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360 lines
18 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. I ZB 72/11
  4. Verkündet am:
  5. 22. November 2012
  6. Führinger
  7. Justizangestellte
  8. als Urkundsbeamtin
  9. der Geschäftsstelle
  10. in der Rechtsbeschwerdesache
  11. betreffend die Marke Nr. 306 52 708
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. Kaleido
  19. MarkenG § 8 Abs. 2 Nr. 1
  20. a)
  21. Dem Zeichen „Kaleido“ fehlt für die Ware „Spielzeug“ nicht jegliche Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Insbesondere
  22. wird der Verkehr das Zeichen nicht stets als verkürzte Beschreibung der Ware „Kaleidoskop“ verstehen.
  23. b)
  24. Abstrakte sprachwissenschaftliche Erkenntnisse, die auf der Annahme
  25. einer assoziativen Ergänzung von als Abkürzung erkannten Begriffen in einem vom Kontext vorgegebenen Sinn beruhen, können nicht ohne weiteres
  26. für die als Rechtsfrage zu beantwortende Beurteilung der Unterscheidungskraft herangezogenen werden. Bei dieser sind vielmehr die Umstände der
  27. konkret zu beurteilenden Bezeichnung und die Kennzeichengewohnheiten
  28. der maßgebenden Branche in den Blick zu nehmen.
  29. BGH, Beschluss vom 22. November 2012 - I ZB 72/11 - Bundespatentgericht
  30. -2-
  31. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  32. vom 22. November 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
  33. und die Richter Prof. Dr. Büscher, Prof. Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff und Dr. Löffler
  34. beschlossen:
  35. Auf die Rechtsbeschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluss
  36. des 29. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 21. September 2011 aufgehoben.
  37. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung
  38. an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.
  39. Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 €
  40. festgesetzt.
  41. Gründe:
  42. 1
  43. I. Für die Markeninhaberin ist seit dem 28. Februar 2007 die Wortmarke
  44. Kaleido
  45. für die Waren und Dienstleistungen der
  46. Klasse 16
  47. Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate);
  48. Klasse 28
  49. Spiele, Spielzeug;
  50. -3-
  51. Klasse 35
  52. Bestellannahme, Lieferauftragsservice und Rechnungsabwicklung, auch im Rahmen von e-commerce
  53. eingetragen.
  54. 2
  55. Die Antragstellerin hat beim Deutschen Patent- und Markenamt die Löschung der Marke beantragt. Diese sei nicht unterscheidungskräftig und freihaltebedürftig, weil die Bezeichnung „Kaleido“ eine übliche Abkürzung der Sachbezeichnung „Kaleidoskop“ sei.
  56. 3
  57. Das Deutsche Patent- und Markenamt hat den Löschungsantrag mit Beschluss vom 31. August 2009 zurückgewiesen. Auf die Beschwerde der Antragstellerin hat das Bundespatentgericht den Beschluss des Deutschen Patentund Markenamts aufgehoben, soweit der Löschungsantrag für die Ware der
  58. Klasse 28 „Spielzeug“ zurückgewiesen wurde. Insoweit hat es das Deutsche
  59. Patent- und Markenamt angewiesen, die Löschung der angegriffenen Marke
  60. anzuordnen (BPatG, Beschluss vom 21. September 2011 - 29 W (pat) 40/09,
  61. juris). Hiergegen wendet sich die Markeninhaberin mit der vom Bundespatentgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.
  62. 4
  63. II. Das Bundespatentgericht hat angenommen, der angemeldeten Marke
  64. fehle für die Ware „Spielzeug“ jegliche Unterscheidungskraft im Sinne von § 8
  65. Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Dazu hat es ausgeführt:
  66. 5
  67. Die angegriffene Marke habe für das optische Gerät „Kaleidoskop“, das
  68. von dem in Klasse 28 eingetragenen Oberbegriff „Spielzeug“ umfasst werde,
  69. nur einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt.
  70. -4-
  71. Zwar sei der Begriff „Kaleido“ in der deutschen Sprache weder als Wort
  72. 6
  73. noch als Abkürzung lexikalisch nachweisbar. In Bezug auf die Ware „Kaleidoskop“ würden die angesprochenen breiten Verkehrskreise die Kennzeichnung
  74. „Kaleido“ aber nur als verkürzte Beschreibung der Ware verstehen. Das optische Gerät „Kaleidoskop“ ­ ein fernrohrähnliches Spielzeug, bei dem sich beim
  75. Drehen bunte Glassteinchen zu verschiedenen Mustern und Bildern anordneten - sei fast allen Menschen aus der Kindheit bekannt. Da „Kaleido“ in der
  76. deutschen Sprache ausschließlich im Begriff „Kaleidoskop“ vorkomme, werde
  77. der Verkehr mit dem Wort „Kaleido“ ausschließlich ein „Kaleidoskop“ in Verbindung bringen. Hinzu komme, dass der fast gleichlautende und fast gleich geschriebene englischsprachige Begriff „kaleidoscope“ mit „kaleido“ abgekürzt
  78. werde und dass diese Abkürzung auch im deutschen Sprachraum tatsächlich
  79. für Kaleidoskope bzw. deren spezifische Eigenschaften benutzt werde.
  80. 7
  81. Bei dem Markenwort handele es sich deshalb um eine Abwandlung, die
  82. zwar als solche wahrgenommen werde, in welcher der Verkehr aber ohne weiteres die ihm geläufige sachbezogene oder werbeübliche Angabe für „Kaleidoskop“ wiedererkenne. „Kaleido“ könne sich in der deutschen Sprache stets nur
  83. auf „Kaleidoskop“ beziehen. Wenn also ein solches optisches Gerät mit diesem
  84. Kurzwort bezeichnet werde, werde der Verkehr diese Bezeichnung nicht als
  85. Herkunftshinweis, sondern nur als verkürzte Sachangabe verstehen. Der Verkehr müsse dazu keine Interpretationsbemühungen anstellen. Das Fehlen der
  86. Endsilbe „-skop“ verändere weder den allgemein bekannten warenbeschreibenden Charakter von „Kaleidoskop“, noch komme der Verkürzung eine ungewöhnliche Eigenart zu. Diese Ansicht werde gestützt durch die Erkenntnisse der
  87. Linguistik im Rahmen der sogenannten Assoziations- oder Prototypentheorie.
  88. Danach sei der Wahrnehmungs- und Verständnishorizont der Hörenden und
  89. Sehenden bei Fehlen eines Wortes, aber auch bei Fehlen von Wortteilen darauf
  90. -5-
  91. ausgerichtet, das Wort in der Weise zu ergänzen, wie es sehr häufig in der Allgemeinsprache vorkomme und in Bezug auf den im Kontext vorgegebenen
  92. Sinn - hier in Bezug auf die beanspruchte Ware „Spielzeug“ - bekannt sei.
  93. 8
  94. Demgegenüber rechtfertige der Umstand, dass die ebenfalls mit der Endung „skop“ gebildeten Wörter „Endoskop“, „Horoskop“, „Teleskop“ und „Stethoskop“ in der Umgangssprache nicht auf „Endo“, „Horo“, „Tele“ und „Stetho“
  95. verkürzt würden, keine andere Beurteilung.
  96. 9
  97. Da dem angemeldeten Zeichen für Kaleidoskope die erforderliche Unterscheidungskraft fehle und das Gerät Kaleidoskop unter den angemeldeten Warenoberbegriff „Spielzeug“ falle, sei der Oberbegriff insgesamt zu löschen.
  98. 10
  99. III. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Die Beurteilung des
  100. Bundespatentgerichts, das angemeldete Wort „Kaleido“ sei für die Ware „Spielzeug“ nicht unterscheidungskräftig, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht
  101. stand.
  102. 11
  103. 1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder
  104. Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und die Waren oder Dienstleistungen damit von denjenigen anderer
  105. Unternehmen unterscheidet (vgl. EuGH, Urteil vom 21. Januar 2010 - C-398/08,
  106. GRUR 2010, 228 Rn. 33 = WRP 2010, 364 - Audi [Vorsprung durch Technik];
  107. BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2011 - I ZB 56/09, GRUR 2012, 270 Rn. 8
  108. = WRP 2012, 337 - Link economy). Die Hauptfunktion der Marke besteht darin,
  109. die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu
  110. gewährleisten. Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintra-
  111. -6-
  112. gungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis
  113. zu überwinden (BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2008 - I ZB 48/08, GRUR
  114. 2009, 778 Rn. 11 = WRP 2009, 813 - Willkommen im Leben; Beschluss vom
  115. 24. Juni 2010 - I ZB 115/08, GRUR 2010, 1100 Rn. 10 = WRP 2010, 1504
  116. - TOOOR!). Die Unterscheidungskraft ist im Hinblick auf jede der Waren oder
  117. Dienstleistungen, für die die Marke Schutz beansprucht, gesondert zu beurteilen. Abzustellen ist auf die Anschauung des angesprochenen Verkehrs. Dabei
  118. ist auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines normal informierten, angemessen
  119. aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen (EuGH, Urteil vom 8. Mai 2008
  120. - C-304/06, Slg. 2008, I-3297 = GRUR 2008, 608 Rn. 67 - EUROHYPO; BGH,
  121. Beschluss vom 15. Januar 2009 - I ZB 30/06, GRUR 2009, 411 Rn. 8 = WRP
  122. 2009, 439 - STREETBALL).
  123. 12
  124. 2. Das Bundespatentgericht hat angenommen, die angesprochenen Verkehrskreise würden die Kennzeichnung „Kaleido“ in Bezug auf das optische Gerät „Kaleidoskop“ nur als verkürzte Beschreibung der Ware verstehen. Diese
  125. Ausführungen halten den Angriffen der Rechtsbeschwerde nicht stand. Das
  126. Bundespatentgericht hat zu hohe Anforderungen an das Vorliegen von Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG gestellt.
  127. 13
  128. a) Allerdings ist einer angemeldeten Bezeichnung die Eintragung als Marke wegen Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft zu versagen, wenn die Wortbestandteile einer Bezeichnung einen beschreibenden Begriffsinhalt enthalten,
  129. der für die in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen ohne weiteres und
  130. ohne Unklarheiten als solcher erfasst wird. Bei derartigen beschreibenden Angaben gibt es keinen tatsächlichen Anhaltspunkt, dass der Verkehr sie als Unterscheidungsmittel versteht (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2009
  131. -7-
  132. - I ZB 52/08, GRUR 2009, 952 Rn. 10 = WRP 2009, 960 - DeutschlandCard,
  133. mwN). Kann dagegen einem Wortzeichen für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen kein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches
  134. Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache, das vom Verkehr
  135. - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets
  136. nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es
  137. keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass ihm die Unterscheidungseignung und
  138. damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (BGH, GRUR 2012, 270 Rn. 11 - Link
  139. economy; BGH, Beschluss vom 4. April 2012 - I ZB 22/11, GRUR 2012, 1143
  140. Rn. 9 = WRP 2012, 1396 - Starsat).
  141. 14
  142. b) Entgegen der Annahme des Bundespatentgerichts wird der durch die
  143. Bezeichnung von Spielzeug angesprochene normal informierte, angemessen
  144. aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher die Bezeichnung
  145. „Kaleido“ nicht stets als verkürzte Beschreibung der Ware „Kaleidoskop“ verstehen.
  146. 15
  147. aa) Das Bundespatentgericht hat nicht festgestellt, dass die Bezeichnung
  148. „Kaleido“ eine gebräuchliche Bezeichnung oder Werbeaussage der deutschen
  149. oder einer im Inland bekannten Fremdsprache ist. Es ist vielmehr davon ausgegangen, dass der Begriff „Kaleido“ in der deutschen Sprache weder als Wort
  150. noch als Abkürzung lexikalisch nachweisbar sei und die Bedeutung des aus
  151. den griechischen Wörtern „kalós“ für „schön, gut“ und „eidos“ für „Aussehen,
  152. Form, Gestalt, Bild“ zusammengesetzen Wortes in ihrer Alleinstellung nicht sehr
  153. bekannt sei.
  154. -8-
  155. Entgegen der Annahme des Bundespatentgerichts lässt sich die Annahme
  156. 16
  157. einer im Inland gebräuchlichen Abkürzung nicht darauf stützen, dass der fast
  158. gleichlautende und fast gleich geschriebene englischsprachige Begriff „kaleidoscope“ mit „kaleido“ abgekürzt wird. Das Bundespatentgericht hat nicht festgestellt, dass dieser Umstand das allein maßgebende inländische Sprachverständnis beeinflusst hat (vgl. BGH, GRUR 2012, 270 Rn. 14 - Link economy).
  159. 17
  160. Auch die Annahme des Bundespatentgerichts, die Bezeichnung „Kaleido“
  161. werde im deutschen Sprachraum tatsächlich als Abkürzung für Kaleidoskope
  162. oder deren spezifische Eigenschaften benutzt, wird von den dazu getroffenen
  163. Feststellungen nicht getragen. Vergeblich stützt sich das Bundespatentgericht
  164. in diesem Zusammenhang auf den Umstand, dass mit „Kaleido“ ein Programm
  165. (sogenannte „App“) mit einem digitalen Kaleidoskop für Smartphones bezeichnet werde (vgl. http://www.3gapps.de/kaleido). So hat das Deutsche Patentund Markenamt in seiner Stellungnahme gemäß § 87 Abs. 2, § 68 Abs. 1
  166. MarkenG zutreffend darauf hingewiesen, dass „Kaleido“ insoweit gerade nicht
  167. als Produktbeschreibung, sondern als Produktname verwendet wird und es im
  168. Softwarebereich allgemein üblich ist, Marken mit beschreibenden Anklängen zu
  169. verwenden („Word“, „Windows“). Soweit sich das Bundespatentgericht weiter
  170. darauf stützt, „Kaleido“ werde auf im angegriffenen Beschluss näher
  171. bezeichneten Internetseiten für „Kaleidoskope“ beschreibend verwendet, kann
  172. dies durch einen Aufruf der entsprechenden Seiten nicht nachvollzogen
  173. werden. Im Übrigen hat das Bundespatentgericht keine Umstände festgestellt,
  174. die dafür sprechen könnten, dass die angeführten Internetseiten geeignet sind,
  175. das inländische Verkehrsverständnis zu prägen (vgl. BGH, GRUR 2012, 270
  176. Rn. 14 - Link economy).
  177. -9-
  178. bb) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet auch die Annahme
  179. 18
  180. des Bundespatentgerichts, bei „Kaleido“ handele es sich um eine Abwandlung
  181. von „Kaleidoskop“, die zwar als solche wahrgenommen werde, aber als geringfügig anzusehen sei. Der Verkehr werde die angegriffene Bezeichnung ohne
  182. weiteres als Angabe für „Kaleidoskop“ erkennen, weil sich „Kaleido“ in der
  183. deutschen Sprache stets nur auf „Kaleidoskop“ beziehen könne.
  184. 19
  185. Diese Beurteilung berücksichtigt nicht, dass „Kaleido“ auch als reines
  186. Kunstwort nicht nur denkbar ist, sondern sogar tatsächlich benutzt wird. So hat
  187. das Deutsche Patent- und Markenamt in seinem Beschluss vom 31. August
  188. 2009 festgestellt, dass „Kaleido“ in Deutschland kennzeichenmäßig für ein
  189. Kraftfahrzeug (Renault Kangoo 1.5 dCi Kaleido), eine Damenuhr (Fossil
  190. BG2087 Kaleido Damenuhr) sowie für einen Internetshop (Kaleido.Shop)
  191. verwendet wird (Anlage 1 bis 3 zum Beschluss vom 31. August 2009).
  192. Abweichende Feststellungen hat das Bundespatentgericht nicht getroffen. Ob
  193. „Kaleido“ zudem - wie das Amt weiter geltend macht - als Bestandteil des
  194. Begriffs „Kaleidophon“ lexikalisch nachweisbar ist, kann auf sich beruhen.
  195. 20
  196. cc) Dem Bundespatentgericht kann auch nicht in der Annahme gefolgt
  197. werden, das Fehlen der Endsilbe „skop“ sei eine nur geringfügige Abweichung
  198. zum warenbeschreibenden Begriff „Kaleidoskop“. Dem normal informierten und
  199. verständigen Durchschnittsverbraucher sind Begriffe mit der Endsilbe „skop“
  200. wie etwa Mikroskop, Teleskop und Periskop bekannt. Er wird aufgrund seiner
  201. Kenntnis der damit beschriebenen Gegenstände in der Endung „skop“ ein
  202. Wortbildungselement erkennen, das auf ein Gerät zur optischen Betrachtung
  203. hindeutet. Damit kommt der Nachsilbe eine wesentliche Funktion im Hinblick
  204. auf die Frage zu, welcher Gegenstand durch den Gesamtbegriff beschrieben
  205. wird. Wird die Endung „skop“ weggelassen, fehlt ein wesentlicher Bezugspunkt
  206. - 10 -
  207. für die Annahme einer konkreten beschreibenden Bedeutung des übrigen
  208. Wortbestandteils.
  209. 21
  210. dd) Das Bundespatentgericht hat angenommen, seine Beurteilung werde
  211. auch durch die Erkenntnisse der Linguistik im Rahmen der sogenannten
  212. „Assoziationstheorie“ oder „Prototypentheorie“ gestützt, wonach der Wahrnehmungs- und Verständnishorizont der Hörenden und Sehenden bei Fehlen
  213. eines Wortes, aber auch bei Fehlen von Wortteilen darauf ausgerichtet sei, das
  214. Wort in der Weise zu ergänzen, wie es sehr häufig in der Allgemeinsprache
  215. vorkomme und in Bezug auf den im Kontext vorgegebenen Sinn - hier in Bezug
  216. auf die Ware „Spielzeug“ - bekannt sei. Auch diese Ausführungen halten den
  217. Angriffen der Rechtsbeschwerde nicht stand.
  218. 22
  219. (1) Sprachwissenschaftliche Erkenntnisse, die auf der Annahme einer
  220. assoziativen Ergänzung von als Abkürzung erkannten Begriffen in einem vom
  221. Kontext vorgegebenen Sinn beruhen, können nicht ohne weiteres für die als
  222. Rechtsfrage
  223. zu
  224. herangezogenen
  225. beantwortende
  226. werden. Wie
  227. Beurteilung
  228. dargelegt,
  229. ist
  230. der
  231. für
  232. Unterscheidungskraft
  233. die
  234. Verneinung
  235. der
  236. Unterscheidungskraft ein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt erforderlich. Eine bloße Assoziation, die dem Verkehr etwa durch ein
  237. sprechendes Zeichen einen Hinweis nicht nur auf die betriebliche Herkunft,
  238. sondern auch auf die gekennzeichnete Ware gibt, steht der Annahme einer
  239. Unterscheidungskraft nicht entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. März 1999
  240. - I ZB 27/96, GRUR 1999, 988, 990 = WRP 1999, 1038 - House of Blues;
  241. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl., § 14 Rn. 563).
  242. 23
  243. (2) Die Annahme, dass der Durchschnittsverbraucher „Kaleido“ in Bezug
  244. auf die Ware „Spielzeug“ nicht als Unterscheidungsmittel, sondern stets nur als
  245. Abkürzung für „Kaleidoskop“ wahrnehmen wird, steht auch nicht mit der Le-
  246. - 11 -
  247. benserfahrung im Einklang. Wie dargelegt, hat das Bundespatentgericht nicht
  248. hinreichend berücksichtigt, dass „Kaleido“ für sich genommen als Fantasiebegriff verstanden werden kann und zudem tatsächlich kennzeichnend verwendet
  249. wird. Das Deutsche Patent- und Markenamt ist in seinem Beschluss vom
  250. 31. August 2009 außerdem zutreffend davon ausgegangen, dass die mit „Kaleidoskop“ in vergleichbarer Weise gebildeten Wörter „Endoskop“, „Horoskop“,
  251. „Teleskop“ und „Stethoskop“ vom Verkehr nicht typischerweise auf „Endo“,
  252. „Horo“, „Tele“ und „Stetho“ verkürzt würden. Abweichende Feststellungen hat
  253. das Bundespatentgericht nicht getroffen. Soweit es in diesem Zusammenhang
  254. davon ausgegangen ist, dass die Kurzworte „Endo“ und „Tele“ für mehrere
  255. mögliche Begriffe stehen könnten (Endokrinologe, Endomorphose, Teleobjektiv), spricht auch dies gegen eine auf abstrakten linguistischen Erkenntnissen
  256. basierende pauschalierende Betrachtungsweise und für eine die Umstände der
  257. konkret zu beurteilenden Bezeichnung und der Kennzeichengewohnheiten der
  258. maßgebenden Branche in den Blick nehmende Prüfung des Einzelfalls (vgl.
  259. auch BGH, Beschluss vom 31. März 2010 - I ZB 62/09, BGHZ 185, 152
  260. Rn. 18 f., 21 - Marlene-Dietrich-Bildnis II).
  261. - 12 -
  262. 24
  263. IV. Der angefochtene Beschluss ist somit aufzuheben und die Sache zur
  264. anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückzuverweisen (§ 89 Abs. 4 Satz 1 MarkenG).
  265. Bornkamm
  266. Büscher
  267. Kirchhoff
  268. Schaffert
  269. Löffler
  270. Vorinstanz:
  271. Bundespatentgericht, Entscheidung vom 21.09.2011 - 29 W (pat) 40/09 -