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639 lines
33 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. ___________
  4. AK 2/10
  5. vom
  6. 23. April 2010
  7. Nachschlagewerk: ja
  8. BGHSt:
  9. ja
  10. Veröffentlichung:
  11. ja
  12. ______________________________
  13. AWG § 34 Abs. 4 Nr. 2 idF vom 26. Juni 2006
  14. EG-VO 423/2007 Art. 7 Abs. 4 i. V. m. Abs. 3
  15. Zur Strafbarkeit nach § 34 Abs. 4 Nr. 2 AWG aF wegen Zuwiderhandelns gegen
  16. das Umgehungsverbot des Art. 7 Abs. 4 i. V. m. Abs. 3 Verordnung (EG)
  17. 423/2007 vom 19. April 2007 (Iran-Embargo-Verordnung).
  18. BGH, Beschluss vom 23. April 2010 - AK 2/10 - Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs
  19. -2-
  20. in dem Strafverfahren
  21. gegen
  22. wegen Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz
  23. -3-
  24. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts sowie des Angeschuldigten und seines Verteidigers am 23. April
  25. 2010 gemäß §§ 121, 122 StPO beschlossen:
  26. 1. Der Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes vom 17. Oktober 2009 (1 BGs 240/09) wird aufgehoben.
  27. 2. Der Angeschuldigte ist unverzüglich freizulassen.
  28. Gründe:
  29. 1
  30. Der Angeschuldigte wurde am 16. Oktober 2009 vorläufig festgenommen
  31. und befindet sich aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 17. Oktober 2009 - 1 BGs 240/09 - seit diesem Tag in Untersuchungshaft. Mit Anklageschrift vom 19. März 2010 hat der Generalbundesanwalt gegen den Angeschuldigten und den Mitangeschuldigten Dr. S.
  32. Anklage zum Oberlandesgericht Düsseldorf erhoben. Über die Eröffnung des
  33. Hauptverfahrens und den Antrag des Generalbundesanwalts auf Erlass eines
  34. Haftbefehls nach Maßgabe des Anklagesatzes hat das Oberlandesgericht noch
  35. nicht entschieden.
  36. 2
  37. Der dem Haftbefehl zugrunde liegende Sachverhalt kann die Fortdauer
  38. der Untersuchungshaft nicht rechtfertigen. Der Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs ist deshalb aufzuheben.
  39. -4-
  40. I.
  41. 3
  42. 1. Im Haftbefehl wird dem Angeschuldigten zur Last gelegt, gewerbsmäßig handelnd einer in Anhang IV zur Verordnung (EG) Nr. 423/2007 vom
  43. 19. April 2007 (im Folgenden: Iran-Embargo-VO) gelisteten Einrichtung eine
  44. wirtschaftliche Ressource zur Verfügung gestellt und damit einem im Bundesanzeiger veröffentlichten, unmittelbar geltenden Bereitstellungsverbot eines
  45. Rechtsaktes der Europäischen Gemeinschaft zuwidergehandelt zu haben, der
  46. der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Gemeinschaft im Bereich
  47. der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen wirtschaftlichen
  48. Sanktionsmaßnahme dient; die Tat sei geeignet gewesen, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich zu gefährden (strafbar
  49. gemäß § 34 Abs. 4 Nr. 2, Abs. 6 Nr. 2 und Nr. 4 Buchst. c AWG
  50. i. V. m. Art. 7 Abs. 3 Iran-Embargo-VO). Dem Angeschuldigten wird vorgeworfen, gemeinschaftlich mit dem gesondert verfolgten K.
  51. schuldigten Dr. S.
  52. und dem Mitange-
  53. der Shahid Hemmat Industrial Group (im Folgenden:
  54. SHIG) - einer Beschaffungsstelle des iranischen Raketenprogramms - im Juli
  55. 2007 einen in der F.
  56. GmbH (im Folgenden: F.
  57. ) in Deutschland
  58. hergestellten Keramiksinterofen im Wert von 1,1 Mio. € geliefert zu haben.
  59. 4
  60. 2. Die weiteren Ermittlungen haben eine Auslieferung des Ofens an die
  61. SHIG nicht bestätigt. Vielmehr ist - in Übereinstimmung mit der Anklageschrift,
  62. auf deren Ausführungen zur Verdachtslage der Senat Bezug nimmt - von folgendem Sachverhalt auszugehen:
  63. 5
  64. Der im Iran ansässige Angeschuldigte, der allein die iranische Staatsangehörigkeit besitzt, erhielt im Frühjahr 2004 von
  65. V.
  66. , dem Ver-
  67. antwortlichen einer getarnten Forschungseinrichtung für die iranische Raketenproduktion, den Auftrag, über die von ihm betriebene Gesellschaft E.
  68. -5-
  69. (im Folgenden: E.
  70. ), einen Vaku-
  71. umofen zu beschaffen. Vakuumöfen werden zum Sintern von keramischen
  72. Werkstoffen eingesetzt und sind für eine Verwendung bei der Entwicklung und
  73. Herstellung von Raketenteilen geeignet. Innerhalb des iranischen Raketenprogramms hatten sich die Verantwortlichen darauf verständigt, solche Keramiktechnologie bei der Fortentwicklung weit reichender Raketensysteme einzusetzen. Endempfänger des Ofens sollte, was der Angeschuldigte wusste, die SHIG
  74. sein. Diese ist eine Unterorganisation der zentralen Beschaffungsstelle des iranischen Raketenprogramms, der Aerospace Industries Organisation, von der
  75. V.
  76. einen dementsprechenden Beschaffungsauftrag erteilt bekommen
  77. hatte.
  78. 6
  79. Über den in Deutschland ansässigen Mitangeschuldigten Dr. S.
  80. wandte sich der Angeschuldigte an den gesondert verfolgten K.
  81. schäftsführer der F.
  82. , den Ge-
  83. , die solche Öfen herstellt. Die zunächst im
  84. Jahr 2004 ins Stocken geratenen Verhandlungen, in deren Verlauf der Angeschuldigte dem gesondert verfolgten K.
  85. eine unzutreffende, auf eine zivile
  86. Nutzung des Ofens hinweisende Endverbleibserklärung der E.
  87. übersandt hatte, wurden ab dem Jahr 2006 fortgesetzt. Der Angeschuldigte traf
  88. sich im August 2006 und am 14. März 2007 mit Dr. S.
  89. und K.
  90. in
  91. Deutschland; beim zweiten Treffen schlossen der Angeschuldigte und K.
  92. einen Vertrag über die Lieferung eines Vakuumofens der F.
  93. . Bereits zuvor, im Januar 2007, hatte die F.
  94. an die E.
  95. auf ihren Antrag zur Ge-
  96. nehmigung der Ausfuhr vom zuständigen Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) den Bescheid erhalten, dass die Lieferung des Ofens, der
  97. ausweislich des Antrags der F.
  98. sollte, an die E.
  99. in der Porzellanindustrie Verwendung finden
  100. nicht genehmigungspflichtig sei (sog. Nullbescheid).
  101. Während es der Mitangeschuldigte Dr. S.
  102. bereits von Beginn der Ge-
  103. -6-
  104. schäftsanbahnung an für möglich hielt, dass der Ofen für das iranische Raketenprogramm bestimmt war, und dies im Hinblick auf die in Aussicht genommene Provision billigend in Kauf nahm, hatte der gesondert verfolgte K.
  105. keine
  106. Kenntnis von der Bestimmung des Ofens für die Herstellung von Raketenteilen.
  107. 7
  108. Nach Vertragsabschluss und Erteilung des Nullbescheids trat am 20. April 2007 das Iran-Embargo in Kraft, das am 8. Mai 2007 im Bundesanzeiger veröffentlicht wurde. Gleichwohl führte die F.
  109. , ohne beim BAFA nochmals um
  110. eine Genehmigung nachzusuchen, den Ofen im Juli 2007 an die E.
  111. in den Iran aus.
  112. 8
  113. In der Folgezeit bemühte sich der Angeschuldigte in einer Industriehalle
  114. in Teheran, die Voraussetzungen für die Inbetriebnahme des Ofens zu schaffen. Vom 3. bis 14. März 2008 reisten Mitarbeiter der F.
  115. des Angeschuldigten in den Iran, um den Ofen bei der E.
  116. auf Veranlassung
  117. in den ver-
  118. traglich vereinbarten Probebetrieb zu nehmen. Die dafür nach der IranEmbargo-VO erforderliche Genehmigung hatte K.
  119. zuvor nicht eingeholt. Die
  120. Techniker stellten den Ofen vor Ort auf; die für den Funktionsbetrieb erforderliche Software installierten sie dabei jedoch nicht. Nachdem das BAFA den gesondert verfolgten K.
  121. sen hatte, dass die E.
  122. mit Schreiben vom 13. März 2008 darauf hingewieim Verdacht stehe, Beschaffungen für das
  123. iranische Trägertechnologieprogramm durchzuführen, leistete die F.
  124. keine
  125. weitere technische Unterstützung mehr. Deshalb scheiterte letztlich auch die
  126. vom Angeschuldigten geplante Weiterveräußerung des noch nicht funktionsfähigen Ofens an die SHIG.
  127. -7-
  128. II.
  129. 9
  130. 1. Ausgehend von dieser gegenüber dem Zeitpunkt des Erlasses des
  131. Haftbefehls geänderten Verdachtslage hat sich der Angeschuldigte im Zusammenhang mit der Lieferung des Ofens an die E.
  132. nicht wegen eines
  133. Verstoßes gegen das AWG strafbar gemacht.
  134. 10
  135. a) Es besteht kein dringender Verdacht, dass sich der Angeschuldigte
  136. als Mittäter oder Teilnehmer an einem Ausfuhrdelikt beteiligt hat. Die von dem
  137. gesondert verfolgten K.
  138. veranlasste Ausfuhr des Ofens in den Iran war
  139. - wovon auch der Generalbundesanwalt in seiner Anklageschrift ausgeht - weder nach § 34 Abs. 4 Nr. 1 AWG noch nach § 34 Abs. 2 AWG (jew. idF vom
  140. 26. Juni 2006, im Folgenden aF) strafbar.
  141. 11
  142. Zwar hatte der der F.
  143. im Januar 2007 erteilte Nullbescheid durch das
  144. Inkrafttreten der Iran-Embargo-VO am 20. April 2007 formal seine Wirkung verloren und war die Ausfuhr des von der Position II.A.2.005 des Anhangs II der
  145. Verordnung erfassten Ofens in den Iran fortan - unabhängig vom Empfänger gemäß Art. 3 Abs. 1 Iran-Embargo-VO genehmigungspflichtig. Eine Genehmigung hatte der gesondert verfolgte K.
  146. beim BAFA nicht eingeholt. Ein Ver-
  147. stoß gegen diese Genehmigungspflicht war im Zeitpunkt der Ausfuhr indes
  148. nicht unter Strafe gestellt. Denn die zur Tatzeit geltende Fassung des § 34 Abs.
  149. 4 Nr. 2 AWG vom 26. Juni 2006 nahm lediglich auf die in den Embargovorschriften enthaltenen Verbote (Ausfuhr-, Bereitstellungsverbote etc.) Bezug,
  150. hingegen wurde ein Verstoß gegen einen Genehmigungsvorbehalt, wie ihn Art.
  151. 3 Abs. 1 Iran-Embargo-VO enthält, von dieser Strafvorschrift nicht erfasst. Der
  152. Verstoß gegen den Genehmigungsvorbehalt wurde vielmehr erst mit Einführung
  153. des § 69 o Abs. 6 AWV durch die 80. AWV-ÄnderungsVO vom 16. August 2007
  154. (veröffentlicht im Bundesanzeiger vom 22. August 2007), mithin nach der ver-
  155. -8-
  156. fahrensgegenständlichen Ausfuhr über § 70 a Abs. 2 Nr. 8 AWV der Strafbewehrung nach § 34 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. b AWG aF unterstellt.
  157. 12
  158. Bis dahin kam eine Strafbarkeit wegen eines Ausfuhrdelikts nur nach
  159. § 34 Abs. 2, § 33 Abs. 4 AWG aF i. V. m. § 70 Abs. 5 a (hier: Nr. 3) AWV aF in
  160. Betracht, wenn Güter mit doppeltem Verwendungszweck entgegen den Regelungen der Verordnung (EG) Nr. 1334/2000 (Dual-Use-VO) ohne die erforderliche Genehmigung ausgeführt wurden. Da der hier in Rede stehende Ofen nicht
  161. in der Dual-Use-VO gelistet ist, richtete sich die Genehmigungsbedürftigkeit
  162. seiner Ausfuhr nach der damaligen Rechtslage nach Art. 4 Dual-Use-VO. Gemäß der hier allein in Betracht kommenden Regelung des Art. 4 Abs. 4 DualUse-VO ist der Ausführer verpflichtet, vor der Ausfuhr nicht gelisteter Güter, die
  163. nach seiner positiven Kenntnis für bestimmte militärische Verwendungen bestimmt sind, das BAFA zu unterrichten, das sodann über die Genehmigungspflicht zu entscheiden hat. Eine solche positive Kenntnis im Sinne eines direkten Vorsatzes ist nach den bisherigen Erkenntnissen dem für die Ausfuhr verantwortlichen gesondert verfolgten K.
  164. jedoch nicht nachzuweisen, so dass
  165. es im Zusammenhang mit der Ausfuhr des Ofens an einem strafbaren Verhalten des K.
  166. , an dem sich der Angeschuldigte als Mittäter oder Teilnehmer
  167. beteiligt haben könnte, fehlt.
  168. 13
  169. Die Strafvorschrift des § 34 Abs. 2 AWG aF stellt, soweit sie in Verbindung mit Art. 4 Abs. 4 Dual-Use-VO Anwendung findet, zudem ein Sonderdelikt
  170. dar, da der Genehmigungsvorbehalt des Art. 4 Abs. 4 Dual-Use-VO nicht an
  171. den tatsächlichen Vorgang der Ausfuhr (vgl. BGH NJW 1992, 3114), sondern
  172. unmittelbar an die Ausführereigenschaft anknüpft (Bieneck in Bieneck, Handbuch AWR § 24 Rdn. 14). Gemäß Art. 2 Buchst. c Satz 1 Dual-Use-VO ist Ausführer jedoch nur derjenige, der zum Zeitpunkt der Entgegennahme der Anmel-
  173. -9-
  174. dung Vertragspartner des Empfängers im Drittland ist und über die Versendung
  175. der Güter aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft bestimmt. Diese Eigenschaft
  176. wies im vorliegenden Fall nur der gesondert verfolgte K.
  177. auf, nicht hingegen
  178. der Angeschuldigte. Dem Angeschuldigten fehlte sonach die erforderliche Täterqualität für dieses Ausfuhrdelikt, so dass auch aus diesem Grunde eine Strafbarkeit als Mittäter oder mittelbarer Täter nicht in Betracht gekommen wäre (Fischer, StGB 57. Aufl. § 25 Rdn. 6 und 16).
  179. 14
  180. b) Es liegen auch keine dringenden Anhaltspunkte dafür vor, dass der
  181. Angeschuldigte als (Mit- oder mittelbarer) Täter dem Verbot des Art. 7 Abs. 3
  182. Iran-Embargo-VO, einer in Anhang IV der Verordnung gelisteten Einrichtung
  183. unmittelbar oder mittelbar wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen,
  184. zuwidergehandelt oder sich an einer solchen Tat eines Dritten beteiligt und sich
  185. deshalb wegen eines Verstoßes gegen § 34 Abs. 4 Nr. 2 AWG aF strafbar gemacht hat.
  186. 15
  187. aa) Eine Strafbarkeit scheidet allerdings nicht bereits deshalb aus, weil
  188. § 34 Abs. 4 Nr. 2 AWG aF nur Zuwiderhandlungen gegen ein Bereitstellungs
  189. verbot pönalisiert, Art. 7 Abs. 3 Iran-Embargo-VO aber nicht das "Bereitstellen",
  190. sondern das "Zur-Verfügung-Stellen" von wirtschaftlichen Ressourcen untersagt. Obwohl sich insoweit der Wortlaut der Blankettnorm und der ausfüllenden
  191. Norm nicht decken, ist der Sinngehalt der beiden Tatbestandsmerkmale identisch, so dass Verstöße gegen Art. 7 Abs. 3 Iran-Embargo-VO der Strafbewehrung des § 34 Abs. 4 Nr. 2 AWG aF unterfallen.
  192. 16
  193. Dem steht nicht entgegen, dass in Verbotsnormen der Iran-Embargo-VO
  194. nicht nur der Begriff des "Zur-Verfügung-Stellens", sondern auch derjenige des
  195. "Bereitstellens" - etwa in Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und c - Verwendung findet.
  196. Zwar spricht diese Differenzierung durchaus für einen unterschiedlichen Bedeu-
  197. - 10 -
  198. tungsgehalt der Begriffe, zumal auch in der englischen Fassung der IranEmbargo-VO in Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und c ("to provide") und in Art. 7 Abs. 3
  199. ("made available") die Begriffswahl nicht identisch ist. Indes zeigt der Blick in
  200. andere EU-Embargo-Verordnungen, dass der unterschiedliche Wortlaut der
  201. Verbotsnormen in der deutschen Fassung der Iran-Embargo-VO keiner Gesetzessystematik geschuldet, sondern ersichtlich auf Ungenauigkeiten bei der
  202. Übertragung des Verordnungstextes in die deutsche Sprache zurückzuführen
  203. ist. Denn die englische Formulierung "no funds or economic ressources shall be
  204. made available", wie sie auch in Art. 7 Abs. 3 Iran-Embargo-VO verwendet wird,
  205. wird in anderen EU-Embargo-Verordnungen in vergleichbaren Zusammenhängen gebraucht und in den jeweiligen deutschen Fassungen nicht nur mit "ZurVerfügung-Stellen" (so etwa auch in Art. 2 Abs. 2 und 3 Verordnung (EG) Nr.
  206. 881/2002) sondern gleichermaßen mit "Bereitstellen" (so etwa in Art. 2 Abs. 1
  207. Buchst. b Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 und in Einl. Nr. 2 der Verordnung
  208. (EG) 881/2002) übersetzt. Dies spricht dafür, den Begriffen des "Bereitstellens"
  209. und des "Zur-Verfügung-Stellens" den selben Sinngehalt zuzuschreiben (vgl.
  210. Dahme, Terrorismusbekämpfung durch Wirtschaftssanktionen S. 113 f.).
  211. 17
  212. Der das deutsche Strafrecht beherrschende Grundsatz, dass die Auslegung eines Tatbestandsmerkmals die Grenze des äußersten Sinngehalts seines Wortlauts nicht überschreiten darf, steht diesem Ergebnis nicht entgegen.
  213. Vielmehr wird auch im deutschen Sprachgebrauch "bereitstellen" gleichgesetzt
  214. mit "zur Verfügung stellen" (vgl. Duden, Deutsches Universalwörterbuch
  215. 6. Aufl.; Grimm, Deutsches Wörterbuch Bd. 25), mithin den Begriffen eine
  216. übereinstimmende Bedeutung beigemessen.
  217. - 11 -
  218. 18
  219. bb) Die Lieferung des Ofens an die E.
  220. erfüllt jedoch weder die
  221. Voraussetzungen eines vollendeten noch eines versuchten unmittelbaren oder
  222. mittelbaren Bereit- bzw. Zur-Verfügung-Stellens einer wirtschaftlichen Ressource (vgl. BGH, Beschl. vom 8. September 2008 - StB 19/08) an eine im Anhang
  223. IV der Iran-Embargo-VO gelistete Einrichtung.
  224. 19
  225. (1) Zwar ist die SHIG unter Nr. 21 des Anhangs IV in der Iran-EmbargoVO gelistet. Eine Tatvollendung im Sinne eines unmittelbaren Bereitstellens des
  226. Ofens an diese Einrichtung liegt indes nicht vor. Denn das Bereitstellungsverbot des Art. 7 Abs. 3 Iran-Embargo-VO bezieht sich auf den tatsächlichen Vorgang des Zur-Verfügung-Stellens, also auf den Realakt, der dazu führt, dass
  227. der gelisteten Person oder der Einrichtung ein wirtschaftlicher Vorteil zu Gute
  228. kommt (vgl. Dahme aaO S. 117 f.; Morweiser in Wolffgang/Simonsen, AWRKommentar § 34 Abs. 4 AWG Rdn. 90). Tatsächlich ist der Ofen bei der SHIG
  229. jedoch nicht angelangt.
  230. 20
  231. Die Lieferung des Ofens an die E.
  232. erfüllt auch nicht die Vor-
  233. aussetzungen eines mittelbaren Bereitstellens im Sinne des Art. 7 Abs. 3 IranEmbargo-VO. Ein solches kann gegeben sein, wenn wirtschaftliche Ressourcen
  234. an nicht gelistete Dritte geliefert werden, die zur Weitergabe an die gelisteten
  235. Personen oder Organisationen bereit sind (vgl. Bieneck AW-Prax 2002, 348,
  236. 349). Zwar hatte der Angeschuldigte grundsätzlich vorgesehen, den Vakuumofen über die von ihm geführte E.
  237. an die SHIG weiter zu veräußern;
  238. Voraussetzung war jedoch, dass der Ofen funktionstüchtig war. Gerade am
  239. Fehlen dieser Voraussetzung ist die Weiterveräußerung vorliegend gescheitert.
  240. In dieser Konstellation kann die Lieferung an die E.
  241. , die ein selb-
  242. ständiges Veräußerungsgeschäft mit der SHIG nur unter bestimmten Voraussetzungen durchführen konnte und wollte, nicht bereits als vollendetes mittelba-
  243. - 12 -
  244. res Bereitstellen im Sinne des Art. 7 Abs. 3 Iran-Embargo-VO angesehen werden. Ziel des Bereitstellungsverbots ist die Verhinderung des Zugriffs der gelisteten Personen oder Einrichtungen auf Gelder und wirtschaftliche Ressourcen; ihnen soll die materielle Grundlage ihrer Tätigkeit entzogen oder vorenthalten werden (vgl. Dahme aaO S. 118). Wenn sie aber bei der Einschaltung eines
  245. Zwischenhändlers nicht ohne weiteres auf die dort angelangten Waren zugreifen können, fehlt es an einer Verbesserung ihrer materiellen Grundlage. In der
  246. Lieferung an einen Dritten kann somit nur dann ein bereits vollendetes mittelbares Bereitstellen im Sinne des Art. 7 Abs. 3 Iran-Embargo-VO liegen, wenn es
  247. im Belieben der gelisteten Person oder Einrichtung steht, auf die Gelder oder
  248. die wirtschaftliche Ressource zuzugreifen. Dies ergeben die Ermittlungen nicht.
  249. 21
  250. Schließlich stellt auch der Abschluss eines Kauf- oder Liefervertrags zwischen dem Lieferanten eines Gutes und dem gelisteten Endverwender und damit erst recht eine entsprechende vertragliche Vereinbarung, die - wie hier - nur
  251. zwischen dem Lieferanten und einem Zwischenhändler zustande gekommen
  252. ist, für sich genommen kein vollendetes unmittelbares oder mittelbares Bereitstellen einer wirtschaftlichen Ressource an die gelistete Einrichtung dar, da der
  253. bloße vertragliche Anspruch auf Auslieferung des erworbenen Gegenstands, dessen Erfüllung dem Dritten untersagt ist, noch keinen materiellen Vorteil für den gelisteten Empfänger im oben dargelegten Sinn bedeutet
  254. (Dahme aaO S. 118).
  255. 22
  256. (2) Die Tat ist aber auch noch nicht in das Stadium des strafbaren Versuchs gelangt, da der Angeschuldigte noch nicht zur Verwirklichung des Tatbestandsmerkmals Bereitstellen unmittelbar angesetzt hatte.
  257. - 13 -
  258. 23
  259. Die Teilnahme des Angeschuldigten an Vertragsverhandlungen mit dem
  260. gesondert verfolgten K.
  261. und dem Mitangeschuldigten Dr. S.
  262. im August
  263. 2006 und der ebenfalls in Deutschland erfolgte Abschluss des Vertrags vom
  264. März 2007 über den Verkauf und die Lieferung des Ofens an die E.
  265. scheiden schon deshalb als taugliche Versuchshandlungen einer Straftat nach
  266. § 34 Abs. 4 Nr. 2 AWG aF i. V. m. Art. 7 Abs. 3 Iran-Embargo-VO aus, weil sie
  267. zeitlich vor dem Inkrafttreten der Iran-Embargo-VO lagen, es mithin an einer
  268. Strafbewehrung fehlte.
  269. 24
  270. Aber auch die von Deutschland aus veranlasste Ausfuhr und Lieferung
  271. des Ofens in den Iran stellt in der hier gegebenen Fallkonstellation lediglich eine
  272. straflose Vorbereitungshandlung für das geplante Bereitstellen des Ofens an
  273. die gelistete Einrichtung dar.
  274. 25
  275. Ein unmittelbares Ansetzen zur Tat im Sinne des § 22 StGB liegt bei
  276. Handlungen des Täters vor, die nach dem Tatplan der Verwirklichung eines
  277. Tatbestandsmerkmals unmittelbar vorgelagert sind und im Falle ungestörten
  278. Fortgangs ohne Zwischenakte in die Tatbestandshandlung unmittelbar einmünden sollen (Fischer aaO § 22 Rdn. 10). Nach den bisherigen Erkenntnissen
  279. nahm der Angeschuldigte im Geltungsbereich des StGB keine Handlungen vor,
  280. durch die er nach seinen Vorstellungen unmittelbar zum Bereitstellen des
  281. Ofens an die SHIG ansetzte. Vielmehr ging sein Tatplan dahin, der SHIG den
  282. Ofen in funktionsfähigem Zustand zu überlassen. Dieser Zustand sollte jedoch
  283. erst durch den Aufbau des Ofens und nach dessen probeweiser Inbetriebnahme in der Betriebsstätte der E.
  284. im Iran hergestellt werden. Erst im
  285. Anschluss daran hätte nach der Vorstellung des Angeschuldigten der Ofen
  286. durch die E.
  287. der SHIG bereitgestellt werden sollen. Da - wie darge-
  288. legt - bei dem Tatbestandsmerkmal des Bereitstellens von Ressourcen an den
  289. - 14 -
  290. Realakt, also den materiellen Transfer des Gutes anzuknüpfen und es das Ziel
  291. des Bereitstellungsverbots ist, den gelisteten Personen oder Einrichtungen in
  292. tatsächlicher Hinsicht die materiellen Grundlagen ihrer Tätigkeit vorzuenthalten,
  293. hätte der Angeschuldigte zu einer Tathandlung im Sinne des Art. 7 Abs. 3 IranEmbargo-VO nach seinem Tatplan daher frühestens dann unmittelbar angesetzt, wenn er den Ofen von der E.
  294. auf den Weg zum gelisteten
  295. Empfänger gebracht oder für diesen zur unmittelbaren Abholung bereit gestellt
  296. hätte. Da es nach den bisherigen Erkenntnissen hierzu nicht kam, befand sich
  297. die Tat in Bezug auf die geplante Bereitstellung an die gelistete Einrichtung
  298. noch im straflosen Vorbereitungsstadium. Entsprechende versuchsbegründende Handlungen des Angeschuldigten im Iran wären im Übrigen als Tathandlungen eines Ausländers im Ausland weder nach § 35 AWG noch gemäß § 7 StGB
  299. vom Geltungsbereich des deutschen Strafrechts erfasst.
  300. (3) Der Angeschuldigte hat sich auch nicht täterschaftlich oder als Teil-
  301. 26
  302. nehmer an einer versuchten Straftat nach § 34 Abs. 4 Nr. 2 AWG aF i. V. m.
  303. Art. 7 Abs. 3 Iran-Embargo-VO des gesondert verfolgten K.
  304. einem entsprechenden strafbaren Verhalten des K.
  305. beteiligt. An
  306. fehlt es nach den Er-
  307. mittlungen bereits deshalb, weil dieser bei Veranlassung des Transports des
  308. Ofens in den Iran weder wusste noch es für möglich hielt und billigte, dass
  309. Endabnehmer der Ware eine in der Iran-Embargo-VO gelistete Einrichtung sein
  310. sollte. Darüber hinaus lag aus den oben dargelegten Gründen nach der Vorstellung des Angeschuldigten in der Versendung des Ofens an die E.
  311. noch kein versuchtes Bereitstellen an die SHIG, so dass auch dem Angeschuldigten insoweit der Vorsatz für ein strafbares Handeln als mittelbarer Täter fehlte.
  312. - 15 -
  313. 27
  314. (4) Schließlich liegen auch keine dringenden Anhaltspunkte dafür vor,
  315. dass sich der Angeschuldigte mit dem gesondert verfolgten K.
  316. dem Mitbeschuldigten Dr. S.
  317. und/oder
  318. zur mittäterschaftlichen Begehung eines
  319. Verbrechens des gewerbsmäßigen Bereitstellens einer wirtschaftlichen Ressource an eine in der Iran-Embargo-VO gelistete Einrichtung verabredet und
  320. sich deshalb gemäß § 30 Abs. 2 StGB i. V. m. § 34 Abs. 4 Nr. 2, Abs. 6 Nr. 2
  321. (und 4 Buchst. c) AWG aF, Art. 7 Abs. 3 Iran-Embargo-VO strafbar gemacht
  322. hat. Eine entsprechende Verabredung während der Vertragsverhandlungen oder bei Abschluss des Kauf- und Liefervertrags im März 2007 unterlag, da die
  323. Iran-Embargo-VO noch nicht in Kraft getreten und im Bundesanzeiger veröffentlicht war, nicht der Strafbewehrung nach § 34 Abs. 4 Nr. 2 AWG aF. Im Übrigen
  324. fehlte es - wie bereits dargelegt - dem gesondert verfolgten K.
  325. nach den
  326. bisherigen Erkenntnissen an dem erforderlichen Tatvorsatz. Dem Mitangeschuldigten Dr. S.
  327. kam im Hinblick auf das vom Angeschuldigten geplante
  328. Bereitstellen des Ofens an die SHIG nach Aktenlage nur die Rolle eines Gehilfen zu, da ihm insoweit jegliche Tatherrschaft fehlte und sich seine Mitwirkung
  329. im Vorbereitungsstadium des Bereitstellens nur auf untergeordnete Vermittlungstätigkeiten beschränkte.
  330. 28
  331. c) Entgegen der vom Generalbundesanwalt in der Anklageschrift vertretenen Rechtsauffassung hat sich der Angeschuldigte auch nicht deswegen eines Embargoverstoßes nach § 34 Abs. 4 Nr. 2 AWG aF schuldig gemacht, weil
  332. er dem Umgehungsverbot des Art. 7 Abs. 4 i. V. m. Abs. 3 Iran-Embargo-VO
  333. zuwidergehandelt hat.
  334. 29
  335. Nach § 34 Abs. 4 Nr. 2 AWG aF wird u. a. bestraft, wer einem im Bundesanzeiger veröffentlichten unmittelbar geltenden Umgehungsverbot eines
  336. Rechtsakts der Europäischen Gemeinschaften zuwiderhandelt. Eine solche
  337. - 16 -
  338. Umgehungsklausel, die sich in ähnlicher Weise in zahlreichen Embargoverordnungen findet, enthält auch die Iran-Embargo-VO. Gemäß Art. 7 Abs. 4 dieser
  339. Verordnung ist es u. a. verboten, "wissentlich und vorsätzlich" an Aktivitäten
  340. teilzunehmen, mit denen die Umgehung des in Art. 7 Abs. 3 Iran-Embargo-VO
  341. normierten Verbots, einer in Anlage IV der Verordnung gelisteten Einrichtung
  342. wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen, bezweckt oder bewirkt
  343. wird. Die Verweisung in § 34 Abs. 4 Nr. 2 AWG aF auf europarechtliche Verordnungen bewirkt, dass die Voraussetzungen des Verweisungsobjekts den
  344. Tatbestandsvoraussetzungen der Blankettnorm entsprechen, mithin ein grundsätzlicher Gleichlauf zwischen der Strafrechtsnorm des AWG und dem EGRechtsakt besteht (Morweiser aaO § 34 Abs. 4 Rdn. 71).
  345. 30
  346. Der hiernach für die Frage der Strafbarkeit maßgebliche Begriff der Umgehungshandlung bzw. der Teilnahme an Aktivitäten, die die Umgehung bezwecken, ist gesetzlich weder definiert noch näher umschrieben. Auch die Gesetzesmaterialien sind für die Auslegung unergiebig (BTDrucks.16/385 S. 5 f.).
  347. Allein seinem Wortlaut nach könnte Art. 7 Abs. 4 Iran-Embargo-VO in objektiver
  348. Hinsicht unter Einebnung der Unterscheidung zwischen Täterschaft und Teilnahme in geradezu uferloser Weise auf alle möglichen Verhaltensformen ausgedehnt werden, die selbst im weitesten Vorfeld der Rechtsgutsrelevanz dem
  349. durch Art. 7 Abs. 1 bis 3 Iran-Embargo-VO verfolgten Interesse zuwiderlaufen.
  350. Es bestehen daher erhebliche Bedenken, ob die im Schrifttum unternommenen
  351. Versuche einer Eingrenzung des Umgehungsverbots auf alle Tätigkeiten, die
  352. der formalen Scheinanpassung des Handelns an die geltenden Verbots- und
  353. Gebotsnormen dienen (Morweiser aaO § 34 Abs. 4 Rdn. 93; Bieneck in
  354. Bieneck, Handbuch AWR § 25 Rdn. 10 ff.), eine hinreichende, vom Normadressaten aus der Vorschrift nachvollziehbare Konturierung bewirken, oder ob
  355. § 34 Abs. 4 Nr. 2 AWG aF i. V. m. Art. 7 Abs. 4 Iran-Embargo-VO nicht vielmehr
  356. - 17 -
  357. dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG) widerstreitet. Dieses Gebot ist durch die formelle Einbeziehung von EGVerordnungen in das nationale Strafrecht nicht eingeschränkt; es ist auch auf
  358. Rechtsakte der Europäischen Union anzuwenden, die die nationale Blankettnorm ausfüllen (Morweiser aaO § 34 Abs. 4 Rdn. 68; Bieneck aaO § 23 Rdn.
  359. 55). Das bedeutet, dass der Bürger aus der Verbindung der strafrechtlichen
  360. Blankettvorschrift des AWG und der sie ausfüllenden Regelung in der EGVerordnung entnehmen können muss, welches Verhalten verboten ist und welche Sanktionen ihm für den Fall des Verstoßes gegen das Verbot drohen (vgl.
  361. BVerfG NJW 1992, 2624).
  362. 31
  363. Dies bedarf indes keiner näheren Vertiefung; denn hier ergibt sich unabhängig von der verfassungsrechtlichen Problematik schon aus systematischen
  364. Grundsätzen des einfachen Rechts, dass die dem Angeschuldigten nachweisbaren Aktivitäten, die er nach Inkrafttreten der Iran-Embargo-VO und deren
  365. Veröffentlichung im Bundesanzeiger (8. Mai 2007) entfaltete, auch dann nicht
  366. als Zuwiderhandeln gegen ein Umgehungsverbot nach § 34 Abs. 4 Nr. 2 AWG
  367. aF, Art. 7 Abs. 4 Iran-Embargo-VO eingestuft werden können, wenn sie der im
  368. Schrifttum vertretenen Umschreibung einer Umgehungshandlung entsprechen
  369. sollten. Dies ergibt sich aus Folgendem: Selbst nach dieser zitierten Ansicht
  370. wäre jede Handlung, die mit dem Ziel unternommen wird, einer an sich mit einer
  371. Verbots- oder Gebotsnorm eines EU-Embargos unvereinbaren Aktivität den
  372. Schein der Rechtmäßigkeit zu verleihen, bereits als vollendete Straftat nach
  373. § 34 Abs. 4 Nr. 2 AWG zu ahnden. Ein derartiges Rechtsverständnis hätte aber
  374. nicht nur eine uferlose Ausdehnung und Vorverlagerung der Strafbarkeit zur
  375. Folge; vielmehr würde das auch für die Strafvorschriften des AWG geltende
  376. System der abgestuften Strafbarkeit von Vorbereitung, Verabredung, Versuch
  377. und Vollendung für ein dem Umgehungsdelikt zugrunde liegendes Hauptdelikt
  378. - 18 -
  379. aufgelöst. Es ist aber nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber durch die Regelungstechnik des Blanketttatbestands, der zu seiner Ausfüllung auf EUEmbargo-Vorschriften verweist, für das Außenwirtschaftsstrafrecht die Systematik des deutschen Strafrechts in Teilen aufgeben wollte. Demgemäß kann
  380. die Strafbarkeit wegen eines Umgehungsdelikts nicht weiter gehen als die
  381. Strafbarkeit wegen eines Verstoßes gegen das vom Umgehungstatbestand in
  382. Bezug genommene Verbot oder Gebot. Liegt insoweit lediglich der Versuch einer Straftat nach § 34 Abs. 4 Nr. 2 AWG aF oder sogar nur eine straflose Vorbereitungshandlung vor, können die entsprechenden Handlungen daher nicht
  383. wegen eines Verstoßes gegen ein Umgehungsverbot zu einer vollendeten
  384. Straftat heraufgestuft werden.
  385. 32
  386. Gemessen an diesen Grundsätzen kann dem Angeschuldigten kein Verstoß gegen das Umgehungsverbot des § 34 Abs. 4 Nr. 2 AWG aF i. V. m. Art. 7
  387. Abs. 4 Iran-Embargo-VO zur Last gelegt werden. Soweit der Generalbundesanwalt die Umgehungshandlungen in den Tätigkeiten des Angeschuldigten erblickt, die die Auslieferung des Ofens an die lediglich zum Schein als Endabnehmerin auftretende E.
  388. bewirkten, scheidet eine Strafbarkeit wegen
  389. eines Verstoßes gegen das Umgehungsverbot aus, weil - wie oben dargelegt die Ausfuhr und Lieferung des Gutes an die E.
  390. lediglich eine straflo-
  391. se Vorbereitungshandlung des von Art. 7 Abs. 4 Iran-Embargo-VO in Bezug
  392. genommenen Bereitstellungsverbots darstellte. Gleiches gilt für die im Zusammenhang mit der beabsichtigten Auslieferung des Ofens vom Angeschuldigten
  393. zur Verschleierung entfalteten "Aktivitäten"; auch diese bereiteten die Bereitstellung des Ofens an die gelistete Einrichtung nur vor und sind daher straflos.
  394. - 19 -
  395. 33
  396. d) Soweit der Mitangeschuldigte Dr. S.
  397. im Zusammenhang mit dem
  398. Verkauf und der im Juli 2007 erfolgten Ausfuhr des in Anhang II der IranEmbargo-VO gelisteten Ofens in den Iran verschiedene Aktivitäten entfaltete,
  399. geschah dies vor Veröffentlichung des § 69 o AWV im Bundesanzeiger
  400. (22. August 2007), so dass ein strafbewehrtes Erbringen ungenehmigter Maklerdienstleistungen gemäß § 34 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. b AWG aF, § 70 a Abs. 2
  401. Nr. 9, § 69 o Abs. 9 AWV i. V. m. Art. 5 Abs. 2 Buchst. a Iran-Embargo-VO
  402. durch den Mitangeschuldigten, zu dem ihn der Angeklagte angestiftet haben
  403. könnte, nicht vorlag.
  404. 34
  405. 2. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob der Angeschuldigte über
  406. den Tatvorwurf im Haftbefehl hinaus entsprechend der Anklageschrift dringend
  407. verdächtig ist, den gesondert verfolgten K.
  408. durch eine Handlung nach dem
  409. 22. August 2007 (Veröffentlichung des § 69 o AWV im Bundesanzeiger) zu einem Verbrechen gemäß § 34 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. b, Abs. 6 Nr. 2 und 4
  410. Buchst. c AWG aF i. V. m. § 69 o Abs. 9, § 70 a Abs. 2 Nr. 9 AWV (idF der 81.
  411. AWV-ÄnderungsVO vom 23. Dezember 2007) angestiftet zu haben, indem er
  412. ihn im März 2008 veranlasste, Mitarbeiter der F.
  413. ohne Einholung der für
  414. technische Unterstützungshandlungen erforderlichen Genehmigung in den Iran
  415. zu entsenden, um dort den bereits ausgelieferten Ofen funktionsfähig zu machen. Es kann auch offen bleiben, ob es ggf. im Haftprüfungsverfahren nach
  416. §§ 121, 122 StPO zulässig wäre, den Haftbefehl auf diesen Vorwurf umzustellen und auf dieser (neuen) Grundlage die Haftfortdauer anzuordnen (ablehnend: OLG Hamm MDR 1975, 950; OLG Koblenz NStZ-RR 2008, 92;
  417. Schultheis in KK 6. Aufl. § 125 Rdn. 2; Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 125
  418. Rdn. 2). Denn die Verfolgung allein dieser Straftat kann die Zuständigkeit des
  419. Generalbundesanwalts gemäß § 142 a, § 120 Abs. 2 Nr. 4 Buchst. a GVG - die
  420. Voraussetzungen des § 120 Abs. 2 Nr. 4 Buchst. b GVG liegen insoweit ersicht-
  421. - 20 -
  422. lich nicht vor - und damit auch des Ermittlungsrichters und des Staatsschutzsenats des Bundesgerichtshofs im Haftprüfungsverfahren nicht begründen.
  423. 35
  424. Der vorgenannte Tatvorwurf wäre für sich betrachtet nicht geeignet, die
  425. auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich zu gefährden, so dass bereits aus diesem Grund eine Verfolgungszuständigkeit des
  426. Generalbundesanwalts für diese Tat ausscheidet. Nach der Rechtsprechung
  427. des Bundesgerichtshofs kommt bei der Prüfung, ob eine Handlung des Täters
  428. geeignet ist, eine erhebliche Gefährdung der auswärtigen Beziehungen herbeizuführen, dem Umstand, ob staatlichen deutschen Stellen ein Vorwurf daraus
  429. gemacht werden kann, dass es zu dem Verstoß gegen die außenwirtschaftsrechtlichen Bestimmungen kommen konnte, eine wesentliche Indizwirkung zu
  430. (BGHSt 53, 238, 255 f.). Entsprechendes ergeben die Ermittlungen nicht, denn
  431. die Entsendung der Techniker in den Iran zum Zwecke der Inbetriebnahme des
  432. Ofens geschah ohne Einschaltung oder Täuschung der deutschen Exportkontrollbehörden. Zweifel an deren Effektivität konnten daher nicht aufkommen.
  433. Dies gilt erst recht mit Blick darauf, dass das BAFA im Tatzeitraum dafür Sorge
  434. trug, der F.
  435. umgehend neue Hinweise auf eine Einbindung der E.
  436. in das iranische Trägertechnologieprogramm zuzuleiten, wodurch ein weiteres
  437. Tätigwerden der F.
  438. im Iran unterbunden werden konnte. Andere Umstände
  439. von Gewicht, die allein diesen Tatvorwurf geeignet erscheinen lassen, eine erhebliche Gefährdung der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik
  440. Deutschland herbeizuführen, sind vor diesem Hintergrund nicht ersichtlich. Daher kann auch dahinstehen, ob maßgeblicher Anknüpfungspunkt der Strafverfolgungskompetenz des Bundes nach § 120 Abs. 2 Nr. 4 Buchst. a GVG in Bezug auf den Angeklagten nicht ohnehin dessen Anstiftungshandlung im Iran
  441. sein müsste, die aber schwerlich geeignet sein kann, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich zu gefährden.
  442. - 21 -
  443. III.
  444. 36
  445. Der Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom
  446. 17. Oktober 2009 kann nach alledem nicht Bestand haben.
  447. Becker
  448. Sost-Scheible
  449. Mayer