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256 lines
12 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. BLw 11/04
  4. vom
  5. 5. November 2004
  6. in der Landwirtschaftssache
  7. betreffend Abfindungsansprüche nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz
  8. Nachschlagewerk:
  9. ja
  10. BGHZ:
  11. nein
  12. BGHR:
  13. ja
  14. RBerG Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1
  15. a) Die Einziehung abgetretener Forderungen gegen hälftige Beteiligung am Ertrag
  16. stellt, wenn sie geschäftsmäßig erfolgt, eine erlaubnispflichtige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten dar.
  17. b) Ob eine für die Geschäftsmäßigkeit des Handelns erforderliche Wiederholungsabsicht besteht, unterliegt der dem Tatrichter vorbehaltenen Würdigung aller Umstände, die das Rechtsbeschwerdegericht nur auf Rechtsfehler überprüfen kann.
  18. c) An der Wiederholungsabsicht kann es im Ausnahmefall auch bei Vereinbarung
  19. eines erfolgsabhängigen Entgelts sowie im Falle einer Inkassotätigkeit für einen
  20. größeren Personenkreis (hier: 20 Fälle) fehlen, z.B. bei einer Inkassotätigkeit gegen einen Schuldner und aus demselben Schuldgrund (hier: Abfindungsansprüche gegen eine umgewandelte LPG).
  21. BGH, Beschl. v. 5. November 2004 - BLw 11/04 - OLG Naumburg
  22. AG Dessau
  23. -2-
  24. Der Bundesgerichtshof, Senat für Landwirtschaftssachen, hat am 5. November
  25. 2004 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes Dr. Wenzel und die
  26. Richter Prof. Dr. Krüger und Dr. Lemke sowie die ehrenamtlichen Richter Kees
  27. und Andreae
  28. beschlossen:
  29. Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des Senats für
  30. Landwirtschaftssachen des Oberlandesgerichts Naumburg vom
  31. 29. Oktober 2003 wird auf Kosten der Antragsgegnerin, die dem
  32. Antragsteller auch die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu erstatten hat, zurückgewiesen.
  33. Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 448,53 €.
  34. Gründe:
  35. I.
  36. G.
  37. B.
  38. war Mitglied der LPG T.
  39. -T.
  40. -R.
  41. (im folgenden: LPG), der Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin, aus der er
  42. 1991, vor der Umwandlung, ausschied. Mit Vertrag vom 26. Dezember 2001
  43. verpflichtete sich der Antragsteller gegenüber G.
  44. B.
  45. , dessen
  46. Ansprüche gegen die Antragsgegnerin auf eigene Kosten gerichtlich durchzusetzen. Der Ertrag sollte hälftig geteilt werden. Dementsprechend trat G.
  47. B.
  48. seine Abfindungsansprüche am selben Tag an den Antragsteller ab.
  49. -3-
  50. Inhaltsgleiche Abreden traf der Antragsteller Ende Dezember 2001 mit
  51. 19 weiteren ehemaligen Mitgliedern der LPG oder deren Erben. Bereits 1995
  52. hatte sich der Antragsteller Ansprüche eines LPG-Mitglieds abtreten lassen
  53. und diese gegenüber der Antragsgegnerin gerichtlich geltend gemacht.
  54. Aus abgetretenem Recht von G.
  55. B.
  56. hat der Antragstel-
  57. ler zunächst Zahlung von 1.660,60 € nebst Zinsen von der Antragsgegnerin
  58. verlangt. Das Landwirtschaftsgericht hat den Antrag abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat dem auf Zahlung von 587,17 € nebst Zinsen reduzierten
  59. Antrag in Höhe von 448,53 € stattgegeben. Dagegen richtet sich die
  60. zugelassene
  61. Rechtsbeschwerde,
  62. mit
  63. der
  64. die
  65. Antragsgegnerin
  66. die
  67. Wiederherstellung der Entscheidung des Landwirtschaftsgerichts erstrebt. Der
  68. Antragsteller beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
  69. II.
  70. Das Beschwerdegericht hält die Abtretung des Abfindungsanspruchs
  71. von G.
  72. B.
  73. gegen die Antragsgegnerin gem. § 44 Abs. 1 Nr. 3
  74. LwAnpG an den Antragsteller für wirksam. Ein Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz sei nicht gegeben, da der Antragsteller nicht geschäftsmäßig gehandelt habe. Dieser könne daher den nach Grund und in der zuerkannten Höhe unstreitigen Anspruch gegen die Antragsgegnerin geltend machen.
  75. III.
  76. -4-
  77. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Prüfung stand.
  78. 1. Daß G.
  79. B.
  80. infolge seines Ausscheidens aus der
  81. Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin gegen diese einen Abfindungsanspruch nach § 44 Abs. 1 Nr. 3 LwAnpG in Höhe von 448,53 € zusteht, stellt die
  82. Rechtsbeschwerde nicht in Frage. Rechtsfehler sind dem Beschwerdegericht,
  83. das sich bei der Berechnung des Anspruchs auf die übereinstimmenden Angaben der Beteiligten gestützt hat, auch nicht unterlaufen.
  84. 2. Die Rechtsbeschwerde wendet sich allein gegen die Auffassung des
  85. Beschwerdegerichts, die Abtretungsvereinbarung stelle keinen Verstoß gegen
  86. das Rechtsberatungsgesetz dar und sei daher wirksam. Dies ist indes aus
  87. Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
  88. a) Allerdings stellt die Einziehung abgetretener Forderungen nach Art. 1
  89. § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG eine Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten dar,
  90. die, wenn sie geschäftsmäßig erfolgt, ohne Erlaubnis nicht betrieben werden
  91. darf. Daß der Antragsteller im konkreten Fall an dem eingezogenen Betrag
  92. hälftig beteiligt werden sollte, macht das Geschäft nicht zu einer eigenen Angelegenheit des Zessionars. Darin liegt lediglich die Vereinbarung einer erfolgsabhängigen Vergütung für die Inkassotätigkeit (vgl. Chemnitz/Johnigk, RBerG,
  93. 11. Aufl., Art. 1 § 1 Rdn. 100; Rennen/Caliebe, RBerG, 3. Aufl., Art. 1 § 1
  94. Rdn. 50), ändert aber nichts an dem Fremdcharakter des Geschäfts.
  95. b) Das Beschwerdegericht hat jedoch rechtsfehlerfrei ein geschäftsmäßiges Handeln des Antragstellers verneint.
  96. -5-
  97. aa) Mit dem Begriff der Geschäftsmäßigkeit soll nicht allgemein ein irgendwie geartetes Handeln im geschäftlichen Verkehr erfaßt, sondern die erlaubnisfreie Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten in vereinzelten Sonderfällen abgegrenzt werden von einer darauf gerichteten Geschäftstätigkeit
  98. (BGH, Urt. v. 28. Februar 1985, I ZR 191/82, WM 1985, 1214, 1215; Urt. v.
  99. 9. April 2000, X ZR 228/00, NJW 2002, 2104, 2105). Geschäftsmäßig handelt
  100. deshalb nur, wer beabsichtigt, die Tätigkeit - sei es auch nur bei sich bietender
  101. Gelegenheit - in gleicher Art zu wiederholen, um sie dadurch zu einem dauernden oder wiederkehrenden Bestandteil seiner Beschäftigung zu machen
  102. (BGHZ 148, 313, 317; BGH, Urt. v. 5. Juni 1985, IVa ZR 55/83, NJW 1986,
  103. 1050, 1051; Urt. v. 17. Februar 2000, IX ZR 50/98, NJW 2000, 1560, 1561; Urt.
  104. v. 27. November 2000, II ZR 190/99, NJW 2001, 756 f.). Denn das Gesetz will
  105. zum Schutz der Rechtsuchenden und im allgemeinen Interesse an einer zuverlässigen Rechtspflege der Gefahr vorbeugen, daß die geschäftsmäßige, insbesondere im Rahmen der Ausübung eines Berufs erfolgende Besorgung fremder
  106. Rechtsangelegenheiten an ungeeignete oder unzuverlässige Personen gerät
  107. (BVerfG, NJW 2002, 1190; BGHZ 62, 234, 240; BGH, Urt. v. 28. Februar 1985,
  108. I ZR 191/82, WM 1985, 1214, 1215; Urt. v. 9. April 2002, X ZR 228/00, NJW
  109. 2002, 2104, 2105; Chemnitz/Johnigk, Art. 1 § 1 Rdn. 18; Rennen/Caliebe,
  110. Art. 1 § 1 Rdn. 11, jeweils mit weiteren Nachw.).
  111. bb) Erforderlich ist danach die Feststellung, daß der Antragsteller die
  112. Absicht hatte, über die ihm Ende Dezember 2001 abgetretenen Ansprüche von
  113. insgesamt 20 ehemaligen LPG-Mitgliedern hinaus zukünftig weitere Forderungen für Dritte einzuziehen. Eine solche Absicht folgt - entgegen der Auffassung
  114. der Rechtsbeschwerde - nicht allein zwingend daraus, daß der Antragsteller
  115. mit den Zedenten jeweils ein erfolgsabhängiges Entgelt vereinbart hat. Eine
  116. -6-
  117. solche Honorarvereinbarung kann zwar, je nach den Umständen des Einzelfalls, für die Annahme einer Wiederholungsabsicht und damit für das Vorliegen
  118. geschäftsmäßigen Handelns ausreichen (BGHZ 148, 313, 317; BGH, Urt. v.
  119. 5. Juni 1985, IVa ZR 55/83, NJW 1986, 1050, 1051; Chemnitz/Johnigk, Art. 1
  120. § 1 Rdn. 104; Rennen/Caliebe, Art. 1 § 1 Rdn. 61). Anders ist es jedoch dann,
  121. wenn nur ausnahmsweise aus besonderen Gründen eine Forderungseinziehung auf fremde Rechnung vorgenommen wird (BGH, Urt. v. 28. Februar 1985,
  122. I ZR 191/82, WM 1985, 1214, 1215; Urt. v. 1. Dezember 1994, III ZR 93/93,
  123. NJW 1995, 1025, 1027; Urt. v. 27. November 2000, II ZR 190/99, NJW 2001,
  124. 756, 757; Urt. v. 9. April 2002, X ZR 228/00, NJW 2002, 2104, 2105). Ein solcher Ausnahmefall kann auch dann vorliegen, wenn die Inkassotätigkeit, wie
  125. hier, für einen größeren Personenkreis erfolgen soll (BGH, Urt. v. 1. Dezember
  126. 1994, III ZR 93/93, NJW 1995, 1025, 1027; Urt. v. 27. November 2000, II ZR
  127. 190/99, NJW 2001, 756, 757) oder wenn der übernommene Forderungsbestand einen erheblichen Umfang hat, wie die Rechtsbeschwerde, allerdings
  128. ohne daß dem Feststellungen des Beschwerdegerichts zugrunde liegen oder
  129. verfahrensfehlerhaft unterblieben wären, geltend macht (BGH, Urt. v.
  130. 28. Februar 1985, I ZR 191/82, WM 1985, 1214, 1216; OLG München,
  131. NJW-RR 1994, 1138).
  132. cc) Die getroffenen Feststellungen tragen die Annahme des Beschwerdegerichts, daß die Abtretungen Ausnahmecharakter haben, weil sie von vornherein auf einen engen Personenkreis und einen fest umrissenen Forderungsbestand begrenzt und deshalb nicht auf Wiederholung angelegt waren. Zumindest sind sie als mögliche tatrichterliche Würdigung (vgl. BGHZ 148, 313, 318)
  133. fehlerfrei und damit von der Rechtsbeschwerde hinzunehmen.
  134. -7-
  135. Der Ausnahmecharakter ergibt sich daraus, daß die Abtretungen den
  136. Antragsteller in die Lage versetzen sollten, gegen die Antragsgegnerin gerichtete Abfindungsansprüche nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz vor
  137. deren vermeintlicher Verjährung am 31. Dezember 2001 gerichtlich geltend zu
  138. machen. Waren nach Auffassung des Antragstellers derartige Ansprüche zu
  139. einem späteren Zeitpunkt nicht mehr durchsetzbar, dann besteht kein zwingender Grund für die Annahme, er habe vor, - wie bereits einmal in der Vergangenheit - auch in Zukunft entsprechende Forderungen anderer ehemaliger
  140. LPG-Mitglieder einzuziehen. Es sind weder Anhaltspunkte festgestellt noch
  141. verweist die Rechtsbeschwerde auf entsprechenden Vortrag der Antragsgegnerin, daß der Antragsteller eine Ausweitung seiner Tätigkeit auf unverjährte
  142. Ansprüche mit anderem Inhalt oder gegen andere Schuldner beabsichtigt haben könnte. Es ging allein um Ansprüche gegen die Antragsgegnerin. Dies belegt zusätzlich das Vorbringen der Rechtsbeschwerde, daß sich der Antragsteller bei der Durchsetzung der abgetretenen Ansprüche die Kenntnisse habe
  143. nutzbar machen wollen, die er bei der gerichtlichen Geltendmachung der bereits im Jahr 1995 abgetretenen Forderung erlangt gehabt habe. Diese Kenntnisse, insbesondere über das für die Verteilung zugrunde zu legende Eigenkapital, waren nämlich - von wenigen allgemeinen Erfahrungen im Landwirtschaftsanpassungsrecht abgesehen - ausschließlich für das Bestehen und die
  144. Höhe von Abfindungsansprüchen gegen die Antragsgegnerin von Bedeutung.
  145. Soweit die Rechtsbeschwerde geltend macht, der Antragsteller sei mit
  146. den Zedenten weder verwandtschaftlich noch freundschaftlich verbunden, fehlt
  147. es an entsprechenden Feststellungen des Beschwerdegerichts. Die Rechtsbeschwerde verweist auch nicht auf Sachvortrag in den Tatsacheninstanzen hierzu. Im Rechtsbeschwerdeverfahren kann neuer Sachvortrag indes nicht einge-
  148. -8-
  149. führt werden. Unabhängig davon wäre der Umstand fehlender persönlicher Beziehungen zwischen Zedenten und Zessionar auch unerheblich. Dabei kann
  150. offen bleiben, ob darin nicht gerade ein Indiz für die Absicht zu sehen ist, die
  151. rechtsbesorgende Tätigkeit bei Bedarf zu wiederholen (so Gross, AnwBl. 1989,
  152. 155 f.;
  153. Chemnitz/Johnigk,
  154. Art. 1
  155. §1
  156. Rdn. 106;
  157. dagegen
  158. Henss-
  159. ler/Prütting/Weth, BRAO, 2. Aufl., Art. 1 § 1 RBerG Rdn. 39). Jedenfalls setzt
  160. die Verneinung der Geschäftsmäßigkeit nicht notwendig voraus, daß die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten wegen des Bestehens enger persönlicher Beziehungen aus Gefälligkeit erfolgt (OLG München, NJW-RR 1994,
  161. 1138). Vielmehr kann es an einer Wiederholungsabsicht aus unterschiedlichen
  162. Gründen fehlen, vor allem dann, wenn die rechtsbesorgende Tätigkeit, wie offensichtlich hier, nicht beruflich veranlaßt ist und es an einem entsprechenden
  163. an die Allgemeinheit gerichteten Angebot fehlt (BGH, Urt. v. 28. Februar 1985,
  164. I ZR 191/82, WM 1985, 1214, 1215).
  165. Soweit sich die Rechtsbeschwerde auf eine Entscheidung des OLG
  166. Dresden (NL-BzAR 2003, 343) stützt, die die Einziehung abgetretener Abfindungsansprüche nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz als geschäftsmäßige Rechtsbesorgung qualifiziert hat, übersieht sie die Unterschiede zum
  167. vorliegenden Fall. Zum einen spielten die Gesichtspunkte einer möglichen Verjährung der abgetretenen Ansprüche und einer Verwertung in früheren Verfahren gewonnener Erkenntnisse für die Entscheidung des OLG Dresden keine
  168. Rolle. Zum anderen hatte sich der Antragsteller in jenem Verfahren als
  169. "Schicksalsgenosse" der LPG-Mitglieder bezeichnet, worin das OLG Dresden
  170. ein Indiz für seinen Willen gesehen hat, für einen unbestimmt großen Kreis
  171. ehemaliger LPG-Mitglieder rechtsbesorgend tätig zu werden. Hier ist solches
  172. nicht festgestellt.
  173. -9-
  174. - 10 -
  175. IV.
  176. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 44, 45 LwVG.
  177. Wenzel
  178. Krüger
  179. Lemke