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  1. 5 StR 49/12
  2. BUNDESGERICHTSHOF
  3. BESCHLUSS
  4. vom 28. März 2012
  5. in der Strafsache
  6. gegen
  7. wegen sexueller Nötigung
  8. -2-
  9. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. März 2012
  10. beschlossen:
  11. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 26. September 2011 nach § 349
  12. Abs. 4 StPO im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
  13. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als
  14. unbegründet verworfen.
  15. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
  16. G r ü n d e
  17. 1
  18. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung zu
  19. einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die auf
  20. die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat im Umfang der Beschlussformel Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet nach § 349 Abs. 2
  21. StPO.
  22. 2
  23. 1. Der Schuldspruch bleibt bestehen. Die Beweiswürdigung hält trotz
  24. der unaufgelösten Widersprüche zwischen den Angaben der Nebenklägerin
  25. und der Einlassung des Angeklagten einerseits und der Aussage des Zeugen
  26. H.
  27. andererseits angesichts der vorhandenen objektiven Beweismit-
  28. tel (DNA-Spuren, Verletzungen der Nebenklägerin und Fundort ihrer Brille)
  29. im Ergebnis sachlich-rechtlicher Prüfung stand.
  30. -3-
  31. 3
  32. 2. Jedoch begegnet der Strafausspruch unter mehreren Gesichtspunkten durchgreifenden sachlich-rechtlichen Bedenken.
  33. 4
  34. a) Das Landgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, „dass der Angeklagte
  35. aufgrund seines Alkoholkonsums enthemmt war und dies mit ein Grund dafür
  36. war, dass er sich entschloss, die Tat zu begehen“ (UA S. 19). Die Voraussetzungen des § 21 StGB hat es allerdings ebenso verneint, wie diejenigen des
  37. § 177 Abs. 5 StGB. Eine alkoholbedingt erhebliche Verminderung der
  38. Schuldfähigkeit des Angeklagten hat das Landgericht alleine im Hinblick darauf ausgeschlossen, dass „weder der Angeklagte noch die Nebenklägerin
  39. bzw. der Zeuge
  40. H.
  41. schilderten, dass der Angeklagte stark betrunken
  42. war. Es wurde von keinem von alkoholbedingten Ausfallerscheinungen wie
  43. Lallen, Torkeln etc. berichtet“ (UA S. 11).
  44. 5
  45. Diese Erwägungen tragen den Ausschluss einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten nicht. Nach den Feststellungen
  46. betrieb dieser im Tatzeitraum in erheblichem Maße Alkoholmissbrauch. Der
  47. Tat ging eine „Feier“ in der Wohnung des Zeugen H.
  48. voraus, an der neben
  49. dem Zeugen die Nebenklägerin sowie der Angeklagte teilnahmen und bei der
  50. die Nebenklägerin Champagner, der Zeuge und der Angeklagte Wodka tranken. Nach der Einlassung des Angeklagten, auf welche die Strafkammer ihre
  51. Feststellungen „zum Alkoholkonsum“ stützt (UA S. 11), hat dieser am Tattag
  52. bis zum Abend „wohl einen Liter Wodka getrunken“ (UA S. 10). Die vom Angeklagten beabsichtigte vaginale Vergewaltigung der Nebenklägerin konnte
  53. er infolge von Erektionsstörungen nicht ausführen.
  54. 6
  55. Angesichts dieser Umstände, die Anhaltspunkte für eine erhebliche
  56. Verminderung des nur relativ geringfügig und nicht einschlägig vorbestraften
  57. Angeklagten bieten, konnten die Voraussetzungen des § 21 StGB nicht alleine aufgrund der bekundeten Wahrnehmungen der ebenfalls nicht unerheblich alkoholisierten Zeugen ausgeschlossen werden. Auch unternimmt das
  58. Landgericht, das keinen medizinischen Sachverständigen zugezogen hat,
  59. -4-
  60. keinen Versuch einer Berechnung der Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit
  61. auf der Grundlage der Angaben des Angeklagten.
  62. 7
  63. Da der Angeklagte sich selbst als „angetrunken“ beschrieben hat und
  64. die Tat einzelne Merkmale eines gezielten Vorgehens aufweist (Mitnahme
  65. des Mantels und der Schuhe der Nebenklägerin in die Wohnung des Angeklagten, um sie dorthin zu locken), kann der Senat zwar eine Schuldunfähigkeit des Angeklagten bei der Tat ausschließen. Jedoch bedarf es erneuter
  66. Prüfung, ob die Schuldfähigkeit des Angeklagten infolge seiner Alkoholisierung erheblich vermindert war oder hiervon zumindest aufgrund des Zweifelssatzes auszugehen ist. Obgleich die verhängte Strafe maßvoll ist, kann
  67. der Strafausspruch auf dem fehlerhaften Ausschluss einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit beruhen.
  68. 8
  69. b) Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht zu Lasten des
  70. Angeklagten berücksichtigt, dass er versuchte, den Geschlechtsverkehr mit
  71. der Nebenklägerin auszuführen, „obwohl bereits ein halbes Jahr vor der Tat
  72. es zu einem nicht einvernehmlichen Geschlechtsverkehr mit der Nebenklägerin gekommen war“ (UA S. 19). Abgesehen davon, dass zur Feststellung
  73. dieser Tat im angefochtenen Urteil jegliche Beweiswürdigung fehlt, war die
  74. Strafkammer auch nicht befugt, diese Feststellung gegen den Angeklagten
  75. zu verwerten. Der Angeklagte wurde aufgrund Europäischen Haftbefehls der
  76. Staatsanwaltschaft Saarbrücken vom 5. Dezember 2008 am 27. Juni 2011 in
  77. Polen festgenommen. Die Auslieferungsbewilligung des Bezirksgerichts Lublin umfasst nur die abgeurteilte Tat vom 28. Dezember 2007, nicht jedoch die
  78. ursprünglich mitangeklagte Tat vom Sommer 2007, für die dementsprechend
  79. die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt wurde. Die Verwertung dieser
  80. Tat zum Nachteil des Angeklagten bei der Strafzumessung verletzt den
  81. Grundsatz der Spezialität nach Art. 27 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses des
  82. Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (2002/584/JI) in Verbindung mit
  83. § 83h Abs. 1 Nr. 1 IRG. Danach ist nicht nur die Festsetzung selbständiger
  84. -5-
  85. Strafen für andere Taten als die Auslieferungstat ausgeschlossen, sondern
  86. auch deren Mitbestrafung im Wege der Erhöhung der für die Auslieferungstat
  87. verwirkten
  88. Strafe
  89. (BGH,
  90. Urteile
  91. vom
  92. 19.
  93. Februar
  94. 1969
  95. – 2 StR 612/68, BGHSt 22, 318; vom 12. Januar 2012 – 4 StR 499/11
  96. Rn. 19; Theune in LK, 12. Aufl., § 46 Rn. 179).
  97. 9
  98. c) Schließlich wird das neue Tatgericht nach § 51 Abs. 3 Satz 2,
  99. Abs. 4 Satz 2 StGB einen Ausspruch über die Anrechnung der vom Angeklagten in Polen erlittenen Auslieferungshaft zu treffen haben.
  100. Basdorf
  101. Schaal
  102. König
  103. Schneider
  104. Bellay