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5.9 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. I ZB 48/06
  4. vom
  5. 15. Januar 2009
  6. in dem Rechtsbeschwerdeverfahren
  7. -2-
  8. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Januar 2009 durch den
  9. Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Prof. Dr. Büscher,
  10. Dr. Schaffert, Dr. Bergmann und Dr. Koch
  11. beschlossen:
  12. Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des
  13. Landgerichts Heidelberg vom 23. Mai 2006 wird auf Kosten des Beklagten als unzulässig verworfen.
  14. Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens: 1.407,60 €.
  15. Gründe:
  16. 1
  17. I.
  18. Das Amtsgericht Heidelberg hat den Beklagten zur Zahlung verurteilt.
  19. Das Urteil ist dem Beklagten am 10. Februar 2006 zugestellt worden und der Beklagte hat Berufung beim Landgericht Heidelberg eingelegt. Die Berufungsbegründung ist erst am 11. April 2006 beim Berufungsgericht eingegangen. Nach
  20. dem gerichtlichen Hinweis auf die Verspätung hat der Beklagte beantragt, ihm
  21. wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
  22. 2
  23. Hierzu hat der Beklagte ausgeführt:
  24. 3
  25. Nach Zustellung des Amtsgerichtsurteils habe die Büroangestellte seines
  26. Prozessbevollmächtigten auf der Urteilsabschrift zutreffend den 10. April 2006 als
  27. -3-
  28. den letzten Tag der Berufungsbegründungsfrist vermerkt. In den Fristenkalender
  29. habe sie aber versehentlich den 11. April 2006 eingetragen. Sein Prozessbevollmächtigter habe nach Eingang des Urteils die auf der Abschrift eingetragenen
  30. Fristen überprüft. Bei der Anfertigung der Berufungsbegründung habe er sich aber
  31. ausschließlich an der im Fristenkalender eingetragenen Frist orientiert. Der Fehler
  32. sei ihm nicht aufgefallen, weil er die Berufungsbegründung mit Hilfe des Originals
  33. des Urteils erstellt und die Urteilsabschrift mit der zutreffend notierten Frist nicht
  34. verwendet habe.
  35. 4
  36. Mit Beschluss vom 23. Mai 2006 hat das Berufungsgericht den Wiedereinsetzungsantrag des Beklagten zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig
  37. verworfen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Versäumung
  38. der Berufungsbegründungsfrist beruhe auf einem dem Beklagten zurechenbaren
  39. Verschulden seines Prozessbevollmächtigten. Dieser sei bei Vorlage der Akte zur
  40. Erstellung der Berufungsbegründung zur eigenständigen Prüfung der Berufungsbegründungsfrist verpflichtet gewesen. Dem Wiedereinsetzungsantrag sei nicht zu
  41. entnehmen, dass der Prozessbevollmächtigte diese Prüfung bei oder kurz vor Anfertigung der Berufungsbegründung vorgenommen habe.
  42. 5
  43. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Beklagte mit seiner Rechtsbeschwerde.
  44. 6
  45. II. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V. mit § 522
  46. Abs. 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Sie ist jedoch unzulässig, da es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt. Die Rechtssache wirft weder Fragen von
  47. grundsätzlicher Bedeutung oder zur Fortbildung des Rechts auf, noch ist die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
  48. erforderlich. Die Rechtsfragen, die der Streitfall aufwirft, sind höchstrichterlich geklärt. Eine Verletzung des Anspruchs des Beklagten auf wirkungsvollen Rechts-
  49. -4-
  50. schutz scheidet aus, weil das Berufungsgericht zu Recht den Wiedereinsetzungsantrag des Beklagten zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen
  51. hat.
  52. 7
  53. 1. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes hat der
  54. Rechtsanwalt den Fristenlauf immer dann eigenverantwortlich zu überprüfen,
  55. wenn ihm die Akten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung – wie der Berufungsbegründung – zur Bearbeitung vorliegen (BGH, Beschl. v.
  56. 11.12.1991 – VIII ZB 38/91, NJW 1992, 841; Beschl. v. 11.2.1992 – VI ZB 2/92,
  57. NJW 1992, 1632; Beschl. v. 5.2.2003 – VIII ZB 115/02, NJW 2003, 1815; Beschl.
  58. v. 17.3.2004 – IV ZB 41/03, NJW-RR 2004, 1150; Beschl. v. 25.4.2007
  59. – VI ZB 66/06, NJW 2007, 2332 Tz. 7, jeweils m.w.N.). Eine an das Büropersonal
  60. gerichtete Anweisung, die Fristen zu wahren, kann ihn nicht von dieser Verpflichtung befreien. Denn die Pflicht des Prozessbevollmächtigten, den Fristablauf bei
  61. der Vorbereitung auch der Berufungsbegründung (erneut) selbständig zu prüfen,
  62. beruht darauf, dass die sorgfältige Vorbereitung der Prozesshandlung stets auch
  63. die Prüfung aller gesetzlichen Anforderungen an die Zulässigkeit einschließt (BGH
  64. NJW 1992, 841; NJW 1992, 1632; NJW-RR 2004, 1150).
  65. 8
  66. 2. Danach hat das Berufungsgericht zu Recht den Wiedereinsetzungsantrag des Beklagten zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen.
  67. Der Beklagte hat die Berufungsbegründungsfrist nicht unverschuldet versäumt.
  68. Das Versäumnis beruht auf einem Verschulden seines Prozessbevollmächtigten,
  69. das er sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss. Der Prozessbevollmächtigte hat bei Vorlage der Akte zur Anfertigung der Berufungsbegründung den
  70. Ablauf der hierfür maßgebenden Frist nicht (erneut) überprüft. Nach dem Vortrag
  71. des Beklagten hat sein Prozessbevollmächtigter bereits unmittelbar nach Zustellung des amtsgerichtlichen Urteils an der Berufungsbegründung zu arbeiten begonnen und diese Arbeit kontinuierlich fortgesetzt. Hätte er – wie es geboten ge-
  72. -5-
  73. wesen wäre – die Frist überprüft, als ihm die Akten zur Fertigung der Berufungsbegründung vorlagen, hätte er die unzutreffende Eintragung des Fristablaufs bemerkt und die Berufungsbegründung fristgerecht einreichen können. Insofern ist
  74. der Streitfall nicht mit der Konstellation vergleichbar, die dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 10. Mai 2006 zugrunde lag; dort war dem Prozessbevollmächtigten die Akte zur Fertigung der Berufungsbegründung erst vorgelegt worden, als die Begründungsfrist bereits abgelaufen war (BGH, Beschl. v. 10.5.2006
  75. – XII ZB 42/05, NJW 2006, 2269 Tz. 11).
  76. 9
  77. III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
  78. Bornkamm
  79. Büscher
  80. Bergmann
  81. Schaffert
  82. Koch
  83. Vorinstanzen:
  84. AG Heidelberg, Entscheidung vom 08.02.2006 - 27 C 393/05 LG Heidelberg, Entscheidung vom 23.05.2006 - 2 S 13/06 -