114. orientiert. In der Entscheidung "IR-Marke FE" (BGHZ 111, 134, 137 f.) ging es
  115. nicht um die Frage der Unterscheidungskraft der Buchstabenfolge "FE" als solcher, sondern um die konkrete besondere graphische Gestaltung dieser Buchstaben;
  116. in
  117. der
  118. "Füllkörper"-Entscheidung
  119. (BGH,
  120. Beschl.
  121. v.
  122. 6.7.1995
  123. - I ZB 27/93, GRUR 1995, 732, 733) stand - soweit im vorliegenden Zusammenhang von Interesse - allein die besondere graphische Gestaltung der Ziffer
  124. "8" in Rede. Auch die die Unterscheidungskraft des Buchstabens "L" betreffende Entscheidung des 33. Senats des Bundespatentgerichts (BPatGE 38, 116,
  125. 119 f.; vgl. auch BPatGE 39, 140, 144, den Buchstaben "M" betreffend) enthält
  126. zur Frage eines Erfahrungssatzes nichts Maßgebliches, wenn es dort heißt,
  127. daß einzelne Buchstaben, die in einer der üblichen einfachen Schriftarten wiedergegeben sind, vom Verkehr selbst bei markenmäßiger Alleinstellung in der
  128. Regel - vorbehaltlich besonderer Umstände - nicht als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefaßt würden; der Verkehr begegne Einzelbuchstaben im Geschäftsleben zwar häufig als Firmenabkürzungen, diese wiesen jedoch praktisch ausnahmslos eine gewisse graphische und/oder farbliche Ausgestaltung
  129. auf, die geeignet sei, sich dem Verkehr als individuelles Betriebskennzeichen
  130. einzuprägen. Ein Einzelbuchstabe, der nur in Form einer einfachen Schrifttype
  131. in Verbindung mit einer Ware oder Dienstleistung verwendet werde, erwecke
  132. dagegen häufig nur die Vorstellung einer Typen-, Sorten- oder abgekürzten
  133. Sachbezeichnung.
  134. In den Prüfungsrichtlinien des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt Nr. 8.3 (ABl. [HABM] 1996, 1307) ist zwar ausgeführt, daß Gemein-
  135. -8-
  136. schaftsmarken, die aus einem oder zwei Buchstaben oder aus Ziffern bestehen, regelmäßig als nicht unterscheidungskräftig zu erachten seien. Ein tatsächlicher Hintergrund etwa im Sinne eines dahingehenden Erfahrungssatzes
  137. für diese Auffassung ist jedoch nicht ersichtlich.
  138. Die Auffassung des Bundespatentgerichts führt in dieser Allgemeinheit
  139. auch zu einem unauflösbaren Widerspruch mit der Vorschrift des § 3 Abs. 1
  140. MarkenG. Ist nämlich von der gesetzlich vorgesehenen Markenfähigkeit von
  141. Buchstaben auszugehen, kann deren (konkrete) Unterscheidungskraft für die
  142. in Rede stehenden Waren nicht unter Verlassen des gesetzlichen Ausgangspunkts mit der allgemeinen Erwägung, der Verkehr werde den Buchstaben
  143. nicht betriebskennzeichnend verstehen, in Frage gestellt werden. Eine Verneinung der (konkreten) Unterscheidungskraft setzt vielmehr auch bei Wortmarken in der Form von Einzelbuchstaben tatsächliche Feststellungen voraus, aus
  144. denen entnommen werden kann, daß der Verkehr den Buchstaben für bestimmte Waren nicht als Herkunftskennzeichnung versteht. Das kann daran
  145. liegen, daß der Buchstabe eine beschreibende Bedeutung für die in Frage stehenden Waren hat, z.B. der Buchstabe "D" auf dem Warengebiet der Kraftfahrzeuge für Diesel (vgl. weitere Beispiele bei Teplitzky, WRP 1999, 461), und
  146. deshalb vom Verkehr in diesem und nicht in einem die Herkunft der Waren
  147. kennzeichnenden Sinn verstanden wird.
  148. Fehlt es an einem beschreibenden Inhalt des Buchstabens für die angemeldeten Waren, so kommt - wie im Streitfall, in dem das Bundespatentgericht eine entsprechende Feststellung für den angemeldeten Buchstaben "K"
  149. bislang nicht getroffen hat - eine Verneinung jeglicher Unterscheidungskraft
  150. nicht in Betracht (vgl. Begr. zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 12/6581, S. 70
  151. = BlPMZ 1994, Sonderheft, S. 64). Das Bundespatentgericht wird deshalb im
  152. -9-
  153. einzelnen zu prüfen haben, ob nicht der angemeldete Buchstabe "K" im Hinblick auf die Ausführungen im angefochtenen Beschluß (S. 6) zur Verwendung
  154. von Buchstaben als Typen-, Serien- oder Modellbezeichnungen oder als Angabe von Eigenschaften der Waren des Warenverzeichnisses jeder Unterscheidungskraft entbehrt.
  155. Das Bundespatentgericht wird die Frage der Eintragungsfähigkeit des
  156. angemeldeten Buchstabens gegebenenfalls auch unter dem Gesichtspunkt
  157. eines Freihaltungsbedürfnisses i.S. des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, den es bisher nicht abschließend geprüft hat, zu beurteilen haben.
  158. - 10 -
  159. IV. Danach war der angefochtene Beschluß aufzuheben und die Sache
  160. zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht
  161. zurückzuverweisen (§ 89 Abs. 4 MarkenG).
  162. Erdmann
  163. Starck
  164. Büscher
  165. Pokrant
  166. Raebel