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36 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. AnwZ (Brfg) 45/15
  5. Verkündet am:
  6. 3. Juli 2017
  7. Boppel
  8. Justizamtsinspektor
  9. als Urkundsbeamter
  10. der Geschäftsstelle
  11. in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. BRAO § 73 Abs. 2 Nr. 1, 4, § 112c Abs. 1 Satz 1; VwGO § 43 Abs. 1
  19. a) Zur Abgrenzung einer einfachen Belehrung beziehungsweise eines präventiven Hinweises von einem belehrenden Hinweis beziehungsweise einer missbilligende Belehrung durch die Rechtsanwaltskammer (Bestätigung und Fortführung der Senatsurteile vom 12. Juli 2012 - AnwZ (Brfg) 37/11, BGHZ 194, 79 Rn. 12; vom
  20. 27. Oktober 2014 - AnwZ (Brfg) 67/13, NJW 2015, 72 Rn. 7 f.; vom 18. Juli 2016 - AnwZ (Brfg) 22/15, juris
  21. Rn. 10; vom 7. November 2016 - AnwZ (Brfg) 47/15, NJW 2017, 407 Rn. 10, 12).
  22. b) Hat die Rechtsanwaltskammer in Bezug auf ein von einem Rechtsanwalt beabsichtigtes Verhalten eine einfache Belehrung beziehungsweise einen präventiven Hinweis erteilt und damit keinen Verwaltungsakt erlassen,
  23. ist eine auf die Feststellung der Rechtmäßigkeit des beabsichtigten Verhaltens gerichtete (vorbeugende)
  24. Feststellungsklage des Rechtsanwalts grundsätzlich nur dann zulässig, wenn ein spezielles, besonders
  25. schützenswertes, gerade auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Interesse besteht und die Verweisung des Rechtsanwalts auf den nachträglichen Rechtsschutz für ihn mit unzumutbaren
  26. Nachteilen verbunden wäre (Fortführung von Senatsbeschluss vom 24. Februar 2016 - AnwZ (Brfg) 62/15,
  27. juris Rn. 7 mwN; Senatsurteil vom 18. Juli 2016 - AnwZ (Brfg) 46/13, NJW-RR 2016, 1459 Rn. 13).
  28. BGH, Urteil vom 3. Juli 2017 - AnwZ (Brfg) 45/15 - AGH Hamm
  29. wegen anwaltlicher Werbung
  30. ECLI:DE:BGH:2017:030717UANWZ.BRFG.45.15.0
  31. -2-
  32. Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat auf die mündliche
  33. Verhandlung vom 3. Juli 2017 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr.
  34. Kayser, die Richter Dr. Bünger und Dr. Remmert sowie die Rechtsanwältin
  35. Schäfer und den Rechtsanwalt Dr. Wolf
  36. für Recht erkannt:
  37. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des 1. Senats des
  38. Anwaltsgerichtshofs
  39. des
  40. Landes
  41. Nordrhein-Westfalen
  42. vom
  43. 29. Mai 2015 wird zurückgewiesen.
  44. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
  45. Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens wird auf 5.000 €
  46. festgesetzt.
  47. Tatbestand:
  48. 1
  49. 1. Der Kläger war seit 2004 Mitglied der Beklagten. Anfang des Jahres
  50. 2013 bat er die Beklagte um eine Beurteilung der berufsrechtlichen Zulässigkeit
  51. einer von ihm beabsichtigten und so bezeichneten "Schockwerbung" für seine
  52. Kanzlei. Der Kläger wollte zu Werbezwecken Kaffeetassen verbreiten, die
  53. - soweit hier noch von Interesse - mit drei verschiedenen Aufdrucken von Bildern, diesen beigestellten Textzeilen sowie den Kontaktdaten der Kanzlei des
  54. Klägers versehen sein sollten. Wegen der Einzelheiten dieser Aufdrucke, die
  55. auch Gegenstand der im vorliegenden Verfahren im Streit stehenden Werbemaßnahme sind, wird auf den Tatbestand des zwischen den Parteien ergangenen Senatsurteils vom 27. Oktober 2014 (AnwZ (Brfg) 67/13, NJW 2015, 72)
  56. -3-
  57. sowie auf die Seite 2 der hiesigen Klageschrift und den Tatbestand des hier
  58. angegriffenen Urteils des Anwaltsgerichtshofs (Seite 4) Bezug genommen. Die
  59. Beklagte erteilte dem Kläger daraufhin zwei belehrende Hinweise, in denen sie
  60. ihn aufforderte, die vorgenannte Werbung wegen Unvereinbarkeit mit dem anwaltlichen Berufsrecht und dem Wettbewerbsrecht zu unterlassen.
  61. 2
  62. Die dagegen gerichtete Klage hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen.
  63. Die Berufung des Klägers hat der Senat mit dem vorerwähnten Urteil vom
  64. 27. Oktober 2014 zurückgewiesen. Der Senat hat die oben genannte Werbung
  65. als mit dem berufsrechtlichen Gebot sachlicher und berufsbezogener Unterrichtung (§ 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA) nicht vereinbar angesehen, da sie aus
  66. der maßgeblichen Sicht der angesprochenen Verkehrskreise darauf abziele,
  67. gerade durch ihre reißerische und sexualisierende Ausgestaltung die Aufmerksamkeit des Betrachters zu erregen, mit der Folge, dass ein etwa vorhandener
  68. Informationswert in den Hintergrund gerückt werde oder gar nicht mehr erkennbar sei. Derartige Werbemethoden seien geeignet, die Rechtsanwaltschaft als
  69. seriöse Sachwalterin der Interessen Rechtsuchender zu beschädigen.
  70. 3
  71. Die gegen das vorbezeichnete Senatsurteil gerichtete Verfassungsbeschwerde des Klägers hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom
  72. 5. März 2015 (BVerfG, NJW 2015, 1438) nicht zur Entscheidung angenommen.
  73. Das Bundesverfassungsgericht hat hierbei hervorgehoben, Schutzzweck des
  74. § 43b BRAO sei die Sicherung der Unabhängigkeit des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege. Mit der Stellung des Rechtsanwalts sei im Interesse des
  75. rechtsuchenden Bürgers insbesondere eine Werbung nicht vereinbar, die ein
  76. reklamehaftes Anpreisen in den Vordergrund stelle, mit der eigentlichen Leistung des Anwalts nichts mehr zu tun habe und sich nicht mit dem unabdingbaren Vertrauensverhältnis im Rahmen eines Mandats vereinbaren lasse (BVerfG,
  77. aaO Rn. 24 mwN).
  78. -4-
  79. 4
  80. 2. Mit Schreiben vom 21. März 2015 fragte die "Dr. R.
  81. Rechtswis-
  82. senschaftliche Dienstleistungen UG (haftungsbeschränkt)", deren Geschäftsführer der Kläger ist und die seit dem 3. November 2016 als "R.
  83. Legal Ser-
  84. vices UG (haftungsbeschränkt)" firmiert, bei der Beklagten an, ob Bedenken
  85. gegen die Verwendung der oben genannten Bildmotive auf Kaffeetassen zu
  86. Werbezwecken unter Hinzufügung der Bezeichnung der erstgenannten Unternehmergesellschaft bestünden. Die Beklagte beantwortete diese Anfrage durch
  87. Schreiben vom 1. April 2015 im Wesentlichen wie folgt:
  88. "Sollten Sie die von Ihnen nunmehr angekündigte Werbung über die
  89. Dr. R.
  90. Rechtswissenschaftliche Dienstleistungen UG schalten
  91. wollen, wäre die[s] für sie als Rechtsanwalt eindeutig ein Verstoß gegen
  92. § 6 Abs. 3 BORA.
  93. Sie würden als Rechtsanwalt zulassen (in eigener Person), dass eine UG
  94. für sie eine höchstrichterlich untersagte Werbung betreibt.
  95. Es ist auch im Wettbewerbsrecht ganz selbstverständlich, dass solche
  96. Umgehungsversuche eine unerlaubte wettbewerbswidrige Handlung darstellen. […] dies [wäre] nicht nur ein wettbewerbswidriges Verhalten der
  97. UG […], sondern auch ein berufsrechtlicher Verstoß des Rechtsanwalts
  98. Dr. M. R. .
  99. Wenn Sie also gegenüber der Rechtsanwaltskammer K. nicht erklären,
  100. dass Sie diese Werbung nicht schalten werden, wird die Abteilung III der
  101. Rechtsanwaltskammer K.
  102. den Vorgang unmittelbar an die Generalstaatsanwaltschaft K. zur Prüfung der Einleitung eines anwaltsgerichtlichen Anschuldigungsverfahrens übersenden.
  103. […]
  104. Wir dürfen Sie daher bitten, uns gegenüber bis zum 13.04.2015 zu erklären, dass Sie diese Werbung nicht vornehmen werden."
  105. 5
  106. Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass die Verwendung der oben genannten Bildmotive auf Kaffeetassen als Werbemedien durch
  107. die "Dr. R.
  108. Rechtswissenschaftliche Dienstleistungen UG (haftungsbe-
  109. schränkt)" keinen Verstoß durch ihn als deren Geschäftsführer gegen anwaltli-
  110. -5-
  111. ches Berufsrecht darstelle. Hilfsweise erstrebt der Kläger die Aufhebung des
  112. von ihm als belehrenden Hinweis angesehenen Schreibens der Beklagten vom
  113. 1. April 2015, soweit darin die vorbezeichneten Bildmotive als Verstoß gegen
  114. anwaltliches Berufsrecht untersagt worden seien.
  115. 6
  116. Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat
  117. er im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei sowohl hinsichtlich des Hauptantrags als auch des Hilfsantrags unzulässig. Die Unzulässigkeit der in erster Linie erhobenen Feststellungsklage ergebe sich unter Zugrundelegung des
  118. Rechtsstandpunkts des Klägers - wonach es sich bei dem Schreiben der Beklagten vom 1. April 2015 um einen belehrenden Hinweis und damit um einen
  119. Verwaltungsakt handele - bereits aus dem Grundsatz der Subsidiarität der
  120. Feststellungsklage (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 43 Abs. 2 VwGO). Denn für
  121. den Kläger bestünde in diesem Fall die Möglichkeit, eine Anfechtungsklage zu
  122. erheben (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 42 Abs. 1 VwGO).
  123. 7
  124. Bei dem Schreiben der Beklagten vom 1. April 2015 handele es sich aber
  125. nicht um einen belehrenden Hinweis im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs; vielmehr gehe es über eine bloß präventive Auskunft ohne
  126. Regelungscharakter nicht hinaus. Zwar bringe dieses Schreiben zum Ausdruck,
  127. dass die Beklagte ein bestimmtes Verhalten des Klägers für berufsrechtswidrig
  128. erachte. In dem Schreiben werde allerdings weder in einer Entscheidungsformel festgestellt, dass ein bestimmtes Verhalten rechtswidrig sei, noch werde ein
  129. konkretes Verbot oder Unterlassungsgebot ausgesprochen. Auch wenn dieses
  130. Schreiben förmlich zugestellt worden sei, sei eine Rechtsmittelbelehrung nicht
  131. beigefügt gewesen. Vielmehr beschränke sich das Schreiben darauf, den Kläger über die rechtliche Einschätzung der Beklagten in Kenntnis zu setzen und
  132. die gegebenenfalls vorzunehmende Übersendung des Vorgangs an die Generalstaatsanwaltschaft K.
  133. zur Prüfung der Einleitung eines anwaltsgerichtlichen
  134. -6-
  135. Anschuldigungsverfahrens anzukündigen. Damit folge aus dem Schreiben ohne
  136. Weiteres, dass die Beklagte gerade nicht die Erteilung eines belehrenden Hinweises beabsichtigt habe, sondern - sofern der Kläger an dem beabsichtigten
  137. Verhalten festhalte - ihrer Unterrichtungspflicht gegenüber der Generalstaatsanwaltschaft (§ 120a BRAO) habe nachkommen wollen, um diese in die Lage
  138. zu versetzen, die vorbezeichnete Prüfung vorzunehmen. Damit habe die Beklagte zugleich zum Ausdruck gebracht, dass sie ein Rügeverfahren und erst
  139. recht einen belehrenden oder gar einfachen Hinweis nicht für ausreichend erachte. Damit enthalte das Schreiben lediglich einen präventiven Hinweis - ohne
  140. Regelungscharakter - auf das von der Beklagten beabsichtigte Verhalten.
  141. 8
  142. Es handele sich bei dem Schreiben der Beklagten auch nicht um eine
  143. sonstige hoheitliche Maßnahme, die berufsrechtliche Rechte und Pflichten des
  144. Klägers zu beeinträchtigen geeignet wäre (§ 112b Satz 1 Halbs. 2 BRAO). Entgegen der Auffassung des Klägers könne eine Rechtsschutzmöglichkeit mittels
  145. Feststellungsklage daher auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines anders gelagerten Akts öffentlicher Gewalt mit belastender Außenwirkung angenommen
  146. werden.
  147. 9
  148. Da das Schreiben der Beklagten lediglich den Hinweis auf die Absicht
  149. enthalte, nach Ablauf der dort genannten Frist die Generalstaatsanwaltschaft
  150. gemäß § 120a BRAO unterrichten zu wollen, fehle für die Feststellungsklage
  151. jedenfalls das gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 43 Abs. 1 Halbs. 2 VwGO
  152. erforderliche Interesse des Klägers an der baldigen Feststellung. Denn es sei
  153. Sache der Beklagten, im Rahmen einer Prognoseentscheidung zu entscheiden,
  154. ob Anhaltspunkte für den Verdacht einer schuldhaften Verletzung von Pflichten,
  155. die mit einer anwaltsgerichtlichen Maßnahme geahndet werden könne, bestünden, so dass die Unterrichtungspflicht nach § 120a BRAO ausgelöst werde.
  156. Wolle der Rechtsanwalt die im Vorfeld einer Unterrichtung nach § 120a BRAO
  157. -7-
  158. geäußerte Rechtsauffassung der Rechtsanwaltskammer hinsichtlich des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung angreifen, so sehe das Gesetz dafür
  159. das Selbstreinigungsverfahren nach § 123 BRAO vor. Ein schützenswertes Interesse des Rechtsanwalts, die Rechtmäßigkeit des Verhaltens daneben auch
  160. mittels einer Feststellungsklage als verwaltungsrechtliche Anwaltssache gegenüber der Rechtsanwaltskammer geltend zu machen, sei nicht ersichtlich. Es
  161. sei dem Kläger ohne Weiteres zuzumuten, entweder die Entschließung der Generalstaatsanwaltschaft abzuwarten oder das Selbstreinigungsverfahren zu betreiben, beziehungsweise dann, wenn die Beklagte sich zur Erteilung eines belehrenden Hinweises entschließen sollte, dagegen mit der Anfechtungsklage
  162. vorzugehen. Angesichts dieses Systems gesetzlich zur Verfügung gestellter
  163. Rechtsschutzmöglichkeiten bestehe kein Bedürfnis für eine zusätzliche Rechtsschutzmöglichkeit mittels einer Feststellungsklage.
  164. 10
  165. Die seitens des Klägers für den Fall der Unzulässigkeit der Feststellungsklage hilfsweise erhobene Anfechtungsklage sei ebenfalls unzulässig, da
  166. es sich bei dem Schreiben der Beklagten vom 1. April 2015 nicht um einen
  167. Verwaltungsakt handele.
  168. 11
  169. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Anwaltsgerichtshof zugelassenen Berufung, mit der er die Aufhebung des angefochtenen Urteils erstrebt und sein Klagebegehren weiterverfolgt. "Höchsthilfsweise" hat er sein
  170. Feststellungsbegehren in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat mit dem
  171. Antrag zu 3 beschränkt. Es sei festzustellen, dass es keinen Verstoß durch ihn
  172. als Geschäftsführer der Unternehmergesellschaft gegen anwaltliches Berufsrecht darstelle, wenn die Verteilung der oben genannten Kaffeetassen in einer
  173. auf jeweils 30 Exemplare pro Motiv limitierten Stückzahl an Autowerkstätten
  174. zum Zwecke einer sozialkritischen Diskussion erfolgen solle. Die Beklagte ver-
  175. -8-
  176. teidigt das Urteil des Anwaltsgerichtshofs und hält den vorbezeichneten Antrag
  177. für unzulässig.
  178. Entscheidungsgründe:
  179. 12
  180. Die Berufung ist nach § 112e Satz 1 BRAO statthaft und auch im Übrigen
  181. zulässig (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 2, 3 VwGO). Sie hat jedoch in der
  182. Sache keinen Erfolg.
  183. I.
  184. 13
  185. Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage mit Recht abgewiesen. Die Klage
  186. ist, wie der Anwaltsgerichtshof zutreffend angenommen hat, sowohl hinsichtlich
  187. des mit dem Hauptantrag verfolgten Feststellungsbegehrens als auch hinsichtlich der hilfsweise geltend gemachten Anfechtungsklage unzulässig.
  188. 14
  189. 1. Die Feststellungsklage, mit welcher der Kläger festgestellt wissen will,
  190. dass die Verwendung der im Tatbestand genannten Bildmotive auf Kaffeetassen zu Werbezwecken durch die "Dr. R.
  191. Rechtswissenschaftliche Dienst-
  192. leistungen UG (haftungsbeschränkt)" keinen Verstoß durch ihn als deren Geschäftsführer gegen anwaltliches Berufsrecht darstelle, ist wegen fehlender
  193. Statthaftigkeit unzulässig (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 43 Abs. 1 VwGO).
  194. 15
  195. a) Allerdings sind Feststellungsanträge im Verfahren der Anwaltsgerichtsbarkeit seit der Änderung des Verfahrensrechts zum 1. September 2009
  196. und dem damit verbundenen Wegfall der Vorschriften der §§ 39 ff., 223 BRAO
  197. a.F. nicht mehr grundsätzlich unzulässig (Senatsbeschluss vom 24. Februar
  198. -9-
  199. 2016 - AnwZ (Brfg) 62/15, juris Rn. 7 mwN; Senatsurteil vom 18. Juli 2016
  200. - AnwZ (Brfg) 46/13, NJW-RR 2016, 1459 Rn. 13).
  201. 16
  202. b) Auch steht der Zulässigkeit der Feststellungsklage, wovon der Anwaltsgerichtshof zutreffend ausgegangen ist, nicht bereits der gesetzliche Vorrang der Gestaltungsklage, hier in Form der Anfechtungsklage (§ 112c Abs. 1
  203. Satz 1 BRAO, § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO), entgegen (§ 112c Abs. 1 Satz 1
  204. BRAO, § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Denn bei dem verfahrensgegenständlichen
  205. Schreiben der Beklagten vom 1. April 2015 handelt es sich, anders als der Kläger meint, nicht um einen Verwaltungsakt (§ 32 Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 35
  206. Satz 1 VwVfG) in Gestalt eines belehrenden Hinweises beziehungsweise einer
  207. missbilligenden Belehrung, sondern vielmehr um eine einfache Belehrung beziehungsweise einen präventiven Hinweis.
  208. 17
  209. aa) Gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 1 BRAO obliegt es dem Vorstand der
  210. Rechtsanwaltskammer, die Kammermitglieder in Fragen der Berufspflichten zu
  211. beraten und zu belehren. Gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 4 BRAO hat der Vorstand zudem die Erfüllung der den Mitgliedern der Kammer obliegenden Pflichten zu
  212. überwachen und das Recht der Rüge zu handhaben.
  213. 18
  214. (1) In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass aus der Aufgabe
  215. der Beratung und Belehrung gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 1 BRAO zunächst das
  216. Recht des Vorstands der Rechtsanwaltskammer folgt, den Kammermitgliedern
  217. auf deren Anfrage oder von Amts wegen zur Beseitigung bestehender oder
  218. künftiger Zweifel die Auffassung der Rechtsanwaltskammer zu einer bestimmten berufsrechtlichen Frage mitzuteilen, ohne dies etwa mit einem Schuldvorwurf gegen den Rechtsanwalt zu verbinden. Solche einfachen Belehrungen beziehungsweise präventiven Hinweise sind in der Regel nicht geeignet, die
  219. Rechte des Rechtsanwalts zu beinträchtigen, und daher grundsätzlich auch
  220. nicht anwaltsgerichtlich anfechtbar (vgl. nur Senatsurteile vom 12. Juli 2012
  221. - 10 -
  222. - AnwZ (Brfg) 37/11, BGHZ 194, 79 Rn. 12; vom 27. Oktober 2014
  223. - AnwZ (Brfg) 67/13, NJW 2015, 72 Rn. 7 f.; Senatsbeschlüsse vom 13. August
  224. 2007 - AnwZ (B) 51/06, NJW 2007, 3349 Rn. 4; vom 24. Oktober 2012
  225. - AnwZ (Brfg) 14/12, juris Rn. 4; BVerfGE 50, 16, 27; BVerfG, NJW 2015, 1438
  226. Rn. 21; Weyland in Feuerich/Weyland, BRAO, 9. Aufl., § 73 BRAO Rn. 28 ff.;
  227. Lauda in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 73 BRAO
  228. Rn. 23 ff.; Hartung in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 73 BRAO Rn. 23 ff.).
  229. 19
  230. (2) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats besteht für die Kammervorstände insoweit aber auch die Möglichkeit, bei berufsrechtswidrigem Verhalten als hoheitliche Maßnahme zwischen der einfachen Belehrung beziehungsweise dem präventiven Hinweis einerseits und der Sanktion der (förmlichen)
  231. Rüge nach § 74 BRAO andererseits einen sogenannten belehrenden Hinweis
  232. beziehungsweise eine missbilligende Belehrung zu erteilen (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 24. Oktober 2012 - AnwZ (Brfg) 14/12, aaO; vom 18. Dezember
  233. 2015 - AnwZ (Brfg) 19/15, juris Rn. 2; Senatsurteile vom 27. Oktober 2014
  234. - AnwZ (Brfg) 67/13, aaO; vom 18. Juli 2016 - AnwZ (Brfg) 22/15, juris Rn. 10;
  235. jeweils mwN; siehe ferner BVerfGE 50, 16, 26 ff., 31 f.; BVerfG, NJW 2015,
  236. aaO; BVerfG, AnwBl. 2016, 69 Rn. 8; AGH Celle, BRAK-Mitt. 2014, 31 Rn. 21;
  237. Weyland in Feuerich/Weyland, aaO § 74 BRAO Rn. 8a ff.; aA Lauda in Gaier/
  238. Wolf/Göcken, aaO § 74 BRAO Rn. 8 f.; Hartung in Henssler/Prütting, aaO § 73
  239. BRAO Rn. 24 und § 74 BRAO Rn. 10). Solche auf der Grundlage des § 73
  240. Abs. 2 Nr. 1, 4 BRAO ergangenen belehrenden Hinweise beziehungsweise
  241. missbilligenden Belehrungen sind namentlich dann, wenn sie ein Handlungsverbot oder ein Handlungs- oder Unterlassungsgebot aussprechen, als in die
  242. Rechtsstellung des Rechtsanwalts eingreifende Verwaltungsakte anzusehen,
  243. die dementsprechend mit der Anfechtungsklage angegriffen werden können
  244. (vgl. nur BGH, Urteile vom 27. Oktober 2014 - AnwZ (Brfg) 67/13, aaO Rn. 7;
  245. - 11 -
  246. vom 7. November 2016 - AnwZ (Brfg) 47/15, NJW 2017, 407 Rn. 10, 12; jeweils
  247. mwN; Senatsbeschluss vom 18. Dezember 2015 - AnwZ (Brfg) 19/15, aaO).
  248. 20
  249. Dabei hat der Senat zum vormals geltenden Verfahrensrecht mehrfach
  250. ausgesprochen, dass Auskünfte der Rechtsanwaltskammern über die Rechtmäßigkeit künftigen Verhaltens des Rechtsanwalts - um ein solches Verhalten
  251. geht es im vorliegenden Fall - grundsätzlich nicht anfechtbar sind, weil sie keine
  252. Schuld feststellen und nicht in dessen Rechte eingreifen (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 16. Juli 1962 - AnwZ (B) 10/62, BGHZ 37, 396, 401; vom
  253. 18. November 1996 - AnwZ (B) 20/96, NJW-RR 1997, 759; vom 2. April 2001
  254. - AnwZ (B) 28/00, BRAK-Mitt. 2001, 188, 189; vom 6. März 2006 - AnwZ (B)
  255. 38/05, NJW 2006, 2926 Rn. 2). Diese Rechtsprechung hat der Senat allerdings
  256. in seinem - ebenfalls die hier in Rede stehenden Bildmotive betreffenden - Urteil
  257. vom 27. Oktober 2014 (AnwZ (Brfg) 67/13, aaO Rn. 8) dahingehend fortentwickelt, dass eine andere Beurteilung geboten sein kann, wenn der Bescheid der
  258. Rechtsanwaltskammer nach seinem bei der Auslegung maßgebenden objektiven Erklärungswert aus Sicht des Empfängerhorizonts über eine einfache Belehrung beziehungsweise einen präventiven Hinweis hinausgeht (ebenso Senatsurteil vom 7. November 2016 - AnwZ (Brfg) 47/15, aaO).
  259. 21
  260. Als Gesichtspunkte, die im Rahmen der insoweit vorzunehmenden Auslegung für das Vorliegen eines belehrenden Hinweises beziehungsweise einer
  261. missbilligenden Belehrung sprechen, hat der Senat insbesondere angesehen,
  262. dass der Bescheid der Rechtsanwaltskammer mit einer Entscheidungsformel
  263. versehen ist und in dieser - oder sonst im Bescheid - die Rechtswidrigkeit eines
  264. bestimmten Verhaltens festgestellt und ein konkretes Verbot ausgesprochen
  265. wird und der Bescheid insgesamt erkennen lässt, dass die Rechtsanwaltskammer sich bereits auf eine verbindliche Regelung der aufgeworfenen Fragen
  266. festgelegt hat. Darüber hinaus spricht es nach der Rechtsprechung des Senats
  267. - 12 -
  268. für das Vorliegen eines Verwaltungsakts, wenn der Bescheid mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen und dem Rechtsanwalt förmlich zugestellt worden ist
  269. (Senatsurteile vom 27. Oktober 2014 (AnwZ (Brfg) 67/13, aaO; vom 7. November 2016 - AnwZ (Brfg) 47/15, aaO Rn. 10; jeweils mwN).
  270. 22
  271. bb) Von diesen Grundsätzen ausgehend handelt es sich bei dem im vorliegenden Fall zu beurteilenden Schreiben der Beklagten vom 1. April 2015
  272. nicht um einen belehrenden Hinweis beziehungsweise eine missbilligende Belehrung, sondern um eine einfache Belehrung beziehungsweise einen präventiven Hinweis. Damit fehlt es entgegen der Auffassung des Klägers hier an einem Verwaltungsakt.
  273. 23
  274. (1) Zwar hat die Beklagte das genannte Schreiben dem Kläger förmlich
  275. zugestellt und in dem Schreiben eine eindeutige berufsrechtliche - und daneben
  276. auch eine wettbewerbsrechtliche - Bewertung des vom Kläger angekündigten
  277. künftigen Verhaltens vorgenommen. Eine solche eindeutige rechtliche Bewertung ist indessen auch notwendiger Inhalt einer einfachen Belehrung und vermag daher für sich alleine noch nicht einen Verwaltungsaktcharakter des
  278. Schreibens zu begründen. Denn die Rechtsanwaltskammer hat, wie oben dargestellt, im Rahmen des § 73 Abs. 2 Nr. 1 BRAO die Aufgabe, dem Rechtsanwalt ihre Auffassung zu einer bestimmten berufsrechtlichen Frage mitzuteilen
  279. und dadurch bestehende oder künftige Zweifel zu beseitigen. Dieser Zweck erfordert es, dem um eine berufsrechtliche Beratung nachsuchenden Rechtsanwalt, (bereits) durch die einfache Belehrung nach § 73 Abs. 2 Nr. 1 BRAO eine
  280. sichere Orientierungshilfe für sein Verhalten zu geben.
  281. 24
  282. (2) Für eine einfache Belehrung beziehungsweise einen präventiven
  283. Hinweis und gegen das Vorliegen eines Verwaltungsakts spricht hier insbesondere, dass die Beklagte in ihrem Schreiben vom 1. April 2015, anders als in den
  284. früheren Bescheiden, die dem Senatsurteil vom 27. Oktober 2014 (AnwZ (Brfg)
  285. - 13 -
  286. 67/13) zugrunde lagen, weder in einer - hier nicht vorhandenen - Entscheidungsformel noch in der Begründung ein konkretes Handlungsverbot oder
  287. -gebot oder ein konkretes Unterlassungsgebot ausgesprochen hat. Einem solchen Ausspruch wird indes, wie bereits erwähnt, sowohl in der Rechtsprechung
  288. des Senats als auch in der Literatur ein starkes Gewicht für die rechtliche Einordnung der zu beurteilenden Maßnahme der Rechtsanwaltskammer beigemessen (vgl. nur Senatsurteile vom 27. Oktober 2014 - AnwZ (Brfg) 67/13, aaO
  289. Rn. 7 f.; vom 7. November 2016 - AnwZ (Brfg) 47/15, aaO; Senatsbeschlüsse
  290. vom 21. Januar 2014 - AnwZ (Brfg) 67/13, juris Rn. 5; vom 18. Dezember 2015
  291. - AnwZ (Brfg) 19/15, aaO; siehe ferner Senatsurteile vom 3. November 2014
  292. - AnwZ (Brfg) 72/13, NJW-RR 2015, 186 Rn. 7; vom 26. Oktober 2015
  293. - AnwZ (Brfg) 25/15, juris Rn. 9; jeweils mwN; BVerfGE 50, 16, 27; Lauda in
  294. Gaier/Wolf/Göcken, aaO § 73 Rn. 27; Hartung in Henssler/Prütting, aaO § 73
  295. BRAO Rn. 28). In dem Ausspruch eines konkreten Handlungsverbots oder
  296. -gebots oder eines konkreten Unterlassungsgebots liegt grundsätzlich der Kern
  297. einer über eine einfache Belehrung beziehungsweise einen präventiven Hinweis ohne Regelungscharakter hinausgehenden "verbindlichen Regelung der
  298. aufgeworfenen Fragen" im Sinne der oben genannten Rechtsprechung des Senats, auf die sich die Rechtsanwaltskammer festgelegt haben muss, damit vom
  299. Vorliegen eines Verwaltungsakts ausgegangen werden kann. Die Beklagte hat
  300. dementsprechend hierzu in der Berufungserwiderung ausgeführt, ihre belehrenden Hinweise enthielten stets eine konkrete Aufforderung, ein bestimmtes
  301. Verhalten zu unterlassen.
  302. 25
  303. Nach dem Inhalt des Schreibens der Beklagten vom 1. April 2015 hingegen sollten die abschließende Entscheidung und damit die "Regelung" im vorgenannten Sinne der Generalstaatsanwaltschaft vorbehalten bleiben. Aus dem
  304. - nach Art einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung formulierten - Bescheid
  305. der Beklagten geht deutlich hervor, dass die Beklagte zwar eine Beurteilung der
  306. - 14 -
  307. Rechtmäßigkeit der beabsichtigten Werbemaßnahme vornehmen, nicht jedoch
  308. selbst über die Unterlassungspflicht des Klägers befinden, sondern es zunächst
  309. diesem überlassen wollte, durch eine von ihr innerhalb einer bestimmten Frist
  310. geforderte Abgabe einer Unterlassungserklärung insoweit Klarheit zu schaffen.
  311. Bei Nichtabgabe der Unterlassungserklärung sollte der Vorgang an die Generalstaatsanwaltschaft zur Prüfung der Voraussetzungen eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens abgegeben werden. Mit diesem Absehen von einer eigenen
  312. Entscheidung über die Unterlassungspflicht hat die Beklagte zugleich zum Ausdruck gebracht, dass sie weder den Ausspruch eines belehrenden Hinweises
  313. beziehungsweise einer missbilligenden Belehrung noch ein Rügeverfahren
  314. nach § 74 BRAO als ausreichend ansieht, sondern eine Befassung der Generalstaatsanwaltschaft mit dem Ziel der Verhängung anwaltsgerichtlicher Maßnahmen für erforderlich hält (§ 120a BRAO).
  315. 26
  316. Gegen das Vorliegen eines Verwaltungsakts spricht schließlich auch,
  317. dass das angegriffene Schreiben der Beklagten - wiederum im Gegensatz zu
  318. den Bescheiden der Beklagten, über die der Senat in seinem Urteil vom
  319. 27. Oktober 2014 (AnwZ (Brfg) 67/13) zu befinden hatte - keine Rechtsmittelbelehrung enthält. Der Senat hat bereits mehrfach die Erteilung einer Rechtsmittelbelehrung als ein wichtiges Merkmal für das Vorliegen einer hoheitlichen
  320. Maßnahme in Gestalt eines belehrenden Hinweises beziehungsweise einer
  321. missbilligenden Belehrung hervorgehoben (vgl. nur Senatsurteile vom 12. Juli
  322. 2012 - AnwZ (Brfg) 37/11, BGHZ 194, 79 Rn. 12; vom 27. Oktober 2014
  323. - AnwZ (Brfg) 67/13, aaO Rn. 8; vom 7. November 2016 - AnwZ (Brfg) 47/15,
  324. aaO; Senatsbeschlüsse vom 25. Juli 2005 - AnwZ (B) 42/04, NJW 2005, 2692
  325. unter II 1; vom 13. August 2007 - AnwZ (B) 51/06, NJW 2007, 3349 Rn. 4; vom
  326. 30. November 2009 - AnwZ (B) 11/08, NJW 2010, 1972 Rn. 7; vom 21. Januar
  327. 2014 - AnwZ (Brfg) 67/13, juris Rn. 5).
  328. - 15 -
  329. 27
  330. c) Es kann dahingestellt bleiben, ob die mit dem Hauptantrag des Klägers verfolgte Feststellungsklage deshalb unstatthaft ist, weil es im hier gegebenen Fall einer durch die Rechtsanwaltskammer ausgesprochenen einfachen
  331. Belehrung beziehungsweise eines präventiven Hinweises bereits an einem
  332. feststellungsfähigen Rechtsverhältnis der Parteien fehlt (§ 112c Abs. 1 Satz 1
  333. BRAO, § 43 Abs. 1 VwGO), da bei dieser Art der Wahrnehmung der in § 73
  334. Abs. 2 Nr. 1 BRAO geregelten Aufgaben der Rechtsanwaltskammer der für die
  335. Statthaftigkeit einer Feststellungsklage erforderliche Grad der Konkretisierung
  336. beziehungsweise Verdichtung des Rechtsverhältnisses zwischen der Kammer
  337. und dem Rechtsanwalt nicht gegeben ist (so Schmidt-Räntsch in Gaier/Wolf/
  338. Göcken, aaO § 112c BRAO Rn. 65 [unter Hinweis darauf, dass anderenfalls die
  339. Rechtsanwaltskammer mit ihren Mitgliedern im Vorfeld der Festlegung auf eine
  340. verbindliche Regelung nicht in einen Meinungsaustausch über Rechtsfragen
  341. treten könne]).
  342. 28
  343. Denn jedenfalls hat der Kläger ein Feststellungsinteresse nach § 112c
  344. Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 43 Abs. 1 Halbs. 2 VwGO weder dargetan noch ist ein
  345. solches unter den hier gegebenen Umständen sonst ersichtlich. Durch Klage
  346. kann auch in Verfahren der Anwaltsgerichtsbarkeit (siehe oben I 1 a) die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt
  347. werden, wenn der Kläger gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 43 Abs. 1
  348. Halbs. 2 VwGO ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat
  349. (Senatsbeschluss vom 24. Februar 2016 - AnwZ (Brfg) 62/15, juris Rn. 7 mwN;
  350. Senatsurteil vom 18. Juli 2016 - AnwZ (Brfg) 46/13, NJW-RR 2016, 1459
  351. Rn. 13). Ein solches Interesse schließt jedes als schutzwürdig anzuerkennende
  352. Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art ein (Senatsbeschluss vom 24. Februar 2016 - AnwZ (Brfg) 62/15, aaO; BVerwG, NVwZ 2017,
  353. 56 Rn. 26; jeweils mwN; st. Rspr.).
  354. - 16 -
  355. 29
  356. Diese Voraussetzungen liegen in Bezug auf den Feststellungsantrag des
  357. Klägers nicht vor. Da es sich bei dem vom Kläger für unzutreffend erachteten
  358. Schreiben der Beklagten vom 1. April 2015, wie oben (unter I 1 b) im Einzelnen
  359. dargestellt, um eine einfache Belehrung beziehungsweise einen präventiven
  360. Hinweis handelt, in dem insbesondere kein konkretes Unterlassungsgebot hinsichtlich der vom Kläger beabsichtigten Werbemaßnahme ausgesprochen worden ist und die Beklagte sich nicht bereits auf eine verbindliche Regelung der
  361. aufgeworfenen Fragen festgelegt hat, sondern vielmehr die abschließende
  362. rechtliche Beurteilung der Generalstaatsanwaltschaft vorbehalten worden ist,
  363. begehrt der Kläger mit seinem Feststellungsantrag der Sache nach einen vorbeugenden Rechtsschutz. Dieser zielt zum einen gegen die von der Beklagten
  364. für den Fall, dass der Kläger die von ihr geforderte Unterlassungserklärung
  365. nicht abgeben sollte, angekündigte Unterrichtung der Generalstaatsanwaltschaft (§ 120a BRAO) und die damit bezweckte Prüfung der Einleitung eines
  366. anwaltsgerichtlichen Ermittlungsverfahrens und zum anderen auf die vorbeugende Abwehr einer bei Durchführung der angekündigten Werbung möglichen
  367. weitergehenden (Verwaltungs-)Maßnahme der Beklagten - etwa in Gestalt eines belehrenden Hinweises beziehungsweise einer missbilligenden Belehrung
  368. oder einer Rüge nach § 74 BRAO.
  369. 30
  370. Da der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz wegen des Grundsatzes
  371. der Gewaltenteilung jedoch grundsätzlich nicht vorbeugend, sondern nachgängig ausgestaltet ist (vgl. nur BVerwG, NVwZ 2015, 906 Rn. 17 mwN; NVwZ-RR
  372. 2016, 907 Rn. 19), ist eine vorbeugende Feststellungsklage - wie auch eine
  373. sonstige vorbeugende verwaltungsgerichtliche Klage - nur zulässig, wenn ein
  374. spezielles, besonders schützenswertes, gerade auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Interesse besteht. Dieses ist (nur) gegeben, wenn der Betroffene nicht in zumutbarer Weise auf den von der Verwaltungsgerichtsordnung als grundsätzlich angemessen und ausreichend angese-
  375. - 17 -
  376. henen nachträglichen Rechtsschutz gegen die befürchtete Beeinträchtigung
  377. verwiesen werden kann, wenn mit anderen Worten der Verweis auf den nachgängigen Rechtsschutz mit für den Kläger unzumutbaren Nachteilen verbunden
  378. wäre (st. Rspr.; vgl. nur BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 2013 - 7 C 13/12, juris
  379. Rn. 41; Beschluss vom 19. Mai 2015 - 3 B 6/14, juris Rn. 14; BVerwG, NVwZ
  380. 2015, 906 Rn. 17; NVwZ-RR 2016, 323 Rn. 6; jeweils mwN).
  381. 31
  382. So liegt der Fall hier indes nicht. Ein schützenswertes rechtliches Interesse des Klägers, bereits im Vorfeld der von ihm beabsichtigten Werbemaßnahme eine gerichtliche Entscheidung über deren Zulässigkeit zu erhalten, ist
  383. entgegen der Auffassung des Klägers nicht ersichtlich. Wie der Anwaltsgerichtshof zutreffend ausgeführt hat, ist es dem Kläger vielmehr, wenn er trotz
  384. der höchstrichterlich bereits erfolgten Klärung, wonach die oben genannten
  385. Aufdrucke mit dem berufsrechtlichen Sachlichkeitsgebot anwaltlicher Werbung
  386. unvereinbar und daher insoweit unzulässig sind, und trotz der von der Beklagten auf dieser rechtlichen Grundlage mit Schreiben vom 1. April 2015 ausgesprochenen (einfachen) Belehrung an seiner gegenteiligen Rechtsauffassung
  387. und an der geplanten Werbemaßnahme festhält, ohne Weiteres zuzumuten,
  388. insbesondere die Entschließung der Generalstaatsanwaltschaft zur Frage einer
  389. möglichen anwaltsgerichtlichen Anschuldigung abzuwarten. Zudem besteht für
  390. den Kläger, worauf der Anwaltsgerichtshof ebenfalls zutreffend hingewiesen
  391. hat, die Möglichkeit, von sich aus bei der Generalstaatsanwaltschaft ein so genanntes Selbstreinigungsverfahren nach § 123 Abs. 1 Satz 1 BRAO zu beantragen (vgl. hierzu BVerfGK 13, 58, 63).
  392. 32
  393. d) Der Feststellungsklage wäre im Übrigen aber auch deshalb der Erfolg
  394. zu versagen, weil sie unbegründet ist. Die beabsichtigte Werbemaßnahme stellt
  395. entgegen der Auffassung des Klägers einen Verstoß durch ihn als Geschäftsführer der "Dr. R.
  396. Rechtswissenschaftliche Dienstleistungen UG (haftungs-
  397. - 18 -
  398. beschränkt)" gegen anwaltliches Berufsrecht dar. Vergeblich macht der Kläger
  399. demgegenüber geltend, diese Gesellschaft sei nicht Mitglied der Beklagten und
  400. unterstehe daher ebenso wenig wie er - hinsichtlich der im Nebenamt ausgeübten Tätigkeit als deren Geschäftsführer - der Berufsaufsicht der Beklagten.
  401. 33
  402. Der Kläger verkennt hierbei, dass der Rechtsanwalt - worauf die Beklagte in ihrem Schreiben vom 1. April 2015 zutreffend hingewiesen hat - infolge
  403. des durch § 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA ausgeformten berufsrechtlichen
  404. Sachlichkeitsgebots (auch) nicht daran mitwirken darf, dass Dritte für ihn Werbung betreiben, die für ihn selbst verboten ist (§ 6 Abs. 3 BORA; vgl. hierzu im
  405. Einzelnen: v. Lewinski in Hartung/Scharmer, BORA/FAO, 6. Aufl., § 6 BORA
  406. Rn. 200, 206 ff.; Prütting in Henssler/Prütting, aaO § 43b BRAO Rn. 45; Träger
  407. in Feuerich/Weyland, aaO § 6 BORA Rn. 39). Dies ist hier jedoch der Fall. Die
  408. vom Kläger beabsichtigte Werbung ist für ihn als Rechtsanwalt, wie der Senat
  409. bereits entschieden hat (Senatsurteil vom 27. Oktober 2014 - AnwZ (Brfg)
  410. 67/13, aaO Rn. 15 ff.; siehe ferner BVerfG, NJW 2015, 1438) mit dem berufsrechtlichen Gebot sachlicher und berufsbezogener Unterrichtung (§ 43b BRAO,
  411. § 6 Abs. 1 BORA; vgl. hierzu im Einzelnen Senatsurteile vom 27. Oktober 2014
  412. - AnwZ (Brfg) 67/13, aaO Rn. 12 ff.; vom 7. November 2016 - AnwZ (Brfg)
  413. 47/15, aaO Rn. 26 f. mwN) nicht vereinbar und daher unzulässig. Dem Kläger
  414. ist es deshalb gemäß § 6 Abs. 3 BORA in Verbindung mit § 43b BRAO, § 6
  415. Abs. 1 BORA untersagt, dieses Verbot dadurch zu umgehen, dass er als Geschäftsführer der "Dr. R.
  416. Rechtswissenschaftliche Dienstleistungen UG
  417. (haftungsbeschränkt)" darauf hinwirkt, die für ihn selbst unzulässige Werbung
  418. nun durch diese Gesellschaft vorzunehmen zu lassen.
  419. 34
  420. 2. Die vom Kläger hilfsweise für den - hier gegebenen - Fall der Unzulässigkeit der Feststellungsklage geltend gemachte Aufhebung des Schreibens der
  421. Beklagten vom 1. April 2015 bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Wie der Anwaltsge-
  422. - 19 -
  423. richtshof zutreffend angenommen hat, ist die hierin zu sehende Anfechtungsklage nicht statthaft und daher unzulässig. Die Anfechtungsklage ist statthaft,
  424. wenn mit der Klage die Aufhebung eines Verwaltungsaktes begehrt wird
  425. (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO). Um einen Verwaltungsakt handelt es sich, wie oben (unter I 1 b) im Einzelnen ausgeführt, bei
  426. dem Schreiben der Klägerin vom 1. April 2015 jedoch nicht.
  427. 35
  428. 3. Deshalb kommt es auch nicht auf die an das Vorliegen eines Verwaltungsakts anknüpfende Rüge des Klägers an, das von ihm angegriffene vorgenannte Schreiben der Beklagten sei nicht in einem ordnungsgemäßen Verfahren zustande gekommen, da es - wovon er wegen der ihm seitens der Beklagten nicht gewährten Einsichtnahme in deren Verwaltungsvorgänge ausgehe entgegen der im Schreiben enthaltenen Angabe nicht auf einem Beschluss der
  429. zuständigen Abteilung III der Beklagten beruhe.
  430. 36
  431. Auch den hierauf bezogenen, in der mündlichen Verhandlung vor dem
  432. Senat hilfsweise gestellten Beweisanträgen des Klägers war deshalb nicht zu
  433. entsprechen. Da die diesen Anträgen zugrunde liegende Annahme, es handele
  434. sich bei dem angegriffenen Schreiben der Klägerin um einen Verwaltungsakt,
  435. nicht zutrifft, sind die unter Beweis gestellten Tatsachen zum Zustandekommen
  436. dieses Schreibens nicht entscheidungserheblich.
  437. 37
  438. 4. Der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zusätzlich und "höchsthilfsweise" gestellte oben genannte Antrag zu 3 ist unzulässig.
  439. Die in diesem Antrag bezeichnete Maßnahme war nicht Inhalt der Anfrage des
  440. Klägers vom 21. März 2015 bei der Beklagten und ist demgemäß auch nicht
  441. Gegenstand des hierauf erfolgten angegriffenen Schreibens der Beklagten vom
  442. 1. April 2015. Bereits aus diesem Grund fehlt es an einem Feststellungsinteresse des Klägers (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 43 Abs. 1 Halbs. 2 VwGO).
  443. - 20 -
  444. II.
  445. 38
  446. Die Kostenentscheidung beruht auf § 112 c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154
  447. Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 52
  448. Abs. 2 GKG.
  449. Kayser
  450. Bünger
  451. Schäfer
  452. Remmert
  453. Wolf
  454. Vorinstanz:
  455. AGH Hamm, Entscheidung vom 29.05.2015 - 1 AGH 15/15 -