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7.5 KiB

  1. 5 StR 97/07
  2. BUNDESGERICHTSHOF
  3. IM NAMEN DES VOLKES
  4. URTEIL
  5. vom 23. Mai 2007
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. wegen Beihilfe zur versuchten besonders schweren räuberischen
  9. Erpressung u. a.
  10. -2-
  11. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 23. Mai 2007,
  12. an der teilgenommen haben:
  13. Vorsitzender Richter Basdorf,
  14. Richter Häger,
  15. Richterin Dr. Gerhardt,
  16. Richter Dr. Brause,
  17. Richter Schaal
  18. als beisitzende Richter,
  19. Richterin
  20. als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
  21. Rechtsanwalt
  22. als Verteidiger,
  23. Justizangestellte
  24. als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
  25. -3-
  26. für Recht erkannt:
  27. I.1. Auf die Revision des Angeklagten E.
  28. wird das
  29. Urteil des Landgerichts Hamburg vom 6. September 2006 aufgehoben
  30. a) mit den zugehörigen Feststellungen, soweit dieser
  31. Angeklagte wegen Beihilfe zur versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung
  32. und mit Beihilfe zur Freiheitsberaubung verurteilt
  33. worden ist,
  34. b) im Gesamtstrafenausspruch.
  35. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer
  36. Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten
  37. des Rechtsmittels des Angeklagten, an eine andere
  38. Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
  39. II.1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das genannte Urteil wird verworfen.
  40. 2. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels der
  41. Staatsanwaltschaft und die hierdurch dem Angeklagten
  42. entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
  43. – Von Rechts wegen –
  44. -4-
  45. Gründe
  46. 1
  47. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur versuchten
  48. besonders schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Beihilfe zur
  49. gefährlichen Körperverletzung und mit Beihilfe zur Freiheitsberaubung sowie
  50. wegen versuchten Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr
  51. und neun Monaten verurteilt und die Vollstreckung dieser Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Der Angeklagte hat die Verurteilung wegen versuchten
  52. Diebstahls zu der Einsatzstrafe von einem Jahr und vier Monaten Freiheitsstrafe hingenommen, die in Rechtskraft erwachsen ist. Er hat seine Revision
  53. auf die Verurteilung wegen des weiteren Schuldspruchs beschränkt. Das
  54. Rechtsmittel hat – in Übereinstimmung mit dem Antrag des Generalbundesanwalts – vollen Erfolg. Die Staatsanwaltschaft greift mit ihrer Revision lediglich den Rechtsfolgenausspruch insoweit an, als das Landgericht dem Angeklagten Strafaussetzung zur Bewährung zugebilligt hat. Ihr vom Generalbundesanwalt vertretenes Rechtsmittel bleibt erfolglos.
  55. 2
  56. 1. Das Landgericht hat neben dem Sachverhalt, der zur Verurteilung
  57. wegen versuchten Diebstahls geführt hat, im Wesentlichen Folgendes festgestellt:
  58. 3
  59. Der Angeklagte E.
  60. wurde 1999, u. a. wegen schweren Raubes
  61. und Vergewaltigung, zu einer Jugendstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt, die er voll verbüßt hat, ferner 2004 und 2005 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis je zu einer Geldstrafe.
  62. 4
  63. Der Angeklagte besuchte am Abend des 16. April 2005 mit den wie er
  64. aus der früheren Sowjetunion stammenden Mitangeklagten B.
  65. und P.
  66. und dem später geschädigten
  67. , Le.
  68. Br.
  69. eine Diskothek. Dort nahmen die jungen Männer in beträchtlichem Umfang
  70. alkoholische Getränke und Ecstasytabletten zu sich. Mit bei einer Tankstelle
  71. besorgten weiteren alkoholischen Getränken begaben sie sich in die
  72. -5-
  73. Ein-Zimmer-Wohnung des Le.
  74. Angeklagte P.
  75. , um weiter zu „feiern“ (UA S. 11). Der
  76. erhielt gegen 6.00 Uhr einen Anruf von seiner
  77. Freundin, die ihm mitteilte, Br.
  78. schrie Br.
  79. Br.
  80. hätte sie „angemacht“. P.
  81. deshalb an, machte ihm Vorwürfe und packte ihn am Kragen.
  82. riss sich los und versetzte P.
  83. schlug auf Br.
  84. mit der Faust ein. Br.
  85. eine Ohrfeige. Dieser
  86. bat den Angeklagten um Hilfe.
  87. Dieses Ansinnen lehnte der Angeklagte mit den Worten ab, Br.
  88. in Ruhe lassen, und legte sich in das Bett des Le.
  89. drückte Br.
  90. solle ihn
  91. . P.
  92. mit einem Ladekabel über dessen Hals gegen die Wand,
  93. schlug ihm ins Gesicht, drohte mit Schlägen, verlangte die Zahlung von
  94. 20.000 Euro, ersatzweise die Übergabe eines hochwertigen Pkw, widrigenfalls das Kfz demoliert und die Mitglieder der Familie des Br.
  95. umge-
  96. bracht würden. P.
  97. , den
  98. Br.
  99. und B.
  100. veranlassten Le.
  101. zu bewachen, und verließen die Wohnung. Br.
  102. bat den Ange-
  103. klagten abermals um Hilfe. Der Angeklagte äußerte indes erneut, man solle
  104. ihn in Ruhe lassen. Nach geraumer Zeit führte Le.
  105. 5
  106. den Geschädigten
  107. Br.
  108. in eine andere Wohnung im Nachbarhaus, wo P.
  109. B.
  110. ihre Drohung wiederholten.
  111. und
  112. 2. Der Generalbundesanwalt und die Verteidigung verneinen auf der
  113. Grundlage dieser Feststellungen übereinstimmend und zutreffend eine Beihilfestrafbarkeit des Angeklagten.
  114. 6
  115. Soweit das Landgericht einen Beihilfevorsatz in den die Hilfeersuchen
  116. des Br.
  117. zurückweisenden Äußerungen des Angeklagten erkannt hat,
  118. weil es dem Angeklagten bewusst gewesen sei, dass er damit die andauernden Übergriffe fördern würde, fehlt es vor dem Hintergrund der als Beweisgrundlage lediglich zur Verfügung stehenden inhaltsarmen Pauschalgeständnisse aller Angeklagter an einer ausreichenden Tatsachengrundlage für
  119. diese Schlussfolgerung (vgl. BGH StV 2002, 235; Tröndle/Fischer, StGB
  120. 54. Aufl. § 27 Rdn. 7).
  121. -6-
  122. 7
  123. Eine Strafbarkeit wegen einer Beihilfe durch Unterlassen scheidet ohnehin aus. Zu Recht weist der Generalbundesanwalt darauf hin, dass die
  124. – vom Landgericht nicht näher festgestellte – übergeordnete Position des
  125. Angeklagten in der unstrukturierten Zufallsgemeinschaft von Trinkgenossen
  126. den Angeklagten nicht zum Überwachungsgaranten gemacht hat. Ferner
  127. durfte der Angeklagte nicht nur deshalb als Beschützergarant angesehen
  128. werden, weil der Angeklagte das Opfer Br.
  129. schon aus seiner Schulzeit
  130. gekannt hatte (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 13 Rdn. 19 f.). Schließlich ist für
  131. das Vorliegen von ingerenzbegründenden Umständen nichts festgestellt.
  132. 8
  133. Dem Senat ist es im Blick auf § 265 Abs. 1 StPO verwehrt, selbst auf
  134. eine Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung durchzuentscheiden.
  135. 9
  136. 3. Der Revision der Staatsanwaltschaft bleibt der Erfolg versagt. Das
  137. Landgericht hat den ihm innerhalb des § 56 StGB gegebenen weiten Beurteilungsspielraum nicht überschritten (vgl. BGHR StGB § 56 Abs. 2 Gesamtwürdigung 4).
  138. 10
  139. Die Erwägung des Landgerichts, „es ist jedenfalls zugunsten des Angeklagten davon auszugehen, dass sich der Angeklagte unter dem Eindruck
  140. einer nicht unerheblichen Bewährungsstrafe und einer sechs Monate dauernden Untersuchungshaft im Erwachsenenvollzug auch ohne Einwirkung
  141. des Strafvollzuges künftig straffrei führen wird …“ (UA S. 49), beruht nicht auf
  142. einer unzulässigen Anwendung des Zweifelssatzes, sondern ist Ausdruck
  143. vertretbarer tatrichterlicher Überzeugung. Diese ist ausreichend tatsächlich
  144. belegt, was sich ohne weiteres aus den nachfolgend dargelegten persönlichen Umständen ergibt. Bei der Prüfung der Kriminalitätsprognose hat das
  145. Landgericht die verbüßte Jugendstrafe des Angeklagten bedacht, ihr aber
  146. ohne Rechtsfehler wegen der lange zurück liegenden Taten keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen (vgl. BGH NStZ-RR 2006, 202). Die
  147. beiden Verurteilungen zu Geldstrafen wegen Verkehrsdelikten hat das Land-
  148. -7-
  149. gericht noch vertretbar ersichtlich nicht als Ausdruck einer fortwirkenden
  150. rechtsfeindlichen Gesinnung des Angeklagten gewertet.
  151. 11
  152. Die mit der Prognoseentscheidung zusammenhängenden, für die Aussetzungsentscheidung angeführten konkreten Umstände (UA S. 49 f.) durften
  153. – wie es das Landgericht getan hat – in der rechtlich gebotenen Gesamtschau als besondere im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB gewertet werden (vgl.
  154. BGHR StGB § 56 Abs. 2 Gesamtwürdigung 1).
  155. Basdorf
  156. Häger
  157. Brause
  158. Gerhardt
  159. Schaal