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136 lines
5.8 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. I ZB 62/08
  4. vom
  5. 18. Dezember 2008
  6. in der Rechtsbeschwerdesache
  7. betreffend die Marke Nr. 300 60 123
  8. -2-
  9. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Dezember 2008 durch
  10. den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Pokrant, Prof. Dr.
  11. Büscher, Dr. Bergmann und Dr. Koch
  12. beschlossen:
  13. Auf die Rechtsbeschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss
  14. des 29. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts
  15. vom 30. Januar 2008 aufgehoben.
  16. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an
  17. das Bundespatentgericht zurückverwiesen.
  18. Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
  19. Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 € festgesetzt.
  20. -3-
  21. Gründe:
  22. 1
  23. I. Die Widersprechende hat gegen die am 3. Januar 2003 veröffentlichte
  24. Eintragung der für Waren und Dienstleistungen der Klassen 09, 38 und 42 eingetragenen Wortmarke DE 300 60 123
  25. In-Travel-Entertainment
  26. 2
  27. Widerspruch erhoben aus der am 17. Mai 1999 für Waren und Dienstleistungen der Klassen 09, 39 und 42 eingetragenen Wortmarke DE 399 16 406
  28. TRAVELTAINMENT
  29. 3
  30. Die zuständige Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts hat
  31. den Widerspruch zurückgewiesen.
  32. 4
  33. Die Beschwerde der Widersprechenden ist erfolglos geblieben. Das Bundespatentgericht hat am 30. Januar 2008 den Beschluss verkündet, mit dem es
  34. die Beschwerde zurückgewiesen hat. Der vollständige Beschluss ist laut dienstlicher Auskunft der Berichterstatterin erst mehr als fünf Monate später - ausweislich
  35. des in der Akte befindlichen Erledigungsvermerks am 10. Juli 2008 - geschrieben
  36. worden.
  37. 5
  38. Hiergegen wendet sich die Widersprechende mit ihrer (nicht zugelassenen)
  39. Rechtsbeschwerde, mit der sie rügt, der angefochtene Beschluss sei nicht mit
  40. Gründen versehen (§ 83 Abs. 3 Nr. 6 MarkenG).
  41. 6
  42. II. Die Rechtsbeschwerde der Widersprechenden hat Erfolg.
  43. 7
  44. 1. Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist auch ohne
  45. Zulassung durch das Bundespatentgericht statthaft, da die Markeninhaberin einen
  46. -4-
  47. im Gesetz aufgeführten, die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnenden Verfahrensmangel - hier: die fehlende Begründung des Beschlusses - rügt und diese
  48. Rüge im Einzelnen begründet (BGH, Beschl. v. 28.8.2003 - I ZB 5/03, GRUR
  49. 2004, 76 = WRP 2004, 103 - turkey & corn; Beschl. v. 1.3.2007 - I ZB 33/06,
  50. GRUR 2007, 534 Tz. 5 = WRP 2007, 643 - WEST).
  51. 8
  52. 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Die Widersprechende rügt
  53. mit Erfolg, der Beschluss sei nicht mit Gründen versehen (§ 83 Abs. 3 Nr. 6, § 79
  54. Abs. 2 MarkenG).
  55. 9
  56. Ein Beschluss ist auch dann nicht mit Gründen im Sinne des § 83 Abs. 3
  57. Nr. 6 MarkenG versehen, wenn die Gründe nicht binnen fünf Monaten nach Verkündung schriftlich niedergelegt, von den Richtern besonders unterschrieben und
  58. der Geschäftstelle übergeben worden sind (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten
  59. Gerichtshöfe des Bundes, Beschl. v. 27.4.1993 - GmS-OGB 1/92, NJW 1993,
  60. 2603 ff.; BGH, Urt. v. 15.7.1999 - I ZR 118/99 - zu § 551 Nr. 7 ZPO a.F. [§ 547
  61. Nr. 6 ZPO]; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl., § 83 Rdn. 37 i.V.m. § 79 Rdn. 3;
  62. Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 83 Rdn. 52 i.V.m. § 79 Rdn. 15).
  63. 10
  64. Entscheidungen des Patentgerichts, durch die über ein Rechtsmittel entschieden wird, sind nach § 79 Abs. 2 MarkenG zu begründen. Dieser Verpflichtung ist nur dann genügt, wenn die Gründe der vollständig schriftlich niedergelegten und von den Richtern unterschriebenen Entscheidung mit den Gründen übereinstimmen, die nach dem Ergebnis der auf die mündliche Verhandlung folgenden
  65. Urteilsberatung für die richterliche Überzeugung und für die von dieser getragenen
  66. Entscheidung maßgeblich waren. Damit von einer solchen Übereinstimmung ausgegangen werden kann, ist es notwendig, dass zwischen der Beratung und Verkündung eines noch nicht vollständig abgefassten Beschlusses und der Niederlegung, Unterzeichnung und Übergabe des ganzen Beschlusses an die Geschäftsstelle eine nicht zu große Zeitspanne liegt. Unter Rückgriff auf die gesetzliche
  67. -5-
  68. Wertung des § 548 ZPO ist diese Zeitspanne auf längstens fünf Monate zu begrenzen. Da das richterliche Erinnerungsvermögen abnimmt, ist jedenfalls nach
  69. Ablauf von fünf Monaten nicht mehr gewährleistet, dass der Eindruck von der
  70. mündlichen Verhandlung und das Ergebnis der Beratung noch zuverlässigen Niederschlag in den so viel später abgefassten Gründen der Entscheidung finden.
  71. Diese Frist gilt für alle Gerichtsbarkeiten, da im Hinblick auf das Erinnerungsvermögen der Richter keine Unterschiede zwischen den verschiedenen Gerichtsbarkeiten bestehen (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes
  72. aaO).
  73. 11
  74. Die Fünfmonatsfrist ist hier nicht eingehalten worden, da der am 30. Januar
  75. 2008 verkündete Beschluss laut dienstlicher Auskunft der Berichterstatterin erst
  76. mehr als fünf Monate später - ausweislich des in der Akte befindlichen Erledigungsvermerks am 10. Juli 2008 - vollständig schriftlich niedergelegt worden ist.
  77. 12
  78. 3. Der Antrag der Widersprechenden, die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde bis zum rechtskräftigen Abschluss des beim Deutschen Patent- und
  79. Markenamt anhängigen Löschungsverfahrens gegen die Wortmarke DE 300 60
  80. 123 „In-Travel-Entertainment“ auszusetzen, hat keinen Erfolg. Für eine Aussetzung besteht kein Anlass. Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ist nicht
  81. vom Ausgang des Löschungsverfahrens abhängig.
  82. 13
  83. III. Danach ist der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache zur
  84. anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückzuverweisen.
  85. -6-
  86. 14
  87. Hinsichtlich der Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat der
  88. Senat von der Möglichkeit des § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG Gebrauch gemacht.
  89. Bornkamm
  90. Pokrant
  91. Bergmann
  92. Büscher
  93. Koch
  94. Vorinstanz:
  95. Bundespatentgericht, Entscheidung vom 30.01.2008 - 29 W(pat) 61/06 -